Dokumentationen Bundesregierung – Teil 2 khd
Stand:  10.4.2005   (24. Ed.) – File: Dokus/BundesReg2.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Texte, Pressemitteilungen u. a. der Deutschen Bundesregierung sowie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) – nunmehr das Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) – dokumentiert:

  • 07.04.2005:  Erster BAB-Fall in Deutschland. (BAB = Born-After-Ban vom Dezember 2000)
  • 25.11.2004:  Zu früh für Entwarnung bei BSE .
  • 14.01.2004:  Fehlende BSE-Tests.
  • 21.11.2003:  3 Jahre BSE in Deutschland.
  • 27.01.2003:  Bundestag: Acrylamid in Lebensmitteln.
  • 04.12.2002:  Acrylamid-Minimierungskonzept erfolgreich angelaufen.
  • 00.10.2002:  Gesundheitsgefährdung durch Acrylamid in Lebensmitteln. (Bericht)
  • 05.01.2001:  Für eine verbraucher- und umweltorientierte Agrar- und Ernährungspolitik. (Funke)
  • 04.01.2001:  Konsequenzen aus der BSE-Krise für die Landwirtschafts- und Umweltpolitik.
  • Ältere Dokumentationen  (1. Teil).
    Made with Mac


    Information des Bundesministeriums für Umweltschutz
    vom 4. Januar 2001

    [ Ed: Das folgende Programm erarbeiteten die Staatssekretäre Rainer Baake (Umwelt) und Martin Wille (Landwirtschaft). Es sollte eigentlich als Beschlußvorlage der Agrar- und Umweltministerkonferenz der Länder am 18. Januar 2001 vorgelegt werden. Aber Landwirtschaftsminister Funke will es nicht akzeptieren. Deshalb wurde es bereits am 4.1.2001 vom Umweltministerium veröffentlicht. ]

    7-Punkte-Programm zu den Konsequenzen aus der BSE-Krise
    für die Landwirtschafts- und Umweltpolitik

    Das Auftreten von sieben BSE-Fällen im November/Dezember des Jahres 2000 hat in Deutschland zu einem tiefgreifenden Bewusstseinswandel geführt, und zwar sowohl über unser Ernährungsverhalten, als auch über die Form der Erzeugung sowie Ver- und Bearbeitung von Nahrungsmitteln.

    Dieser Wandel drückt sich insbesondere darin aus, dass Bundesregierung, Deutscher Bundestag und Bundesrat innerhalb einer Woche nahezu einstimmig das Gesetz über das Verbot des Verfütterns protein- und fetthaltiger tierischer Erzeugnisse beschlossen haben. Die darin zum Ausdruck kommende Priorität für den vorsorgenden Verbraucherschutz hat weitreichende Auswirkungen auch auf andere Bereiche der Politik.

    Die bisherige Landwirtschaftspolitik muss grundlegend überprüft und angepasst werden. Belange des Verbraucher- und Umweltschutzes müssen in die gemeinsame europäische und in die nationale Agrarpolitik viel stärker als bisher integriert werden.

    Die Neuausrichtung muss insbesondere folgende Bereiche umfassen:

    1. Vertrauen zurückgewinnen

    Qualitätsprodukte müssen der Standard in der Nahrungsmittelerzeugung sein. Ein Qualitätssiegel mit klaren Kennzeichnungsregelungen soll die Entscheidung beim Einkauf erleichtern. Es muss Anforderungen an eine umwelt- und naturverträgliche Produktionsweise, eine artgerechte und flächengebundene Tierhaltung, Standards für und klare Kennzeichnung von Futtermitteln, eine lückenlose Herkunftskennzeichnung vom Stall bzw. Acker bis zur Ladentheke garantieren. Auf einer Positivliste sollen erlaubte Futtermittel abschließend erfasst werden. Antibiotisch wirkende Leistungsförderer sind zu verbieten.

    2. Ökolandbau zum Durchbruch verhelfen

    Das Nachfragepotential für Erzeugnisse des Ökolandbaus könnte bis 2010 auf bis zu 20% anwachsen. Entsprechend sollte das heimische Anbaupotential für den Ökolandbau ausgedehnt werden. Hierzu wird vorgeschlagen, in einem Sonderrahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) für die Förderung des Anbaus und der Vermarktung ökologischer Erzeugnisse von 2002 bis 2005 500 Mio. DM zweckgebunden zur Verfügung zu stellen. Eine umfangreiche Informations- und Werbekampagne, gemeinsam getragen von Bund und Ländern, soll die Verbraucher für die Produkte des Öko-Landbaus gewinnen. Mit Großabnehmern und deren Verbänden sollen Selbstverpflichtungen über die bevorzugte Abnahme von Produkten des Ökolandbaus ausgehandelt werden.

    3. Natur- und umweltverträglich wirtschaften

    Die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes wird einen wesentlichen Beitrag für eine natur- und umweltverträgliche Landbewirtschaftung leisten. Regelungen zur guten fachlichen Praxis sind durch die Länder unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu konkretisieren und umzusetzen. Die natürliche und flächengebundene Tierhaltung soll besonders gefördert werden, z. B. durch Einführung einer Gründlandprämie bei Verzicht auf die Silomaisprämie. Ziel ist das Wiederherstellen von Naturkreisläufen und die Abkehr von der Massentierhaltung ohne Futterbasis im Betrieb. Insbesondere im Tierhaltungsbereich soll die Prämiengewährung neu gestaltet und möglichst auf bestimmte Obergrenzen des jeweiligen Tierbestandes beschränkt werden. Eingesparte Mittel sollten vorrangig für die Förderung einer extensiven Bewirtschaftung eingesetzt werden.

    4. Eine neue EU-Agrarreform muss auf die Agenda

    Mit der Agenda 2000 wurde eine grundlegende Kurskorrektur in der EU-Agrarpolitik eingeleitet. Im Hinblick auf die WTO-Verhandlungen und die Osterweiterung der EU ab 2003 muss der Reformkurs fortgesetzt und vertieft werden, und zwar

    Deutschland wird national bereits ab 2002 Agrarsubventionen mit Umweltanforderungen verknüpfen. Insbesondere muss jeder Landwirt, der Subventionen erhält, ein Umweltcontrolling nach einheitlichen Vorgaben aufbauen, mit dem er für sich und die Kontrollbehörden die Einhaltung von verbindlichen Umweltanforderungen und ggf. das Erbringen darüber hinaus gehender ökologischer Leistungen demonstrieren kann. Agrarsubventionen, die Umweltbelastungen bewirken oder verschärfen, sind abzuschaffen.

