B S ETierische Geschäfte
Profitgeier in Pharmaindustrie, Landwirtschaft und Handel haben das in der Bundesrepublik erzeugte Fleisch zu Aas verkommen lassen. Die so oft besungene freie Marktwirtschaft ist offenbar die Freiheit für wachstumsanbetende Manager, skrupelfreie Bauern und Tierärzte sowie für bedenkenlose Krämer, mit Mensch (Verbraucher) und Tier (Schlachtvieh) umzuspringen, wie es den Bilanzen bekommt. Eingepfercht, mit Medikamenten und anderen Fremdstoffen vollgepumpt, häufig von Krankheiten befallen, dämmern Tiere ihrem Ende als blasses, weiches, wäßriges Stück Fleisch auf den Tellern bundesdeutscher Esser entgegen.
Hinweis auf: Natur 2/1987, Februar 1987, Seite 1825 (Titel) von WOLF-MICHAEL EIMLER und NINA KLEINSCHMIDT, Autoren des Buches Tierische Geschäfte (Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München, Februar 1987, 19,80 DM).
B S EBrain disease drives cows wild
[Ed: Das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist publiziert erstmals über BSE den folgenden Bericht am 5. November 1987]
Aus: New Scientist, 5. November 1987, Seite ?? (???) von STEPHANIE PAIN. [Original] [Übersetzungs-Service]Vets at the Ministry of Agriculture have identified a new disease in cows that is causing dairy farmers some consternation. The fatal disease, which they have called bovine spongiform encephalopathy, causes degeneration of the brain. Afflicted cows eventually become uncoordinated and difficult to handle. The first case was reported in 1985. Now there are 92 suspected cases in 53 herds, mostly in the South of England. So far 21 cases in 18 herds have been confirmed. All are Friesian/Holstein dairy animals.
Gerald Wells and his colleagues at the Central Veterinary Laboratory in Weybridge, Surrey, describe the symptoms and pathology in the current issue of The Veterinary Record (vol 121, p 419).
No one yet knows the cause of the disease but there are some similarities with a group of neurological diseases caused by the so-called "unconventional slow viruses". This group of progressive diseases includes scrapie in sheep and goats, chronic wasting disease in mule deer and transmissible mink encephalopathy. In humans kuru and Creutzfeldt-Jakob disease, both fatal neurological diseases, come into the same category. The precise nature of the agents causing this group of diseases is a matter of intense debate but all are infectious (New Scientist, 29 January, p 32 and 15 May 1986, p41).
Like scrapie and the other diseases, bovine spongiform encephalopathy is insidious and progressive. A farmer is unlikely to suspect that a cow has the disease until it has almost run its course. Previously healthy animals become highly sensitive to normal stimuli, they grow apprehensive and their movements uncoordinated. In the final stages the cows may be frenzied and unpredictable and have to be slaughtered.
At autopsy, Wells and his colleagues found that some areas of the brain were full of holes, giving it a spongy appearance. The pattern of holes shows some similarity with that in the other unconventional encephalopathies. In all these diseases an important diagnostic feature is the presence of proteinaceous fibrils seen in brain extracts in the electron microscope. No one knows for certain what the fibrils are whether they are the agents of the disease, a type of subviral particle, as some researchers suggest, or are a product of the disease. The veterinary researchers analysed the brain tissue from cows that died from the disease and found similar fibrils. Brain tissue from healthy cows did not contain fibrils.
At the moment researchers at the Central Veterinary Laboratory are keeping an open mind on the cause of the disease. If it is not a scrapie-like agent it might be something to do with the genetics of Friesian cows. Another suggestion is that contaminated food might be to blame. "It is too early to come to conclusions," said a spokesman at the Ministry of Agriculture. "It might be caused by toxic products, or food, or it might be genetic."
According to Richard Kimberlin, of the AFRC/MRC Neuropathogenesis Unit in Edinburgh: "The similarities are enough to make us think that it's in the scrapie family, but without evidence of transmission it's impossible to say anything more certain". Scientists at the Neuropathogenesis Unit will look for evidence of transmission in experiments on mice, while Wells and his colleagues try to transmit the disease in cows. It will take at least two years of experiments before transmission can be proved.
