Chronik der BSE-Krise – Teil 2 khd
Stand:  7.4.2010   (134. Ed.)  –  File: BSE/BSE_Chronik2.html




Auf dieser Seite wird der 2. Teil der wütendmachende Geschichte der Entstehung und Verbreitung des Rinderwahnsinns – der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) – und deren Übertragung vom Rind auf den Menschen zusammengestellt. Eine Erfahrung, die der Menschheit besser erspart geblieben wäre.

Noch enthält diese Chronik manche Lücken, die aber nach und nach geschlossen werden sollen.

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Chronik der BSE-Krise
Wie uns Politiker, Wissenschaftler und Ärzte durch ihr jahrelanges Schweigen den Rinderwahnsinn (BSE)
und damit eine neue Form der tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) bescherten.

Recherchiert im Internet und zusammengestellt
von
Karl-Heinz Dittberner – Berlin

2000


Januar 2000 In Zürich wird die dreidimensionale Struktur des menschlichen Prion-Proteins entschlüsselt *. Die infektiösen Prionen (BSE-Erreger) unterscheiden sich von harmlosen Prionen (nur) durch ihre geometrische Struktur.
12. Januar 2000 Die EU-Kommission legt ein Weißbuch zur Schaffung eines europäischen Amts für Lebensmittelsicherheit vor. Die EU-Behörde soll für wissenschaftliche Risiko- Analysen und Informationsverbreitung zuständig sein und bis 2002 eingerichtet werden. *
Februar 2000 Gegen den Willen mehrerer Bundesländer billigt die Bundesregierung die Aufhebung des Importverbots für britisches Rindfleisch mit der Forderung an die EU, das Fleisch unmißverständlich zu kennzeichnen. Die EU erhebt Klage gegen die Bundesrepublik.
März 2000 Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) beteuert: „Wer deutsche Markenware kauft, weiß, daß er auf der sicheren Seite ist.“
6. März 2000 Das Schweizer Konsumenten-Forum fordert einen Importstop von Wurstwaren (auch aus Deutschland), da diese Hirn- und Rückenmarksgewebe enthalten können. *
März 2000 Mit einer Expertenstudie weist die EU auf die erhebliche BSE- Gefahr in Deutschland hin. Die Bundesregierung ignoriert die Warnung. [mehr]
13. April 2000 Bei einem BSE-Expertentreffen zum BSE-Risiko in Deutschland im Landwirtschaftsministerium in Bonn wird im Abschlußprotokoll festgestellt: „Es bestand einhellig die Meinung, daß von politischer Seite Vorbereitungen für den ersten Fall von einheimischer BSE in Deutschland getroffen werden sollten.“ * Die Bevölkerung wird dennoch nicht über die BSE-Gefahr, die vom Verzehr von Wurst und Rindfleisch ausgehen kann, aufgeklärt.
30. April 2000 Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) sagt im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF): „Deutschland ist BSE-frei!“
Mai 2000 Die EU-Kommission kündigt den 4. Versuch (!) an – auch gegen den Widerstand Deutschlands, EU-weit das Entfernen und Vernichten des Risikomaterials bei allen geschlachteten Rindern durchzusetzen. Zum 1. Oktober 2000 tritt die EU-Direktive in Kraft. Der Deutsche Bauernverband hat bis zuletzt dagegen protestiert.
5. Juni 2000 Die EU erläßt die Verpflichtung zu verstärkten BSE- Schnelltest vom 1. Januar 2001 an. Vorgeschrieben sind Stichproben nur bei Tieren, die auf Bauernhöfen verendet sind, bei notgeschlachteten Tieren oder solchen mit Verhaltensauffälligkeiten.
Juni 2000 Frankreich beginnt mit einer groß angelegten BSE-Testreihe. Mit dieser aktiven BSE-Überwachung soll die Verbreitung der Rinderseuche ermittelt werden. *
19. Juni 2000 Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) sagt: „Deutschland ist BSE-frei.“ Er sieht deshalb keinen Grund für Deutschland, eine schärfere Gangart beim Kampf gegen den Rinderwahnsinn einzulegen. *
29. Juni 2000 Nach einer EU-Vorschrift müssen sogenannte BSE- Risikomaterialien wie Hirn, Augen und Rückenmark vom 1. Oktober 2000 an vernichtet werden, damit möglicherweise enthaltene Prionen (BSE-Erreger) nicht in die Futter- und menschliche Nahrungskette gelangen können. Deutschland hat sich dem jahrelang widersetzt. Für Portugal und Großbritannien gelten noch strengere Vorschriften. *
Juli 2000 Im mittelenglischen Ort Queniborough und Umgebung (Grafschaft Leicestershire) häufen sich Erkrankungen an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nvCJD). Bis Ende 2000 sterben in dem Dorf 5 Menschen im Alter zwischen 19 und 35 Jahren an der tödlichen nvCJD *. Eine erste Untersuchung kann keine Ursache für die Häufung erkennen. Kritiker vermuten einen Zusammenhang zwischen den häufigen nvCJD- Fällen und einer in der Nähe des Dorfes ansässigen Chemie- Fabrik. Diese soll das Pestizid (Organo- Phosphat) „Phosmet“ herstellen. *
1. August 2000 Der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU-Kommission legt eine BSE-Risikostudie vor. Danach wird Deutschland zusammen mit Frankreich und der Schweiz in der Kategorie 3 „wahrscheinliches Risiko“ eingestuft *. Von der Bundesregierung und der deutschen Agrar-Lobby wird diese Risiko-Einstufung scharf kritisiert *. Die EU verwende „alte Daten“, hieß es. [BSE-Risikoeinstufung der EU]
7. August 2000 Niedersachsens Landwirtschaftsministerium hat den von der EU geäußerten Verdacht, in Deutschland gebe es Fälle der Rinderseuche BSE, „als absurd“ zurückgewiesen. *
August 2000 Die seit Juni 2000 in Frankreich laufenden Massentests der Rinderbestände auf BSE-Befall bringen es an den Tag: Es gibt eine deutliche Zunahme der Zahl der BSE-Fälle. [mehr]
August 2000 Durch einen Bericht des ZDF-Magazins „Kennzeichen D“ wird bekannt, daß in Deutschland BSE- Tests von Behörden und Fleischwirtschaft weitgehend blockiert werden. *
