BSE & Co in den Medien – Teil 1 khd
Stand:  1.6.2003   (57. Ed.)  –  File: M/edien01.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Artikel und andere Texte zur durch den Rinderwahnsinn BSE und der Anwendung der Gentechnik ausgelösten Problematik sowie zur gefährlichen H5N1-Vogelgrippe (Geflügelpest) und H1N1-Schweinegrippe gespiegelt und damit auf Dauer dokumentiert. Manches ist auch mit [Ed: ...] kommentiert. Tipp- und Übertragungsfehler gehen zu meinen Lasten.

Die anderen Vergiftungen von Nahrungsmitteln haben ab Ende 2004 eine eigene Webseiten- Serie in der Abteilung "Food" erhalten.

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  • Neuere Presseberichte  (2. Teil).
  • 06.06.1999: Liste der Tierfutter-Hersteller, die mit Dioxinen verseuchte Fette erhielten.
  • 04.06.1999: Belgisches Fleisch nach Dioxin-Skandal weltweit geächtet.
  • 02.06.1999: Dioxin-Skandal – EU verhängt Verkaufsverbot.
  • 31.05.1999: Seveso-Gift in Eiern wird zum Wahlkampfthema.
  • 28.05.1999: Dioxine im Fleisch – Belgien verbietet Verkauf von Hühnern.
  • 21.05.1999: Brüssel will Verbraucherschutz international besser vertreten.
  • 20.05.1999: Gefährliche Maispollen – vom Winde verweht.
  • 05.05.1999: Zwei neue BAB-Fälle von Rinderwahnsinn in der Schweiz entdeckt.
  • 02.03.1999: BSE-Massentests in Schlachthöfen von NRW.
  • 25.02.1999: Schweiz: BSE-Kontrollen werden ausgedehnt.
  • 17.02.1999: Nach BSE würgen die Briten nun an „Frankenstein food“.
  • 18.11.1998: EU-Kommission legt 2. BSE-Bericht vor – Deutschland ohne Fälle.
  • 27.06.1998: EU-Kommission rügt schlampige Fleischkontrollen in Deutschland.
  • 11.06.1998: Großbritannien ist noch lange nicht BSE-frei.
  • 07.06.1998: Rinderwahn: Pestizide unter schwerem Verdacht.
  • 31.03.1998: EU-Landwirtschaftsminister verhindern neue BSE-Vorsorgemaßnahmen.
  • Ältere Presseberichte  (0. Teil).



    EU-Landwirtschaftsminister verhindern neue BSE-Vorsorgemaßnahmen

    [Ed: Vor allem Deutschland machte sich gegen die Vorsorgemaßnahmen stark]

    Aus:
    Yahoo-News, 31. März 1998, 16.34 Uhr (Politik). [Original]

    BRÜSSEL. Die Landwirtschaftsminister der Europäischen Union haben bis Ende des Jahres die Einführung neuer Vorsorgemaßnahmen gegen die Rinderseuche BSE verhindert. Die Minister setzen sich heute in Brüssel einstimmig gegen die EU-Kommission durch.

    Die Kommission wollte, daß stark mit dem BSE-Erreger verseuchtes Gewebe von Rindern, Schafen und Ziegen nicht mehr zu Lebensmitteln und Tierfutter verarbeitet werden. Eine entsprechende Regelung sollte am 1. April 1998 in Kraft treten [Ed-28.12.2000: es dauerte noch bis zum 1. Oktober 2000]. Zu den sogenannten Risikomaterialien gehören beispielsweise Hirn oder Rückenmark von Rindern, die älter als 1 Jahr sind. Die Rinderseuche BSE steht im Verdacht, beim Menschen die tödliche Creutzfeldt-Jakob- Krankheit zu verursachen.

    Die Minister forderten die Kommission auf, bis Juli einen neuen Vorschlag zu machen. Bis dahin werden ein wissenschaftlicher Ausschuß der EU und das Internationale Tierseuchen- Amt in Paris neue Risiko- Analysen zu BSE vorlegen. Die Kommission hatte die Maßnahmen erstmals im Dezember 1996 vorgeschlagen. Im Juli 1997 setze die Behörde sie in Kraft, da es im Ministerrat zuvor zu einem Patt gekommen war. Vor allem Deutschland [Ed: mit Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU)] machte sich dagegen stark.

    Bekanntgewordene BSE-Fälle hätten nicht in Deutschland ihren Ursprung gehabt. Es mache keinen Sinn, in einem BSE-freien Land von Risikomaterialien der Tiere zu sprechen. Die Kommission wollte mit ihrem Vorstoß auch die Rechtslage in der EU harmonisieren. 7 Länder haben unterschiedliche Listen mit Risikogeweben eingeführt: Großbritannien, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Portugal, die Niederlande und Irland. In diesen Staaten gab es originäre Fälle von BSE [Ed-28.12.2000: und ab November 2000 auch in Deutschland, nachdem man mit 4 Jahren Verspätung mit BSE-Tests begonnen hatte].



    Rinderwahn: Pestizide unter schwerem Verdacht

    Dramatische Ergebnisse einer britischen Studie / Schweizer Behörden sehen keinen Handlungsbedarf / Biobauer Mark Purdey: Chemie erhöht die Anfälligkeit für BSE

    Aus:
    Sonntags-Zeitung, Zürich, 7. Juni 1998, Seite 13 (xxx). [Original]

    BERN/LONDON. Immer mehr deutet darauf hin: Pestizide haben die BSE-Seuche mitverursacht. Auch in der Schweiz werden entsprechende Mittel eingesetzt. Doch die Behörden sehen keinen Grund zum Handeln.

    Mit Skepsis, Ablehnung und Spott wurde der britische Biobauer Mark Purdey von BSE-Forschern bedacht, als er zu Beginn der neunziger Jahre erstmals seine These präsentierte. Nicht verseuchtes Tiermehl, sondern Organo- Phosphate (OP), die auch in der Schweiz zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, treiben die Kühe zum Wahnsinn. Sein Verdacht richtete sich vor allem auf die OP-Untergruppe Phosmet.

    Jetzt endlich liegt das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung von Purdeys These vor: Ein Team des Londoner Instituts für Psychiatrie unter Leitung des Mikrobiologen Dr. Stephen Whatley hat die Ergebnisse einer Testreihe im Fachjournal Neuroreport veröffentlicht. Laut Whatley hat dabei das Prion-Protein "dramatisch" auf das OP-Präparat reagiert. Der Mikrobiologe spricht zwar nicht von einer "Verursachung", aber es sei durch die chemische Behandlung die Möglichkeit einer erhöhten "Anfälligkeit" der Rinder für BSE gegeben.

    Zu weiterem Ansehen gelangte Purdey durch die öffentlichen Hearings über BSE, die im Februar in Grossbritannien angelaufen sind. Der wissenschaftliche Leiter des Komitees, Malcolm Fergusson-Smith, Genetiker an der Universität Cambridge, erklärte nach der Befragung Purdeys, dass mehr Forschung im Bereich Organo-Phosphate dringend geboten sei.

    Bereits sind zwei Vegetarier an Creutzfeldt-Jakob erkrankt

    Der Grund für die Zurückhaltung ist leicht nachvollziehbar. Sollte Purdeys Theorie von einer chemischen Vergiftung als Auslöser oder auch nur Verstärker richtig sein, hätte das gravierende Folgen: Die britische Regierung müsste mit milliardenschweren Schadenersatzforderungen von Bauern rechnen, die man per Gesetz zum Einsatz der Organo- Phosphate gegen die Dasselfliege gezwungen hatte. Die agrochemische Industrie verlöre womöglich eines ihrer absatzstärksten Produkte.

    Auch in der Schweiz werden jährlich Tausende Rinder gegen Dasselfliegen behandelt – vor allem mit dem OP-Präparat Neguvon. Bislang geschah dies auf Empfehlung. Doch seit vergangenem Jahr ist die Behandlung in den betroffenen Gebieten sogar per Verordnung vorgeschrieben. Eine Massnahme, die bei Bauern und Konsumentenschützern auf Unverständnis stösst.