What is certain is that the number of reported cases is increasing rapidly. Not all reports will turn out to be bovine spongiform encephalopathy. Farmers and vets might just be getting better at recognising symptoms. In the past farmers probably got rid of nutty middle-aged cows without thinking too much about it. If the disease turns out to be transmissible then it might spread to other breeds of cows. Many countries ban the import of sheep from areas where scrapie occurs. In the US, consumer rights groups won a ban on the purchase of meat from scrapie flocks because no one could rule out absolutely the possibility of transmission to humans. If bovine spongiform encephalopathy turns out to be infectious, it could cause problems out of proportion to the number of cases.
L E B E N S M I T T E L - K O N T R O L L EWarnung in Großbritannien vor Rindfleischprodukten
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 21. Mai 1989, Seite ?? (???).BERLIN (Tsp). Unabhängige Experten in Großbritannien raten derzeit ihren Mitbürgern, auf sämtliche Produkte zu verzichten, in denen Rindfleisch und Milch enthalten ist.
Hintergrund der Warnung ist nach Angaben der Londoner Times die immer häufiger bei Rindern und Kühen auftretende Gehirnkrankheit BSE, die von der bei Menschen auftretenden Jakob-Creutzfeldt- Krankheit nicht zu unterscheiden sei. Diese Erkrankung zieht eine Degeneration der Zellen im zentralen Nervensystem nach sich und wirkt ausnahmslos tödlich.
B S EDer Staat steht Schmiere
Das deutsche Lebensmittelrecht gilt als unbestechlich. Doch den Machenschaften von kriminellen Betrügern ist das Gesetzeswerk natürlich nicht gewachsen. Die Reinheitsgebote stehen nur auf dem Papier. Wenn es um die Gesundheit der Käufer und Verbraucher geht, haben die staatlichen Kontrolleure allzu oft Tomaten auf den Augen und Bohnen in den Ohren.
Auszug aus: Natur 9/1989, September 1989, Seite 5056 (Titel) von UDO POLLMER, Lebensmittel-Chemiker. Dokumentiert sind hier nur die Forderungen an eine verbraucherorientierte Lebensmittelüberwachung.
Experten fordern: Schützt uns besser!
- Eine bürgernahe, wirksame Lebensmittel- und Umweltpolizei schaffen.
Die Lebensmittelbranche kann nur effektiv überwacht werden, wenn dafür eine bundesweite Behörde zuständig ist, die sehr flexibel eingreifen kann. Ein Vorbild könnte der baden-württembergische Wirtschaftskontrolldienst sein. Die Behörde muß mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet sein; ihre Mitarbeiter benötigen eine solide Ausbildung auf dem Gebiet des Lebensmittel- und Umweltrechts. Die Dienststellen sollten so bürgernah wie möglich angesiedelt sein.
- Schwerpunkt-Untersuchungsämter einrichten.
Industriell hergestellte Lebensmittel werden immer häufiger von bestens ausgebildeten Fachleuten manipuliert. Das Ergebnis sind sogenannte analysenfeste Lebensmittel, die so konstruiert wurden, daß die Überwachungsbehörden sie mit ihren geringen analytischen Möglichkeiten nicht knacken können. Zentrale Untersuchungsämter, personell gut ausgestattet und mit modernstem Gerät ausgerüstet könnten hier Abhilfe schaffen. Die Lebensmittelüberwachung ist nur dann effektiv, wenn sie nicht mehr wie bisher den Skandalen hinterherläuft.
- Lebensmittelproben gezielt ziehen.
Heute sind die Überwachungsämter voll damit ausgelastet, Proben nach einem festen, bürokratischen Plan zu ziehen und zu analysieren. Sie sind deshalb nicht in der Lage, auf einen akuten Verdacht hin schnell zu reagieren. Beispiel: Bayerischen Chemikern war lange vor dem Diäthylglykol- Skandal aufgefallen, daß mit manchen Weinen etwas nicht stimmte. Es fehlte ihnen nur leider die Zeit, den unbekannten Stoff genau zu identifizieren.Professor Lutz Bertling, Leiter der Wuppertaler Lebensmittelüberwachung, setzt auf überraschende Probennahme: Er sieht darin einen wesentlichen Grund, auf den ich unsere hohe Beanstandungsquote von etwa 30 % der Proben zurückführe.
