BSE & Co in den Medien – Teil 31 khd
Stand:  7.2.2004   (42. Ed.)  –  File: M/edien31.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Artikel und andere Texte zur durch den Rinderwahnsinn BSE und der Anwendung der Gentechnik ausgelösten Problematik sowie zur gefährlichen H5N1-Vogelgrippe (Geflügelpest) und H1N1-Schweinegrippe gespiegelt und damit auf Dauer dokumentiert. Manches ist auch mit [Ed: ...] kommentiert. Tipp- und Übertragungsfehler gehen zu meinen Lasten.

Die anderen Vergiftungen von Nahrungsmitteln haben ab Ende 2004 eine eigene Webseiten- Serie in der Abteilung "Food" erhalten.

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  • Neuere Presseberichte  (32. Teil).
  • 02.01.2004: Bush ermuntert US-Bürger zum Verzehr von Rindfleisch.
  • 29.12.2003: US-Behörden erwägen Ausweitung der BSE-Tests.
  • 27.12.2003: USA: Rindfleisch zu Weihnachten. (Kommentar)
  • 27.12.2003: USA: Tiermehl im Futtertrog.
  • 27.12.2003: USA: Rein zufällig Rinderwahn.
  • 24.12.2003: Erster BSE-Verdachtsfall in den USA.
  • 03.12.2003: Deutsche Forscher entwickeln neuen BSE-Test.
  • 02.12.2003: Konsumentenschutz in Deutschland nur Mittelmaß.
  • 18.11.2003: Ohne „gesundes“ Prion kein BSE.
  • 17.11.2003: Humana zieht Konsequenzen aus Fehlern. (Presse-Mitteilung)
  • 16.11.2003: Kinderärzte fordern strengere Prüfung von Säuglingsnahrung.
  • 14.11.2003: Babymilch: Wer ist schuld? (Humana-Skandal)
  • 11.11.2003: Humana räumt Fehler bei Herstellung von Babynahrung ein.
  • 04.11.2003: Keine Entwarnung für Schadstoffbelastung bei Lebensmitteln.
  • 24.10.2003: Weitere vCJD-Patientin erhält experimentelle Therapie.
  • 23.10.2003: Diagnose Rinderwahn. (Der nvCJD-Fall Jonathan Simms)
  • Ältere Presseberichte  (30. Teil).
    Made with Mac


    Diagnose Rinderwahn

    Seine Krankheit ist tödlich. Doch Jonathan Simms lebt immer noch – dank eines gefährlichen Experiments.

    Aus:
    DIE ZEIT – Nr. 44/2003, 23. Oktober 2003, Seite ?? (Wissen) von REINER LUYKEN. [Original]

    Don Simms marschiert durch das Krankenhaus, als sei er der Klinikchef. Er stößt die Tür zur neurochirurgischen Abteilung auf. „Hi, Don!“, rufen einige Angestellte. Andere können sich ein Grinsen nicht verkneifen. Simms ist hier nur Besucher, der gelernte Elektriker ist der Vater eines schwer kranken Patienten. Doch Fachausdrücke wie „Pathogenese“ oder „Hirnstammaktivität“ kommen ihm wie einem altgedienten Mediziner über die Lippen. Ohne mit der Wimper zu zucken, spricht er von den „mit unserem Team assoziierten Ärzten“. In den vergangenen zwei Jahren ist Simms zum Vorkämpfer für die experimentelle Therapie einer erschreckenden Krankheit geworden: vCJD (variant Creutzfeldt-Jacob Disease), die menschliche Form des Rinderwahns [Ed: auch nvCJD]. Der untersetzte Mann aus dem Belfaster Arbeiterviertel Springmartin probt den Aufstand gegen den unabwendbaren Tod seines 19-jährigen Sohnes Jonathan.

    Don Simms setzte im vergangenen Februar die Behandlung mit einem umstrittenen Wirkstoff gegen die Widerstände des staatlichen Instituts für CJD-Forschung und des britischen Komitees für Medikamentensicherheit durch. Vor wenigen Wochen organisierte er einen Kongress in seiner Heimatstadt Belfast, auf dem Neurologen aus der ganzen Welt mit, wie das British Medical Journal berichtete, „vorsichtigem Optimismus“ erste Anzeichen einer Genesung des Jungen feststellten. Ob das Mittel bei dem zuvor praktisch komatösen Jungen gewirkt habe, sei noch ungewiss, erklärte der Neurologe Nikolai Rainov, doch die Hirnfunktionen hätten sich im Verlauf des verzweifelten Behandlungsversuchs eindeutig verbessert. „Er kann sogar Anweisungen befolgen. Das war vor sechs Monaten nicht der Fall.“

    Der Befund hat alle Widerstände im Königreich zu Fall gebracht: Schon in dieser Woche womöglich wird auch einer 18-jährigen Engländerin als zweitem vCJD- Patienten nach demselben Verfahren eine Pumpe eingesetzt, die das in Großbritannien nicht lizenzierte Arzneimittel Pentosan- Polysulfat (PPS) direkt ins Hirn injiziert. Die junge Frau, nur mit dem Kürzel M. identifiziert, ist noch in weit besserer Verfassung als Jonathan Simms. Sie kann schwimmen, kurze Distanzen gehen, braucht aber Hilfe beim Essen, Anziehen und Waschen. Intellektuell sei sie inzwischen auf dem Stand eines Kindes, urteilte die höchste Familienrichterin des Landes, Dame Elizabeth Butler-Sloss. Daher stehe der Familie die Entscheidung über die Behandlung mit Pentosan- Polysulfat zu.