    5. Perspektiven für die Landwirtschaft – vom Nahrungsproduzenten zum Dienstleister für den ländlichen Raum

    Der sich verschärfende Wettbewerb bei der Nahrungsproduktion hat den Trend zu industriellen Produktionsmethoden beschleunigt. Eine Umkehr ist notwendig, die durch geänderte Konsumgewohnheiten gestützt werden muss. Dies bietet auch der regionalen Vermarktung von Qualitätsprodukten neue Chancen. Eine stärkere Förderung in der GAK ist wünschenswert.

    Eine besondere Bedeutung wird künftig alternativen Erwerbsmöglichkeiten für Landwirte im Dienstleistungsbereich zukommen. Die Honorierung von Leistungen im Naturschutz und in der Landschaftspflege, die Energieerzeugung aus Biogas/-masse und der sanfte Tourismus müssen zu zukunftsfähigen Betriebszweigen für Landwirte ausgebaut werden.

    In Deutschland ist die GAK das zentrale Element für eine entsprechende Förderung der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume. Auch die GAK muss eine Neuorientierung erfahren. Die traditionelle Agrarinvestitionsförderung ist auf ihre Umwelt- und Naturverträg-lichkeit zu überprüfen. Mittel sind in den Ausbau von umwelt- und naturschutzbezogenen Maßnahmen einschließlich FFH-Ausgleich zu verlagern. Die geplante Aufstockung um 100 Mio. DM für 2002 sollte in den Folgejahren nicht wie bisher beabsichtigt rückgängig gemacht werden. Gegebenenfalls ist das GAK-Gesetz anzupassen.

    6. Agrarrecht entrümpeln

    Das teilweise noch aus den 50er Jahren stammende Landwirtschaftsförderungsrecht muss entrümpelt und an die Erfordernisse einer verbraucher- und umweltbezogenen Landwirtschaftspolitik angepasst werden.

    7. Nachhaltige Landwirtschaft weltweit voranbringen

    Es müssen alle Schritte unternommen werden, um weltweite Mindeststandards für eine umwelt- und naturverträgliche Landbewirtschaftung zu schaffen. Solange ein entsprechender internationaler Konsens nicht erreichbar ist, darf die WTO nicht einzelne Mitglieder daran hindern, die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um eine umwelt- und naturverträgliche Entwicklung der ländlichen Räume im eigenen Land zu sichern.

    Die Agrar- und Umweltminister des Bundes und der Länder werden sich mit Nachdruck für eine schnellstmögliche Umsetzung der vorgenannten Schwerpunkte einsetzen. Die Agrar- und Umweltminister der Länder bitten den Bund, der AMK und der UMK im Jahr 2002 über die Umsetzung dieses Beschlusses zu berichten.



    Information des Bundesministeriums für Landwirtschaft
    vom 5. Januar 2001

    [ Ed: Das folgende Programm zur Neuausrichtung der Landwirtschaft angesichts der BSE-Krise stellte Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) am 5.1.2001 dem Landwirtschafts- und Gesundheitsausschuss des Bundestages in Berlin vor. Am 9.1.2001 trat Funke zurück. ]

    Für eine verbraucher- und umweltorientierte Agrar- und Ernährungspolitik

    Handlungsbedarf besteht in folgenden acht Bereichen:

    1. Weitere BSE-Schutzmaßnahmen

    2. Verbraucherorientierte Agrar- und Ernährungspolitik: Transparenz und Sicherheit vom Stall bis zur Ladentheke

    • Neuausrichtung des Absatzfondsgesetzes und Verwendung der Mittel für die Einführung von Qualitäts- und Herkunftssicherungssystemen, die alle Stufen der Lebensmittelkette (Futterlieferant – Landwirt – Verarbeiter – Vermarkter) erfassen.
    • Ausbau der Verbraucheraufklärung und Stärkung der regionalen Verbraucherzentralen.
    • Verbot antibiotischer Leistungsförderer in der Tiermast.

    3. Stärkung der Lebensmittelsicherheits-Forschung

    • Ausbau der nationalen BSE-/Scrapie-Referenzlabors an den Bundesforschungsanstalten für Viruskrankheiten der Tiere zu einem "Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger" mit Standort Insel Riems.
    • Einbindung der Lebensmittelsicherheits-Forschung in ein nationales und europäisches Netzwerk.

    4. Gemeinschaftsaufgabe nachhaltige ländliche Entwicklung

    • Die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" wird zur Gemeinschaftsaufgabe "Nachhaltige ländliche Entwicklung" weiterentwickelt.

    5. Erarbeitung eines Landentwicklungsgesetzes

    • Das Grundstücksverkehrs- und Landpachtverkehrsgesetz werden modernisiert.

    6. Verabschiedung eines Ökolandbaugesetzes

    • Einheitliche Überwachung der Ökobetriebe und Einführung scharfer Sanktionsregelungen bei Verstößen.
    • Staatliches Kennzeichen für Ökoerzeugnisse.
    • Zentralisierung der Importermächtigung für Drittlandsware, um einheitliche Standards sicherzustellen.
    • Verstärkte Förderung des Anbaus und der Vermarktung ökologischer Erzeugnisse als Bund-Länder- Gemeinschaftsaufgabe "Nachhaltige ländliche Entwicklung".

    7. Umweltbezogene Förderung

    Nachhaltige Stärkung des Vertragsnaturschutzes mit Vorrang vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen.

    • Einführung einer Grünlandprämie.
    • Verstärkter Ausbau von Eiweißfutterpflanzen zwecks Verbesserung der Eiweißversorgung aus heimischer Produktion.
    • Stärkung der flächengebundenen Tierhaltung im Sinne der Kreislaufwirtschaft.
    • Überprüfung des landwirtschaftlichen Bewertungsgesetzes mit dem Ziel, die Abgrenzung bäuerlicher und gewerblicher Tierhaltung anzupassen.

    8. EU-Agrarpolitik/WTO

    • Verankerung hoher Standards des Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutzes im WTO-Vertragswerk für den Landwirtschaftsbereich.
    • Angleichung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU bei Wahrung hoher Standards des Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutzes.
    • Überprüfung der EU-Agrarpolitik.
    • Verschärfung der Tiertransportbedingungen.



    Pressemitteilung der Bundesregierung
    von Ende Oktober (?) 2002

    [ Ed: Der Text dieser Pressemitteilung Nr. ??? wurde am 9.12.2002 auf der Homepage von Ulrike Höfken, MdB (Grüne) vorgefunden. Die Links wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    Bericht der Bundesregierung über die
    Gesundheitsgefährdung durch Acrylamid in Lebensmitteln

    1. Hintergrund

    Am 24.04.2002 informierte die Europäische Kommission über das Schnellwarnsystem für Lebensmittel über Befunde von Acrylamid in Lebensmitteln in Schweden. Acrylamid wurde in zum Teil hohen Gehalten in bestimmten stärkehaltigen Lebensmitteln nachgewiesen, wie z. B. in Kartoffelchips, Knäckebrot, Frühstückscerealien, Pommes frites. Die gefundenen Ergebnisse wurden inzwischen auch in anderen Ländern ( z. B. Schweiz, Norwegen, England, Deutschland, USA, Kanada) bestätigt.