    Wie die Phosmet-Präparate in Grossbritannien wird auch Neguvon den Kühen im sogenannten "pour on"- Verfahren aufs Rückgrat geträufelt. Das Pestizid dringt in den Organismus der Kuh ein und attackiert das Nervensystem der Dasselfliege, die bis zu neun Monate in der Kuh nistet. Purdey glaubt, dass Phosmet auch die Nerven des Kalbembryos im Mutterleib angreift.

    Beim Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) sieht man trotz der neuen Erkenntnisse keinen Handlungsbedarf. Die Ergebnisse von Stephen Whatley seien noch lange kein Beweis dafür, dass Phosmet etwas mit BSE zu tun habe, heisst es beim BVET. Immerhin: Man räumt ein, dass das Präparat die Anfälligkeit für eine BSE-Erkrankung erhöhen könnte. "Für einen Beweis wären Untersuchungen am lebenden Tier notwendig", sagt BVET-Tierärztin Dagmar Heim. Zudem hätten sich die britischen Forscher ausschliesslich auf Phosmet konzentriert. Und solche Präparate würden hier nicht bei Rindern eingesetzt, sondern "nur" bei Schweinen sowie im Gemüse- und Obstbau. Doch gerade Schweinefett, in dem sich OPs anreichern, landet noch immer im Rinderfutter.

    Das Interesse an der OP-These scheint hierzulande nicht allzu gross, auch wenn man bei den zuständigen Stellen das Gegenteil versichert. Jedenfalls sind bis heute keine Versuche mit OPs geplant. Für Heinzpeter Studer von der Konsumenten-Arbeitsgruppe für eine Tier- und Umwelt-freundliche Tierhaltung (KAG) ist die zögerliche Haltung des BVET "höchst bedenklich". Für Studer wäre Forschung über OP auch deshalb notwendig, weil sie eine Erklärung liefern könnte für die Erkrankung von Rindern, die nach dem Tiermehlverbot von 1990 geboren wurden. In Grossbritannien gibt es bis heute rund 35.000 solcher Fälle, in der Schweiz 37.

    In Grossbritannien sorgt überdies eine Untersuchung der Toxikologin Jane Axelrad für Aufsehen. Sie bringt OP-Pestizide in Verbindung mit der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD). Die Forscherin widerspricht damit der gängigen Annahme, vCJD gehe auf den Verzehr von BSE-infiziertem Fleisch zurück. Vielmehr sieht sie eine gemeinsame Ursache der beiden Krankheiten.

    So erkrankten allein um die südenglische Ortschaft Ashford 7 Menschen an vCJD, darunter zwei strikte Vegetarier. In Ashford werden nicht nur OPs produziert, sie werden in der Gegend auch massiv im Hopfenanbau eingesetzt. Axelrads Schlussfolgerung, die sie jetzt im Fachblatt Medical Hypothesis veröffentlicht hat: Organo- Phosphate können nicht nur in Rindern BSE auslösen; in genetisch disponierten Menschen käme es nach dem Kontakt mit diesen Mitteln vereinzelt zum Ausbruch von vCJD.

    Links zur Organo-Phosphat/Phosmet-Hypothese:



    Großbritannien ist noch lange nicht BSE-frei

    Noch immer treten täglich rund dreizehn Fälle auf. Doch mit der Entscheidung der EU-Kommission für eine Lockerung des Banns ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis britisches Fleisch zu uns kommt. Ein neuer Test könnte Sicherheit geben.

    Aus:
    TAZ, Berlin, 11. Juni 1998, Seite 8 (Wirtschaft und Umwelt).

    BRÜSSEL/BERLIN (taz). Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann das britische Fleisch wieder in die Kühltheken auch der Supermärkte in Deutschland kommt. Nach dem Vorpreschen der EU-Kommission unter dem Druck der Briten müßte der EU-Agrarrat den Vorschlag einstimmig ablehnen, um ihn noch zu stoppen. Das wird Großbritannien aber natürlich verhindern.

    Doch Großbritannien ist noch lange nicht BSE-frei. Noch immer gibt es dort monatlich rund 400 Fälle. Beunruhigend daran ist, daß die Zahl der Fälle von Rinderwahn nicht so schnell abnimmt, wie sie es eigentlich müßte, wenn nur die Verfütterung von verseuchtem Tiermehl verantwortlich für die Übertragung wäre. Also muß es noch weitere Infektionswege geben. Welche, ist unklar.

    Als am wahrscheinlichsten gilt die Übertragung von der Kuh aufs Kalb, eventuell über den Mutterkuchen, von dem man weiß, daß er sehr infektiös ist. Oft wird die Nachgeburt auch von anderen Kühen gefressen. Dies wäre eine Erklärung. Solange aber die Ansteckungswege nicht restlos bekannt sind, kann niemand garantieren, daß das exportierte Fleisch wirklich ungefährlich ist.

    EU-Kommissar Fischler ließ gestern zwischen den Zeilen durchblicken, daß auch er es nicht so eilig hat mit der Aufhebung des Embargos. Auch er fürchtet Konsequenzen für den Fleischmarkt. Er baut offensichtlich darauf, daß die Einhaltung und Überprüfung der Vorbedingungen noch einige Zeit dauern dürften. So muß das für den Export bestimmte Fleisch in ausgewählten Schlachthöfen von Knochen und Innereien befreit worden sein und nachweislich aus BSE-freien Herden stammen.

    Die Tiere dürfen außerdem nicht jünger als sechs und nicht älter als dreißig Monate alt sein, müssen computererfaßt und lückenlos gekennzeichnet sein. Erst wenn EU-Inspektoren bestätigen, daß dies alles wirklich eingehalten wird, will die Kommission den Export freigeben.

    Derzeit prüft die EU-Kommission zwei BSE-Tests, die bereits im Schlachthof gemacht werden können und schon nach wenigen Stunden ein Ergebnis liefern. Damit könnte sichergestellt werden, daß nur BSE-freies Fleisch den Hof verläßt. Einer der beiden Tests von der Züricher Firma Prionics wurde bereits erfolgreich in der Schweiz angewandt. Durch Analyse der Hirnflüssigkeit der geschlachteten Tiere kann der Test Rinderwahn bereits nachweisen, bevor die Rinder irgendwelche Symptome zeigen. Der Test ergab, daß jährlich 200 BSE-verseuchte Rinder in der Schweiz unters Steakmesser gekommen sind.

    "Daß da Tiere durchgerutscht sind, zeigt, wie wichtig dieser Test ist", sagt Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der Vizepräsident des Agrarausschusses vom Europaparlament. Er schätzt, daß dieser Test bereits im Frühjahr 1999 von der EU-Kommission EU-weit vorgeschrieben werden kann. "Es wäre vernünftiger", so der Grüne, "mit der Diskussion um die Freigabe zu warten, bis der Test einsatzfähig ist."

    Auch die Auflagen für die Exportfreigabe hält Baringdorf für fragwürdig. Die Nordiren erhielten erst eine Exportfreigabe, nachdem sie zugesichert hatten, daß jede Herde, aus der Fleisch exportiert wird, mindestens acht Jahre BSE-frei ist und daß die Tiere in separaten Schlachthöfen verarbeitet werden.

    Das britische Zugeständnis, nur Tiere zu exportieren, die jünger als dreißig Monate sind, reicht auch nicht aus. Rinderwahn wurde schon bei Tieren von achtzehn Monaten festgestellt. Erst in den vergangenen zwei Jahren wurden nur noch bei Tieren über dreißig Monate Symptome festgestellt. Wie der Schweizer Test beweist, muß das aber nicht bedeuten, daß die Tiere noch kein BSE haben.



    EU-Kommission rügt schlampige Fleischkontrollen in Deutschland

    Aus:
    Spiegel-Pressemeldung – 27. Juni 1998 zum Kurzartikel "Schlampige Prüfer" im SPIEGEL – 27/1998, 29. Juni 1998, Seite 18 (Panorama).