29. August 2000 Britische Wissenschaftler vermuten (Proceedings of the National Academy of Sciences, Washington, Band 97, Seite 10248), daß BSE und die neue Variante der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit (nvCJD) auch ohne sichtbare Symptome auftreten können. Mit dieser „subklinischen Form“ von BSE könnten Tiere wie Rinder, Schafe, Schweine oder Hühner tödliche Prionen in weit größerem Umfang als bisher gedacht in sich tragen und verbreiten. [mehr]
1. September 2000 Die EU-Verordnung der Rindfleisch- Etikettierung tritt in Kraft. Verbraucher können danach bei jedem gekauften Stück Rindfleisch erkennen, wo das Tier geschlachtet und zerlegt wurde, nicht aber wo das Rind geboren und aufgewachsen ist. Außerdem gilt die Verordnung nicht für Fleischprodukte wie Wurst. Deshalb wird von Verbraucherschützern die EU-Verordnung als „Lachnummer“ gesehen. [mehr]
September 2000 Mediziner warnen vor der Möglichkeit, daß sich ein Kind im Mutterleib mit nvCJD infizieren kann.
15. September 2000 Es steht nun fest, daß BSE bzw. nvCJD auch über Blut oder Blutprodukte übertragbar ist (The Lancet, Band 356). *
1. Oktober 2000 Risikomaterialien von Rindern, Schafen und Ziegen dürfen EU-weit nicht mehr für Nahrungs- und Futtermittel verwertet werden. Sie müssen vernichtet werden. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung im EU-Ministerrat der Stimme enthalten. *
Oktober 2000 In Frankreich gelangen rund 1 Tonne Rindfleisch mit BSE-Verdacht in die Supermärkte der Carrefour- Ladenkette. *
22. Oktober 2000 Aus einer Studie der Münchner Sozialwissenschaftlerin Kerstin Dressel geht hervor, daß die britischen Regierungen die BSE- Forschung zensiert und massiv behindert haben: „Oft haben die Forschergremien der Regierung nur dazu gedient, (...) politischen Entscheidungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben“, sagte Dressel der Süddeutschen Zeitung. [mehr]
23. Oktober 2000 Auf Großplakaten an Berliner S-Bahnhöfen wirbt die Centrale Marketing Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mit beschränkter Haftung (CMA) unverdrossen für deutsches Fleisch – auch Rindfleisch: „Kontrollierte Qualität vom Bauernhof bis zur Ladentheke.“ Aber eine Kontrolle des Fleisches auf BSE-Befall garantiert auch das CMA- Prüfsiegel nicht. Und Deutschland war nicht BSE-frei, wie wir alle im November 2000 erfahren mußten. Deutsches Rindfleisch und deutsche Wurst sind keineswegs sicher gewesen.
26. Oktober 2000 Der BSE-Untersuchungsbericht der Kommission unter Lordrichter Sir Nicholas Phillips wird in London der Öffentlichkeit vorgelegt und im Internet publiziert. Der gedruckte Bericht umfaßt in 16 Bänden auch Kritik an der Vorgehensweise der konservativen Regierungen unter Margaret Thatcher und John Major. *
28. Oktober 2000 Der britische BSE-Untersuchungsbericht gerät in die Kritik. Von Mittelmäßigkeit und Vertuschung ist die Rede. Auf der amerikanischen "Mad-Cow Page" der Sperling Biomedical Foundation wird u. a. festgestellt: „Who could write after a 27 million pound investigation that "no tissues from BSE-affected animals should have entered human food after the introduction of the slaughter and compensation policy in August 1988" *“.
31. Oktober 2000 Die britische Behörde für Lebensmittelsicherheit (FSA) hat u. a. die EU-Kommission aufgefordert, unverzüglich ein totales Verbot der Verfütterung von Tierresten bzw. Tier- und Knochenmehlen an andere Tiere zu erlassen. Ein solches Verbot des allerorts intensiv praktizierten „tierischen Kannibalismus“ könne das Risiko der weiteren BSE- Ausbreitung „erheblich verringern“, hieß es nun mit einem Mal – vielleicht 10 Jahre zu spät. Derzeit gilt das Fütterungsverbot von Tiermehlen von 1990 und 1994 nur für Rinder, Schafe und Ziegen, nicht aber für Schweine, Geflügel und Fische [mehr]. In Deutschland wurde erst 1994 – aufgrund der EU-Verordnung vom 27. Juni 1994 – die Verwendung von Tiermehlen als Futtermittel für Rinder und andere Wiederkäuer verboten.
Oktober 2000 Menschen-BSE (nvCJD oder deutsch vCJK) beschränkt sich nicht nur auf junge Menschen. In North Yorkshire ist jetzt auch ein 74jähriger Mann an nvCJD gestorben. Bis Ende Oktober 2000 sind in Großbritannien bereits 84 Menschen an nvCJD gestorben. [Die BSE-Opfer]
November 2000 Die britische Regierung unter Tony Blair rechnet inzwischen mit bis zu 136.000 Toten. *
14. November 2000 Im Kampf gegen die weitere Ausbreitung der Rinderseuche BSE verordnet Frankreichs Ministerpräsident Lionel Jospin ein totales Verbot der Verfütterung von Tier- und Knochenmehlen – auch an Schweine und Geflügel. Zudem wird in Frankreich der Verkauf von T-Bone-Steaks untersagt. *
15. November 2000 Das Bundeslandwirtschaftsministerium (Bonn/Berlin) stellt hingegen fest, daß in Deutschland weiterhin Tiermehl an Geflügel, Schweine und Fische verfüttert werden darf. Das hierzulande für Nicht- Wiederkäuer verwendete Tiermehl sei „in mikrobiologischer und hygienischer Hinsicht unbedenklich“, sagt das Landwirtschaftsministerium der Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel. *
15. November 2000 Im EU-Veterinärausschuß lehnt Deutschland erneut die Einführung flächendeckender BSE-Schnelltests ab. Deutschland sei schließlich BSE-frei.
November 2000 „Deutsches Rindfleisch ist sicher“, sagt der Bundeslandwirtschaftsminister und niedersächsische Bauer Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001). Auch er irrt fatal! [Leitartikel im Tagesspiegel]
17. November 2000 Französische BSE-Opfer verklagen französische, britische und EU-Behörden wegen Lebensmittelvergiftung. In der Klageschrift wirft Anwalt François Honnorat den Behörden vor, in den 10 Jahren nach der Entdeckung der Rinderseuche BSE (1986–1996) untätig gewesen zu sein. *