    2. Vorkommen / Bildung von Acrylamid

    Acrylamid ist eine synthetische Substanz, die kommerziell zur Herstellung von Polyacrylamid verwendet wird. Polyacrylamid wird z. B. bei der Trinkwasseraufbereitung (Flockungsmittel), in der Papierindustrie (Bindemittel), Lebensmittelverpackungen sowie kosmetischen Mitteln (Bindemittel) verwendet. Acrylamid kommt auch im Tabakrauch vor. Die Befunde in Lebensmitteln sind neu. Schwerpunktmäßig wurden bisher stärkehaltige Lebensmitteln untersucht, die mit „trockener“ Erhitzung – grillen, braten, backen, rösten, frittieren – hergestellt werden.

    Das Vorkommen von Acrylamid ist nicht nur auf industriell hergestellte Lebensmittel beschränkt. Auch im Haushalt hergestellte Lebensmitteln sind betroffen, wie z. B. Pommes frites oder Bratkartoffeln.

    In rohen Lebensmitteln und in mit Wasser gekochten Lebensmitteln wurde Acrylamid bisher nicht nachgewiesen. Der Mechanismus der Bildung von Acrylamid ist noch nicht vollständig geklärt; zunehmend gesichert ist jedoch, dass bei der Herstellung von Kartoffel und Getreideprodukten in Abhängigkeit von Temperatur, Feuchtigkeit und – bei Kartoffeln – von Inhaltstoffen, die sorten- und lagerabhängig sind, unterschiedlich hohe Gehalte an Acrylamid entstehen können.

    Seit kurzem gibt es konkrete Hinweise darüber, daß sich Acrylamid insbesondere in Gegenwart von reduzierenden Zuckern (Glucose und Fructose) und Asparagin (ASN) bei Hitzeeinwirkung und niedrigem Wassergehalt bildet. Eine Allgemeingültigkeit dieses Bildungsmechanismus ist jedoch noch nicht erbracht.

    3. Gesundheitsgefährdende Eigenschaften von Acrylamid

    Im Vordergrund der Gesundheitsschädlichkeit von Acrylamid steht die krebserzeugende Wirkung, denn Acrylamid ruft in Tieren Krebs hervor. Während es keine wissenschaftlichen Gründe gibt, grundsätzlich an dem Vorliegen dieses Risikos für den Menschen zu zweifeln, kann zur Zeit nicht verlässlich abgeschätzt werden, wie hoch das Krebsrisiko nach Aufnahme von acrylamidhaltigen Lebensmitteln für Menschen ist. Verschiedene Wege werden eingeschlagen, die Risikohöhe zu beschreiben:

    Es gibt Hinweise, dass die kanzerogene Potenz von Acrylamid in Ratten durchaus vergleichbar ist mit der anderer bekannter Kanzerogene, z. B. 3,4-Benzpyren. Dieser Vergleich ist insofern von Bedeutung, weil der Gehalt an 3,4-Benzpyren in Lebensmitteln sehr strengen regulatorischen Regelungen unterliegt.

    Manche Bewertungsinstitute führen mit Hilfe mathematischer Modelle Berechnungen durch, um von den im Tierversuch gefundenen Krebsraten auf die Krebswahrscheinlichkeit beim Menschen zu schließen. Für vergleichende Betrachtungen wird meist eine Belastungsdosis von 1 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag herangezogen („unit risk“). Für lebenslange Aufnahme dieser Dosierung, die im Falle Acrylamid ja tatsächlich relevant ist, wurden – je nach Modell – Risiken zwischen 700 und 10.000 pro 1 Million Menschen berechnet. Auch wenn schon die starke Schwankungsbreite die Unsicherheit der Abschätzung widerspiegelt, erscheint offensichtlich, dass selbst die niedrigste Abschätzung ein Risiko nicht akzeptabler Höhe darstellt.

    Eine alternative Herangehensweise vergleicht die Dosis, die bei Tieren krebserzeugend wirkt, mit der Aufnahmemenge von Menschen. Nach Darstellung von Prof. Schlatter auf der BgVV Informationsveranstaltung im August 2002 ergibt eine grobe Schätzung für Acrylamid einen Faktor von 1000, d. h. die niedrigste krebserzeugende Dosis im Tierversuch ist 1000 Mal höher als die für den Menschen abgeschätzte Aufnahme. Vergleicht man diesen Faktor 1000 mit den entsprechenden Faktoren für andere krebserzeugende Stoffe, so erweist er sich als besonders gering.

    Grundsätzlich gilt für genotoxische und krebserzeugende Stoffe das so genannte ALARA Prinzip. ALARA ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck "as low as reasonably achievable", d. h. so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar. Diese Forderung erhebt auch der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der Europäischen Kommission in seiner Stellungnahme zu Acrylamid in Lebensmitteln vom 3. Juli 2002.

    Andere gesundheitsschädliche Wirkungen von Acrylamid, z. B. die Neurotoxizität (Schädigung von Nerven), Reproduktionstoxizität (hier die Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit), sind an sehr hohe bzw. lange Belastungen mit dem Stoff gebunden; es ist nicht zu erwarten, dass die über die Nahrung aufgenommene Acrylamidmenge diesbezüglich zu einem nennenswerten Risiko führt.

    Aus den vorhergehenden Betrachtungen ergibt sich sehr klar, dass die Acrylamidbelastung durch Lebensmittel schnellstmöglich gesenkt werden muss.

    4. Das Minimierungskonzept

    Unter Federführung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurde zwischen Bund und Ländern das Minimierungskonzept für Acrylamid vereinbart. Das Konzept orientiert sich an Signalwerten. Sie dienen der stufenweisen Minimierung unerwünschter Acrylamidgehalte in Lebensmitteln, indem sie Herstellern und Überwachungsbehörden eine Orientierungshilfe geben, bei welchen Erzeugnissen vorrangig Maßnahmen zur Minimierung der Acrylamidwerte ansetzen müssen:

    Hersteller sind aufgefordert, für ihre Produkte die Prozesse kurzfristig so zu modifizieren, dass die Gehalte nach dem internationalen Grundsatz „as low as reasonably achievable (ALARA)“ minimiert werden. Um ihrer Sorgfaltspflicht nach zu kommen sind sie auch verpflichtet, die Ursachen der Bildung von Acrylamid aufzuklären.