    Das Mittel wurde 1949 von der Münchner Bene Arzneimittel GmbH entwickelt. Es wird vor allem in der Veterinärmedizin verwendet. In den USA ist das Präparat bei Blasenreizungen und einigen anderen Indikationen auch für Menschen zugelassen. Trotz seines veritablen Alters weiß niemand genau, wie es wirkt.

    Davon lässt sich Don Simms überhaupt nicht beirren. Wie die meisten der wegen ihrer politischen Eigenbrötelei oft geschmähten Ulster-Protestanten ist er von tiefem Misstrauen gegen die Institutionen des Staates beseelt. Er hat Vorstellungen von Recht und Ordnung, die einem zivilisationsverwöhnten Mitteleuropäer kalte Schauer über den Rücken jagen. Die Selbstjustiz der Paramilitärs, die Kleinkriminelle mit Prügeln und Schüssen ins Knie bestrafen, geht ihm oft nicht weit genug. Bei Pädophilen plädiert er für einen Kopfschuss.

    Jonathan, das älteste seiner sieben Kinder, erkrankte im September 2001. Doch sein Schicksal war weit früher besiegelt: Verseuchte meat pies, Würste, oder Burger – was immer die tödlichen Erreger in den Darm trug – starteten die schleichende Invasion seines Körpers. Die Route der Erreger ist bekannt, vor allem das Forscherteam des Zürcher BSE-Experten Adriano Aguzzi hat sie in mühevoller Arbeit enttarnt. Zuerst drangen die infektiösen Eiweißpartikel in Jonathans Lymphorgane vor, eroberten dann langsam das periphere Nervensystem. Im Frühstadium ist vCJD daher meist schwer zu erkennen. Erst später setzen die Erreger zum Angriff auf das Hirn an.

    Die Krankheit beginnt mit Depressionen, Angstzuständen, Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Nach einem halben Jahr machen sich die typischen neurologischen Ausfälle bemerkbar. Die Patienten verlieren die Kontrolle über ihre Bewegungen. Die Krankheit, die in erster Linie Teenager und junge Menschen befällt, schreitet dann rapide voran. Das Hirn verwandelt sich in eine schwammartige Masse.

    Jonathan gehört zu den wenigen Opfern, bei denen sich die Bewegungsstörungen sofort bemerkbar machten. Sein Hausarzt überwies ihn an die neurologische Abteilung des nahen Krankenhauses. Die setzte seinen Namen – wie so oft beim staatlichen Gesundheitsdienst NHS – auf eine Warteliste: Die Untersuchung durch einen Spezialisten sollte in sechs Wochen stattfinden.

    Natürlich gibt es Entschuldigungen für die Schwerfälligkeit des Apparats. Entgegen den anfänglichen Befürchtungen ist die menschliche Form der Rinderseuche selten geblieben. Nach offiziellen Zahlen erkrankten im gesamten Königreich bislang 143 Menschen. Sechs sind noch am Leben. Seit drei Jahren ist die Miniepidemie wieder im Abklingen. In Nordirland wurden ganze drei Fälle bekannt.

    Aber die Statistik ist kein Trost. Don Simms unterlief das System zum ersten Mal, indem er seinen Sohn kurzerhand in die Notaufnahme brachte. Erst am Krankenbett fanden der Patient und die Überweisung des Hausarztes zusammen. Da sah Simms die fatalen Buchstaben vCJD schwarz auf weiß – und nahm das weitere Verfahren in die Hand. Er verbot den Ärzten, Jonathan die Wahrheit zu sagen. „Das hätte ihm den Lebensmut geraubt.“ Er ließ den Jungen in dem Glauben, an multipler Sklerose erkrankt zu sein.

    Zu Hause setzte Simms sich an den Computer. Wer sich im Internet über BSE und vCJD kundig machen will, sticht schnell in ein Wespennest abstruser Verschwörungstheorien, geheimnisvoller Irrwege und gekränkter wissenschaftlicher Eitelkeit. Der Elektriker aus Ulster hielt sich an seinen gesunden Menschenverstand. Er hatte noch nie von PPS gehört. Er wusste nicht, dass das Berliner Robert Koch-Institut in den achtziger Jahren versucht hatte, die Substanz zur Behandlung von Scrapie, einer bei Schafen verbreiteten, BSE-ähnlichen Hirnerkrankung einzusetzen. Er stieß in einem Bericht aus Japan auf das Präparat.