    HAMBURG. Kontrollen von Hormonen und anderen Mastdopingmitteln im Fleisch sind in Deutschland "schwerfällig", "unzulänglich" und "mangelhaft". Zu diesem Ergebnis kommen nach Informationen des Nachrichten-Magazins DER SPIEGEL Inspektoren der EU-Kommission nach einer Dienstreise durch deutsche Schlachthöfe, Mastställe und Labors. In einem hessischen Schlachthof etwa trafen die EU-Kontrolleure auf gravierende Hygienemängel. Proben von Muskeln und Nieren, die auf Antibiotika untersucht werden sollten, lagerten im Kühlschrank des Pausenraumes der Tierärzte; dort hatten die Beschäftigten auch ihre Getränke untergebracht. Weil das Kühlsystem in diesem Schlachthof total veraltet war, so der Bericht, tropfte ständig verschmutztes Wasser auf die Tierkörper.

    Als "wenig effizient" stuften die Inspekteure Tests in deutschen Labors ein. Dort vergammelten Fleischproben teilweise offen in den Kühlschränken. Es fehle an Personal und geeigneten Räumen. Auch bei den amtlichen Untersuchungen in den Ställen schlampten einige Bundesländer: Bei der Prüfung der gefährlichen Stilbene – synthetische und erbgutschädigende Hormone – blieben Bayern und Niedersachsen weit hinter der vorgesehenen Probenzahl zurück. Ob Tiere illegal gespritzt waren, konnte auf diese Weise nicht vollständig festgestellt werden. Personalmangel auf den Ämtern verhindere regelmäßige Kontrollen von Tierarztpraxen, schreiben die EU- Inspekteure. Deutsche Behörden sähen sich nicht in der Lage, die "Betrügereien" von sogenannten Autobahntierärzten zu unterbinden, die "mit dem alleinigen Ziel durch das Land reisen, so viele Arzneimittel wie möglich zu verkaufen".



    EU-Kommission legt 2. BSE-Bericht vor – Deutschland ohne Fälle

    Aus:
    vwd-Wirtschaftsdienst, 18. November 1998, 15.39 Uhr.

    BRÜSSEL (vwd). In Deutschland gibt es nach einem Bericht der Europäischen Kommission zur BSE-Lage in der Europäischen Union (EU) weiterhin keine Fälle des Rinderwahnsinns. Die in dem 2. BSE-Bericht aufgeführten sechs deutschen BSE-Erkrankungen seit 1987 beträfen lediglich importierte Tiere mit BSE. Insgesamt, so geht aus dem am Mittwoch vorgelegten Bericht hervor, nimmt die Zahl der BSE-Fälle in der EU ab. Allerdings ist dies nur der Fall bei Herausrechnung der BSE-Neuerkrankungen in Großbritannien.

    Während dort die Fälle 1998 (Januar bis Oktober) auf 1.619 (Vorjahr: 4.334) abnahmen, stiegen die BSE-Fälle in Kontinentaleuropa auf 151 (120). Laut dem Bericht, für den die EU-Kommissare Franz Fischler (Agrar) und Emma Bonino (Verbraucherschutz) verantwortlich zeichnen, sind bislang 30 Menschen – 29 in Großbritannien und einer in Frankreich – an der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit gestorben. BSE steht im Verdacht, diese Krankheit beim Menschen auszulösen. Die britische BSE-Foundation habe von Brüssel 30.000 Ecu als Nothilfe erhalten.

    Insgesamt weist die seit 1987 offiziell bestehende Statistik zur Rinderseuche BSE (Bovine Sponigform Encephalopathy) knapp 176.000 BSE-Fälle in der EU aus. 99,7 Prozent entfielen auf Großbritannien. Ihren Höhepunkt erreichte die BSE-Krise 1992, als dort mehr als 37.000 BSE-Erkrankungen gemeldet wurden. Für Kontinenaleuropa – ohne Schweden, Finnland, Österreich, Griechenland, die laut dem Bericht weder originäre noch importierte BSE-Fälle aufweisen – waren damals 21 (importierte) BSE-Fälle gemeldet worden. Deren Zahl – importierte wie orginäre – steigt seither stetig.

    Ein Großteil der dort 1998 gemeldeten 151 BSE-Fälle entfielen indes auf Portugal: nach 30 im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 75 Fälle in diesem Jahr. Brüssel hat unlängst vor diesem Hintergrund ein vollständiges Ausfuhrverbot für portugiesisches Rindfleisch und Lebendtiere verhängt. In Irland sank die Zahl der BSE-Fälle 1998 auf 57 (78), in Frankreich stieg sie dagegen auf zwölf (sechs) und in Belgien auf fünf (eine) Neuerkrankungen.

    Großbritannien soll nach einem Vorschlag Fischlers wieder Rindfleisch von Tieren, die nach dem 1. August 1996 geboren wurden, exportieren dürfen. Darüber muß noch der EU-Ministerrat entscheiden; eine Annahme ist nahezu sicher. Außerdem wird in dem Bericht darauf hingewiesen, daß seit Sommer 1998 die Ergebnisse der EU-Inspektionen zur BSE-Lage in den EU-Staaten im Internet einzusehen seien. Am 30. November und 1. Dezember wollen Kommission und Parlament eine gemeinsame Konferenz über Lebensmittelsicherheit abhalten, und dabei den Angaben zufolge über die Lehren aus der BSE-Krise diskutieren.

    Brüssel hatte sich im November 1997 gegenüber dem Europäischen Parlament verpflichtet, ein Arbeitsprogramm im Kampf gegen BSE aufzulegen, und dabei halbjährlich einen Bericht einzureichen. Nach Angaben der Kommission wurden seit Jahresfrist 18 BSE-bezogene Vorschläge des Wissenschaftlichen Ausschusses angenommen; diese würden oft die Basis für EU-Gesetze bilden.

    Brüssel attestierte den EU-Ländern zwar Fortschritte bei der Umsetzung der BSE-Maßnahmen, etwa beim Fütterungsverbot. Sie kritisierte aber, daß die EU-Agrarminister die Vorschläge Fischlers zu speziellen BSE-Risikomaterial noch nicht angenommen haben. Laut Fischler ist die Umsetzung der EU-Gesetze entscheidend, um BSE auszurotten. Für letzteres legte der EU-Agrarkommissar deshalb am Berichtstag einen neuerlichen Vorschlag vor.



    Nach BSE würgen die Briten nun an „Frankenstein food“

    Hitzige Debatte über genmanipulierte Lebensmittel könnte Wissenschaftsminister Lord Sainsbury den Posten kosten

    Aus:
    Süddeutsche Zeitung, 17. Februar 1999, Seite 6 (Politik).

    LONDON. Als die Krise ihrem Höhepunkt zustrebte und die Angst vor dem Rinderwahn immer größer wurde, hatte Landwirtschaftsminister John Gummer eine gute Idee. Zusammen mit seiner Tochter Cordelia ließ er sich beim Verzehr von Beefburgern ablichten. „Herrlich“, wurde er anderntags zitiert, „schmeckt wirklich gut.“ Um britisches Rindfleisch, fügte er hinzu, müsse man sich keine Sorgen machen.

    Es ist dann doch ein bißchen anders gekommen, aber trotz der Erinnerung an den eher kontraproduktiven Propaganda-Effekt hat Regierungschef Tony Blair sich offenbar ein Beispiel an Gummer genommen und soeben demonstrativ wissen lassen, er habe keinerlei Probleme mit genetisch manipulierten Nahrungsmitteln. Jedenfalls würde er nicht zögern, sie zu essen.

    Die Versicherung des Premiers soll offenbar die Unruhe dämpfen, die unter den Verbrauchern auf der Insel herrscht, seit eine heftige öffentliche Debatte über die Risiken und Gefahren solcher Nahrungsmittel losgebrochen ist. Von „Frankenstein food“ ist die Rede, die Medien überschlagen sich mit Spekulationen, und wenn er Pech hat, dann könnte den Staatsminister Lord Sainsbury, der für die Wissenschaft zuständig ist, die Auseinandersetzung das Amt kosten.