    Überwachungsbehörden informieren bei Befunden oberhalb eines Signalwertes unverzüglich die Hersteller und fordern diese auf, die erforderlichen Schritte zur Minimierung im obigen Sinne zu beginnen, falls entsprechende Aktivitäten nicht bereits eingeleitet wurden.

    Zur Ermittlung des Signalwertes erfasst das BVL die verfügbaren Untersuchungsergebnisse zu Acrylamidgehalten in Lebensmitteln und bereitet sie bundesweit auf, so dass diejenigen Produkte identifiziert werden, die in ihrer Warengruppe zu den 10 % der jeweils stärksten mit Acrylamid belasteten Lebensmitteln gehören. Für die Ermittlung der ersten Signalwerte Mitte September 2002 wurden knapp 400 Untersuchungsergebnisse aus Deutschland ausgewertet. Europäische Daten wurden aufgrund der Schwierigkeiten, bei der exakten Zuordnung zu einer Produktgruppe, zu einem Hersteller oder einer Produktionsstätte nicht in die Auswertungen einbezogen.

    Die im September ermittelten Signalwerte:

    • Kartoffelerzeugnisse (incl. Chips):  –  1514 Mikrogramm/kg
    • Pommes frites verzehrsfertig:  –  767 Mikrogramm/kg
    • Feine Backwaren aus Mürbeteig (u.a. Butterkekse):  –  797 Mikrogramm/kg
    • Kaffeepulver:  –  366 Mikrogramm/kg
    • Knäckebrot:  –  612 Mikrogramm/kg
    • Frühstückscerealien:  –  257 Mikrogramm/kg

    Auf Vorschlag des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR, vormals BgVV) werden alle Produkte mit einem Acrylamidgehalt von mehr als 1000 Mikrogramm/kg unabhängig von der statistischen Verteilung der Messwerte innerhalb der jeweiligen Produktgruppe in die Minimierungsbemühungen einbezogen, um die Spitzenbelastungen rasch zu verringern. Zeitgleich mit der Information der Landesbehörden über die errechneten Signalwerte wurden diesen diejenigen Produkte und Hersteller genannt, welche die Signalwerte überschritten haben.

    Mit den Landesbehörden wurde vereinbart, auf der Grundlage der bis Mitte November erfassten neuen Messwerte neue Signalwerte zu berechnen, die Ende November den zuständigen Behörden mitgeteilt werden.

    Das Signalwertkonzept ist somit dynamisch. Es wird zu einer kontinuierlichen Absenkung der Acrylamidwerte führen, da in jede Neuberechnung die auf Grund technologischer Änderungen erreichten Absenkungen einfließen.

    Zusätzlich zum dargestellten produktbezogenen Minimierungskonzept bereitet das BMVEL gemeinsam mit dem BVL, dem BfR und den Forschungseinrichtungen Branchengespräche vor, in denen insbesondere die Wirtschaftskreise über Minimierungsmaßnahmen informiert werden sollen, die vom Minimierungskonzept nur beschränkt erfasst werden oder die mit ihren Produkten den Heimbereich erreichen:

    5. Erkenntnisgewinn

    Industrie und Bundesbehörden arbeiten bei der weiteren Aufklärung koordiniert zusammen. Die notwendige Forschung wird von einem gemeinsamen Lenkungsausschuss koordiniert, um schnellstmöglich risikominimierende Maßnahmen einleiten zu können. Beiträge zur Aufklärung werden durch Forschungsarbeiten der Institutionen im Geschäftsbereich (insbesondere BfR, Bundesanstalt für Kartoffel, Getreide und Fettforschung), durch universitäre Forschung und durch Forschung der Industrie selbst erwartet.

    Vom BfR wurde ein Forschungsvorhaben vergeben, in dem Hinweise auf den Verlauf der Dosis-Wirkungs-Beziehung im niedrigen Dosisbereich erhalten werden sollen. Hierbei steht vor allem die Frage im Vordergrund, ob sich aus den Befunden Hinweise für einen Schwellenwert für die Auslösung der krebserzeugenden Wirkung von Acrylamid ergeben.

    Im Bereich der Analytik bestanden anfangs sehr große Unsicherheiten hinsichtlich der Verlässlichkeit von Messwerten und der Vergleichbarkeit unterschiedlicher Analysentechniken. Im BfR wurde eine analytische Methode etabliert und der klare Nachweis geführt, dass es sich bei dem in den Lebensmitteln enthaltenen Stoff um die chemische Substanz Acrylamid handelt. Weiterhin wurde eine international angelegte Ringstudie zur Sachstandsermittlung hinsichtlich der analytischen Methodik begonnen. Die Vorlaufphase dieses so genannten Proficiency- Tests hat gezeigt, dass gut verlässliche analytische Daten erhoben werden können. Diese Studie wird Mitte Dezember beendet sein. Schon heute kann gesagt werden, dass die anfänglichen Unsicherheiten um Messwerte im wesentlichen beseitigt sind.

    Im Bereich der Exposition bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der aktuellen Verzehrsgewohnheiten verschiedener Bevölkerungsgruppen. Die dem BfR zur Verfügung stehenden Verzehrsdaten stammen aus einer älteren Studie, welche angesichts des geänderten Konsumverhaltens nicht mehr zu einer wissenschaftlich validen Abschätzung der Aufnahme acrylamidbelasteter Lebensmittel verwendet werden kann. Insbesondere kann angenommen werden, dass Jugendliche in Folge ihres relativ hohen Konsums der häufig hochbelasteten Produkte Pommes frittes und Kartoffelchips einer vergleichsweise hohen Acrylamidbelastung ausgesetzt sind. Eine derzeit laufende Studie zum Verzehrsverhalten von 16jährigen Schülerinnen und Schülern, die voraussichtlich zum Jahresende ausgewertet sein wird, wird aktuelle Daten zum Verzehr in dieser Altersgruppe liefern, welche erlauben werden, die tatsächliche Belastung abzuschätzen.

    6. Kommunikation

    Das BfR organisierte bereits im Mai eine Expertenanhörung und im August eine öffentliche Informationsveranstaltung zu Acrylamid in Lebensmitteln. Ziel dieser Veranstaltungen war es, den wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch zu fördern und Transparenz über den Stand der Forschung und die Risikominimierungsbemühungen sicherzuzustellen. Zu diesen Gesprächen, wurden, neben den mit der Problematik befassten Wissenschaftlern, die Industrie und die Verbraucherverbände und Medienvertreter eingeladen. Darüber hinaus führte das BfR zu verschiedenen Einzelfragen Fachgespräche. Je nach Bedarf werden weitere Expertengespräche durchgeführt.