    Dort hatten Forscher Mäuse mit Prionen – den Erregern von BSE und vCJD – infiziert und ihnen verschiedene Medikamente ins Hirn gespritzt. PPS-Infusionen erwiesen sich als die vielversprechendste Prozedur. Bei frühem Behandlungsbeginn überlebten die Tiere dreimal so lange wie eine Kontrollgruppe, bei späterer Behandlung zweimal so lange. Prionen, die sich sonst wie Metastasen im Hirn ausbreiten, hörten auf, sich zu vermehren. Auch nach zweimonatiger Behandlung beobachteten die Japaner keine toxischen Nebenwirkungen.

    Ein verzweifelter Versuch

    Seine Suche führte Simms auch zu Stephen Dealler. Der BSE-Forscher unterhält eine eigene Website (www.priondata.org), die Dealler als führenden Kopf der an Jonathan erprobten PPS- Technologie beschreibt. Eine Darstellung, die Don Simms empört abstreitet. „Dealler“, sagt er, „ist ein guter Kerl, doch er redet viel Stuss. Er gehört zu unserem Team. Aber er sucht immer das Rampenlicht.“

    Immerhin war der Mikrobiologe aus dem nord-englischen Lancaster schon lange von PPS überzeugt. Dennoch wimmelte er die Bitten von Simms ab. Er hielt es für unmöglich, das Medikament wie bei Mäusen direkt ins Hirn zu spritzen. Oral verabreichtes PPS, mit dem infizierte Mäuse am Edinburgher Institut für Tiergesundheit behandelt wurden, zeigte keine Wirkung. Aber Simms ist keiner, der ein Nein akzeptiert. Er klickte weiter durchs Internet. Bis er einen Arzt in Bristol fand, der eine Pumpe entwickelt hatte, die Medikamente zur Parkinsontherapie ins Hirn injiziert. Der riet ihm, sich an Nikolai Rainov zu wenden. Der bulgarische, in Liverpool tätige Neurologe hatte in den USA Erfahrungen mit der zerebralen Infusion von Krebsmitteln gesammelt.

    Simms organisierte ein Treffen. Sein „Team“ nahm Form an. Bald fand sich auch ein Neurochirurg, der bereit war, die zur Infusion benötigte Pumpe und die in das Hirn führenden Kanülen und Katheter zu implantieren. Aber der Gesundheitsdienst stellte sich quer. Die Krankenhausmanager wollten weder die Kosten noch die Risiken einer solchen Operation tragen.

    Sie konnten sich auf die Behandlungsrichtlinien des Instituts für CJD-Forschung berufen – palliative Versorgung, psychologische Betreuung. Kurz: zu Tode pflegen. Die Internet-Seite des Instituts (www.cjd.ed.ac.uk) lässt keinen Zweifel, dass man dort bis heute an kein Heilverfahren glaubt. Will man diesen Standpunkt mit dessen Wissenschaftlern oder mit Mitarbeitern des britischen Gesundheitsministeriums erörtern, reagieren sie weder auf Bitten um Rückruf, noch antworten sie auf E-Mails oder geben Erklärungen ab. Wollen sie die im öffentlichen Bewusstsein weitgehend vergessenen Folgen des Rinderwahns nicht wieder in Erinnerung rufen? Fürchten sie um ihre Reputation?

    Adriano Aguzzi ist weniger zimperlich. Der italienischstämmige Forscher verfügt über ein explosives Temperament. Zunächst stampft er die mehr als magere wissenschaftliche Deckung für den Versuch seiner britischen Kollegen in Grund und Boden. Dann aber sagt auch er: „Als compassionate treatment, als letzten verzweifelten Versuch, kann man so etwas machen.“ Die Verkündung von angeblich spektakulären Erfolgen per Pressekonferenz, ohne externe Begutachtung, das alles sei allerdings sehr unprofessionell. Ob wirklich eine Besserung eingetreten sei? „Das ist fast unmöglich zu sagen.“

    Gewarnt hatten die Belfaster Ärzte Simms auch vor möglichen Folgen der Behandlung: Wasseransammlungen im Kopf, Hirnblutung, epileptische Anfälle. Aber die Alternative? Sich dem Tod fügen? Das entspricht nicht seinem Temperament. Don Simms tat eine Klinik in Deutschland auf, die sich bereiterklärte, die Operation durchzuführen, dann aber in letzter Minute einen Rückzieher machte. Die Umstände der Absage sind undurchsichtig. Niemand will sich dazu äußern. Einer Version zufolge übte das Londoner Gesundheitsministerium Druck auf die Bundesregierung aus.