- Politik, Wirtschaft und die Lebensmittelüberwachung strikt trennen.
Die heutige Praxis der Lebensmittelüberwachung krankt an der Verfilzung von Politik, Unternehmen und Behörden. Es geht nicht an, daß Untersuchungsämter zwar Verstöße feststellen dürfen, dann aber nicht befugt sind, Verfahren gegen die Missetäter einzuleiten. In Rheinland- Pfalz versickerten im verantwortlichen Ministerium Akten, die einen Weinskandal aufdecken sollten.Völlig unerträglich ist die gelegentliche Verquickung von Kontrolleuren und Produzenten beziehungsweise Anbietern. Professor Hermann Hummel- Liljegren aus Berlin nennt als Beispiel jenen Leiter eines Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamtes, der vormittags ein großes Unternehmen zu kontrollieren hatte und die Firma nach Dienstschluß auf Honorarbasis beriet.
- Den Justizbereich reformieren.
Das heutige Lebensmittelrecht ist außerordentlich kompliziert und verworren, da die Gesetze und Verordnungen unter dem Einfluß zahlreicher Interessengruppen zustandegekommen sind. Selbst Experten können es kaum noch überschauen. Das gleiche gilt für das EG-Lebensmittelrecht. Der ehemalige Bundesrichter und Lebensmittelrechts- Experte Professor Walter Zipfel beschreibt die Misere: Das Lebensmittelrecht ist kein Ausbildungsgegenstand für Juristen. Der einzelne Richter oder Staatsanwalt muß sich die Rechtsmaterie am Einzelfall (...) erst erarbeiten. Ähnlich wie die Verkehrsrichter müßten Richter auch für das Lebensmittelrecht speziell ausgebildet werden. Schwerpunkt- Staatsanwaltschaften sind einzurichten.
- Den gesetzlichen Schutz vor Gesundheitsgefahren verbessern.
In der Bundesrepublik ist zwar verboten, Lebensmittel zu verkaufen, deren Verzehr geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen. Eine papierene Vorschrift. Denn der Gesetzgeber drückt sich um eine klare Umschreibung dessen, was er mit Gesundheit schädigen meint. Hier muß jedesmal der Verbraucher beweisen, daß ein Lebensmittel schuld an einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ist. Die Verursacher werden kaum einmal zur Rechenschaft gezogen.
- Für schädliche Stoffe verbindliche Grenzwerte erlassen.
Für viele wichtige, gesundheitsschädliche Rückstände in Lebensmitteln existiert immer noch keine verbindliche Höchstmenge (zum Beispiel für die meisten Schwermetalle, Lösungs- und Arzneimittel [Ed: aber auch für das Gift Dioxin]). So kann unter anderem Fleisch, das mit Medikamenten belastet ist, in vielen Fällen von der Lebensmittelüberwachung nicht beanstandet werden. Der ahnungslose Verbraucher ißt solches Fleisch. Der Arzneimittelexperte Dr. Michael Petz klagt: Zwar müssen Hersteller von Arzneimitteln dem Bundesgesundheitsamt (BGA) Analysemethoden nennen, mit denen die Medikamenten- Wirkstoffe nachgewiesen werden können. Doch diese Methoden werden nur selten an die Überwachungsbehörden weitergegeben.
- Täuschung und Betrug wirkungsvoll bestrafen.
Betrügereien mit Lebensmitteln lohnen sich. Die Erfahrung lehrt: Ein Unternehmen mit einer cleveren Rechtsabteilung braucht kaum zu befürchten, bei Verstößen angemessen bestraft zu werden. Kommt es einmal zu einer Verurteilung, so entspricht das Strafmaß oft nicht der Schwere des Vergehens. Eine Firma, die durch den Verkauf minderwertiger Waren hohe Gewinne einfährt, läßt sich durch Bußen von einigen 100 oder 1000 Mark kaum schrecken.
- Die Behörden zur Information der Öffentlichkeit verpflichten.
Die heutige Organisation der Lebensmittelüberwachung macht es möglich, daß Verstöße gegen die Vorschriften vertuscht werden. Die gängige Praxis, Untersuchungsergebnisse geheimzuhalten, verträgt sich nicht mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Aussicht, von informierten Verbrauchern boykottiert zu werden, schreckt mehr ab als jede Strafandrohung. Deshalb sind die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung ohne Ausnahme offenzulegen.