    Über die Risikobewertung des Stoffes Acrylamid informiert das BfR im Internet. Zur Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern führt das BMVEL bei Bedarf Multiplikatoren Gespräche durch, zu denen Verbraucherverbände eingeladen werden.

    Der aid betreut seit Oktober unter „Was-wir-essen.de“ ein rege genutztes Acrylamid- Forum im Internet.

    7. Europäische Zusammenarbeit

    Am 15./16. Oktober fand auf Initiative der Kommission in Brüssel ein Expertenforum zu Acrylamid statt. Die Kommission sagte zu, den Austausch von Forschungsergebnissen zu fördern und zur Zusammenführung der Erkenntnisse eine Datenbank einzurichten.

    Das von der Bundesregierung vorgestellte Minimierungskonzept auf der Basis von Signalwerten wurde von den übrigen Mitgliedsstaaten mit Interesse zur Kenntnis genommen. Vergleichbare Systeme über die Forschungsanstrengungen hinaus scheint es in den anderen Mitgliedsstaaten nicht zu geben. Die Bundesregierung beabsichtigt, nach Erreichen der zweiten Stufe (Neuberechnung der Signalwerte Ende November) die Mitgliedstaaten und die Kommission über den Stand zu unterrichten, mit dem Ziel ein europäisches Minimierungskonzept anzustoßen.



    Pressemitteilung des Bundesverbraucherministeriums
    vom 4. Dezember 2002

    [ Ed: Diese Pressemitteilung Nr. 365/2002 wurde als Dokument vom Web-Server des Ministeriums am 5.12.2002 heruntergeladen. Die Links wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    Acrylamid-Minimierungskonzept erfolgreich angelaufen

    Weitere Anstrengungen der Industrie erforderlich

    "Unser Minimierungskonzept zur Verringerung der Acrylamid- Gehalte in Lebensmitteln ist erfolgreich angelaufen. Einige Betriebe haben intensive Bemühungen zur Acrylamid- Verringerung unternommen und können positive Ergebnisse vorweisen. Auch die zuständigen Verbände engagieren sich, die Zusammenarbeit läuft gut. Die Untersuchungsergebnisse belegen aber, dass ein großer Teil der betroffenen Unternehmen offensichtlich noch zögert, konkrete Schritte zur Verringerung der Acrylamid- Gehalte in ihren Produkten zu unternehmen", dieses Fazit zog der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Alexander Müller, aus der neuen Auswertung von Untersuchungsergebnissen aus den Bundesländern.

    Im Rahmen der Minimierungsstrategie haben die Bundesländer bisher rund 1000 Proben von Waren aus Handel und Gastronomie ausgewertet und die Ergebnisse dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mitgeteilt [Ed: aber nicht den Verbrauchern!].

    Aus den Untersuchungen ergebe sich, dass es einzelbetrieblich durchaus möglich sei, z. B. durch Rohstoff- Auswahl und Temperatursteuerung die Acrylamidgehalte deutlich zu senken. Die großen Hersteller von Kartoffel- Chips hätten hier bereits deutliche Anstrengungen unternommen. Die zuständige Bundesforschungsanstalt habe jedoch weitere technologische Möglichkeiten entwickelt [Ed: welche?]. Jetzt gehe es darum, diese umzusetzen, so Müller. Außerdem bestätige die Überprüfung eines großen Knäckebrot- Herstellers, dass es mit Erfolg möglich sei, entscheidende Prozess- und Rezepturänderungen durchzuführen. Der Staatssekretär rief alle Lebensmittelhersteller auf, sich an diesen Beispielen zu orientieren, ihre eigenen Produktionsprozesse zu überprüfen und ggf. schnellstmöglich umzustellen.

    Anlage: Praktische Tipps für den Haushalt. (Diese wurden anderenorts archiviert)



    Deutscher Bundestag – Ausschuß für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
    vom 27. Januar 2003

    [ Ed: Unter dem Vorsitz von Frau Dr. Herta Däubler-Gmelin fand am 27. Januar 2003 eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zum Thema "Acrylamid" statt. Das vollständige 71-seitige Wortprotokoll ist im Internet als PDF-Datei publiziert (356 kByte). Die Links wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    Acrylamid in Lebensmitteln:

    Unterstützung des Minimierungskonzeptes des
    Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

    Angehört wurden von den Abgeordneten die folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige:

    [Weiteres siehe Wortprotokoll]



    Pressemitteilung Nr. 284 des Bundesverbraucherministeriums
    vom 21. November 2003

    [ Ed: Diese Pressemitteilung Nr. 284/2003 wurde als Dokument vom Web-Server des Ministeriums am 4.3.2004 heruntergeladen. Die Links und Anker wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    3 Jahre BSE in Deutschland

    Umfangreiche Maßnahmen zur Risikominimierung, dennoch kein Grund zur Entwarnung

    Derzeit sind in Deutschland 287 BSE-Fälle amtlich bestätigt (2000 = 7, 2001 = 125, 2002 = 106, 2003 = 49; Stand: 20.11.2003). Seit Bestätigung des ersten BSE-Falls eines in Deutschland geborenen Rindes am 26. November 2000 wurden in Deutschland rund 7,5 Millionen BSE-Schnelltests durchgeführt. Die meisten der bisherigen BSE-Fälle wurden durch ein spezielles Überwachungsprogramm bei solchen Tieren gefunden, die verendet waren, not- oder krankgeschlachtet wurden oder klinische Erscheinungen aufwiesen. 92 der bisherigen 287 BSE-Fälle wurden bei klinisch gesunden Schlachtrindern mit Hilfe der Schnelltests entdeckt.

    Zur Minimierung des Risikos wurden in allen Bereichen von Haltung, Schlachtung und Verarbeitung von Wiederkäuern umfangreiche Schutzmaßnahmen getroffen. Diese Schutz- und Überwachungsmaßnahmen ergänzen und überlappen sich in ihrer Zielrichtung und gewährleisten nach dem derzeitigen Stand des Wissens den größtmöglichen gesundheitlichen Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher.

    Im einzelnen stützen sich Maßnahmen auf folgende Regelungen:

    1. BSE-Tests:
    Die bislang erarbeiteten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung lassen trotz des beträchtlichen Zugewinns an Informationen derzeit noch keine vollständige Aussage zur abschließenden Beurteilung der BSE zu. Deshalb hält das BMVEL entgegen der Forderung des Bundesrates an der über das Gemeinschaftsrecht hinausgehenden Bestimmung fest, dass in Deutschland alle über 24 Monate alten Rinder, die geschlachtet werden, mit BSE-Schnelltests untersucht werden müssen. EU-weit liegt die Altersgrenze für zu testende Schlachttiere bei 30 Monaten. Alle über 24 Monate alten Rinder, die verendet sind, not- oder krankgeschlachtet werden, müssen EU-weit mit BSE-Schnelltests untersucht werden. Neue Testverfahren, die zu einer verbesserten Ergebnisgenauigkeit führen, befinden sich derzeit noch in der wissenschaftlichen Entwicklung. Dies ist eines der Ziele des TSE-Forschungskonzepts der Bundesregierung. Für den deutlichen Ausbau der Forschung an übertragbaren schwammartigen Hirnerkrankungen (transmissible spongiforme Enzephalopatien, TSE), zu denen BSE gehört, stellt die Bundesregierung jährlich mehrere Millionen Euro zur Verfügung.