    Das Urteil lautet: Therapie

    Simms heuerte zwei Rechtsanwaltbüros an. Die leiteten im Frühherbst 2002 ein Gerichtsverfahren ein. Im Dezember, über ein Jahr nach der Diagnose, Jonathans Zustand hatte sich mittlerweile drastisch verschlimmert, entschied das oberste englische Familiengericht, es wäre „unverantwortlich und unethisch“, den Versuch mit PPS zu unterlassen. Die Richterin verknüpfte ihr Urteil mit der Verfügung, dass weder die Klinik noch die behandelnden Ärzte identifiziert werden dürfen. Den Ärzten wurde untersagt, sich öffentlich zu äußern.

    Im Februar 2003 begann die Prozedur mit einer Infusion. Die befürchteten Nebenwirkungen blieben aus. Im März wurde die Infusionspumpe unter der Bauchdecke eingenäht. Wenige Wochen später kam Jonathan nach Hause. Laura Woolfson, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Anästhesie der Universität Manchester, fliegt seither einmal monatlich nach Belfast und misst mit einem in ihrem Institut entwickelten Gerät feinste Abweichungen seines Herzschlages. Prionen zerstören Hirnstammzellen, die den Herzrhythmus kontrollieren. Deshalb, so die Theorie, geben Messungen des Herzschlages Auskunft über den Stand der Krankheit. Woolfson findet jedes Mal ermutigendere Werte. Hat das unkonventionelle Arzneimittel die Zersetzung des Hirns nicht nur gestoppt, sondern tasächlich einen Heilungsprozess eingeleitet?

    Simms hat seinen Elektrikerkittel an den Nagel gehängt. Die „Kampagne“, wie er sie nennt, habe 150.000 Euro verschlungen. Die finanzierte er aus Spenden und Erspartem. Die Familie lebt von Zuwendungen des Staates. Entweder er oder seine Frau sind fast ständig am Bett des Sohns.

    Der liegt gegenwärtig wieder im Krankenhaus. Eine Komplikation mit dem Katheter, der vermutlich unter der Schädeldecke leckt, eine Wasseransammlung, erhöhte Temperatur. Am Telefon berichtet Don Simms besorgten Anrufern mit unerschütterlichem Optimismus: „Der Junge hat den Rückschlag überwunden. Er ist der tapferste Mensch, dem ich je begegnet bin.“

    Jonathans Einzelzimmer liegt am Ende der Station. Die Mutter sitzt neben dem Bett. Ein Monitor piept. Die Infusionspumpe zeichnet sich brieftaschenförmig unter der Bauchdecke ab. Der linke Arm ist angewinkelt und zuckt unkontrolliert. Die Augen in dem blassen Gesicht sind geschlossen. Die Lider scheinen übernatürlich groß. Weißer Schaum steht auf den Lippen. Der junge Mann nimmt nichts wahr, auch nicht die Krankenschwester, die ihm den Schaum von den Lippen wischt. Vater Simms, jetzt ganz Selfmade- Arzt am Krankenbett, inspiziert die Fieberkurve, sie ist auf 38,0 gefallen, die Flüssigkeitswerte, eine Beule und zwei frische Narben auf dem Schädel. Die eine ist verheilt, die andere nicht. Er redet von der Notwendigkeit, die Beule zu punktieren, um den Schädeldruck zu verringern. Der mache den Jungen so schläfrig.

    Auf die Frage, ob er nie die Möglichkeit erwäge, dass Jonathan trotz allem stürbe, erwidert Simms erstaunt: „Jonathan?“ [mehr]



    Weitere nvCJD-Patientin erhält experimentelle Therapie

    Aus:
    Yahoo-News, 24. Oktober 2003, 7.46 Uhr (Wissenschaft). [Original]

    LONDON. Nach dem Behandlungserfolg bei einem Creutzfeldt-Jakob- Patienten wird das experimentelle Medikament Pentosan- Polysulphat nun bei einer zweiten Erkrankten in Grossbritannien eingesetzt. Nach einer Entscheidung des britischen High Court darf eine 18-jährige Frau aus Nordengland das umstrittene Mittel erhalten. Zuvor hatten Mediziner bei dem 19-jährigen Patienten aus Belfast nach achtmonatiger Therapie eine Besserung festgestellt. Der Mann kann mittlerweile wieder schlucken und auf verbale Anweisungen reagieren. Ohne das Medikament, das direkt ins Gehirn injiziert wird, wäre er nach Einschätzung der Ärzte nicht mehr am Leben.

    Im Fall der 18-jährigen Frau ist die Erkrankung noch in einem frühen Stadium. Die Frau kann kurze Strecken gehen und schwimmen, braucht jedoch Hilfe beim Anziehen, Waschen und Essen, wie das British Medical Journal berichtet. Das Gericht folgte mit seiner Entscheidung dem Antrag der Eltern. Die Therapie berge zwar beträchtliche Risiken, könne aber die Lebensdauer der Frau verlängern und die Lebensqualität deutlich verbessern, hiess es zur Urteilsbegründung. Die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit (nvCJD) ist bislang unheilbar und wird ebenso wie die Rinderseuche BSE durch infektiöse Proteinpartikel, so genannte Prionen, ausgelöst. (Quelle: British Medical Journal, Vol. 327, Ausgabe 7420, S. 886).