- Eine demokratische Vertretung für die Verbraucher schaffen.
Zensur und Mittelkürzungen sind ein probates Mittel, um rührige Verbraucherzentralen zur Räson zu bringen. Die Verbraucherzentralen müssen finanziell unabhängig von den staatlichen Geldgebern ihren Auftrag erfüllen können. Die Verbraucherzentralen sind nach demokratischen Prinzipien als echte Verbrauchervertretungen zu gestalten, in denen nicht nur Verbandsfunktionäre, sondern die Verbraucher selbst Mitglied werden können.
Tödliche Umlagerung
Aus: Natur 11/1990, November 1990, Seite 113 (Wissenschaft & Technik).England menschenleer eine Horrorvision. Ob sie jemals Wirklichkeit wird, ist offen. Denn niemand weiß, ob der Erreger des Rindwahnsinns auch Menschen ansteckt. Das Risiko liegt irgendwo zwischen Null und dem Tod einer ganzen Generation, befindet der Mikrobiologe Richard Lacey von der Universität Leeds. Auch Experten des Bundesgesundheitsamtes (BGA) schließen eine Gefahr für Menschen ausdrücklich nicht aus.
Den mysteriösen Erreger der bovinen spongiformen Enzephalopathie (kurz: BSE) kennen die Forscher bis heute nicht. Der Name leitet sich von den Symptomen der Krankeit her: Von BSE zerstörtes Hirngewebe gleicht unter dem Mikroskop einem Schwamm (lateinisch: spongia). Vermutlich ging der Keim von Schafen, die an der Traberkrankheit (englisch: Scrapie) litten, auf Rinder über. Farmer hatten Tiermehl aus Schafskadavern an die Pflanzenfresser verfüttert. Auch von Katzen, Nerzen, Antilopen und neuerdings Schweinen sind spongiforme (schwammartige) Hirnerkrankungen bekannt. Aus infiziertem Gewebe ist der Erreger leicht auf Labortiere wie Mäuse oder Hamster übertragbar. Beim Menschen zählen die Creutzfeldt-Jakob- Krankheit, das Gerstmann-Syndrom sowie Kuru zu dieser Art von Leiden. Allerdings läßt sich frühestens in 10 bis 15 Jahren sagen, ob BSE auch den Menschen befällt. Bei der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit kennen die Ärzte, je nach Übertragungsart, Inkubationszeiten zwischen 2 und 40 Jahren.
Die Zuversicht von Politikern und Agrarlobby, BSE sei nicht auf den Menschen übertragbar, beruht einzig auf der Beobachtung, daß der Mensch schon seit Jahrhunderten Scrapie-Erreger aufnimmt, aber nicht erkrankt. Doch beim Übergang von einer Tierart auf eine andere gewinnt der Keim neue Eigenschaften. Er ist an seinen Träger angepaßt und gerät unter Druck, weil sich der neue Wirt gegen die Infektion wehrt. Deshalb haben Scrapie und BSE den gleichen Erreger, aber nicht denselben, sagt Dr. Wolfgang Mields, BSE-Experte am Institut für Veterinärmedizin des BGA. Beim Wirtswechsel können Mikroben viel stärker, aber auch viel weniger virulent werden. Auch der Scrapie-Erreger könnte sich bei der Passage durch das Rind so verändern, daß er Menschen infiziert. Wenn sie den Keim aufnehmen, gibt es drei Möglichkeiten: Entweder er stirbt im Körper ab, oder er lebt weiter, bleibt aber harmlos, oder er macht auch Menschen krank.
Stets kommen BSE-Opfer durch Prionen (für Proteinaceus infectious particle = infektiöse Eiweißpartikel) zu Tode. Prion-Moleküle bilden größere Bündel, welche die Gehirnzellen zerstören. Vielen Forschern gelten Prionen als die eigentlichen Krankheitserreger. Im Normalfall lösen sie sich nach der Erfüllung ihrer Funktion in der Zelle wieder auf. Bei BSE, so eine der Theorien, werden sie jedoch unlöslich durch eine Umlagerung ihrer dreidimensionalen Struktur bei gleicher chemischer Zusammensetzung. Umgefaltete Prionen zwingen ihre löslichen Geschwistermoleküle bei Kontakt in die neue, unlösliche Form.