20. November 2000 Anläßlich des in Brüssel tagenden EU-Agrarministerrats sagt der deutsche Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001), obwohl er bereits von Verstößen gegen das Tiermehl- Verfütterungsverbot bei Rindern wissen mußte: „Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß deutsches Rindfleisch sicher ist.“ *
22. November 2000 Nachdem sich die 15 EU-Agrarminister (Agrarministerrat) in der Nacht vom 20/21. November nur auf kleinstem gemeinsamen Nenner einigen konnten, beschließt in Brüssel der ständige EU-Veterinärausschuß lediglich eine Beobachtung der weiteren BSE-Entwicklung durch Ausdehnung der BSE-Tests ab Januar 2001 auf alle Risiko- Tiere. Ab Juli 2001 sollen dann vielleicht auch „gesunde Rinder“ (Schlachtvieh), die über 30 Monate alt sind, nach dem Schlachten auf BSE-Befall untersucht werden. Das meiste Schlachtvieh ist jedoch jünger als 24 Monate. Ein totales Tiermehl- Verbot sowie ein lückenloser BSE-Test von Rindern und Schafen wird hingegen nicht beschlossen, was sich noch als fataler Fehler herausstellen wird.
22. November 2000 Aus Spanien wird der 1. BSE-Fall gemeldet. Die Zahl der seit 1990 außerhalb Großbritanniens entdeckten BSE-Fälle bei Rindern steigt damit auf 1.573 (Deutschland 6).
22. November 2000 Nur 2 Tage vor der Entdeckung des 1. einheimischen BSE-Falls – der öffentlich wird – sagt Deutschlands Bundesernährungsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001): „Es gab bisher keinen einzigen originären BSE-Fall in unserem Land. Die Verbraucher können nach wie vor, ohne Angst um ihre Gesundheit haben zu müssen, deutsches Rindfleisch essen.“ *
23. November 2000 Prof. John Collinge vom Imperial College of Science, Technology and Medicine (St. Mary's Hospital der Uni London), BSE- Experte und wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung, weist in einem ZEIT-Gespräch eindringlich daraufhin, das Verfüttern toter Tiere an Tiere – das Tier- Recycling – europaweit zu beenden, sonst riskiere man eine Katastrophe. [Wir riskieren die Katastrophe].
23. November 2000 Die Bundestagsfraktion der SPD fordert aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes ein totales Tiermehl- Verfütterungsverbot *. Vorher hatte bereits Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) für ein Ende der Tiermehl- Verfütterung plädiert *. Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) hatte das bislang stets abgelehnt.
24. November 2000 Deutschland war nicht „BSE-frei“. In Schleswig- Holstein wird bei einem privaten Zufallstest der 1. originäre deutsche BSE-Fall entdeckt. Die Kuh wurde 1996 in Schleswig- Holstein geboren und wuchs dort auch auf. Tiermehl soll auf dem Bauernhof nie verfüttert worden sein. Alle 160 Rinder der Herde wurden getötet und vernichtet. Am 20. Dezember 2000 stellte sich heraus, daß es eigentlich der 2. originäre BSE- Fall in Deutschland war. Denn in Rottenbuch in Bayern war bereits Ende Oktober 2000 eine Kuh mit BSE- Symptomen aufgefallen, was aber erst 7 Wochen später publik wurde. [Deutschland ist nicht BSE-frei]
25. November 2000 Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlangt ein sofortiges Verbot der Verfütterung und Produktion von Tiermehlen, das als Überträger von BSE gilt. Das Agrarministerium sowie ein Bund- Länder- Krisenstab schlägt eine Eilverordnung vor. Aus den Bundesländern wird ein totales Importverbot von britischen Rindfleisch gefordert, obwohl das Britenfleisch nicht die Ursache der deutschen BSE- Krise sein kann.
26. November 2000 Der 1. BSE-Fall eines in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Rinds wird vom nationalen Referenz-Labor in Tübingen amtlich bestätigt. Deutschland ist damit kein BSE-freies Land. Es wurde nur so getan, als ob. Die Bundesregierung beschließt ein totales Tiermehl- Verbot. Nordrhein- Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn sagt: „Wir hätten in Sachen BSE früher konsequenter handeln müssen. Es sind Fehler in der Vergangenheit gemacht worden, für die wir jetzt bitter bezahlen müssen.“
26. November 2000 EU-Kommissar David Byrne wirft der Bundesregierung in der ARD- Fernsehsendung „Sabine Christiansen“ vor, noch bis vor kurzem wichtige BSE- Vorsorgemaßnahmen (u. a. Verbot und Vernichten von Risikomaterialien) blockiert zu haben.
27. November 2000 Die deutsche Futtermittel- Industrie erklärt sich in Gesprächen mit dem Landwirtschaftsministerium zum sofortigen Verzicht auf Auslieferung und Export von Tiermehlen bereit.
28. November 2000 Deutsche Wissenschaftler vermuten, daß Prionen (BSE-Erreger) auch auf Böden und Weiden übertragen werden können. *
28. November 2000 Die rot-grüne Bundesregierung will das Tiermehl- Verbot nun durch ein Eilgesetz regeln. Mehrere Landeskabinette beschließen den Aufbau von Labors für die Durchführung von BSE- Schnelltests. Umweltverbände fordern eine radikale Abkehr von der durch die unionsgeführte Bundesregierung 1987 eingeführten industriellen Massentierhaltung.
29. November 2000 Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlangt im Deutschen Bundestag „eine grundlegende Reform der Landwirtschaft. Es müsse nun darum gehen, die industriellen Agrarfabriken abzuschaffen und eine verbraucherfreundlichere Landwirtschaft zu entwickeln“ *.