    Keine Entwarnung für Schadstoffbelastung bei Lebensmitteln

    Aus:
    Yahoo-News, 4. November 2003, 8.34 Uhr (Vermischtes). Quelle: Für Sie. [Original]

    HAMBURG (ots). Obwohl BSE-Kühe und Acrylamid-belastete Fritten nicht mehr in den Schlagzeilen stehen – birgt der Lebensmitteleinkauf nach wie vor Risiken. Denn Konsumenten laufen weiterhin Gefahr, unwissentlich schadstoffbelastete Produkte zu verzehren, wie die FÜR SIE berichtet. Sie gibt in ihrer aktuellen Ausgabe (24/2003, EVT 4. November 2003) einen Überblick.

    Demnach sind in Deutschland bislang 277 BSE-Fälle bekannt – darunter kein Rind aus ökologischer Haltung. Zudem ist seit 2000 das Verfüttern von Tiermehl an Nutztiere verboten. „Die BSE-Krise ist damit aber nicht ausgestanden“, warnt Thilo Bode von der Verbraucherschutzorganisation "Foodwatch". Für Futtermittel müssten die gleichen Bestimmungen gelten wie für Lebensmittel. Zwar sei im Frühjahr 2002 in Öko- Putenfleisch das Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen gefunden worden, Fleisch aus artgerechter Haltung aber trotzdem generell gesünder als solches von konventionellen Betrieben, so Bode.

    Teilweise Entwarnung gibt es in Sachen Acrylamid bei Pommes frites, Knäckebrot und Chips. Seit Ende vergangenen Jahres haben viele Firmen ihre Produktionsverfahren umgestellt. Von "Foodwatch" in Auftrag gegebene Stichproben bei Kartoffelchips ergaben, dass 12 von 20 Produkten heute weniger als 600 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm enthalten. Werte über 1.000 Mikrogramm gelten nach Angaben der Bundesregierung als kritisch.

    Bei Obst und Gemüse aus Holland und Deutschland liegen die Pestizid- Belastungen nach einer Greenpeace- Untersuchung vom Sommer meist unter den Grenzwerten. Teilweise hoch belastet waren hingegen Produkte aus Mittelmeerländern wie Trauben, Paprika, Erdbeeren, Zucchini und Tomaten.



    Humana räumt Fehler bei Herstellung von Babynahrung ein

    Aus:
    Yahoo-News, 11. November 2003, 19.35 Uhr (Kurzberichte). [Original]

    HERFORD/JERUSALEM. Nach dem Tod mehrerer israelischer Säuglinge hat die deutsche Humana Milchunion GmbH Fehler bei der Herstellung einer Babynahrung eingeräumt.

    Bei der Herstellung der Säuglingsnahrung Remedia Super Soya 1 habe man Analysedaten der Vorgängerprodukte falsch interpretiert, teilte das Unternehmen heute in Herford mit. Dadurch habe die Säuglingsnahrung nicht genug Vitamin B1 enthalten. "Wir stehen hier vor einer einmaligen Verkettung unglücklicher Umstände und betonen ausdrücklich, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelt, der keines unserer anderen Produkte betrifft", erklärte der Vorstandssprecher der Unternehmensgruppe, Albert Große Frie. Man stehe mit der Staatsanwaltschaft und anderen Behörden in Verbindung, um den Vorgang aufzuklären und werde organisatorische und personelle Konsequenzen ziehen. Zwei Klagen sind in Israel wegen des Falles bereits eingereicht worden. Sie sind verbunden mit Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen von 230 Millionen Schekel beziehungsweise 26 Millionen Dollar.

    Der Mangel an Vitamin B1 kann bei Babys zu Schäden im Gehirn und am Herzen führen. Wissenschaftlich sei das allerdings strittig, sagte Große Frie vor Journalisten.

    Nach Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums werden der Tod zweier Säuglinge und die Erkrankung von mindestens 7 weiteren Babys mit der sojahaltigen Säuglingsnahrung aus Deutschland in Verbindung gebracht. Große Frie sagte zuvor, das Unternehmen habe Kenntnis über 3 gestorbene und etwa 20 erkrankte Säuglinge. Die israelische Generalstaatsanwältin Edna Arbel ordnete die Einleitung polizeilicher Ermittlungen an. Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums erklärte, die vorliegenden Untersuchungsergebnisse würden der Staatsanwaltschaft übergeben. Das Unternehmen habe seine Kooperation angekündigt.