Auch Virinos kommen als BSE-Keime in Betracht. Sie sollen aus einem Stück Virus-Erbmaterial bestehen, das sich in der Zelle mit Körpereiweißen umhüllt. Damit sind sie für das Immunsystem unsichtbar. Oft werden BSE-Erreger als unkonventionelle Viren bezeichnet was nur die Ratlosigkeit der Forscher verschleiert. Wir nennen die Erreger so, weil sie sich im Körper wie Viren verhalten. Sie haben jedoch morphologisch nichts mit Viren gemein. Auch gibt es keine Denkmodelle für eine biologische Realität hinter diesen Begriff, bekennt Dr. Mields. So dürfte die Erforschung von BSE den Stoff für einen Nobelpreis liefern.
R I N D E R W A H N S I N NStarb englischer Bauer am Rinderwahnsinn?
Er entwickelte dieselben Symptome wie seine verseuchten Tiere
Aus: Berliner Morgenpost, 13. März 1993, Seite xx (xxx).LONDON (BM/SAD). Wissenschaftler können es noch nicht beweisen. Aber Englands Öffentlichkeit ist schockiert. Im Alter von 61 Jahren ist der Bauer Peter Warhurst gestorben. Seine Kühe litten am Rinderwahnsinn.
Der Bauer, der sein ganzes Leben lang ein gesunder Mann war, entwickelte plötzlich dieselben Symptome, hatte Löcher im Hirn, konnte nicht mehr sprechen und verlor die Koordinierungsfähigkeit seiner Glieder. Als ihn sein Jugendfreund Joe Royle zum letzten Mal am Krankenbett besucht hatte, erzählte er hinterher erschreckt seiner Familie: Das ist ja genau dasselbe wie bei seinen Rindern.
Der Rinderwahnsinn, wissenschaftlich BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) genannt, hat Großbritanniens Wiesen und Weiden in den letzten Jahren zu den Todesfeldern der europäischen Rinderzucht gemacht. Tausende von Rindern mußten auf den Feldern verbrannt werden, nachdem andere EG-Staaten, darunter die Bundesrepublik, die Einfuhr von britischem Rindfleisch verboten oder beschränkt hatten. Im Januar 1992 weigerte sich sogar der Bürgermeister von St. Petersburg, eine Schiffsladung von tiefgefrorenem britischem Rindfleisch als kostenlose Hilfslieferung anzunehmen.
BSE (wörtlich übersetzt: das Rind betreffende schwammartige nicht entzündliche Schädigung des Gehirns) ist beim Rind diesselbe Krankheit wie beim Menschen das Creutzfeldt-Jakob- Syndrom. Der Hamburger Forscher, der es entdeckte, war der Neurologe Alfons Jakob Creutzfeldt (18841931) [Ed: sorry, es waren die Neurologen Alfons Jakob (18841931) und Hans- Georg Creutzfeldt (18851964)]. Der Schock der britischen Öffentlichkeit ist dadurch entstanden, daß in der standesamtlichen Todesurkunde des Bauern Peter Warhurst nun wörtlich zu lesen ist: Todesursache: Creutzfeldt-Jakob- Erkrankung.
Auf seinem abgelegenen Hof bei der Ortschaft Simister in der Nähe von Manchester hat der Bauer 7 Jahre lang gegen den Rinderwahnsinn in seinem Viehbestand gekämpft, gleichwohl aber immer die Milch aus den eigenen Ställen getrunken. Noch heute liefert John Warhurst (31), der Sohn des verstorbenen Bauern, täglich 900 Liter Milch von 60 Kühen an die nächste Molkerei ab.
Das Londoner Landwirtschaftsministerium [MAFF] gab gestern [12.3.1993] plötzlich zu, daß es den Todesfall des Bauern schon amtlich untersucht hat. Noch gibt es zwar keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, daß der Rinderwahnsinn auf den Menschen übertragbar ist. Der britische Mikrobiologe Professor Richard Lacey hat jedoch schon seit 3 Jahren davor gewarnt, daß die Folgen der in Großbritannien grassierenden Rinderseuche nicht übersehbar sind.