    2. Entfernung von Risikomaterial:
    Seit dem 1. Oktober 2000 müssen gemeinschaftsweit spezifizierte Risikomaterialien von Wiederkäuern entfernt und durch Verbrennen vernichtet werden. Die Liste der Risikomaterialien wurde mehrfach den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes angepasst und beinhaltet den Schädel ohne Unterkiefer, einschließlich Gehirn und Augen, die Mandeln, die Wirbelsäule, das Rückenmark und den gesamten Darm von Rindern. Sie unterliegt auch zukünftig einer ständigen wissenschaftlichen Überprüfung.

    3. Tiermehlverfütterungsverbot:
    Durch das Verfütterungsverbotsgesetz ist in Deutschland seit dem 2. Dezember 2000 die Verfütterung von proteinhaltigen Erzeugnissen und von Fetten warmblütiger Landtiere sowie von Fischen an Lebensmittel liefernde Nutztiere verboten. Seit dem 12. April 2001 ist das Verfüttern von Fischmehl an Nichtwiederkäuer (z.B. Geflügel, Schweine) mit strikten Sicherheitsauflagen (Herstellung, Transport, besondere Genehmigung für die landwirtschaftlichen Betriebe) wieder erlaubt. Mit diesen Regelungen soll sichergestellt werden, dass die in der Vergangenheit offensichtlich – trotz des bereits seit 1994 bestehenden Verfütterungsverbots für Proteine von Säugetieren an Wiederkäuer – vorgekommenen Verschleppungen dieser Proteine in Rinderfutter verhindert werden.

    Im Unterschied zur Regelung in Deutschland lässt das EG-Recht die Verfütterung tierischer Fette an Lebensmittel liefernde Nutztiere zu. Verboten ist ausschließlich die Verfütterung verarbeiteter tierischer Proteine, sowie der damit hergestellten Futtermittel, Futtermittelzusätze und Vormischungen. Das zunächst bis zum 30. Juni 2001 geltende Verbot wurde inzwischen durch eine Änderung der EG-TSE-Verordnung durch inhaltlich ähnliche Verbote und Beschränkungen als Dauerregelung übernommen.

    Seit dem 1. September 2003 ist es wieder zulässig, hydrolisiertes Protein sowie aus tierischen Knochen gewonnenes Di- oder Tricalciumphosphat – soweit diese Materialien von Nichtwiederkäuern stammen – an Nichtwiederkäuer zu verfüttern. Weiterhin dürfen zukünftig auch wieder Blutmehl oder andere Blutprodukte von Nichtwiederkäuern an Fische verfüttert werden.

    Die deutsche Sonderregelung, nach der bestimmte tierische Fette nicht an Nutztiere zur Lebensmittelgewinnung verfüttert werden dürfen, bleibt aber bis auf Weiteres erhalten. Die Europäische Kommission beabsichtigt hierzu, einen Vorschlag für eine gemeinschaftliche Regelung vorzulegen.

    Weitere Maßmahmen

    1. Ursachenforschung:
    Im Rahmen des TSE-Forschungskonzepts wird intensiv nach den Ursachen, den Übertragungswegen und Bekämpfungsmöglichkeiten geforscht. Die von der Bundesregierung eingerichtete TSE-Forschungsplattform ermöglicht einen intensiven Informationstransfer. An der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) wurde das Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger errichtet, das im Dezember 2001 seine Arbeit aufnahm. Damit wurde das bisherige Referenzlabor für BSE- und Scrapie-Diagnostik zu einem nationalen TSE-Forschungszentrum ausgebaut. Nach umfangreichen Umbauten zur Errichtung eines Sicherheitsstalles werden auf der Insel Riems erstmals in Deutschland BSE-Infektionsversuche an Rindern durchgeführt. Von ihnen verspricht man sich neue Erkenntnisse über die Entstehung und Ausbreitung der Krankheit im Körper. Darüber hinaus dient der Versuch der Gewinnung von Proben aus der Inkubationsphase der Krankheit, die für die Entwicklung von Testmethoden, auch Lebendtests, von essentieller Bedeutung und anderweitig nicht verfügbar sind.

    Das Institut für Epidemiologie der BFAV in Wusterhausen wertet umfangreiche Daten zu jedem BSE-Fall in Deutschland aus. Dabei standen zunächst statistische Untersuchungen zur Fallzahlentwicklung, zur geographischen Verbreitung und zur Verteilung der BSE-Fälle auf die Geburtsjahrgänge im Vordergrund. Darüber hinaus konnten erste Aussagen über die Dynamik des BSE-Eintrages in die Bundesrepublik, sowie über den Einfluss von Rasse und Nutzungsrichtung der Rinder auf die BSE – Inzidenz getroffen werden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens werden in Schafherden, in denen Scrapie festgestellt worden ist, auch die Prionprotein-Genotypen der nicht betroffenen Schafe erhoben, um mögliche rassespezifische Resistenzwirkungen zu untersuchen.

    2. Maßnahmen nach Feststellung von BSE im Bestand:
    Eine weitere Maßnahme zur Eindämmung der Krankheit war die Tötung aller Rinder des Bestandes. Nach der Durchführung von mehr als 2 Millionen Tests gab es keine Hinweise darauf, dass der ganze Bestand des erkrankten Rindes von BSE betroffen sein könnte. Hatte die Bundesregierung zunächst – im Einvernehmen mit den Ländern – aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes die Tötung des Gesamtbestandes empfohlen, so hält sie dies aufgrund der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse nicht mehr für erforderlich. Die BSE-Vorsorgeverordnung ermächtigt deshalb die zuständigen Behörden in den Ländern, Ausnahmen von der Bestandstötung zuzulassen. Die zuständige Behörde kann die Kohortentötung veranlassen, soweit Belange der Vorsorge für die menschliche oder tierische Gesundheit dem nicht entgegenstehen. Dann werden nur noch die Rinder getötet, die in dem Jahr vor und nach der Geburt des kranken Rindes in dem Bestand geboren wurden, in dem auch das kranke Tier geboren wurde (Geburtskohorte) oder die im ersten Lebensjahr zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam mit einem kranken Rind aufgezogen wurden und möglicherweise das gleiche Futter zu sich genommen haben, das auch das kranke Tier in seinem ersten Lebensjahr bekommen hat (Fütterungskohorte), sowie die Nachkommen – inklusive Eizellen und Embryonen – der erkrankten weiblichen Rinder.