    DEKLARATIONS- UND RICHTWERTE UNTERSCHRITTEN

    Logo der Humana GmbH Humana (NYSE: HUM - Nachrichten) teilte mit, das inzwischen vom Markt genommene Produkt habe zwischen 29 und 37 Mikrogramm B1 je 100 Gramm Fertignahrung enthalten. Deklariert gewesen seien dagegen 385 Mikrogramm B1 je 100 Gramm Nahrung. Darüber hinaus sei der EU-Richtwert von 120 Mikrogramm B1 je 100 Gramm unterschritten worden. Das Produkt sei im Frühjahr 2003 zusammen mit der israelischen Firma Remedia entwickelt worden. Grundlage seien die Rezepturen der beiden Vorgängerprodukte gewesen. "Dabei sind die Analysedaten der vorhergehenden Rezepturen falsch interpretiert worden", erklärte Humana. Der Fehler habe zu der Auffassung geführt, dass der natürliche B1-Gehalt den gewünschten Wert erreiche und eine zusätzliche B1-Beigabe nicht notwendig sei, da es sonst zu einer Überdosierung kommen würde. "Mit einer richtigen Berechnungsformel wären Vitamin B1-Wert in Höhe des Deklarationswertes zu erwarten gewesen", erklärte das Unternehmen.

    Von der ersten Produktionscharge der milchfreien Nahrung sei am 21. März unverzüglich eine Probe für Untersuchungen entnommen worden. "Die Untersuchung des Gehalts an Vitamin B1 hätte den vorhergehenden Berechnungsfehler aufzeigen können." Wegen eines Versäumnisses in der Kontrolle sei das Produkt nicht vollständig untersucht worden. "Es ist unterblieben, die Vitamin- Analyse erneut anzufordern", erklärte Humana.

    ZWEI ISRAELISCHE FAMILIEN HABEN BISLANG KLAGE ERHOBEN

    Der Anwalt einer klagenden Familie sagte, ihre Klage richte sich gegen Humana, den israelischen Händler Remedia und das israelische Gesundheitsministerium. Einem Zeitungsbericht zufolge ist die Tochter dieser Familie erkrankt. Sie sei 6 Monate lang mit dem Humana-Produkt ernährt worden. Der Anwalt der anderen Familie sagte, seine Mandanten hätten ihre 2 Kinder mit dem Humana- Produkt ernährt. Keines von ihnen sei erkrankt. Die Familie klage aber gegen die deutsche und die israelische Firma wegen Täuschung der Verbraucher, weil nicht ausreichend Vitamin B1 in der Nahrung gewesen sei.

    Humana-Chef Große Frie sagte vor Journalisten, die Firma sei insofern verantwortlich, weil sie das, was sie deklariert habe, nicht ausgeliefert habe. Eine andere Frage sei dagegen, warum die israelischen Kinder erkrankt seien. "Da gibt es durchaus noch einen wissenschaftlichen Streit, ob Alleinverursacher ein mangelnder Vitamin B1-Gehalt die Ursache sein kann", sagte er. Diesem Streit könne man sich zurzeit allerdings nicht widmen.

    Das Unternehmen hatte gestern mitgeteilt, die für den israelischen Markt hergestellten Produkte würden von Rabbinern in jeder Produktionsphase überwacht, ob sie den religiösen Speisevorschriften eines koscheren Essens entsprechen. Die Humana Milchunion ist nach eigenen Angaben der zweitgrößte Milchprodukte- Hersteller Deutschlands und exportiert in mehr als 30 Länder. Mit 3050 Mitarbeitern an 17 Standorten setzte die Gruppe im vergangenen Jahr unter anderem mit den Marken Humana, Ravensberger (Xetra: 700500.DE - Nachrichten), Osterland und Sanobub 2,53 Milliarden Euro um. Rund 8200 Milchlieferanten gehören zu der Gruppe. [Kommentar] [mehr]

    [SPIEGEL-Online am 10.11.2003: Mysteriöse Todesfälle in Israel]
    [Humana Pressemitteilung vom 10.11.2003]   [Humana Pressemitteilung vom 11.11.2003]



    Babymilch: Wer ist schuld?

    Humana-Produktentwicklung machte entscheidenden Fehler

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 14. November 2003, Seite 40 (Weltspiegel). [Original]

    Mindestens 4 schwere Fehler sind für den Tod der beiden Säuglinge in Israel durch mangelhafte Babymilch verantwortlich. Die koschere Soja-Babymilch wurde von der deutschen Firma Humana auf Anforderung des israelischen Vertriebspartners Remedia entwickelt. Sie enthielt zu wenig Vitamin B1, das für die Entwicklung von Säuglingen von entscheidender Bedeutung ist. An den Folgen starben bereits zwei Kinder, mindestens 15 sind schwer erkrankt. In Russland stoppten die Behörden gestern den Verkauf aller Humana-Produkte.

    Humana-Sprecher Rupert Ahrens räumte ein, dass die entscheidenden Fehler in der Abteilung Produktentwicklung passierten. Bereits bei der Berechnung der Rezeptur war fälschlicherweise von einer vermeintlichen Überdosierung an Vitamin B1 ausgegangen worden – deshalb hatte man auf eine weitere Anreicherung verzichtet. Die Folge: Das Produkt hatte zu wenig von dem Vitamin.