Lacey: Im schlimmsten Fall haben wir es mit der Entwicklung der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit in massivem Ausmaß in 20 bis 30 Jahren zu tun. Zum Entsetzen der Öffentlichkeit war gerade in dieser Woche in London außerdem amtlich bestätigt worden, daß Englands Rinderzüchter immer noch massive Viehbestände haben, die von BSE befallen sind.
Obwohl Virologen den wissenschaftlichen Beweis für die Ursachenkette immer noch nicht liefern können, macht nun jedoch auch Englands bestes wissenschaftliches Fachblatt auf den Tod des Bauern aufmerksam. The Lancet berichtete in seiner jüngsten Ausgabe über die Lebensumstände und den Tod des Bauern. Weil der wissenschaftliche Beweis jedoch fehlt, heißt es offiziell, die tödliche Erkrankung des Bauern könne reiner Zufall sein.
An der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sterben in jedem Jahr in Großbritannien 30 Menschen. War Bauer Warhurst wirklich nur zufällig einer von ihnen? [Die ersten BSE-Opfer]
R I N D E R W A H NDas wahnsinnige Geschäft...
Hinweis auf: Natur 8/1994, August 1994, Seite 1418 von xxx.
Briten-Tiermehl importiert
Aus: Der Spiegel 25/1996, 17. Juni 1996, Seite 16 (Panorama).Tiermehl aus Großbritannien, das möglicherweise mit Erregern der Rinderseuche BSE kontaminiert war, gelangte auch 1989 tonnenweise in die Bundesrepublik. Im Mai 1989 hatte Bonn zwar einen Importstopp für britisches Tiermehl verfügt, weil es im Verdacht steht, den Erreger weiter zu verbreiten, wenn es verfüttert wird. Aber die offizielle britische Handelsstatistik weist allein 1995 den Export von 22,7 Tonnen von feinen und groben Mehlen und Pellets von Fleisch oder Fleischschlachtabfällen und Fettgrieben nach Deutschland aus.
Nachprüfungen des Bonner Landwirtschaftsministeriums am vergangenen Freitag ergaben für 1995 sogar Einfuhren von 78,6 Tonnen. Tierseuchen- Referent Udo Wiemer hält dies für vernachlässigenswerte Mengen [Ed-20.12.2000: die aber offensichtlich ihre fatale Spätwirkung Ende 2000 entfalteten], gleichwohl solle die britische Regierung um Aufklärung gebeten werden.
London hatte 1988 wegen der grassierenden Rinderseuche das Futter für Wiederkäuer im eigenen Land zwar verboten, ein Jahr später aber waren dafür die Tiermehl- Exporte sprunghaft in die Höhe geschnellt: von 13.228 Tonnen auf 32.220 Tonnen. 1989 nahm Frankreich davon 15.674 Tonnen ab, Holland 6.098 Tonnen, Belgien und Luxemburg 1.605 Tonnen und die Bundesrepublik 578 Tonnen. Nach 1990 wichen die Briten auf Asien aus.
Rindfleischimporte aus Großbritannien
Illegale Rindfleischimporte aus Großbritannien
In der folgenden Tabelle wird versucht alle bislang bekanntgewordenen illegalen Fleischimporte in Tonnen (t) nach Deutschland zusammenzustellen. 1)
Stand: 28. September 1997
Quellen: Nur öffentlich zugängliche Quellen.Aufgedeckt Ort Menge Verbleib Anm. Seit Feb.1997 Hamburg 616 t 440 t nach Osteuropa. Jul.1997 Saßnitz 172 t Beschlagnahmt. Aug.1997 Kaltenkirchen 60 t Beschlagnahmt. Bis Sep.1997 Nordrhein-Westfalen 133 t Beschlagnahmt. Sep.1997 Nordrhein-Westfalen 83 t 20 t beschlagnahmt,
63 t im Handel.Sep.1997 Kaltenkirchen 400 t ??? Sep.1997 Rostock 60 t ??? Bochum 116 t Alles im Handel gelandet. Nürnberg 39 t Vermutlich im Handel gelandet. Summe: 1679 t 1) Und es stellt sich natürlich die Frage: Wieviel hochinfektiöes Tiermehl mag aus Großbritannien nach Deutschland gelangt sein?