30. November 2000 Der CJD-Experte Prof. Hans Kretzschmar beantwortet im Stern-Interview die Frage, wann in Deutschland die Ansteckungs- Gefahr für die Menschen am größten war: „Etwa Mitte der neunziger Jahre. Das haben unabhängige Wissenschaftler der EU gut eingegrenzt. Genau in der Zeit, in der die BSE-Krise in England auf dem Höhepunkt war, nämlich von 1986 bis 1993, haben wir von dort 14.000 Rinder importiert und 1.200 Tonnen Tiermehl. Aus anderen BSE- Ländern wie Frankreich und der Schweiz kamen weitere Tonnagen von Tiermehl sowie Rinder. Gleichzeitig bezeichnen die EU- Wissenschaftler das deutsche Überwachungssystem bis 1996 als ungenügend. Es wurden zu wenig auffällige Tiere untersucht, und einige Tiermehl- Fabriken arbeiteten nicht einwandfrei.“ *.
1. Dezember 2000 Nach dem Bundestag stimmt auch der Bundesrat dem Eilgesetz für ein totales Tiermehl-Verbot zu. Der Bundesrat fordert zudem eine maßgebliche Beteiligung von Bund und EU an den Folgekosten der BSE- Krise. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) schreibt in einer Dringlichkeitsverordnung BSE- Pflichttests für alle geschlachteten Rinder, die über 30 Monate alt sind, vor.
2. Dezember 2000 In Deutschland tritt das Gesetz zum Verbot der Tier- und Knochenmehl- Verfütterung in Kraft. Das Gesetz wurde in nur 5 Tagen formuliert, vom Parlament beraten, vom Bundestag und Bundesrat beschlossen, vom Bundespräsidenten geprüft und unterschrieben und verkündet. [Das Gesetz]
2. Dezember 2000 Der Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) kündigt in Bonn eine völlige Neuorientierung seines Ministeriums an. Noch im Dezember 2000 soll eine neue Abteilung „Verbraucherschutz, Lebenmittelsicherheit und Veterinärfragen“ eingerichtet werden *. [mehr]
4. Dezember 2000 Der EU-Agrarministerrat (15 Agrarminister) beschließt im Kampf gegen die Rinderseuche BSE nach deutschem und französischem Vorbild ein generelles Verfütterungsverbot von Fleisch- und Knochenmehlen (MBM) ab 1. Januar 2000. Das EU-weite Verbot gilt aber nur befristet für 6 Monate. Fischmehl und tierische Fette dürfen weiterhin an Schweine, Geflügel und Fische verfüttert werden. Deutschland konnte sich mit weitergehenden Forderungen nicht durchsetzen. [mehr]
6. Dezember 2000 In Deutschland laufen aufgrund der Eilverordnung die verbindlichen BSE-Tests an. Alle Schlachtrinder, die älter als 30 Monate sind, sowie notgeschlachtete Rinder müssen auf BSE untersucht werden.
12. Dezember 2000 Japan setzt auf Sicherheit und verbietet als BSE- Vorsichtsmaßnahme die Verwendung von Tierbestandteilen zur Herstellung von Arzneimitteln aus 28 Ländern – darunter auch aus Deutschland. Seit 1996 ist in Japan bereits die Verwendung von Rinderbestandteilen bei der Herstellung pharmazeutischer Produkte verboten. *
14. Dezember 2000 Vom Bund und den Bundesländern wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis Ende Januar 2001 Lösungen für die umstrittene Kostenaufteilung zur Bewältigung der BSE- Krise vorlegen soll.
15. Dezember 2000 In Sachsen-Anhalt werden in 88 von 435 Rinderfutter- Proben illegale Tiermehl- Bestandteile gefunden *. In den folgenden Wochen werden insbesondere in Bayern – aber auch in anderen Bundesländern – immer wieder Tiermehle in Rinderfutter entdeckt, obwohl das seit 1994 strikt verboten ist. [Fahrlässigkeit an der Tagesordnung]
16. Dezember 2000 Das Muster-Landwirtschaftsland Bayern ist und war nicht BSE-frei! Aus Sulzberg im Oberallgäu wird der 1. bayerische BSE-Fall gemeldet. Die 1995 geborene Kuh stammte aus einem bäuerlichen Familienbetrieb. *
17. Dezember 2000 Der 1. BSE-Fall in Bayern wird amtlich bestätigt. Bis Ende 2000 werden in Bayern bereits 5 BSE-Fälle festgestellt werden.
19. Dezember 2000 Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) hält deutsche Wurst für sicher. Nur einen Tag später empfiehlt die Gesundheitsministerin eine Rückrufaktion älterer Wurstprodukte, da diese BSE- Risikomaterialien (Separatorenfleisch) enthalten könnten. *
20. Dezember 2000 Aus Bayern wird der 1. klinische BSE-Fall bekannt. Das Rind aus Rottenbuch (Kreis Weilheim- Schongau in Oberbayern), bei dem bereits BSE- Symptome sichtbar waren, wurde in Bayern geboren und bereits am 2. November notgeschlachtet.
21. Dezember 2000 Die Zahl der amtlich bestätigten BSE-Fälle aus deutschen Höfen steigt auf 5.
22. Dezember 2000 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf befürchtet, daß sich die Rinderseuche BSE weltweit ausbreiten wird. *
23. Dezember 2000 Im Ausland wird vor dem Verzehr deutscher Fleisch- und Wurstwaren gewarnt. *
Dezember 2000 Die EU beschließt zur Stabilisierung des zusammengebrochenen Rindfleischmarktes ein Aufkaufprogramm für rund 1,5 Millionen ältere Rinder, die geschlachtet und deren Fleisch anschließend vernichtet werden soll. Die EU will 70 % der Kosten tragen, die Nationalstaaten 30 %. In Deutschland sollen bis zu 400.000 Rinder, die älter als 30 Monate sind, aus dem Markt genommen werden.
28. Dezember 2000 Aus Niedersachsen wird der 1. BSE-Fall bekannt. Die 4 Jahre alte Kuh von einem Hof in Nortrup bei Bersenbrück (Landkreis Osnabrück) war bereits am 20. Dezember notgeschlachtet worden.
29. Dezember 2000 Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beauftragt die Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Hedda von Wedel (CDU), mit einer Schwachstellenanalyse der Bewältigung der deutschen BSE- Krise. Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) fordert von den Futtermittel- Herstellern freiwillige Angaben über die Zusammensetzung der Produkte. Denn seit 1978 gibt es keine klare Tierfutter- Kennzeichnung mehr.
31. Dezember 2000 In Großbritannien werden noch immer rund 28 BSE-Rinder pro Woche entdeckt. Im Jahr 2000 wurden insgesamt 1443 BSE- Fälle registriert *. Bis Ende 2000 sind in Großbritannien insgesamt 84 Menschen an den BSE- Folgen (nvCJD) gestorben, in Frankreich bereits 3. *