    Begonnen hatte alles mit einem Artikel im Guardian, in dem vom Wissenschaftler Dr. Arpad Pusztai (einem ungarischen Emigranten) die Rede war, der im Rowett Institute in Aberdeen Ratten mit genmanipulierten Kartoffeln gefüttert und auffällige Veränderungen an den Tieren festgestellt habe – unter anderem geschrumpfte Gehirne. In einem Fernsehinterview bezeichnete es Pusztai daraufhin als „sehr, sehr unfair“, „unsere Landsleute als Versuchskaninchen zu mißbrauchen.“ Zwei Tage später wurde der Wissenschaftler vom Dienst suspendiert. Aus der Diskussion, wie seriös seine Experimente wirklich waren, ist freilich eine von öffentlicher Aufgeregtheit begleitete politische Kontroverse geworden, in deren Zentrum Wissenschaftsminister Lord Sainsbury steht. Der hat sich wiederholt für genmanipulierte Nahrungsmittel ausgesprochen – aus eigennützigen Interessen? Das jedenfalls behaupten die Konservativen und fordern Sainsburys Rücktritt.

    Tatsache ist, daß die gleichnamige Supermarkt-Kette, die der Familie Sainsbury gehört, großes Interesse an der Entwicklung genmanipulierter Nahrungsmittel hat. Hinzu kommt, daß der Minister eine Firma besaß, die die weltweiten Patentrechte über ein Gen besitzt, das bei biogenetischen Prozessen eine entscheidende Rolle spielt. Lord Sainsbury, der auch durch großherzige Spenden für die regierende Labour Party aufgefallen ist, hat mit seiner Bestallung zum Minister im vergangenen Juli seine Rechte an der Firma ruhen lassen und sie einem Treuhänder übertragen. In den Augen der Tories ändert dies jedoch nichts an dem behaupteten „Interessenkonflikt“.

    Tony Blair sprang am Dienstag seinem unter Druck geratenen Minister bei und nahm ihn ausdrücklich gegen alle Vorwürfe in Schutz. Die Kampagne sei widerlich und ungerecht, sagte er. Sainsbury selber hat sich mit dem eher problematischen Hinweis verteidigt, er habe an Diskussionen des Kabinetts über genmanipulierte Nahrungsmittel nicht teilgenommen. Nun wird natürlich gefragt, wozu ein Wissenschaftsminister gut ist, wenn er an solchen Debatten nicht beteiligt wird.

    Inzwischen haben sich über zwei Dutzend „pressure groups“ zu einer Aktionsfront zusammengeschlossen und ein fünfjähriges Moratorium für die Entwicklung genmodifizierten Essens gefordert. Von anderer Seite freilich wird darauf hingewiesen, daß die biogenetische Industrie eine der größten und bedeutendsten des kommenden Jahrhunderts werden könnte und daß sich Großbritannien durch ein Moratorium nur benachteilige. Tony Blair hat ein Verbot solcher Lebensmittel als „töricht“ bezeichnet und angekündigt, daß man die Entwicklung „vorsichtig und sorgfältig“ vorantreiben werde.

    Genetisch modifizierte Lebensmittel werden in Großbritannien auf experimenteller, aber bisher nicht auf kommerzieller Basis angebaut. In die Geschäfte gelangen laut Regierung vorerst nur ein paar importierte Mais- und Sojaprodukte sowie Tomatenmark. Sie seien als genmanipuliert gekennzeichnet, heißt es. Ein Regierungssprecher sagte, von den derzeit auf dem Markt befindlichen Produkten habe sich keines als gefährlich erwiesen.

    [Weitere Infos zum Hintergrund der Affäre]



    BSE-Kontrollen werden ausgedehnt

    Stichproben in den Schlachthöfen / Drei neue Fälle aufgetreten / Keine flächendeckenden Tests

    Aus:
    Yahoo-News, 25. Februar 1999, 12.06 Uhr (Schweiz).

    BERN. Die Schweiz dehnt die Tests zur Früherkennung des Rinderwahnsinns aus. Vorläufig für ein Jahr werden ab kommendem Montag 13.500 Kühen untersucht, wie das Bundesamt für Veterinärwesen mitteilte. Die Zahl der BSE-Fälle erhöhte sich inzwischen auf 285; gegen 100 infizierte Tiere dürften noch am Leben sein.

    Mit dem von der Firma Prionics entwickelten BSE-Test sollen ab dem kommenden Montag vorläufig für ein Jahr gesamthaft rund 13.500 Kühe untersucht werden. Gezielt getestet werden alle verendeten oder wegen Gesundheitsproblemen getöteten oder krankgeschlachteten Kühe, wie das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) am Donnerstag bekanntgab. Zudem sollen Stichproben bei rund 10.000 normalgeschlachteten Kühen durchgeführt werden. Ein flächendeckender Einsatz der Tests ist hingegen nicht vorgesehen, da der Schutz der Konsumenten laut BVET durch die bereits früher getroffenen Massnahmen gewährleistet sei. Ein positiver BSE-Nachweis sei erst drei Jahre nach erfolgter Ansteckung möglich. Kälber würden jedoch im Alter von fünf und Mastrinder im Alter von etwa 20 Monaten geschlachtet. Die Risikoorgane Hirn, Augen und Rückenmark seien seit dem 1. Dezember 1990 für die menschliche Ernährung verboten.

    Drei neue Fälle

    In den vergangenen Monaten sind bereits gegen 1.000 Kühe, die üblicherweise ohne weitere Abklärungen verbrannt worden wären, mit dem Test untersucht worden, wie die Behörden weiter bekanntgaben. Dabei wurden drei mit dem Rinderwahnsinn infizierte Kühe gefunden.

    Aufgrund von Modellrechnungen wird geschätzt, dass zurzeit noch etwa 50 bis 100 infizierte Tiere am Leben sind. In den nächsten drei Jahren dürften davon abnehmend jeweils 15, zehn und fünf als klinische Fälle auftreten. Die 1996 noch einmal verschärften Massnahmen werden vom BVET als ausreichend eingestuft, um Neuinfektionen zu verhindern.

    Wie am Donnerstag bekannt wurde, traten im Februar drei neue Fälle von Rinderwahnsinn auf. Die Zahl der BSE-Fälle erhöhte sich damit seit dem erstmaligen Auftreten der Seuche im November 1990 auf 285, darunter sind 48 Bab-Fälle. Bei allen drei neuen Fällen handelte es sich laut BVET um Tiere, die nach dem Fütterungsverbot von Tiermehl im Dezember 1990 geboren wurden, also um sogenannte Bab-Fälle (Born after ban). Betroffen waren je ein Stall in Luzern, in Uri und in St.Gallen. Das dritte kranke Tier aus St. Gallen war bereits tot in der Entsorgungs- und Verbrennungsanlage in Bazenheid (SG) angeliefert und nachträglich bei einem Prionen-Test entdeckt worden, wie Ruth Hauser vom BVET erklärte.

    Sichere Diagnose nur am toten Tier

    Eine sichere BSE-Diagnose kann laut BVET bisher nur am toten Tier mittels Laboruntersuchungen gestellt werden. Sie beruht auf dem Nachweis von strukturellen Gehirnveränderungen, «Löchern», und/oder der Anwesenheit abnormer Prion-Eiweisse im Hirngewebe. Das klinische Bild am lebenden Tier erlaube immer nur eine Verdachtsdiagnose. Bei der Bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE) handelt es sich um eine übertragbare Erkrankung des Zentralnervensystems. Die Ansteckung der Rinder mit Prionen erfolgt nach heutigem Kenntnisstand über die Verfütterung ungenügend erhitzter Tiermehle, welche Hirn, Augen oder Rückenmark von infizierten Tieren enthielten. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf Jahre. Die Rinder werden meist als Jungtiere (Kälber) angesteckt, sichtbar krank werden sie erst Jahre später. Die jüngste in der Schweiz festgestellt Kuh war laut BVET 32 Monate alt. In Grossbritannien waren es von 180.000 infizierten Tieren weniger als 100, die jünger als drei Jahre waren.