Das will nicht in die deutschen Köpfe
Interview mit der EU-Kommissarin Emma Bonino über die Rinderseuche BSE und Konsumentenschutz in Europa.
Aus: Der Spiegel 44/1997, 27. Oktober 1997, Seite 6973 (Deutschland).Die Philologin Bonino, 49, leitet seit 1995 die EU-Generaldirektion für Verbraucherpolitik, im Frühjahr dieses Jahres wurden ihr auch Kontrollaufgaben im Agrarbereich übertragen. Die Politikerin der Radikalen Partei Italiens gilt als besonders konsequent.
SPIEGEL: In Großbritannien sind Sie eine der meistgehaßten Personen, man nennt Sie den Teufel von Brüssel. Macht da der Job eigentlich Spaß?
Bonino: Ja. Vergangenes Jahr haben mir erboste Briten geschrieben, ich solle in mein verrottetes Mafia-Italien zurückgehen. Damals hatte ich sie beim Fischereistreit ein bißchen hart angepackt. Und jetzt bin ich im BSE-Skandal eine konsequente Linie gefahren. Die Regierung in London hat inzwischen begriffen, sie etwas tun muß, um Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist doch hoch erfreulich.
Bonino: Was einfach nicht in die deutschen Köpfe reinwill, ist: Sie importieren Fleisch und Tiere aus anderen Ländern. Es ist ein Gebot der Sicherheit für Konsumenten auch wenn es bei deutschen Rindern bisher kein BSE gibt , daß diese Risikoorgane aus der Nahrungskette verschwinden. Davon sind übrigens alle EU-Mitgliedstaaten und auch andere Fleischimporteure betroffen, nicht nur die Deutschen.
Die Kontrolleure sollten sich nicht länger selbst kontrollieren. Emma Bonino, EU-
VerbraucherkommissarinSPIEGEL: Die Betriebe klagen, daß es Hunderte von Millionen Mark kosten wird, die Schlachtanlagen umzurüsten.
Bonino: Es ist immer die gleiche Geschichte: Alles kostet zuviel Geld, und meist wird die gegenwärtige Situation als sicher bezeichnet. Vielleicht sind deutsche Autos ja absolut sicher. Aber beim Import von Fleisch, vor allem, wenn es zerlegt ist, ist die Herkunft kaum mehr rückverfolgbar. Deshalb will ich jedes Infektionsrisiko ausschließen.
SPIEGEL: Daß Sie der EU-Nahrung nicht trauen, behaupten Kritiker, zeige sich schon darin, daß Sie sich mit Waren aus Italien versorgen lassen.
Bonino: Das sind die Spezialitäten meiner Mutter. Sie hat mir die nach überall hinterhergeschickt, weil sie denkt, ihr Kind bekomme sonst nicht genug zu essen. So sind italienische Mütter eben.
SPIEGEL: Wie kommen Sie als Sponti-Politikerin denn mit der Brüsseler Bürokratur zurecht?
Bonino: Jeder, der zu lange in einer Institution bleibt, wird irgendwann blind für die Außenwelt. Ich brauche deshalb die permanente Reibung mit der Öffentlichkeit. Parteien, Gruppen und die Medien müssen kontinuierlich Druck auf die Kommission ausüben, sonst erstarren wir.
SPIEGEL: Warum arbeitet der Agrarbeamte, der für die Desinformationskampagnen zur Vertuschung der BSE-Seuche verantwortlich war, immer noch bei der EU?
Bonino: Alle haben versagt, die Kontrolleure, die Kommission und auch der Rat der Minister. Ich finde es deshalb nicht fair, mit dem Finger nur auf eine oder zwei Personen zu zeigen.
Durch Hormonpräparat an CJK gestorben
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 11. Januar 1998, Seite ?? (???).PARIS. Französische Forscher haben die bislang einzige in Frankreich registrierte neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) mit einer Hormonbehandlung in Verbindung gebracht.
Wie Jacques Verdrager im Magazin Lancet erläutert, könnte der inzwischen verstorbene Kraftsportler durch Injektionen mit BSE-infiziertem Somatotropin, einem aus der Hirnanhangdrüse von Rindern stammmenden Wachstumshormon, angesteckt worden sein. Somatotropin fördert die Proteinsynthese und wird auch als Anabolika benutzt.
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