    „Das kann passieren, dafür gibt es ja die Qualitätssicherung“, sagte Ahrens. Doch auch diese Kontrollinstanz konnte den Mangel nicht aufdecken. Mit der Untersuchung des ersten Produktionsausstoßes wurde die Landesuntersuchungsanstalt für Agrarprodukte (Lufa) in Kiel im März beauftragt. Dort vergaß man schlichtweg, einen Wert zu beleuchten – ausgerechnet den Vitamin-B1-Gehalt. Das fiel irgendwann auch einer Humana-Mitarbeiterin auf. In einem Telefongespräch bot die Lufa an, diesen Test noch nachträglich durchzuführen. Und dann folgte, was Ahrens rückblickend den „schlimmsten Fehler“ nennt: Der Humana-Produktentwickler (oder die -entwicklerin, das ist noch immer nicht klar) am anderen Ende der Leitung lehnte das Angebot ab. Man würde diesen Test bei Ausstoß der zweiten Produktionscharge durchführen, da ansonsten zu viel Zeit verloren gehen würde. „Das ist eine absolut menschliche Verfehlung“, sagte Ahrens. „Die Qualitätskontrolle hat versagt.“ So gelangten insgesamt 10 Tonnen Vitamin-B1-arme Milch nach Israel.

    Wer genau dafür verantwortlich ist, wollte Ahrens nicht sagen, obwohl Humana bereits „inhaltliche und personelle Konsequenzen“ angekündigt hatte: „Wir legen das im Detail noch fest und wollen erst mit dem zuständigen Mitarbeiter reden. Bis zum Wochenende wird Klarheit herrschen.“ Vieles spricht dafür, dass die Leiterin der Produktentwicklung gehen muss, gegen die bereits die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und eines Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz ermittelt. Außerdem wird gegen die Leitung des Qualitätsmanagements und gegen einen Chemiker ermittelt.

    Das Verbraucherschutzministerium fordert aber tiefer greifende Konsequenzen. „Es muss sichergestellt werden, dass nicht auch bei anderen Produkten und Rezepturen Fehler aufgetreten sind“, sagte eine Sprecherin von Ministerin Renate Künast am Mittwoch [12.11.2003]. In einem Brief an die zuständigen Länderbehörden bat Künast darum, die Lebensmittel- Überwachung zu intensivieren. Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn (Grüne) will nach einer Schwachstellenanalyse bei der Firma entscheiden, ob eine Änderung des gesamten Überwachungssystems nötig sei.

    Zudem wurden auch für den deutschen Markt bestimmte Soja-Produkte von Humana überprüft. „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass diese nicht in Ordnung sind“, sagte jedoch die Herforder Landrätin Lieselore Curländer. Ahrens kündigt dennoch an, „weitere Sicherungen“ einzubauen – wenngleich er der Meinung ist, dass sich ein solcher Fall in Deutschland ohnehin nicht hätte ereignen können. „Jede Rezepturänderung wird muss gemeldet werden und wird geprüft.“ In Israel würden andere Bestimmungen gelten.

    Tatsächlich oblag es dem Vertriebspartner Remedia, sich vor der Produkteinführung in Israel zu vergewissern, dass die Babymilch in Ordnung ist. Das geschah nicht: der dritte Fehler. Gegen das Management der Firma ermittelt inzwischen die israelische Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. Schließlich Fehler Nummer vier: Auch die israelische Gesundheitsbehörde interessierte sich zunächst offensichtlich nicht weiter für die Rezeptur. [mehr]



    Kinderärzte fordern strengere Prüfung von Säuglingsnahrung

    Aus:
    Yahoo-News, 16. November 2003, 14.11 Uhr (Wissenschaft). [Original]

    FRANKFURT/MAIN. Als Konsequenz aus dem Skandal um den Tod zweier israelischer Säuglinge haben deutsche Kinderärzte eine strengere Überprüfung der Hersteller von Säuglingsnahrung gefordert. Anfang Juli hatte sich die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin beim Landesuntersuchungsamt Münster über die Herforder Firma Humana beschwert, deren Milchersatzprodukt auf Sojabasis vermutlich für die Todesfälle verantwortlich war. Die Mediziner monierten damals „völlig irreführende Werbung“ von Humana- Produkten, wie der Kinderarzt Berthold Koletzko dem Magazin «Focus» berichtete.

    „Das Amt antwortete, es könne seiner Prüfpflicht nicht nachkommen“, sagte Koletzko. Er wies darauf hin, dass der Lebensmittelausschuss der EU bereits im April gefordert habe, neu zusammengesetzte Säuglingsnahrung vor der Markteinführung von einem unabhängigen Gremium prüfen zu lassen. „Wäre das hier erfolgt, hätte die Katastrophe vermieden werden können“, sagte der Experte. Solche Fehler wie bei Humana dürften einfach nicht auftreten.