    "Nur so kann das Vertrauen wiederhergestellt werden"

    BSE-Massentests in Schlachthöfen / NRW-Vorreiterrolle im Kampf gegen BSE

    Aus:
    Yahoo-News, 2. März 1999, 16.11 Uhr (Vermischtes).

    DÜSSELDORF. Der Rinderkopf ist noch warm, als Tierärztin Zofia Michalak am Dienstag morgen im weißgekalkten Düsseldorfer Schlachthof zu einem Metallspachtel greift und mit einigen geübten Bewegungen ein fingergliedgroßes Stück Hirn aus dem Schädel entfernt. Die Veterinärin verpackt das weißliche Gewebe in ein Plastikdöschen. Schon drei Stunden später wird die Probe im Veterinäruntersuchungsamt in Krefeld mit einem Antikörpertest auf die gefürchteten BSE-Prionen, die Auslöser des Rinderwahns und wahrscheinlich auch der für Menschen tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, untersucht.

    Das Verfahren wurde schon vor einiger Zeit in der Schweiz entwickelt. Doch erstmals wird es in der Europäischen Union in größerem Maßstab angewandt. Nordrhein- Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) will damit in den nächsten drei Monaten insgesamt 5.000 Rinder in den Schlachthöfen an Rhein und Ruhr untersuchen lassen und damit eine Vorreiterrolle im Kampf gegen BSE übernehmen.

    Dabei macht die Ministerin keinen Hehl daraus, daß ihr Blick weit über Nordrhein-Westfalen hinausgeht. Ziel sei es, mit den Massentests an Rhein und Ruhr die EU und Großbritannien unter Druck zu setzen, vergleichbare Tests flächendeckend einzuführen. "Nur so kann das Vertrauen der Verbraucher in Rindfleisch wiederhergestellt werden", meint die Ministerin.

    Schließlich seien allein in Großbritannien im vergangenen Jahr 3.500 BSE-Fälle registriert worden. In Portugal, der Schweiz, Frankreich und den Benelux-Ländern sei die Zahl der BSE-infizierten Rinder trotz aller Gegenmaßnahmen sogar gestiegen. 30 Menschen seien inzwischen an der neuen Variante der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit gestorben, die wahrscheinlich durch BSE ausgelöst werde, berichtete Höhn.

    Krankheit kann sechs Monate früher erkannt werden

    "Das Schweizer Verfahren erlaubt die Entdeckung der Krankheit bereits sechs Monate, bevor erste Symptome im Verhalten des Tieres sichtbar werden", sagte Höhn am Dienstag in Krefeld. Der Test verringere damit deutlich das Infektionsrisiko für Menschen. Die Kosten von derzeit noch 50 Mark pro Tier würden der Ministerin zufolge bei einem regelmäßigen Einsatz "im Pfennigbereich pro Kilo Fleisch" liegen.

    Sie rechnet nach eigener Aussage nicht damit, daß in den 22 beteiligten Schlachthöfen tatsächlich ein BSE-Fall entdeckt wird. Schließlich gelte Deutschland nach wie vor als BSE-frei. Auch bei 525 Vortests in den vergangenen Wochen sei kein einiger BSE-Fall entdeckt worden. Und falls es doch geschieht? Die Ministerin bleibt gelassen: "Dann müssen wir mit dem Problem umgehen".

    Doch nicht alle sind so vom Drang nach Wahrheit bewegt. "Es gibt eine versteckte Angst", räumt Frau Höhn ein. Schon sollen einige Landwirte auf Schlachthöfe ausweichen, die nicht an dem Pilotprojekt teilnehmen. Allerdings weiß die Ministerin auch ermutigenderes zu berichten. Einige große Fleischbetriebe überlegten, den Test künftig selbst durchzuführen, um ihr Fleisch besser verkaufen zu können. Doch muß die Ministerin auch einräumen, daß selbst dieser Test das letzte Risiko nicht ausräumen kann: "Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben."

    Bayern bleibt uneinsichtig

    4.3.1999 (yahoo). Die bayerische Gesundheitsministerin Barbara Stamm hat dieses BSE- Testprogramm als ungeeignet kritisiert. Die Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Grüne) solle die Überprüfung den Stellen überlassen, die dazu in der Lage und auch dafür zuständig seien, forderte die CSU- Politikerin heute in München. Mit der willkürlichen Untersuchung gesunder Tiere werde das Vertrauen der Verbraucher in Rindfleisch eher gemindert als gestärkt. "Wenn in Deutschland, das ja bekanntlich BSE-frei ist, gesunde Schlachtrinder auf BSE untersucht werden, ist der Ausgang der Untersuchung schon vor deren Beginn klar", sagte Stamm.



    Zwei neue BAB-Fälle von Rinderwahnsinn in der Schweiz entdeckt

    Neues Überwachungsprogramm lässt Zahl der Fälle dieses Jahr erstmals seit 1995 wieder steigen

    Aus:
    Yahoo-News, 5. Mai 1999, 12.58 Uhr (Schweiz).

    BERN. In der Schweiz sind zwei neue Fälle von Rinderwahnsinn aufgetaucht. Es handelt sich um Tiere aus Ställen in den Kantonen Bern und Luzern, wie das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) am Mittwoch bekanntgab. Wegen des neuen Überwachungsprogramms dürfte die Zahl der BSE-Fälle 1999 erstmals seit 1995 wieder steigen.

    Bis Ende April dieses Jahres sind bereits zwölf neue Fälle der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) ermittelt worden, verglichen mit 14 Fällen im ganzen letzten Jahr. Seit dem ersten Auftreten der Seuche in der Schweiz Ende 1990 wurden 295 Fälle von Rinderwahnsinn registriert.

    Die im Vergleich zum Vorjahr steigende Zahl von BSE-Fällen im laufenden Jahr wird vom BVET mit dem neuen Überwachungsprogramm erklärt. Seit Anfang März werden alle verendeten oder wegen Gesundheitsproblemen getöteten und alle krankgeschlachteten Kühe mit dem von der Schweizer Firma Prionics entwickelten BSE-Test untersucht. Sechs BSE-Fälle oder die Hälfte aller im laufenden Jahr ermittelten Erkrankungen wurden im Rahmen dieses Programms entdeckt. Es handelt sich alles um sogennannte BAB-Fälle (born after ban), das heisst um Tiere, die nach dem Fütterungsverbot von Tiermehl vom 1. Dezember 1990 geboren wurden.

    Wie BVET-Sprecher Heinz Karl Müller auf Anfrage sagte, wurden die sechs beim neuen Testprogramm ermittelten Fälle alle in der Tiermehlfabrik Bazenheid (SG) entdeckt, in der Tierkadaver entsorgt werden [Ed: und was passiert mit diesem Tiermehl?]. Bei den gleichzeitig gestarteten Stichproben in den Schlachthöfen seien demgegenüber noch keine BSE-Fälle ermittelt worden. Schätzungen von Experten gehen laut Müller davon aus, dass vor der Einführung des erweiterten Überwachungsprogramms nur rund die Hälfte aller BSE-Fälle entdeckt worden war. Seit dem Höchststand im Jahre 1995, als 68 BSE-Fälle diagnostiziert worden waren, ist die Zahl der festgestellten Erkrankungen kontinuierlich gesunken, bis auf 14 Fälle im letzten Jahr. Dieser Trend dürfte sich wegen des neuen Testprogramms dieses Jahr nun wieder umkehren.



    Gefährliche Maispollen – vom Winde verweht

    Genetisch veränderter Mais kann US-Forschern zufolge Schmetterlingen schaden. Die Pollen des sogenannten Bt-Mais töteten im Laborversuch Schmetterlingsraupen.