    Seit 30. Oktober 2003 bestehen EU-weit bestimmte Ausnahmen für eventuell betroffene Bullen auf Besamungsstationen.

    3. Verstärkte Überwachung und Forschung bei Scrapie:
    Seit dem 1. Januar 2002 wird gemeinschaftsweit auch bei kleinen Wiederkäuern ein aktives Überwachungsprogramm auf TSE durchgeführt, das im Februar 2002 erweitert wurde und aktuell geändert wird. Danach muss zukünftig in Deutschland eine Stichprobe von 10.000 über 18 Monate alten zum menschlichen Verzehr geschlachteten Schafen und von zusätzlichen 10.000 über 18 Monate alten verendeten oder getöteten Schafen und 500 Ziegen untersucht werden. In Deutschland müssen darüber hinaus alle im Falle der amtlichen Feststellung der Scrapie bei einem Schaf oder einer Ziege oder zum Zwecke der Bekämpfung anderer Tierseuchen, mit Ausnahme von epidemisch verlaufenden Tierseuchen, getöteten Schafe und Ziegen, die mindestens 18 Monate alt waren, untersucht werden.

    2002 wurden insgesamt 34.752 Schafe und 1.657 Ziegen (jeweils überwiegend über 18 Monate alt) auf TSE getestet. Insgesamt wurden 2002 16 Fälle von Scrapie festgestellt.

    Von Januar bis Oktober 2003 wurden knapp 60.000 Schafe und fast 4.000 Ziegen (jeweils überwiegend über 18 Monate alt) auf TSE getestet; bis einschließlich Oktober 2003 wurden dabei 16 positive Schafe ermittelt.

    Im Hinblick auf die Rolle der genetischen Scrapieresistenz bei der Entwicklung klinischer Scrapieformen und die Möglichkeit, Zuchtprogramme zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von Scrapie zu nutzen, ist es erforderlich, den Genotyp sämtlicher Scrapiefälle zu bestimmen. Seit Juli 2001 muss bei jedem positiven TSE-Fall bei Schafen der Genotyp des Prionproteins bestimmt werden. Wird ein TSE-Fall bei einem resistenten Genotypen festgestellt, ist eine Stammtypisierung vorzusehen.

    In Vorbereitung des nationalen Zuchtprogrammes auf Resistenz gegen Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE) bei Schafen (das ab dem 1. Januar 2004 eingeleitet werden muss) wurde im Jahr 2003 bei allen einheimischen Schafrassen untersucht, wie häufig die erwünschten genetischen Resistenz-Anlagen verbreitet sind. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass bei nahezu allen Rassen eine Grundlage für ein Zuchtprogramm auf TSE-Resistenz vorhanden ist. Bei Zuchtprogrammen für Rassen mit niedrigem Vorkommen der Resistenzanlagen muss jedoch vorgesorgt werden, dass die genetische Variabilität der gesamten Erbanlagen der Rasse nicht gefährdet wird.



    Mitteilung des Bundesverbraucherministeriums
    vom 14. Januar 2004

    [ Ed: Diese Mitteilung wurde als Dokument vom Web-Server des Ministeriums (BMVEL) am 16.1.2004 heruntergeladen. Links wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    Fehlende BSE-Tests

    Aufklärung in den Ländern schreitet voran

    In den Medien wird seit einigen Tagen wiederholt über nicht erfolgte BSE-Tests bei Rindern über 24 Monate berichtet. Mit diesem Problem wurde BMVEL erstmals im Dezember 2003 befasst und hat sofort reagiert. Auch wenn die statistische Wahrscheinlichkeit, dass eines der ungetesteten Rinder BSE hatte, als sehr gering einzustufen ist (von 3 Millionen getesteten Tieren in 2003 waren nur 54 positiv), ist jedes vorschriftswidrig ohne Test auf den Markt gekommene Rind eines zuviel. Die Gefahr, für jeden einzelnen Menschen, an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu erkranken, kann von der Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden.

    Vorwürfe einzelner Abgeordneter, Bundesministerin Künast hätte schon seit Februar 2003 von diesen Problemen gewusst, aber nichts unternommen, entbehren jeglicher Grundlage. Die von den Abgeordneten zitierten Schreiben sind unverzüglich an die zuständigen Länder weitergeleitet und dort bearbeitet worden.

    Im Zusammenhang mit den unterbliebenen BSE-Tests ist folgende Chronologie aufzustellen:

    Der Datenabgleich der zuständigen Länderbehörden schreitet zügig voran. Von den ursprünglich gemeldeten Unstimmigkeiten konnten bis zum 16. Januar 2004 mehr als die Hälfte geklärt werden, d. h. hier wurden die BSE-Tests ordnungsgemäß durchgeführt oder es bestand keine Testpflicht. Das BMVEL erwartet in den nächsten Tagen den Abschluss der Prüfung der restlichen Fälle durch die Bundesländer.

    Die von den Ländern belegte Zahl der nachweislich ohne BSE-Test geschlachteten Rinder beläuft sich aktuell auf rund 1.700. Ursachen hierfür waren:

    1. die Unterlassung der BSE-Testung bei Schlachtung von Rindern genau an ihrem zweiten Geburtstag,
    2. die fehlende Anordnung des BSE-Tests durch den amtlichen Tierarzt,
    3. Schwarzschlachtungen.
    Die Länder haben die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die drei genannten Ursachen auszuräumen, d. h.:

    1. Klarstellung, dass die Testpflicht für über 24 Monate alte Rinder am Tag des Geburtstages beginnt und nicht erst am darauf folgenden Tag,
    2. Tierärzte, die die Anordnung des vorgeschriebenen BSE-Tests unterlassen haben, wurden entsprechend zur Rechenschaft gezogen,
    3. Schlachthöfe oder Personen, die ohne Lizenz und ohne BSE-Test Rinder geschlachtet und vermarktet haben werden strafrechtlich verfolgt.



    Mitteilung des Bundesverbraucherministeriums
    vom 25. November 2004

    [ Ed: Diese BMVEL-Mitteilung wurde als Dokument vom Web-Server des Umweltjournals am 1.12.2004 heruntergeladen. Links wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    Zu früh für Entwarnung bei BSE

    BONN – 25.11.2004: "Auch wenn in Deutschland und der gesamten Europäischen Gemeinschaft umfangreiche Schutzmaßnahmen gegen BSE in Kraft sind, ist frühestens im kommenden Jahr mit einem Rückgang der BSE-Fälle in Deutschland als Folge der Vorsorgemaßnahmen zu rechnen." Darauf wies der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Alexander Müller, anlässlich des morgigen vierten Jahrestages des ersten [Ed: offiziellen!] BSE-Falles in Deutschland hin.

    Die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) ist eine langsam voranschreitende und schließlich zum Tode führende Erkrankung des zentralen Nervensystems bei erwachsenen Rindern, die erstmals Ende 1986 im Vereinigten Königreich nachgewiesen wurde und inzwischen bis auf Schweden in allen alten Mitgliedstaaten der EU sowie in Polen, Slowenien, der Slowakei und der Tschechischen Republik, aber auch z. B. in Kanada und Japan aufgetreten ist.

    Seit Bestätigung des ersten BSE-Falls eines in Deutschland geborenen Rindes am 26. November 2000 wurden in Deutschland mehr als zehn Millionen BSE-Schnelltests durchgeführt. Die meisten der bisherigen BSE-Fälle wurden durch ein spezielles Überwachungsprogramm bei Tieren gefunden, die verendet waren, not- oder krankgeschlachtet wurden oder klinische Erscheinungen aufwiesen. Insgesamt wurden mit Stand 09.11.2004 in Deutschland 350 BSE-Fälle festgestellt (2000 = 7, 2001 = 125, 2002 = 106, 2003 = 54, 2004: bislang 58). In allen Bundesländern, mit Ausnahme von Hamburg, Bremen und Berlin, traten bisher BSE-Fälle auf.

    Zur Minimierung des Risikos wurden in allen Bereichen von Haltung, Schlachtung und Verarbeitung von Wiederkäuern umfangreiche Schutzmaßnahmen getroffen. „Diese Schutz- und Überwachungsmaßnahmen ergänzen sich und gewährleisten nach dem derzeitigen Stand des Wissens den größtmöglichen gesundheitlichen Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher“, erklärte der Staatssekretär.

    Im einzelnen stützen sich Maßnahmen auf folgende Regelungen:

    Nach Ansicht der Experten werde sich wegen der langen Inkubationszeit von BSE erst ab dem kommenden Jahren zeigen, wie schnell die BSE-Schutzmaßnahmen, die ab dem Jahr 2000 eingeführt worden sind, nun greifen. „Aus diesem Grund lehnt das Bundesverbraucherministerium zum jetzigen Zeitpunkt alle Versuche, die Schutzmaßnahmen zu lockern, als verfrüht ab“, unterstrich Müller. So habe der Bundesrat wiederholt gefordert, das Testalter für Schlachtrinder von 24 auf 30 Monate anzuheben. Auf EU-Ebene wurde vorgeschlagen, Fischmehl wieder zur Verfütterung an Rinder zuzulassen, was nach Ansicht der Bundesregierung die Kontrollierbarkeit des Verfütterungsverbotes für Tiermehl verschlechtere.

    "Ein Verfütterungsverbot für tierisches Eiweiß an Rinder muss unabhängig von der weiteren Entwicklung der Krankheit dauerhaft bestehen bleiben. Der vorsorgende Verbraucherschutz muss hier absoluten Vorrang haben. Erst wenn die eingeleiteten Maßnahmen Wirkung zeigen, kann darüber gesprochen werden, ob jedes Rind ab 24 Monaten gestestet werden muss“, erklärte Staatssekretär Müller, „Hier besteht noch sehr viel Forschungsbedarf.“ So werde im rahmen des TSE-Forschungskonzepts intensiv nach den Ursachen, den Übertragungswegen und Bekämpfungsmöglichkeiten geforscht. Am Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit wurde das Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger errichtet, das im Dezember 2001 seine Arbeit aufnahm.

    Damit wurde das bisherige Referenzlabor für BSE- und Scrapie-Diagnostik zu einem nationalen TSE-Forschungszentrum ausgebaut. Nach umfangreichen Umbauten zur Errichtung eines Sicherheitsstalles werden auf der Insel Riems erstmals in Deutschland BSE-Infektionsversuche an Rindern durchgeführt. Von ihnen verspricht man sich neue Erkenntnisse über die Entstehung und Ausbreitung der Krankheit im Körper. Darüber hinaus dient der Versuch der Gewinnung von Proben aus der Inkubationsphase der Krankheit, die für die Entwicklung von Testmethoden, auch Lebendtests, von essentieller Bedeutung und anderweitig nicht verfügbar sind.



    Pressemitteilung Nr. 86 des Bundesverbraucherministeriums
    vom 7. April 2005

    [ Ed: Diese Pressemitteilung Nr. 86/2005 wurde als Dokument vom Web-Server des Ministeriums am 10.4.2005 heruntergeladen. Die Links und Anker wurden hier redaktionell zugefügt. ]

    BSE-Verdacht erstmalig bei
    nach Verfütterungsverbot von Tiermehl geborenem Rind bestätigt

    Erstmals ist in Deutschland BSE bei einem Rind nachgewiesen worden, das nach dem Verfütterungsverbot vom Dezember 2000 geboren wurde. Das im Mai 2001 geborene Tier war im Rahmen des BSE-Montorings untersucht worden. Die BSE-Diagnose wurde durch das Friedrich-Loeffler-Institut abschließend bestätigt.

    "Damit ist eingetreten, was alle befürchtet haben, was aber letztendlich zu erwarten war: Das Verfütterungsverbot ist zwar im Dezember 2000 in Kraft getreten, aber möglicherweise nicht überall umgehend vollständig umgesetzt worden," kommentiert der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium Alexander Müller den Fall.

    Er sieht sich darin bestätigt, bisher zurückhaltend auf die allgegenwärtigen Forderungen nach Lockerung von BSE-Schutzmaßnahmen reagiert zu haben.

    "Wir haben immer betont, dass wir hier nicht automatisch dem Kalender folgen werden, sondern den Erfolg der Schutzmaßnahmen – und hier im Zentrum das Verfütterungsverbot – erst durch einen Rückgang der Fallzahlen erkennen wollen. Der erste Fall eines Rindes, das nach dem Verbot geboren wurde zeigt, dass es hier eine deutliche Zeitverzögerung gegeben haben kann, bis die Schutzmaßnahmen greifen."

    Müller sieht im Verlauf der Jahre 2005 und 2006 erstmals die Möglichkeit, seriös die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen anhand der Fallzahlenentwicklung zu überprüfen. Vorrang müsse wie bisher der Verbraucherschutz haben, der dem ganzen Schutzsystem zu Grunde liegt.



    Weitere Services zu den Themen „BSE“ sowie „Gift im Essen“ von khd
    Hier gibt es keine gekauften Links!

      Zum Teil 3

    © 2000-2005 – Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 26.06.2011 23.16 Uhr