2001


1. Januar 2001 Bislang hat sich kein deutscher Politiker, keine deutsche Politikerin, kein deutscher Agrarfunktionär bei der Bevölkerung für das fahrlässige Nicht-Handeln beim BSE entschuldigt – wenn auch Fehler eingeräumt wurden. Tagtäglich zittern sie alle vor der nächsten Hiobsbotschaft. Denn es könnte der 1. deutsche Fall von BSE beim Menschen (nvCJD) sein.
2. Januar 2001 Lebensmittelkontrolleure fahnden in deutschen Supermärkten nach falsch deklarierter Wurst, die entgegen den Herstellerangaben auf dem Etikett dennoch Rindfleisch enthält.
3. Januar 2001 Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) lehnt personelle Konsequenzen aus der BSE-Krise ab. Es gibt Streit um die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz. Tierschützer protestieren gegen die Tötung ganzer Rinder- Herden bei einem BSE-Fall.
4. Januar 2001 Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) will BSE-Tests auf jüngere Schlachtrinder ausweiten und die Altersgrenze von 30 auf 24 Monate senken.
4. Januar 2001 Ein Programm-Papier „Konsequenzen aus der BSE-Krise“ der Staatsekretäre des Bundeslandwirtschafts- und des Umweltministeriums wird bekannt. Darin wird entgegen der Ansicht von Minister Karl-Heinz Funke (SPD) eine Hinwende zur ökologischen Landwirtschaft gefordert.
5. Januar 2001 Streit um die Zukunft der deutschen Landwirtschaft: In der gemeinsamen Sondersitzung zur BSE-Krise der Bundestagsausschüsse für Landwirtschaft und für Gesundheit in Berlin legt Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) ein Acht-Punkte-Programm zum Umbau der Landwirtschaft vor. Er signalisierte damit, daß mit ihm – trotz BSE-Krise – keine grundlegende Wende der Agrarpolitik möglich sein wird. [Funke – wann tritt er zurück?]
8. Januar 2001 Bayern will bei einem BSE-Fall nicht mehr automatisch alle Tiere der Herde töten.
9. Januar 2001 Auch für die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Regina Schmidt- Zadel, ist es ein „schwerer Fehler“ gewesen, daß der frühere Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU, Amtszeit 1992–1998) nach dem AIDS- Skandal das Bundesgesundheitsamt (BGA) 1994 im Zorn in 6 unabhängige Bundesinstitute zerschlagen hat. Sie fordert deshalb als „eine erste Maßnahme“, wieder ein zentrales Bundesgesundheitsamt zu schaffen. [Kritik des Ex-BGA- Präsidenten]
9. Januar 2001 In Deutschland sind insgesamt 10 originäre BSE-Fälle amtlich bestätigt, 6 davon in Bayern, 2 in Niedersachsen und 2 in Schleswig- Holstein *. Außerdem gibt es weitere BSE- Verdachtsfälle. Alle bisher entdeckten BSE-Rinder stammen aus bäuerlichen Familienbetrieben.
9. Januar 2001 In Deutschland gibt es die ersten politischen BSE-Opfer: Die Bundesministerin Andrea Fischer (Grüne, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) und der Bundesminister Karl-Heinz Funke (SPD, Amtszeit Oktober 1998 – Januar 2001) treten zurück. *
10. Januar 2001 Nach dem Doppel-Rücktritt der Bundesgesundheitsministerin und des Bundeslandwirtschaftsministers wird aus dem bisherigen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMLF) das neustrukturierte Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, in dem der Verbraucherschutz gebündelt werden soll. Erste deutsche Verbraucherschutz- Ministerin wird die Juristin Renate Künast (Grüne, Amtszeit Januar 2001–Oktober 2005): „Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft liegt fest in der Hand der Verbraucher.“ *
26. Januar 2001 In Deutschland müssen ab sofort alle geschlachteten Rinder, die älter als 24 Monate sind, auf BSE getestet werden. Bislang waren BSE-Tests bei Rindern ab 30 Monaten Pflicht. Damit gelten in Deutschland schärfere Vorschriften als in den übrigen Ländern der EU.
29. Januar 2001 Die EU verschärft die Maßnahmen im Kampf gegen BSE. So sollen künftig das gesamte Rückgrat und Separatorenfleisch von Wiederkäuern als BSE-Risikomaterial aus der Nahrungskette verschwinden.
Februar 2001 In Großbritannien bricht fast flächendeckend die in Europa bereits als besiegt geltende Maul- und Klauenseuche (MKS) aus. 1992 wurde das regelmäßige Impfen der Tierbestände gegen MKS EU-weit verboten – aus rein kommerziellen Gründen wg. des Exportinteresses.
15. Februar 2001 Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin erklärt die 2. BSE- Schutzverordnung vom März 1997, die eine vorsorgliche Tötung aller aus Großbritannien und der Schweiz nach Deutschland importierten Rinder vorsah, nachträglich für null und nichtig. Aktenzeichen: BVerwG 3 C 9.00. *
März 2001 In Japan werden wegen der BSE-Gefahr keine Blutspenden mehr von Personen angenommen, die sich mehr als 6 Monate in Europa aufgehalten haben. *
28. März 2001 In Deutschland wird bereits der 50. originäre BSE-Fall festgestellt. Allein 25 BSE- Fälle wurden bislang im Freistaat Bayern entdeckt. [BSE-Fälle in Deutschland]
April 2001 In Großbritannien wird bei aus Deutschland importiertem Rindfleisch erneut nicht entferntes BSE-Risikomaterial (Rückenmark) entdeckt, da auf mehreren deutschen Schlachthöfen schlampig gearbeitet wird. Britische Bauern fordern deshalb einen Export-Stop für deutsches Beef. *
April 2001 Die Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn) gibt ein Themenblatt „Fleischkonsum und Rinderwahn“ für den Unterricht heraus.
Mai 2001 BSE beim Menschen (nvCJD) kann bei älteren Patienten mit Demenz- Symptomen unentdeckt bleiben. In Großbritannien wird erstmals nvCJD bei einem 74-jährigen Mann – nach dessen Tod – zweifelsfrei festgestellt. *
20. Mai 2001 Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) verharmlost die BSE-Situation, indem sie sagt, der Rinderwahnsinn (BSE) stelle „für die Gesundheit der Verbraucher in Deutschland kein Problem dar“. Sie verlangt deshalb eine Lockerung des Tiermehl- Verbots in der EU.
Juli 2001 In London wird der Bericht (Horn-Report) „The Origin of BSE in the UK“ der Horn-Kommission veröffentlicht. [Summary]
19. August 2001 EU-Verbraucherkommissar David Byrne warnt vor einer Verharmlosung von BSE. Das Tiermehl- Verbot sei eine sinnvolle Maßnahme zum Schutz der Verbraucher. *
22. August 2001 In Deutschland wird der 100. originäre BSE-Fall amtlich festgestellt, wobei allein in Bayern seit Dezember 2000 48 BSE-Rinder entdeckt worden sind.
5. September 2001 In Deutschland stellt die Bundesregierung das neue staatliche Bio-Siegel vor. [mehr] [Chronologie des Bio-Siegels]
Oktober 2001 Der Europäische Rechnungshof kommt in einem Sonderbericht zu dem Ergebnis, daß die Untätigkeit in den EU-Mitgliedsländern und eine schleppende Gesetzgebung in Brüssel die Ausbreitung der Rinderseuche BSE gefördert haben. *
14. Dezember 2001 Im ZEIT-Interview stellt der Zürcher Neuropathologe und Prionen-Experte Prof. Adriano Aguzzi fest: „Die deutsche Regierung hat lange die Gefahr unterschätzt. Bis Ende 2000 gab es in Deutschland faktisch keine BSE-Politik. Zehn Jahre lang hat die Politik gekonnt weggeschaut. Immer behaupteten sie "Deutschland ist BSE-frei", obwohl das in Fachkreisen schon jahrelang niemand mehr glaubte. Deutsche Minister versäumten bis zum Frühjahr 2001 Gesetze zu schaffen, die BSE-Risikomaterialen aus Lebensmitteln verbannen. (...) Als Skandal bezeichne ich, daß die wissenschaftlichen Fakten bereits seit 5 bis 7 Jahren auf dem Tisch lagen und die Entscheidungsträger untätig blieben. BSE in Deutschland wäre eine vermeidbare Katastrophe gewesen.
31. Dezember 2001 In Großbritannien werden noch immer rund 23 BSE-Rinder pro Woche entdeckt. Im Jahr 2001 wurden insgesamt 1202 BSE- Fälle registriert, d. h. die Anzahl geht zurück *. Bis Ende 2001 sind in Großbritannien insgesamt 104 Menschen an den BSE- Folgen (nvCJD) gestorben, in Frankreich bereits 4, in Deutschland noch keiner. *