    Aus:
    Spiegel Online – 20. Mai 1999, 13.16 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    ITHACA. Der auch in Deutschland angebaute Bt-Mais ist gentechnisch so verändert worden, daß er in seinem Blatt- und Stengelgewebe das Gift des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) produziert, das die Pflanze vor Insektenfraß, insbesondere vor dem Maiszünsler, schützt. Bis jetzt galt diese manipulierte Pflanze als relativ ungefährlich gegenüber Insekten, die nicht als Mais-Schädlinge bezeichnet werden. Doch das Gift wird oft auch in die Pollenkörner eingelagert. Da Mais eine windbestäubte Pflanze ist, gelangt viel verdrifteter Pollen auf die Blätter weit entfernter Pflanzen, die in der Nähe der Maisfelder wachsen und einer Vielzahl anderer Insekten als Nahrung dienen.

    John Losey und Mitarbeiter von der Cornell University, Ithaca, im US-Bundesstaat New York untersuchten in Laborversuchen die Wirkung der Giftpollen-Verwehung auf Raupen des Monarchfalters (Danaus plexippus). Diese Schmetterlingsart ernährt sich fast ausschließlich von einer Pflanzenart, die in Nordamerika und Südkanada meist in der Nähe von Maisfeldern vorkommt. In der neuesten Ausgabe des britischen Fachmagazins "Nature" berichteten sie, daß mit Pollen von Bt-Mais bestäubte Blätter dieser Art bei den Raupen Kümmerwuchs verursachten oder sie sogar abtöteten.

    Dennoch warnt John Losey vor übereilten Reaktionen: "Inwieweit der Bt-Mais für freilebende Monarchen und andere Schmetterlinge eine Gefahr darstellt, muß noch untersucht werden." Außerdem sei zu bedenken, daß beim Anbau dieser Maissorte weniger schädliche Insektizide eingesetzt werden. "Die Vor- und Nachteile müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden."



    Brüssel will Verbraucherschutz international besser vertreten

    Aus:
    vwd-Wirtschaftsdienst, 21. Mai 1999, 19.05 Uhr.

    BRÜSSEL (vwd). Die Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union sind in einer Reihe von internationalen Organisationen, die wie im Handelsdisput um Genmais oder Hormonfleisch unmittelbar auch Verbraucherinteressen angehen, bislang begrenzt. Darauf hat am Freitag der Leiter der für Verbraucherschutz zuständigen Generaldirektion in der Europäischen Kommission, Horst Reichenbach, hingewiesen. In einer Reihe solcher Gremien sei die Brüsseler Behörde nicht vertreten, was teils darauf zurückgehe, daß viele Organisationen nicht die Vertretung der 15 EU-Mitgliedstaaten und zugleich ihrer gemeinsamen Verwaltung akzeptierten.

    Teilweise wollten aber auch EU-Mitgliedstaaten nicht, daß in solchen Organisationen ihre Interessen durch die Gemeinschaft direkt vertreten würden. Aktiv geworden sei seine Behörde bereits hinsichtlich der Qualität der wissenschaftlichen Beratung von Organisationen wie der Welternährungsbehörde (FAO) und der Weltgesundheitsbehörde (WHO), weil dort die Transparenz und Unabhängigkeit der auch die EU betreffenden wissenschaftlichen Expertise gemessen am reformierten Kommissionssystems Wünsche offenlasse.

    Eine Neubewertung des Hormoneinsatzes in der Lebensmittelerzeugung gehört laut Reichenbach zu den Bereichen, bei denen Brüssel eine wissenschaftliche Neubewertung fordere. Fortschritte hält Reichenbach bei der Auslegung des Vorsorgeprinzips in dem für Lebensmittelrecht zuständigen Codex Alimentarius für wahrscheinlich, auch wenn zuletzt noch die USA eine entsprechenden Beschluß blockiert hätten. Der Generaldirektor ließ jedoch offen, inwieweit er bezüglich EU-Anliegen wie die Aufrechterhaltung des Import- und Vermarktungsverbot von Hormonfleisch im Rahmen der kommenden WTO-Verhandlungsrunde mit Verbesserungen rechne.

    Ethisch begründete Vorbehalte wie gegen Hormonfleisch oder genmodifizierten Mais seien bislang für die WTO nicht akzeptabel. Auch müsse eingeräumt werden, daß die Entscheidung über solche Anliegen eines Handelspartners nur schwer in Verfahren umzusetzen seien. Was das von Österreich und Luxemburg unter Berufung auf die Schutzklausel ausgesprochene Verbot von Genmais angeht, sei auf Basis der derzeitigen Rechtslage klar, daß solche Maßnahmen nur durch wissenschaftliche Evidenz begründet werden könnten.

    Eine wissenschaftlich abschließende Bewertung, was die Vorbehalte gegen die Antibiotikaresistenz angehe, stehe hier aber noch aus. Die Erfahrungen mit dem vor anderthalb Jahren im Folge der BSE-Krise neugeordneten Systems der wissenschaftlichen Ausschüsse, die die Kommission beraten, bewertete Reichenbach positiv. Die acht für einzelne Bereiche zuständigen Ausschüsse (Gentechnik, Antibiotikaresistenzen, Pestizide, Hormone, Lebensmittel, Chemikalien, Pharmaka, Kosmetik) und der koordinierend vor allem bei BSE-Fragen tätige wissenschaftliche Steuerungsausschuß hätten seit November 1997 rund 150 Stellungnahmen abgegeben.

    Bestellung und Arbeit dieser mit international anerkannten Experten besetzten Ausschüsse seien transparent und trügen zur Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in die wissenschaftliche Beratung wesentlich bei, die im Zusammenhang mit der BSE-Krise gelitten habe. Angesichts einer stetig zunehmenden Arbeitsbelastung der Ausschüsse und der ihnen zugeordneten Verwaltung sei zusätzliches Personal grundsätzlich angebracht, wobei Reichenbach zugleich begrenzte Ressourcen einräumte. Für eine erste Erneuerung der Ausschüsse im kommenden Jahr hätten die Vorbereitungen bereits begonnen.



    Dioxine im Fleisch

    Belgien verbietet Verkauf von Hühnern und Eiern

    Aus:
    Yahoo-News, 28. Mai 1999, 23.10 Uhr.

    BRÜSSEL. Das belgische Gesundheitsministerium hat gestern den Verkauf von Hühnern und Eiern verboten, nachdem zuvor mit dem krebserregenden Dioxin verseuchtes Hühnerfleisch entdeckt worden war. Es handele sich um eine vorbeugende Maßnahme, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums in Brüssel. Weitere Testergebnisse würden in der kommenden Woche veröffentlicht. Es gebe ein gewisses Risiko für die Verbraucher, auch wenn es klein sei, sagte Gesundheitsminister Marcel Colla zur Begründung im belgischen Fernsehen. Von dem Verbot seien ausschließlich Hühner und keine anderen Geflügelarten betroffen.

    Das Landwirtschaftsministerium erklärte, es untersuche derzeit den Zusammenhang zwischen dioxinverseuchtem Hühnerfleisch und ebenfalls mit Dioxin verseuchtem Tierfutter. Bereits Ende März seien von mehreren Bauernhöfen entsprechende Probleme gemeldet worden. Eine Ladung mit verseuchten Ölen sei an insgesamt neun Futtermittelhersteller in Belgien sowie in Frankreich und in den Niederlanden ausgeliefert worden.

    Dioxin ist eine hochgradig giftige Chemikalie, die bei einer Aufnahme in den menschlichen Körper nicht wieder ausgeschieden werden und Krebs verursachen kann. Die großen Supermarktketten in Belgien haben bereits reagiert und Hühnerfleisch aus dem Handel genommen. Die EU-Kommission erklärte, sie habe mit den belgischen Behörden über die Ausfuhr von Geflügel und Eiern gesprochen. Eine Entscheidung über einen Export-Stopp wird frühestens am Montag [31.5.1999] erwartet. [mehr]   [Clean Food Campaign: Dioxin and Agriculture]



    Seveso-Gift in Eiern wird zum Wahlkampfthema

    Verseuchte Ware aus Supermarktregalen genommen / Gemischte Reaktionen bei den Kunden / Verantwortliche Minister zum Rapport bei Dehaene

    Aus:
    Yahoo-News, 31. Mai 1999, 14.15 Uhr (Politik).