    Das Unternehmen hatte vor einigen Tagen eingestanden, dass durch Pannen in der Entwicklung und bei der Qualitätssicherung unbemerkt blieb, dass in einer neuen Rezeptur der Säuglingsmilch zu wenig Vitamin B1 enthalten war. B1 ist für eine gesunde Entwicklung von Säuglingen überaus wichtig. Ein Mangel dieses Vitamins kann sich schon nach wenigen Wochen in Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen, einer Hirnschädigung und Herzmuskelschwäche äußern.

    Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die verantwortliche Leiterin der Produktentwicklung wegen Körperverletzung und fahrlässiger Tötung. „Sie ist für die falschen Berechnungen verantwortlich“, sagte Oberstaatsanwalt Harald Krahmüller dem Nachrichtenmagazin. Es sei aber nahe liegend, dass es weitere Beschuldigte geben werde. Humana selbst will am Montag [17.11.2003] die Öffentlichkeit über Konsequenzen unterrichten.

    Koletzko kritisierte, dass auch in Deutschland zu häufig Babys mit Soja gefüttert werden: „Nicht gestillte Säuglinge mit Kuhmilchallergie sollten nicht Soja, sondern so genannte Hydrolysat- oder Aminosäureprodukte erhalten.“ Diese seien allerdings teurer. Als unverantwortlich bezeichnete es der Arzt, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zwar im vergangenen Jahr beschlossen habe, diese Ersatzprodukte erstattungsfähig zu machen, bis heute dies aber nicht in die Praxis umgesetzt habe.

    Die nordrhein-westfälische Landesregierung will die Lebensmittelüberwachung nun zumindest neu organisieren. Zurzeit sind für die Überwachung in dem bevölkerungsreichsten Bundesland 18 kommunale Ämter zuständig. „Das ist zu zersplittert“, sagte Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn dem «Focus». Besser sei es, die Kontrollen mit einer konzentrierten Struktur von 3 bis 5 Ämtern auszuüben. [mehr]



    Humana zieht Konsequenzen aus Fehlern bei der Produktion von Säuglingsnahrung für Israel

    Personelle und Organisatorische Konsequenzen / Ergebnisse der betriebsinternen Untersuchungen

    Von:
    Humana, Herford, 17. November 2003, ??.?? Uhr (Presse-Mitteilung). Pressekontakt: Dieter Jacobi (Telefon: 05221 – 181-279). [Original]

    Menschliches Versagen ist die Ursache für die fehlerhafte Deklaration der für den israelischen Markt bestimmten, neu entwickelten Sojanahrung Remedia Super Soya (Remedia Super Soya 1 und Super Soya Junior). Das haben betriebsinterne Untersuchungen der Humana GmbH ergeben. "Wir haben daraus Konsequenzen gezogen, damit selbst bei einer derartigen Verkettung von Fehlern und persönlichem Fehlverhalten die Auslieferung eines fehlerhaften Produktes in Zukunft unmöglich wird", erklärte der Geschäftsführer der Humana GmbH, Albert Große Frie.

    1. Personelle Konsequenzen
    Vier verantwortliche Mitarbeiter wurden heute entlassen und mit sofortiger Wirkung freigestellt. Es handelt sich hierbei um die leitenden Mitarbeiter aus der Produktentwicklung, dem chemischen Zentrallabor und dem Qualitätsmanagement. Die Positionen sind zunächst kommissarisch besetzt worden.

    2. Organisatorische Konsequenzen
    Humana hat zusätzliche Sicherungen in das eigene, ohnehin engmaschige Qualitätsmanagementsystem eingebaut. Diese reichen über die üblichen Kontrollstandards bei der Herstellung von Babynahrung hinaus.

    Ab sofort wird bei sämtlichen Neurezepturen und Rezeptänderungen von Humana-Produkten vor der Freigabe zur Erstproduktion eine labortechnische Vollanalyse der Inhaltsstoffe zwingend vorgeschrieben. Erst wenn das externe Labor bestätigt, dass die Angaben zu den Inhaltsstoffen korrekt sind, darf das Produktionsverfahren freigegeben werden.

    Zusätzlich müssen bei jeder Neurezeptur und Rezeptänderung in Zukunft die verantwortlichen Geschäftsführer sowohl der Produktentwicklung als auch der Qualitätssicherung die Einhaltung des Qualitätskontrollverfahrens schriftlich bestätigen. Vorher erfolgt keine Freigabe der Produkte zur Auslieferung.

    Enge Zusammenarbeit mit den Behörden
    Sollten es die zuständigen Behörden ihrerseits für erforderlich halten, bei Neurezepturen und Rezeptänderungen entsprechende Untersuchungen und Registrierungen obligatorisch einzuführen, würde das von Humana ausdrücklich unterstützt werden. Bis dahin greift unsere Selbstverpflichtung.

    Die Verantwortlichen von Humana werden heute bei einem Gespräch mit der Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn, dieses Thema erörtern. