Noch enthält diese Chronik manche Lücken, die aber nach und nach
geschlossen werden sollen.
Januar 2000 |
In Zürich wird die dreidimensionale Struktur des menschlichen
Prion-Proteins entschlüsselt
.
Die infektiösen Prionen (BSE-Erreger) unterscheiden sich von harmlosen
Prionen (nur) durch ihre geometrische Struktur. |
12. Januar 2000 |
Die EU-Kommission legt ein Weißbuch zur Schaffung eines
europäischen Amts für Lebensmittelsicherheit vor. Die
EU-Behörde soll für wissenschaftliche Risiko- Analysen und
Informationsverbreitung zuständig sein und bis 2002 eingerichtet
werden.
|
Februar 2000 |
Gegen den Willen mehrerer Bundesländer billigt die Bundesregierung die
Aufhebung des Importverbots für britisches Rindfleisch mit der
Forderung an die EU, das Fleisch unmißverständlich zu
kennzeichnen. Die EU erhebt Klage gegen die Bundesrepublik. |
März 2000 |
Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001) beteuert: Wer deutsche
Markenware kauft, weiß, daß er auf der sicheren Seite
ist. |
6. März 2000 |
Das Schweizer Konsumenten-Forum fordert einen Importstop von Wurstwaren
(auch aus Deutschland), da diese Hirn- und Rückenmarksgewebe enthalten
können.
|
März 2000 |
Mit einer Expertenstudie weist die EU auf die erhebliche
BSE- Gefahr in Deutschland hin. Die Bundesregierung ignoriert die Warnung.
[mehr] |
13. April 2000 |
Bei einem BSE-Expertentreffen zum BSE-Risiko in Deutschland im
Landwirtschaftsministerium in Bonn wird im Abschlußprotokoll
festgestellt: Es bestand einhellig die Meinung, daß von
politischer Seite Vorbereitungen für den ersten Fall von einheimischer
BSE in Deutschland getroffen werden sollten.
Die Bevölkerung wird dennoch nicht über die BSE-Gefahr, die vom
Verzehr von Wurst und Rindfleisch ausgehen kann, aufgeklärt. |
30. April 2000 |
Bundeslandwirtschaftsminister
Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 Januar 2001)
sagt im Zweiten Deutschen Fernsehen
(ZDF): Deutschland ist
BSE-frei! |
Mai 2000 |
Die EU-Kommission kündigt den 4. Versuch (!) an auch gegen den
Widerstand Deutschlands, EU-weit das Entfernen und Vernichten des
Risikomaterials bei allen
geschlachteten Rindern durchzusetzen. Zum 1. Oktober 2000 tritt die
EU-Direktive in Kraft. Der Deutsche
Bauernverband hat bis zuletzt dagegen protestiert. |
5. Juni 2000 |
Die EU erläßt die Verpflichtung zu verstärkten
BSE- Schnelltest vom 1. Januar 2001 an. Vorgeschrieben sind Stichproben
nur bei Tieren, die auf Bauernhöfen verendet sind, bei
notgeschlachteten Tieren oder solchen mit
Verhaltensauffälligkeiten. |
Juni 2000 |
Frankreich beginnt mit einer groß angelegten BSE-Testreihe. Mit
dieser aktiven BSE-Überwachung soll die Verbreitung der Rinderseuche
ermittelt werden.
|
19. Juni 2000 |
Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001) sagt:
Deutschland ist BSE-frei. Er sieht deshalb
keinen Grund für Deutschland, eine schärfere Gangart beim Kampf
gegen den Rinderwahnsinn einzulegen.
|
29. Juni 2000 |
Nach einer EU-Vorschrift müssen sogenannte BSE- Risikomaterialien wie
Hirn, Augen und Rückenmark vom 1. Oktober 2000 an vernichtet werden,
damit möglicherweise enthaltene Prionen (BSE-Erreger) nicht in die
Futter- und menschliche Nahrungskette gelangen können. Deutschland
hat sich dem jahrelang widersetzt. Für Portugal und
Großbritannien gelten noch strengere Vorschriften.
|
Juli 2000 |
Im mittelenglischen Ort Queniborough und Umgebung (Grafschaft
Leicestershire) häufen sich Erkrankungen an der neuen Variante der
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nvCJD). Bis
Ende 2000 sterben in dem Dorf 5 Menschen im Alter zwischen 19 und 35 Jahren
an der tödlichen nvCJD
. Eine erste Untersuchung
kann keine Ursache für die Häufung erkennen. Kritiker vermuten
einen Zusammenhang zwischen den häufigen nvCJD- Fällen und einer
in der Nähe des Dorfes ansässigen Chemie- Fabrik. Diese
soll das Pestizid (Organo- Phosphat) Phosmet herstellen.
|
1. August 2000 |
Der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU-Kommission legt eine
BSE-Risikostudie vor. Danach wird Deutschland zusammen mit Frankreich und
der Schweiz in der Kategorie 3 wahrscheinliches Risiko
eingestuft
. Von
der Bundesregierung und der deutschen Agrar-Lobby wird diese
Risiko-Einstufung scharf kritisiert
. Die EU verwende
alte Daten, hieß es.
[BSE-Risikoeinstufung
der EU] |
7. August 2000 |
Niedersachsens Landwirtschaftsministerium hat den von der EU
geäußerten Verdacht, in Deutschland gebe es Fälle der
Rinderseuche BSE, als absurd zurückgewiesen.
|
August 2000 |
Die seit Juni 2000 in Frankreich laufenden Massentests der
Rinderbestände auf BSE-Befall bringen es an den Tag: Es gibt
eine deutliche Zunahme der Zahl der BSE-Fälle.
[mehr] |
August 2000 |
Durch einen Bericht des ZDF-Magazins Kennzeichen D
wird bekannt, daß in Deutschland BSE- Tests von Behörden und
Fleischwirtschaft weitgehend blockiert werden.
|
29. August 2000 |
Britische Wissenschaftler vermuten (Proceedings
of the National Academy of Sciences, Washington, Band 97, Seite 10248),
daß BSE und die neue Variante der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit
(nvCJD) auch ohne sichtbare Symptome
auftreten können. Mit dieser subklinischen Form von BSE
könnten Tiere wie Rinder, Schafe, Schweine oder Hühner
tödliche Prionen in weit größerem Umfang als bisher gedacht
in sich tragen und verbreiten.
[mehr] |
1. September 2000 |
Die EU-Verordnung der Rindfleisch- Etikettierung tritt in Kraft.
Verbraucher können danach bei jedem gekauften Stück Rindfleisch
erkennen, wo das Tier geschlachtet und zerlegt wurde, nicht aber wo das
Rind geboren und aufgewachsen ist. Außerdem gilt die Verordnung
nicht für Fleischprodukte wie Wurst. Deshalb wird von
Verbraucherschützern die EU-Verordnung als Lachnummer
gesehen. [mehr] |
September 2000 |
Mediziner warnen vor der Möglichkeit, daß sich ein Kind im
Mutterleib mit nvCJD infizieren kann. |
15. September 2000 |
Es steht nun fest, daß BSE bzw.
nvCJD auch über Blut oder
Blutprodukte übertragbar ist
(The Lancet, Band 356).
|
1. Oktober 2000 |
Risikomaterialien von
Rindern, Schafen und Ziegen dürfen EU-weit nicht mehr für
Nahrungs- und Futtermittel verwertet werden. Sie müssen vernichtet
werden. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung im EU-Ministerrat der
Stimme enthalten.
|
Oktober 2000 |
In Frankreich gelangen rund 1 Tonne Rindfleisch mit BSE-Verdacht in die
Supermärkte der Carrefour- Ladenkette.
|
22. Oktober 2000 |
Aus einer Studie der Münchner Sozialwissenschaftlerin Kerstin
Dressel geht hervor, daß die britischen Regierungen die
BSE- Forschung zensiert und massiv behindert haben: Oft haben die
Forschergremien der Regierung nur dazu gedient, (...) politischen
Entscheidungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, sagte
Dressel der Süddeutschen Zeitung.
[mehr] |
23. Oktober 2000 |
Auf Großplakaten an Berliner S-Bahnhöfen wirbt die Centrale
Marketing Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mit beschränkter
Haftung (CMA) unverdrossen
für deutsches Fleisch auch Rindfleisch: Kontrollierte
Qualität vom Bauernhof bis zur Ladentheke. Aber eine
Kontrolle des Fleisches auf BSE-Befall garantiert auch das CMA-
Prüfsiegel nicht. Und Deutschland war nicht BSE-frei, wie wir alle im
November 2000 erfahren mußten. Deutsches Rindfleisch und deutsche
Wurst sind keineswegs sicher gewesen. |
26. Oktober 2000 |
Der BSE-Untersuchungsbericht
der Kommission unter Lordrichter Sir Nicholas Phillips wird in
London der Öffentlichkeit vorgelegt und
im Internet publiziert. Der
gedruckte Bericht umfaßt in 16 Bänden auch Kritik an der
Vorgehensweise der konservativen Regierungen unter Margaret Thatcher
und John Major.
|
28. Oktober 2000 |
Der britische
BSE-Untersuchungsbericht gerät in die Kritik. Von
Mittelmäßigkeit und Vertuschung ist die Rede. Auf der
amerikanischen "Mad-Cow Page" der
Sperling Biomedical Foundation wird u. a. festgestellt: Who could
write after a 27 million pound investigation that "no tissues from
BSE-affected animals should have entered human food after the introduction
of the slaughter and compensation policy in August 1988"
. |
31. Oktober 2000 |
Die britische Behörde für Lebensmittelsicherheit
(FSA) hat u. a. die EU-Kommission
aufgefordert, unverzüglich ein totales Verbot der Verfütterung
von Tierresten bzw. Tier- und Knochenmehlen an andere Tiere zu erlassen.
Ein solches Verbot des allerorts intensiv praktizierten tierischen
Kannibalismus könne das Risiko der weiteren BSE- Ausbreitung
erheblich verringern, hieß es nun mit einem Mal
vielleicht 10 Jahre zu spät. Derzeit gilt das Fütterungsverbot
von Tiermehlen von 1990 und 1994 nur für
Rinder, Schafe und Ziegen, nicht aber für Schweine, Geflügel und
Fische [mehr]. In Deutschland
wurde erst 1994 aufgrund der EU-Verordnung vom 27. Juni 1994
die Verwendung von Tiermehlen als Futtermittel für Rinder und andere
Wiederkäuer verboten. |
Oktober 2000 |
Menschen-BSE (nvCJD oder deutsch vCJK)
beschränkt sich nicht nur auf junge Menschen. In North Yorkshire ist
jetzt auch ein 74jähriger Mann an nvCJD gestorben. Bis Ende Oktober
2000 sind in Großbritannien bereits
84 Menschen an nvCJD gestorben.
[Die BSE-Opfer] |
November 2000 |
Die britische Regierung unter Tony Blair rechnet inzwischen mit bis
zu 136.000 Toten.
|
14. November 2000 |
Im Kampf gegen die weitere Ausbreitung der Rinderseuche BSE verordnet
Frankreichs Ministerpräsident Lionel Jospin ein totales Verbot
der Verfütterung von Tier- und Knochenmehlen
auch an Schweine und Geflügel. Zudem wird in Frankreich der
Verkauf von T-Bone-Steaks untersagt.
|
15. November 2000 |
Das Bundeslandwirtschaftsministerium
(Bonn/Berlin) stellt hingegen fest, daß in Deutschland weiterhin
Tiermehl an Geflügel, Schweine und Fische verfüttert werden darf.
Das hierzulande für Nicht- Wiederkäuer verwendete Tiermehl sei
in mikrobiologischer und hygienischer Hinsicht
unbedenklich, sagt das Landwirtschaftsministerium der Berliner
Tageszeitung Der Tagesspiegel.
|
15. November 2000 |
Im EU-Veterinärausschuß lehnt Deutschland erneut die
Einführung flächendeckender BSE-Schnelltests ab. Deutschland sei
schließlich BSE-frei. |
November 2000 |
Deutsches Rindfleisch ist sicher, sagt der
Bundeslandwirtschaftsminister und
niedersächsische Bauer Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001). Auch er irrt fatal!
[Leitartikel im
Tagesspiegel] |
17. November 2000 |
Französische BSE-Opfer verklagen französische, britische und
EU-Behörden wegen Lebensmittelvergiftung. In der Klageschrift wirft
Anwalt François Honnorat den Behörden vor, in den 10
Jahren nach der Entdeckung der Rinderseuche BSE (19861996)
untätig gewesen zu sein.
|
20. November 2000 |
Anläßlich des in Brüssel tagenden EU-Agrarministerrats sagt
der deutsche Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001), obwohl er bereits von
Verstößen gegen das Tiermehl- Verfütterungsverbot bei
Rindern wissen mußte: Ich bin der felsenfesten
Überzeugung, daß deutsches Rindfleisch sicher
ist.
|
22. November 2000 |
Nachdem sich die 15 EU-Agrarminister (Agrarministerrat) in der Nacht vom
20/21. November nur auf kleinstem gemeinsamen Nenner einigen konnten,
beschließt in Brüssel der ständige
EU-Veterinärausschuß lediglich eine Beobachtung der weiteren
BSE-Entwicklung durch Ausdehnung der BSE-Tests ab Januar 2001 auf alle
Risiko- Tiere. Ab Juli 2001 sollen dann vielleicht auch
gesunde Rinder (Schlachtvieh), die über 30 Monate alt
sind, nach dem Schlachten auf BSE-Befall untersucht werden. Das meiste
Schlachtvieh ist jedoch jünger als 24 Monate. Ein totales
Tiermehl- Verbot sowie ein lückenloser BSE-Test von Rindern und
Schafen wird hingegen nicht beschlossen, was sich noch als fataler Fehler
herausstellen wird. |
22. November 2000 |
Aus Spanien wird der 1. BSE-Fall gemeldet. Die Zahl der seit 1990
außerhalb Großbritanniens entdeckten BSE-Fälle bei Rindern
steigt damit auf 1.573
(Deutschland 6). |
22. November 2000 |
Nur 2 Tage vor der Entdeckung des 1. einheimischen BSE-Falls der
öffentlich wird sagt Deutschlands
Bundesernährungsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001): Es gab bisher keinen
einzigen originären BSE-Fall in unserem Land. Die Verbraucher
können nach wie vor, ohne Angst um ihre Gesundheit haben zu
müssen, deutsches Rindfleisch essen.
|
23. November 2000 |
Prof. John
Collinge vom Imperial College of Science, Technology and Medicine
(St. Mary's Hospital der Uni London), BSE- Experte und wissenschaftlicher
Berater der britischen Regierung, weist in einem
ZEIT-Gespräch
eindringlich daraufhin, das Verfüttern toter Tiere an Tiere
das Tier- Recycling europaweit zu beenden, sonst riskiere man eine
Katastrophe.
[Wir riskieren die Katastrophe]. |
23. November 2000 |
Die Bundestagsfraktion der SPD fordert aus Gründen des vorbeugenden
Verbraucherschutzes ein totales Tiermehl-
Verfütterungsverbot
. Vorher hatte bereits
Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001) für ein Ende der Tiermehl-
Verfütterung plädiert
.
Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001) hatte das bislang stets abgelehnt. |
24. November 2000 |
Deutschland war nicht
BSE-frei. In
Schleswig- Holstein wird bei einem privaten Zufallstest der 1.
originäre deutsche BSE-Fall entdeckt. Die Kuh wurde 1996 in
Schleswig- Holstein geboren und wuchs dort auch auf.
Tiermehl soll auf dem Bauernhof nie
verfüttert worden sein. Alle 160 Rinder der Herde wurden getötet
und vernichtet. Am 20. Dezember 2000 stellte sich heraus, daß es
eigentlich der 2. originäre BSE- Fall in Deutschland war. Denn in
Rottenbuch in Bayern war bereits Ende Oktober 2000 eine Kuh mit BSE-
Symptomen aufgefallen, was aber erst 7 Wochen später publik wurde.
[Deutschland ist nicht BSE-frei] |
25. November 2000 |
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlangt ein sofortiges
Verbot der Verfütterung und Produktion von
Tiermehlen, das als Überträger von BSE gilt. Das
Agrarministerium sowie ein Bund- Länder- Krisenstab schlägt eine
Eilverordnung vor. Aus den Bundesländern wird ein totales
Importverbot von britischen Rindfleisch gefordert, obwohl das Britenfleisch
nicht die Ursache der deutschen BSE- Krise sein kann. |
26. November 2000 |
Der 1. BSE-Fall eines in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Rinds
wird vom nationalen Referenz-Labor in
Tübingen amtlich bestätigt. Deutschland ist damit kein
BSE-freies Land. Es wurde nur so getan, als ob. Die Bundesregierung
beschließt ein totales
Tiermehl- Verbot. Nordrhein- Westfalens
Umweltministerin Bärbel Höhn sagt: Wir
hätten in Sachen BSE früher konsequenter handeln müssen. Es
sind Fehler in der Vergangenheit gemacht worden, für die wir jetzt
bitter bezahlen müssen. |
26. November 2000 |
EU-Kommissar David Byrne wirft der Bundesregierung in der
ARD- Fernsehsendung Sabine Christiansen vor, noch bis vor
kurzem wichtige BSE- Vorsorgemaßnahmen (u. a. Verbot und Vernichten von
Risikomaterialien) blockiert
zu haben. |
27. November 2000 |
Die deutsche Futtermittel- Industrie erklärt sich in Gesprächen
mit dem Landwirtschaftsministerium zum sofortigen Verzicht auf Auslieferung
und Export von Tiermehlen bereit. |
28. November 2000 |
Deutsche Wissenschaftler vermuten, daß Prionen (BSE-Erreger) auch auf
Böden und Weiden übertragen werden können.
|
28. November 2000 |
Die rot-grüne Bundesregierung will das Tiermehl- Verbot nun durch ein
Eilgesetz regeln. Mehrere Landeskabinette beschließen den Aufbau von
Labors für die Durchführung von BSE- Schnelltests.
Umweltverbände fordern eine radikale Abkehr von der durch die
unionsgeführte Bundesregierung 1987
eingeführten industriellen Massentierhaltung. |
29. November 2000 |
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlangt im Deutschen
Bundestag eine grundlegende Reform der Landwirtschaft. Es
müsse nun darum gehen, die industriellen Agrarfabriken abzuschaffen
und eine verbraucherfreundlichere Landwirtschaft zu entwickeln
. |
30. November 2000 |
Der CJD-Experte
Prof. Hans Kretzschmar beantwortet im Stern-Interview die Frage,
wann in Deutschland die Ansteckungs- Gefahr für die Menschen am
größten war:
Etwa Mitte der neunziger Jahre. Das haben unabhängige
Wissenschaftler der EU gut eingegrenzt. Genau in der Zeit, in der die
BSE-Krise in England auf dem Höhepunkt war, nämlich von 1986 bis
1993, haben wir von dort 14.000 Rinder importiert und 1.200 Tonnen
Tiermehl. Aus anderen BSE- Ländern wie Frankreich und der Schweiz
kamen weitere Tonnagen von Tiermehl sowie Rinder. Gleichzeitig bezeichnen
die EU- Wissenschaftler das deutsche Überwachungssystem bis 1996 als
ungenügend. Es wurden zu wenig auffällige Tiere untersucht, und
einige Tiermehl- Fabriken arbeiteten nicht einwandfrei.
. |
1. Dezember 2000 |
Nach dem Bundestag stimmt auch der Bundesrat dem Eilgesetz für ein
totales Tiermehl-Verbot zu. Der Bundesrat fordert zudem eine
maßgebliche Beteiligung von Bund und EU an den Folgekosten der
BSE- Krise. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne,
Amtszeit Oktober 1998 Januar 2001) schreibt in einer
Dringlichkeitsverordnung BSE- Pflichttests für alle geschlachteten
Rinder, die über 30 Monate alt sind, vor. |
2. Dezember 2000 |
In Deutschland tritt das Gesetz zum Verbot der Tier- und Knochenmehl-
Verfütterung in Kraft. Das Gesetz wurde in nur 5 Tagen formuliert,
vom Parlament beraten, vom Bundestag und Bundesrat beschlossen, vom
Bundespräsidenten geprüft und unterschrieben und verkündet.
[Das Gesetz] |
2. Dezember 2000 |
Der Bundeslandwirtschaftsminister
Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 Januar 2001)
kündigt in Bonn eine völlige Neuorientierung seines Ministeriums
an. Noch im Dezember 2000 soll eine neue Abteilung
Verbraucherschutz, Lebenmittelsicherheit und
Veterinärfragen eingerichtet werden
.
[mehr] |
4. Dezember 2000 |
Der EU-Agrarministerrat (15 Agrarminister) beschließt im Kampf gegen
die Rinderseuche BSE nach deutschem und französischem Vorbild ein
generelles Verfütterungsverbot von Fleisch- und Knochenmehlen
(MBM) ab 1. Januar 2000. Das
EU-weite Verbot gilt aber nur befristet für 6 Monate. Fischmehl und
tierische Fette dürfen weiterhin an Schweine, Geflügel und Fische
verfüttert werden. Deutschland konnte sich mit weitergehenden
Forderungen nicht durchsetzen.