    BRÜSSEL. Den Verbrauchern in Europa vergeht allmählich der Appetit: Rinderwahnsinn und Schweinepest, Hormonspuren im Rindfleisch und genetisch veränderter Mais gehörten schon fast zum täglich Brot, als ein neuer Lebensmittelskandal die Menschen in Belgien am Wochenende aufschreckte. Dioxinspuren in Hähnchen und Eiern veranlaßten die Regierung in Brüssel, die verseuchten Waren vom Markt nehmen zu lassen. Während die Supermärkte der Aufforderung nachkamen und ihre Regale ausräumten, wurden auf den Wochenmärkten weiterhin gebratene Hähnchen und Eier verkauft. Die belgischen Kunden reagierten teils besorgt, teils gelassen bis störrisch auf die Warnung.

    Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen ist die Regierung jedoch in Aufruhr. Ministerpräsident Jean-Luc Dehaene bestellte Landwirtschaftsminister Karel Pinxten und Gesundheitsminister Marcel Colla für Montag zum Rapport.

    Seit Seveso ist Dioxin das Synonym für Gift schlechthin. Die Explosion in einer Chemiefabrik in der italienischen Stadt Seveso 1976, bei der zwei Kilogramm Dioxin freigesetzt wurden, machte das Gebiet auf Jahre hin unbewohnbar. Denn Dioxin, das zu den giftigsten bekannten Substanzen gehört, baut sich nur langsam in der Umwelt ab. Es verursacht beim Menschen Haut- und Leberschäden und löst Krebs aus. In Belgien sind erhöhte Dioxinwerte häufig in der Umgebung von Müllverbrennungsanlagen gemessen worden. Das nun in Hähnchen und Eiern nachgewiesene Gift gelangte über Fettzusätze, die als Wachstumsbeschleuniger wirkten, in das Tierfutter. Im Verdacht ist eine Fettschmelzerei bei Gent, über die das Fett ins Futter gelangt sein könnte. Auch eine Verunreinigung des Futters durch Motorenöl wird nicht ausgeschlossen.

    "An irgendetwas muß man ja sterben", sagt eine Kundin, die auf ihr Brathähnchen am Sonntag nicht verzichten wollte. Eine weitere hält den Verzicht im Nachhinein für sinnlos, da sie die verseuchten Lebensmittel ohnehin schon über Monate verzehrt habe. Andere beschimpften Grillhähnchen- Verkäufer auf dem Markt als Provokateure. Bekannt wurde die Verseuchung bereits Anfang März, ohne daß die zuständigen Behörden die Öffentlichkeit informiert hätten. Sie hätten zunächst sichere wissenschaftliche Ergebnisse abwarten wollen, bevor sie Panik verursachten, argumentierten die Minister. Bei ihnen und bei den Zeitungsredaktionen standen am Wochenende die Telefone nicht still. Besorgte Verbraucher wollten wissen, ob sie ihre eingefrorenen Hühnchen noch essen könnten oder ob die Eier aus dem Bio- Laden ebenfalls verseucht seien.

    Die Opposition ließ sich nicht mit vordergründigen Erklärungen abspeisen. Auf Wahlkampfveranstaltungen schlachteten die Parteien das Thema aus. Nicht ausgeschlossen wurde, daß die Regierung wegen der anstehenden Wahl die Erkenntnisse so lange geheim gehalten habe. Die Liberalen forderten unumwunden den Rücktritt der beiden Minister, die Grünen zumindest einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß unmittelbar nach der Wahl. In den Zeitungen vom Samstag richteten Kommentatoren scharfe Angriffe an die Adresse der Regierung. Das zweimonatige Schweigen über mögliche Gefahren sei kriminell, hieß es in der flämischen Presse. Die Regierung habe zum wiederholten Male ihre Inkompetenz bewiesen und ihre Mißachtung der Verbraucher unter Beweis gestellt, urteilten viele Kommentatoren.

    Bauernverbände fordern Entschädigung

    Auch auf EU-Ebene wurde die Informationspolitik der belgischen Regierung scharf kritisiert. In den Nachbarstaaten wurden Geflügel und Eier aus Belgien aus den Regalen genommen. Die EU-Landwirtschaftsminister wollten Pinxten bei ihrer informellen Ratssitzung in Dresden am Montag und Dienstag zur Rede stellen. Dehaene selbst forderte, die Wege der Lebensmittelproduktion besser zu überwachen. Erwogen wird die Gründung eines unabhängigen Instituts für Nahrungsmittelsicherheit, die seit Jahren vereinzelt gefordert wurde. Wie schon bei der BSE-Krise und den zahlreichen Ausbrüchen der Schweinepest in den vergangenen Jahren liegt eine der Ursachen des neuen Lebensmittelskandals in der Massentierhaltung.

    Auf die Hühnerfarmen kommt unterdessen eine wirtschaftliche Talfahrt zu. Die belgischen Bauernverbände schätzte den Schaden durch die Dioxinverseuchung auf 1,8 Milliarden Francs (90 Millionen Mark) und forderte bereits vorsorglich Entschädigung von der Regierung. Auch wenn die verseuchten Produkte aus dem Verkehr gezogen wurden, das Mißtrauen der Verbraucher wird zunächst anhalten. Der Preisverfall für Hühner und Eier ist programmiert. [mehr]



    Dioxin-Skandal – EU verhängt Verkaufsverbot

    Die Europäische Kommission in Brüssel hat entschieden: Eier und Geflügel aus Belgien dürfen EU-weit nicht mehr verkauft werden. Zuvor waren der Besitzer der Futtermittelfirma Verkest und dessen Sohn verhaftet worden. Aus ihrem Betrieb in Gent stammt den Ermittlungen zufolge das mit Dioxin verseuchte Futter. Unterdessen wurde bekannt, daß Hühnerprodukte aus Belgien möglicherweise weitere Schadstoffe enthalten.

    Aus:
    Spiegel Online – 2. Juni 1999, 14.43 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    BRÜSSEL. Das Verbot schließt auch Produkte ein, die mit einem großen Teil von Eiern hergestellt sind. Das gab EU-Agrarkommissar Franz Fischler am Mittwoch in Brüssel bekannt. Ausgenommen sind Produkte, die nachweislich nicht aus den über 400 flämischen Hühnerfarmen stammen, an die dioxinverseuchtes Futter geliefert worden war. Eine weitere Ausnahme gilt für Produkte, die nachweislich dioxinfrei sind.

    Von dem Verkaufsverbot sind alle Hühnerprodukte betroffen, die zwischen dem 15. Januar und dem 1. Juni in den betroffenen Hühnerfarmen hergestellt worden sind. Die Entscheidung der Kommission tritt ab Mittwoch Mitternacht in Kraft. Sie folgte einer Entscheidung des ständigen Veterinärausschusses, der mit 13 Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Maßnahmen gestimmt hatte.

    Für den größten Teil der verseuchten Lebensmittel kommen diese Maßnahmen in jedem Fall zu spät. Sie sind längst verzehrt. Dennoch geht das Bonner Landwirtschaftsministerium davon aus, daß die EU-Regelung nicht nur Makulatur ist. Schließlich – so Ursula Horsetzky, Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums zu SPIEGEL ONLINE – sei nicht klar, wer über welche Wege und in welchem Umgang dieses Futtermittel bekommen habe. Allein schon aus vorbeugendem Verbraucherschutz müsse eine Grenze gezogen werden.

    Den verhafteten Unternehmern wird Betrug und Urkundenfälschung vorgeworfen. Unklar ist aber noch, auf welchem Weg das Dioxin in das Futter gelangte. Verkest arbeitete altes Frittieröl zur Verfütterung für Hühnerfarmen auf. Am Dienstag abend waren wegen des Skandals der belgische Landwirtschaftsminister Karel Pinxten und Gesundheitsminister Marcel Colla zurückgetreten. Sie sollen mehr als einen Monat von der Dioxinverseuchung bei Hühnern und Hühnerfutter gewußt haben, bevor sie ein Verkaufsverbot erließen und die europäischen Partnerländer und die EU-Kommission informierten. Der neue Gesundheitsminister Luc van den Bossche sagte am Mittwoch, das Schlachtverbot für Geflügel bleibe in Kraft, bis die Sicherheit für Verbraucher gewährleistet sei.

    Nach Ansicht des Ulmer Umweltchemikers Prof. Karlheinz Ballschmiter enthalten belgische Hühnerprodukte neben Dioxinen weitere gefährliche Schadstoffe. Eine ihm vorliegende Analyse belgischer Gesundheitsbehörden lege die Vermutung nahe, daß Hühnerfleisch und Eier unter anderem mit sogenannten polychlorierten Biphenylen (PCB) und Phenylphenolen belastet sein könnten. Ballschmiter bestätigte damit einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch. Während PCB als krebsfördernd gilt, sind Phenylphenol-Verbindungen dem Hormon Östrogen ähnlich.

    Die Daten aus Belgien zeigten große Mengen von Dioxinen in den Hühnerprodukten. "Ich kenne keinen Fall, in dem sie höher sind", sagte der Wissenschaftler. Zwar sei die Konzentration nicht akut lebensbedrohlich, "aber in der Summe sind sie nichts für Nahrung". Belgien hatte seit Freitag alle belgischen Hühner und Eier vom Markt genommen, ein Exportverbot verhängt und den Großhandel mit Produkten untersagt, die mit belgischen Eiern hergestellt sind. Darunter fallen über 200 Produkte wie Gebäck, Süßspeisen (darunter auch Eis), Mayonnaise und Nudeln. [mehr]

    [Belgiens Regierung informiert] [Die amtliche Chronologie]



    Belgisches Fleisch nach Dioxin-Skandal weltweit geächtet

    Zahlreiche Staaten verhängen Einfuhr- und Verkaufsstopps / Erleichterung in Nordrhein-Westfalen nach Proben-Ergebnissen

    Aus:
    Yahoo-News, 4. Juni 1999, 19.03 Uhr (Politik).

    BRÜSSEL/FRANKFURT. Belgisches Fleisch und Futtermittel erfahren nach dem Dioxin-Skandal weltweite Ächtung: Rußland, die Schweiz, Rumänien und Griechenland verhängten am Freitag ein Importverbot, die USA stoppten am Vortag den Verkauf von Geflügel-und Schweinefleischprodukten aus der EU. Die Europäische Union ordnete an, neben den belasteten Hühnererzeugnissen auch belgische Schweine- und Rindfleischprodukte zu beseitigen, wenn sie mit dem potentiell krebserregenden Stoff verseucht sein sollten. Die Ausfuhr solle verboten werden.

    In Nordrhein-Westfalen reagierte Umweltministerin Bärbel Höhn mit Erleichterung auf die Ergebnisse der ersten 15 Proben von belgischem Futtermehl und Geflügel. Bei der Untersuchung seien Dioxingehalte zwischen 0,35 und 4,51 Pikogramm (billionstel Gramm) pro Gramm Fett ermittelt worden. Die Werte sind damit vergleichbar mit wissenschaftlichen Studien, in denen der Dioxingehalt von Fleisch und Eiern untersucht wurden. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, ab einem Wert von drei nach der Ursache der Dioxinbelastung zu forschen, ab dem Wert fünf die Nahrungsmittel nicht mehr zum Verzehr freizugeben. Höhn betonte, „auf diesen Werten kann man sich nicht ausruhen“. Sie fordert ein europaweites Kontrollsystem für alle Lebensmittel. Die Herkunft der Lebensmittel müsse genau bezeichnet und [Ed: für jedermann] überprüfbar sein, forderte die Grünen- Politikerin.

    Das deutsche Vertrauen in belgische Produkte ist schwer erschüttert. Niedersachsen verhängte ein Schlachtverbot, in Hessen wurden zusätzliche Kontrollen angeordnet. Die Schweiz und Rußland stoppten den Import von Futtermitteln. Die belgische Regierung, die wegen ihrer anfangs zögerlichen Informationspolitik in die Kritik geraten war, ordnete einen Verkaufsstopp für Hühnerfleisch, Eier, Rind- und Schweinefleisch an. Sie verfügte zudem ein Schlachtverbot für Geflügel, Schweine und Rinder. Selbst der Transport der Tiere innerhalb Belgiens wurde untersagt. Rund 70 Rinderzuchtbetriebe wurden unter Quarantäne gestellt. In den Niederlanden wurden 350 Schweinehöfe geschlossen, um die Tiere zu untersuchen. Der Skandal zog Kreise bis nach Afrika. Ghana verbot die Einfuhr belgischer Hühner, Eier und Schweinefleischs.

    Lebensmittelwirtschaft nimmt Lage „sehr ernst“

    Die hessische Sozialministerin Marlies Mosiek-Urbahn ordnete an, auch belgisches Schweine- und Rindfleisch sowie Folgeprodukte daraus zu kontrollieren. Bei der Suche nach belgischen Eiern und Geflügel wurden die Lebensmittelkontrolleure laut Mosiek-Urbahn erneut fündig; so wurden in Herborn 290 Kilogramm Geflügelfleisch sichergestellt. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium verhängte ein Schlachtverbot für Geflügel, Schweine und Rinder aus Belgien sowie ein Verarbeitungsverbot für importiertes Fleisch.

    Die deutsche Lebensmittelwirtschaft kündigte umfangreiche Untersuchungen an, um Gefahren für Verbraucher zu reduzieren. Die Geschäftsführerin des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, Bettina Muermann, sagte im Saarländischen Rundfunk: „Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst.“ Die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) erklärte, sensibilisiert durch den belgischen Futtermittelskandal griffen die Konsumenten beim Eierkauf gerade bevorzugt auf deutsche Ware zurück. [mehr]



    Die belgischen Dioxin-Futterhersteller

    Liste der Tierfutter-Hersteller, die von der Firma Verkest (Deinze)
    mit Dioxinen verseuchte Fette erhalten haben

    Stand: 8. Juni 1999 – 18.00 Uhr
    Quelle: Belgische Regierung auf www.minsoc.fgov.be.
    Nr. 11 + 12 ergänzt ag. der Infos der Deutschen Bundesregierung.
    Nr. Betrieb Adresse PLZ / Ort Gemeinde Erzeugt Tierfutter
    1. De Brabander NV Kaaistraat 70 B-8800 Roeselare Kippenvoer für Geflügel
    2. Huys NV Krakeleweg 38 B-8000 Brugge Kippenvoer für Geflügel
    3. Benz Geel     Kippenvoer für Geflügel
    4. Debrabandere NV Tieltsesteenweg 8 B-8750 Wingene Kippenvoer für Geflügel
    5. Voeders Algoet NV Karperstraat 13 B-9870 Zulte Kippenvoer für Geflügel
    6. Willaert NV Ieperstraat 53 B-8110 Kortemark Varkensvoer für Schweine
    7. Versele-Laga NV Veldstraat B-8800 Roeselare Kippenvoer für Geflügel
    8. Callewaert NV Berlingmolenstraat 64 B-8850 Ardooie Varkensvoer für Schweine
    9. Derco International NV Stationstraat 159 B-9890 Gavere Kippenvoer für Geflügel
    10. Hendrix Merksem     Kippenvoer für Geflügel
    11. ???     Frankreich  
    12. ???     Niederlande  
    Die Deutsche Bundesregierung hat diese Liste bislang nicht im Internet veröffentlicht.
    Die belgische Regierung will auch eine Liste (Schwarze Liste) aller von diesen Futter-Herstellern belieferten Bauernhöfe und Zuchtbetriebe veröffentlichen. Es sollen über 1000 landwirtschaftliche Betriebe sein.

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      Zum Teil 2


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