2002


Januar 2002 Aus mehreren Bundesländern wird bekannt, daß bei den BSE- Tests massiv geschlampt wird. Besonders betroffen ist Bayern. *
23. Februar 2002 Durch einen Bericht des SPIEGEL werden Schlampereien bei der Rinder- Erfassung und Auswertung der 1999 eingerichteten Tier- Datenbank HIT sowie bei der Kontrolle der Rinderzucht- Betriebe erhebliche Probleme bekannt. *
Ende Februar 2002 In Deutschland wird das TSE-Forum gegründet. Es ist das Kommunikationsforum der deutschen BSE- und CJD-Forschung sowie der Erforschung anderer „transmissiblen spongiformen Enzephalopathien“ (TSE) oder „Prion- Krankheiten“. *
24. Mai 2002 Die deutschen Verbraucher ereilt ein neuer Schock. In Bio- Produkten wie Eier, Geflügel- Wurst, Puten- und Hähnchen- Fleisch werden Rückstände des giftigen und seit 1988 explizit verbotenen Herbizids Nitrofen entdeckt. Das Unkrautvernichtungsmittel gelangte über Öko-Weizen (Geflügel- Futter) in die menschliche Nahrungskette. *
31. Mai 2002 Im Bundesrat scheitert an den unionsgeführten Bundesländern das von der rot-grünen Bundesregierung vorgelegte Verbraucher- Informationsgesetz. *
4. Juni 2002 Die bislang in Deutschland zersplitterten Bio-Verbände kündigen als Folge des Nitrofen- Skandals an, nunmehr einen deutschen Öko- Dachverband zu gründen.
4. Juli 2002 Ein weiterer Lebensmittel-Skandal wird publik. In Schweinefutter aus den Niederlanden wird das verbotene synthetischen Hormon Medroxy- Progesteron- Azetat (MPA) gefunden. Dieses stammt aus der Tabletten- Produktion des Pharma- Konzerns Wyeth Medica in Irland, die dieser der Firma Bioland Liquid Sugar im nordbelgischen Arendonk „zur Entsorgung und Unschädlichmachung“ verkaufte. Die Firma Bioland (die nichts mit dem gleichnamigen Öko-Verband zu tun hat) stellte aus Bonbonabfällen Glucose- Sirup her. Dort wurden die Hormon- Tabletten durch Auflösen im Glucose- Sirup entsorgt. Dieser hormonbelastete Zucker- Sirup wurde an Futtermittel- Hersteller in den Niederlanden als Zusatz zu Schweinefutter sowie an Limonaden- Hersteller in Belgien und anderswo zum Schnäppchenpreis verkauft. *
15. Juli 2002 EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne kündigt eine Verschärfung der Vorschriften für die Produktion von Futtermitteln an. Denn 11 der 15 EU-Staaten sind vom jüngsten Skandal um hormonbelastetes Tierfutter (MPA) betroffen.