[mehr] |
6. Dezember 2000 |
In Deutschland laufen aufgrund der Eilverordnung die verbindlichen
BSE-Tests an. Alle Schlachtrinder, die älter als 30 Monate sind, sowie
notgeschlachtete Rinder müssen auf BSE untersucht werden. |
12. Dezember 2000 |
Japan setzt auf Sicherheit und verbietet als BSE- Vorsichtsmaßnahme
die Verwendung von Tierbestandteilen zur Herstellung von Arzneimitteln aus
28 Ländern darunter auch aus Deutschland. Seit 1996 ist in
Japan bereits die Verwendung von Rinderbestandteilen bei der Herstellung
pharmazeutischer Produkte verboten.
|
14. Dezember 2000 |
Vom Bund und den Bundesländern wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die
bis Ende Januar 2001 Lösungen für die umstrittene
Kostenaufteilung zur Bewältigung der BSE- Krise vorlegen soll. |
15. Dezember 2000 |
In Sachsen-Anhalt werden in 88 von 435 Rinderfutter- Proben illegale
Tiermehl- Bestandteile gefunden
.
In den folgenden Wochen werden insbesondere in Bayern aber auch in
anderen Bundesländern immer wieder Tiermehle in Rinderfutter
entdeckt, obwohl das seit 1994 strikt verboten ist.
[Fahrlässigkeit an der
Tagesordnung] |
16. Dezember 2000 |
Das Muster-Landwirtschaftsland
Bayern ist und war nicht BSE-frei! Aus Sulzberg im Oberallgäu
wird der 1. bayerische BSE-Fall gemeldet. Die 1995 geborene Kuh stammte
aus einem bäuerlichen Familienbetrieb.
|
17. Dezember 2000 |
Der 1. BSE-Fall in Bayern wird amtlich bestätigt. Bis Ende 2000
werden in Bayern bereits 5 BSE-Fälle festgestellt werden. |
19. Dezember 2000 |
Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001) hält deutsche
Wurst für sicher. Nur einen
Tag später empfiehlt die Gesundheitsministerin eine Rückrufaktion
älterer Wurstprodukte, da diese BSE- Risikomaterialien
(Separatorenfleisch) enthalten
könnten.
|
20. Dezember 2000 |
Aus Bayern wird der 1. klinische BSE-Fall bekannt. Das Rind aus
Rottenbuch (Kreis Weilheim- Schongau in Oberbayern), bei dem bereits
BSE- Symptome sichtbar waren, wurde in Bayern geboren und bereits am 2.
November notgeschlachtet. |
21. Dezember 2000 |
Die Zahl der amtlich bestätigten BSE-Fälle aus deutschen
Höfen steigt auf 5. |
22. Dezember 2000 |
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in
Genf befürchtet, daß sich die Rinderseuche BSE weltweit
ausbreiten wird.
|
23. Dezember 2000 |
Im Ausland wird vor dem Verzehr deutscher Fleisch- und Wurstwaren
gewarnt.
 |
Dezember 2000 |
Die EU beschließt zur Stabilisierung des zusammengebrochenen
Rindfleischmarktes ein Aufkaufprogramm für rund 1,5 Millionen
ältere Rinder, die geschlachtet und deren Fleisch anschließend
vernichtet werden soll. Die EU will 70 % der Kosten tragen, die
Nationalstaaten 30 %. In Deutschland sollen bis zu 400.000 Rinder, die
älter als 30 Monate sind, aus dem Markt genommen werden. |
28. Dezember 2000 |
Aus Niedersachsen wird der 1. BSE-Fall bekannt. Die 4 Jahre alte Kuh von
einem Hof in Nortrup bei Bersenbrück (Landkreis Osnabrück) war
bereits am 20. Dezember notgeschlachtet worden. |
29. Dezember 2000 |
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beauftragt die
Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Hedda von Wedel (CDU),
mit einer Schwachstellenanalyse der Bewältigung der deutschen BSE-
Krise. Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998
Januar 2001) fordert von den Futtermittel- Herstellern freiwillige
Angaben über die Zusammensetzung der Produkte. Denn
seit 1978 gibt es keine klare
Tierfutter- Kennzeichnung mehr. |
31. Dezember 2000 |
In Großbritannien werden noch immer rund 28 BSE-Rinder pro Woche
entdeckt. Im Jahr 2000 wurden insgesamt 1443 BSE- Fälle registriert
.
Bis Ende 2000 sind in Großbritannien insgesamt 84 Menschen an den
BSE- Folgen (nvCJD) gestorben,
in Frankreich bereits 3.
|
1. Januar 2001 |
Bislang hat sich kein deutscher Politiker, keine deutsche Politikerin, kein
deutscher Agrarfunktionär bei der Bevölkerung für das
fahrlässige Nicht-Handeln beim BSE entschuldigt wenn auch
Fehler eingeräumt wurden. Tagtäglich zittern sie alle vor der
nächsten Hiobsbotschaft. Denn es könnte der 1. deutsche Fall
von BSE beim Menschen (nvCJD) sein. |
2. Januar 2001 |
Lebensmittelkontrolleure fahnden in deutschen Supermärkten nach falsch
deklarierter Wurst, die entgegen den Herstellerangaben auf dem Etikett
dennoch Rindfleisch enthält. |
3. Januar 2001 |
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) lehnt personelle
Konsequenzen aus der BSE-Krise ab. Es gibt Streit um die
Zuständigkeit für den Verbraucherschutz. Tierschützer
protestieren gegen die Tötung ganzer Rinder- Herden bei einem
BSE-Fall. |
4. Januar 2001 |
Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober
1998 Januar 2001) will BSE-Tests auf jüngere Schlachtrinder
ausweiten und die Altersgrenze von 30 auf 24 Monate senken. |
4. Januar 2001 |
Ein Programm-Papier
Konsequenzen aus der
BSE-Krise der Staatsekretäre des Bundeslandwirtschafts- und
des Umweltministeriums wird bekannt. Darin wird entgegen der Ansicht von
Minister Karl-Heinz Funke (SPD) eine Hinwende zur ökologischen
Landwirtschaft gefordert. |
5. Januar 2001 |
Streit um die Zukunft der deutschen Landwirtschaft: In der gemeinsamen
Sondersitzung zur BSE-Krise der Bundestagsausschüsse für
Landwirtschaft und für Gesundheit in Berlin legt
Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit
Oktober 1998 Januar 2001) ein
Acht-Punkte-Programm zum
Umbau der Landwirtschaft vor. Er signalisierte damit, daß mit ihm
trotz BSE-Krise keine grundlegende Wende der Agrarpolitik
möglich sein wird. [Funke
wann tritt er zurück?] |
8. Januar 2001 |
Bayern will bei einem BSE-Fall nicht mehr automatisch alle Tiere der Herde
töten. |
9. Januar 2001 |
Auch für die gesundheitspolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion, Regina Schmidt- Zadel, ist es ein
schwerer Fehler gewesen, daß der frühere
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU, Amtszeit
19921998) nach dem AIDS- Skandal das Bundesgesundheitsamt (BGA)
1994 im Zorn in 6 unabhängige Bundesinstitute
zerschlagen hat. Sie fordert deshalb als eine erste Maßnahme, wieder ein
zentrales Bundesgesundheitsamt zu schaffen.
[Kritik des
Ex-BGA- Präsidenten] |
9. Januar 2001 |
In Deutschland sind insgesamt 10 originäre BSE-Fälle amtlich
bestätigt, 6 davon in Bayern, 2 in Niedersachsen und 2 in
Schleswig- Holstein
. Außerdem gibt es
weitere BSE- Verdachtsfälle. Alle bisher entdeckten BSE-Rinder
stammen aus bäuerlichen Familienbetrieben. |
9. Januar 2001 |
In Deutschland gibt es die ersten politischen BSE-Opfer: Die
Bundesministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober 1998
Januar 2001) und der Bundesminister Karl-Heinz Funke (SPD,
Amtszeit Oktober 1998 Januar 2001) treten zurück.
|
10. Januar 2001 |
Nach dem Doppel-Rücktritt der Bundesgesundheitsministerin und des
Bundeslandwirtschaftsministers wird aus dem bisherigen Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMLF) das
neustrukturierte Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, in dem der Verbraucherschutz
gebündelt werden soll. Erste deutsche Verbraucherschutz- Ministerin
wird die Juristin Renate Künast (Grüne, Amtszeit Januar
2001Oktober 2005): Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft
liegt fest in der Hand der Verbraucher.
|
26. Januar 2001 |
In Deutschland müssen ab sofort alle geschlachteten Rinder, die
älter als 24 Monate sind, auf BSE getestet werden. Bislang waren
BSE-Tests bei Rindern ab 30 Monaten Pflicht. Damit gelten in Deutschland
schärfere Vorschriften als in den übrigen Ländern der
EU. |
29. Januar 2001 |
Die EU verschärft die Maßnahmen im Kampf gegen BSE. So sollen
künftig das gesamte Rückgrat und
Separatorenfleisch von
Wiederkäuern als BSE-Risikomaterial aus der Nahrungskette
verschwinden. |
Februar 2001 |
In Großbritannien bricht fast flächendeckend die in Europa
bereits als besiegt geltende Maul- und
Klauenseuche (MKS) aus. 1992 wurde das regelmäßige Impfen
der Tierbestände gegen MKS EU-weit verboten aus rein
kommerziellen Gründen wg. des Exportinteresses. |
15. Februar 2001 |
Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin erklärt die 2. BSE-
Schutzverordnung vom März
1997, die eine vorsorgliche Tötung aller aus
Großbritannien und der Schweiz nach Deutschland importierten Rinder
vorsah, nachträglich für null und nichtig.
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 9.00.
|
März 2001 |
In Japan werden wegen der BSE-Gefahr keine Blutspenden mehr von Personen
angenommen, die sich mehr als 6 Monate in Europa aufgehalten haben.
|
28. März 2001 |
In Deutschland wird bereits der 50. originäre BSE-Fall festgestellt.
Allein 25 BSE- Fälle wurden bislang im Freistaat Bayern entdeckt.
[BSE-Fälle in Deutschland] |
April 2001 |
In Großbritannien wird bei aus Deutschland importiertem Rindfleisch erneut nicht
entferntes BSE-Risikomaterial
(Rückenmark) entdeckt, da auf mehreren deutschen Schlachthöfen schlampig
gearbeitet wird. Britische Bauern fordern deshalb einen Export-Stop für
deutsches Beef.
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April 2001 |
Die Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn) gibt ein Themenblatt
Fleischkonsum und
Rinderwahn für den Unterricht heraus. |
Mai 2001 |
BSE beim Menschen (nvCJD) kann bei
älteren Patienten mit Demenz- Symptomen unentdeckt bleiben. In
Großbritannien wird erstmals nvCJD bei einem 74-jährigen Mann nach
dessen Tod zweifelsfrei festgestellt.
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20. Mai 2001 |
Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD)
verharmlost die BSE-Situation, indem sie sagt, der Rinderwahnsinn (BSE)
stelle für die Gesundheit der Verbraucher in Deutschland kein
Problem dar. Sie verlangt deshalb eine Lockerung des Tiermehl- Verbots in der EU. |
Juli 2001 |
In London wird der Bericht (Horn-Report)
The Origin of BSE in the UK der Horn-Kommission veröffentlicht.
[Summary] |
19. August 2001 |
EU-Verbraucherkommissar David Byrne warnt vor einer Verharmlosung
von BSE. Das Tiermehl- Verbot sei eine
sinnvolle Maßnahme zum Schutz der Verbraucher.
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22. August 2001 |
In Deutschland wird der 100. originäre BSE-Fall amtlich festgestellt,
wobei allein in Bayern seit Dezember 2000 48 BSE-Rinder entdeckt worden
sind. |
5. September 2001 |
In Deutschland stellt die Bundesregierung das neue staatliche
Bio-Siegel vor.
[mehr]
[Chronologie des Bio-Siegels] |
Oktober 2001 |
Der Europäische Rechnungshof kommt in einem Sonderbericht zu dem
Ergebnis, daß die Untätigkeit in den EU-Mitgliedsländern
und eine schleppende Gesetzgebung in Brüssel die Ausbreitung der
Rinderseuche BSE gefördert haben.
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14. Dezember 2001 |
Im ZEIT-Interview stellt der
Zürcher Neuropathologe und Prionen-Experte
Prof. Adriano Aguzzi fest:
Die deutsche Regierung hat lange die Gefahr unterschätzt.
Bis Ende 2000 gab es in Deutschland faktisch keine BSE-Politik. Zehn Jahre
lang hat die Politik gekonnt weggeschaut. Immer behaupteten sie
"Deutschland ist BSE-frei", obwohl das in Fachkreisen schon jahrelang
niemand mehr glaubte. Deutsche Minister versäumten bis zum
Frühjahr 2001 Gesetze zu schaffen, die
BSE-Risikomaterialen aus Lebensmitteln verbannen. (...) Als
Skandal bezeichne ich, daß die wissenschaftlichen Fakten bereits seit
5 bis 7 Jahren auf dem Tisch lagen und die Entscheidungsträger
untätig blieben. BSE in Deutschland wäre eine vermeidbare
Katastrophe gewesen. |
31. Dezember 2001 |
In Großbritannien werden noch immer rund 23 BSE-Rinder pro Woche
entdeckt. Im Jahr 2001 wurden insgesamt 1202 BSE- Fälle registriert,
d. h. die Anzahl geht zurück
.
Bis Ende 2001 sind in Großbritannien insgesamt 104 Menschen an den
BSE- Folgen (nvCJD) gestorben,
in Frankreich bereits 4, in Deutschland noch keiner.
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