30. Juli 2002 Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet, daß die Regierung bei Lebensmittel- Krisen – wie BSE, Nitrofen, Glykol im Wein – Warnhinweise für Verbraucher mit ganz konkreter Nennung der Firmennamen veröffentlichen darf (Az: 1 BvR 558 und 1428/91). *
Anfang August 2002 In Kanada stirbt ein Mann an der nvCJD. Er soll sich in den 80er- Jahren in Großbritannien beim Verzehr von Rindfleisch infiziert haben. Denn die USA und Kanada gelten weiterhin als BSE-frei. *
5. August 2002 In Deutschland wird amtlich der 200. BSE-Fall festgestellt (Zählung ab 1992). Mit 20,2 BSE- Fällen auf 1 Million gehaltene Rinder liegt Bayern an der Spitze und Nordrhein- Westfalen mit 1,3 BSE- Fällen pro 1 Million Rinder am Schluß des Vergleichs der BSE-Belastung der Bundesländern. [Interessant: BSE-Fälle nach Geburtsmonaten]
August 2002 In den USA hat sich unter Hirschen die BSE-ähnliche Prion- Krankheit CWD (Chronic Wasting Disease) massiv ausgebreitet. Bereits 9 US- Bundesstaaten und 2 Provinzen Kanadas sind betroffen. Allein im US-Bundesstaat Wisconsin sollen 25.000 Hirsche abgeschossen und ihre Kadaver verbrannt werden. *
31. Dezember 2002 Bis Ende 2002 sind in Großbritannien insgesamt 121 Menschen an den BSE- Folgen (nvCJD) gestorben. 8 weitere Menschen sind bereits an nvCJD erkrankt. *

2003


Januar 2003 Aus Kanada wird aus der Provinz Alberta der 1. BSE-Fall gemeldet. Der Rinderwahnsinn hat den nordamerikanischen Kontinent erreicht. Wann wird die USA ihren 1. BSE-Fall melden?
Februar 2003 Es wird bekannt, daß Forscher der Universität München und des Berliner Robert-Koch-Instituts auch in Gehirnen von Fischen (Lachse und Kugelfische) Prionen gefunden haben. Infektiöse Prionen wurden aber bislang nicht entdeckt. Dennoch plädieren die Forscher dafür, daß das bestehende Tiermehl- Verfütterungsverbot für Fische nicht aufgehoben wird.
15. Februar 2003 Erneut wird deutlich, daß es in (einigen) deutschen Landen nicht so genau mit den Kontrollen von Futtermitteln genommen wird. So konnten aus Thüringen mehr als 2100 Tonnen mit Dioxin verseuchtes Tierfutter problemlos in den Handel gelangen. Tausende von Tieren mußten geschlachtet und vernichtet werden. *
Februar 2003 Das Bundesverbraucherministerium erhält per E-Mail von einem Viehhändler aus Bayern ganz konkrete Hinweise auf Schlampereien bei einem Rinderzüchter im Emsland. Danach sollen in dem Betrieb mindestens 80 Rinder geschlachtet und das Fleisch ohne BSE-Tests verkauft worden sein. Das Bundesverbraucherministerium informiert die niedersächsische Aufsichtsbehörde. Aber offensichtlich passierte daraufhin nichts. Der Fall wird erst im Zusammenhang mit dem Skandal um die Kontrolle der BSE-Tests durch einen Bericht der Bild-Zeitung vom 12.1.2004 bekannt.
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August 2003 In einem verzweifelten Experiment versuchen britische Ärzte die tödliche nvCJD-Erkrankung eines 19-jährigen Patienten durch direkte Dauerinfusion von Pentosan- Polysulfat (PPS) ins Gehirn zu stoppen. Die Eltern des jungen Mannes hatten diese Behandlung im Dezember 2002 vor Gericht erstritten. *  [Diagnose Rinderwahn]
September 2003 Die Europäische Vereinigung für Tierproduktion (EAAP) schätzt die Gesamtkosten der BSE-Krise in Europa auf 92 Mrd. Euro. *
Oktober 2003 Amerikanische Prionenforscher finden im Tierexperiment heraus, daß am Infektiöswerden von Prionen (Umklappen der Struktur der Eiweißmoleküle) offensichtlich körpereigene RNA (RNS) beteiligt ist. *  [Verrat nach Eiweißart]
November 2003 In London könnte einem Team um Prof. Collinge ein Durchbruch in der Erforschung der Prion- Erkrankungen gelungen sein. [mehr]
23. Dezember 2003 Aus den USA wird aus dem Bundesstaat Washington der 1. BSE-Fall gemeldet – ein Zufallsfund. Die vom Rinderwahnsinn befallene Kuh wurde bereits am 9. Dezember geschlachtet. Das Fleisch war in den Handel gelangt. Die amerikanischen Verbraucher müssen besorgt feststellen, wie lax die US-Futtermittel- und Lebensmittel- Kontrollen sind. Sie finden praktisch nicht statt. *
Weihnachten 2003 US-Agrarministerin Ann Veneman versucht angesichts des 1. BSE-Falls – ähnlich wie im November 1989 ihr konservativer Kollege John S. Gummer in Großbritannien – die amerikanische Bevölkerung zu beruhigen: „Für das Weihnachtsmenü habe ich selbst Rindfleisch eingeplant“. Das Risiko einer Ansteckung sei minimal. Und US-Präsident George W. Bush fügt tagsdrauf hinzu, er selbst werde auch „künftig Rindfleisch essen“. Die amerikanischen Verbraucher könnten „Vertrauen haben“. *
Ende 2003 Von den 15 EU-Ländern sind in 14 Ländern BSE-Fälle aufgetreten, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie in Großbritannien. Nur noch Schweden gilt als BSE-frei.
31. Dezember 2003 Bis Ende 2003 sind in Großbritannien insgesamt 139 Menschen an den BSE- Folgen (nvCJD) gestorben. 6 weitere Menschen sind bereits an nvCJD erkrankt. *
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2004


6. Januar 2004 Aus Deutschland wird bekannt, daß die laufende Kontrolle der BSE-Testung durch die Aufsichts- Behörden der Bundesländer nicht einwandfrei funktioniert. In mindestens 611 Fällen sind 2003 die gesetzlich vorgeschriebenen BSE- Pflichttests unterlassen worden und das Rindfleisch ungetestet in den Handel gelangt. *
8. Januar 2004 In Deutschland wird der 300. BSE-Fall amtlich registriert (Zählung ab 1992).
Anfang März 2004 Die deutsche Agrar-Wirtschaft muß zugeben, daß Rindfleisch ohne BSE-Test unter dem vor eineinhalb Jahren in Folge der BSE-Krise von ihr eingeführten „QS-Siegel“ in den Handel gekommen ist. Nach Recherchen der Verbraucherorganisation Foodwatch waren „auf 8 Schlachthöfen mit QS-Zulassung in 4 Bundesländern einzelne Tiere fälschlicherweise nicht auf BSE getestet worden“. Mit dem QS-Zertifikat wollen Landwirte, Schlachthöfe und Verkaufsorganisationen die „Qualität und Sicherheit“ (QS) deutscher Lebensmittel garantieren. *
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7. Oktober 2004 Durch einen Tiermehl-Report der unabhängigen Verbraucherorganisation Foodwatch (Berlin) wird bekannt, daß in Deutschland nicht alle erzeugten Tiermehle (MBM) in Öfen von Zement- und Kraftwerken verbrannt werden. Tiermehle werden auch zum Düngen von Ackerflächen eingesetzt. Auch werden Tiermehle importiert, z. B. aus Dänemark (79.000 t Tiermehl 2003 nach Deutschland exportiert, aber laut deutscher Statistik sind nur 2.000 t ins Land gekommen). Foodwatch sieht deshalb im hierzulande praktizierten Umgang mit Tiermehlen nach wie vor ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Denn von den mehr als 1 Mio. Tonnen in Deutschland jedes Jahr anfallenden Tiermehlen sind allein 170.000 Tonnen im vergangenen Jahr als Dünger an Landwirte verkauft worden. Den Verbleib von weiteren 124.000 Tonnen Tiermehl konnten die Behörden nicht aufklären. Von Foodwatch befragte Behörden konnten nicht sicher ausschließen, daß der Tiermehl- Dünger illegal als Viehfutter eingesetzt worden sein könnte, heißt es. Die Verfütterung von Tiermehlen ist seit Anfang 2001 in Europa verboten. [mehr] [Foodwatch Tiermehl-Report 2004] (Mirror)
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2005


Januar 2005 Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat den ersten Fall einer natürlichen Infektion mit BSE bei einer Ziege in Frankreich bestätigt. *
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Oktober 2005 In Frankreich ist 2005 die Zahl der nvCJD-Toten angestiegen. Bislang sind dort insgesamt 13 Menschen an den BSE-Folgen gestorben.
Herbst 2005 Angesichts von mehreren Fleisch-Skandalen mit in den Handel gebrachtem Ekelfleisch (nicht zum menschlichen Verzehr bestimmte K3-Schlachtabfälle) und verdorbenem Fleisch wird deutlich, daß weder die Politik noch die Behörden ausreichend Lehren aus der BSE-Krise gezogen haben. „Die kriminelle Fleisch- Mafia tanzt den Kontrollbehörden auf der Nase rum“, sagen unabhängige Verbraucherschützer. Es wird erwartet, daß in der folgenden Zeit weitere Fleisch- Skandale aufgedeckt werden.
22. November 2005 Der frühere Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU, Amtszeit 1992–1998) ist jetzt Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV, vorher BMVEL).
24. November 2005 Anläßlich des 5. Jahrestags der Entdeckung des 1. deutschen BSE-Rinds fordert ein Kurt-Henning Klamroth, Präsident des Deutschen Bauernbunds (DBB), eine Abschaffung aller BSE-Tests. In der Berliner Morgenpost erklärt er: „Das Rindfleisch war nie unsicher. BSE war ein riesengroßer Bluff der Unterhaltungsindustrie, und es sind sehr viele darauf reingefallen.“ Der konkurrierende (große) Deutsche Bauernverband (DBV) hält hingegen das gesamte BSE- Maßnahmenpaket nach wie vor für „richtig und notwendig“. *   [Aktuelle BSE-Erkenntnisse]
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2006


16. August 2006 In Deutschland wird der 400. originäre BSE-Fall amtlich festgestellt, wobei seit Dezember 2000 allein in Bayern 141 BSE-Rinder und in Baden-Württemberg 47 BSE-Rinder durch die BSE-Tests entdeckt worden sind.
September 2006 Aus Bayern werden erneut mehrere Gammelfleisch-Skandale bekannt. Es wird dabei deutlich, daß die bayerische Lebensmittel-Kontrolle nicht funktionierte. Denn die Gammelfleisch- Funde erfolgten erst durch die Polizei aufgrund von anonymen Hinweisen.
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2007

Februar 2007 Auch Jahre nach der BSE-Krise wird noch immer nicht sorgfältig mit Tiermehlen umgegangen. Nach Foodwatch- Recherchen sollen in den letzten Jahren große Mengen Tiermehle illegal exportiert worden sein. [mehr]
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2008

Februar 2008 Durch eine Analyse wurde die Dunkelziffer der in Deutschland aufgetretenen BSE-Fälle etwas aufgehellt. Danach sind für die Zeit vor Ende 2000 insgesamt 551 unbekannte BSE-Fälle anzunehmen. [mehr]
August 2008 Britische Wissenschaftler warnen vor einer 2. Welle der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nvCJD). [mehr]
September 2008 Kanadische Forscher haben herausgefunden, daß Rinderwahnsinn BSE auch durch einen genetischen Defekt ausgelöst werden kann. Auch wenn das selten geschehe, könne deshalb überall auf der Welt BSE spontan auftreten. [mehr]
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2009

März 2009 In Mexiko bricht eine neue Art der Virus-Grippe (Influenza) aus – die „Schweinegrippe“. Diese Krankheit wird durch ein H1N1-Virus ausgelöst. In nur wenigen Monaten verbreitete sich das neue Virus über die ganze Erde. Bis Ende Februar 2010 starben daran weltweit rund 16.000 Menschen, in Deutschland waren es 241. Das zeigt, daß von einer solchen Virus-Epidemie eine viel größere Gefahr ausgeht als vom Rinderwahn (BSE). [mehr]
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2010

Januar 2010 Prof. Aguzzi (Zürich) präsentiert eine plausible Hypothese der physiologischen Funktion von Prionen. Danach ist das Prion-Protein unerläßlich für die Aufrechterhaltung der Myelin-Hülle der peripheren Nerven. [mehr]
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[ Zum 1. Teil der Chronik ]   —   [ Ergänzungen oder Fehler mitteilen ]


Anmerkungen und wichtige Quellen:   (19. Ed. — 25.11.2005)


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© 2000-2011  – Universitätsrat a. D. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 23.06.2011 08.59 Uhr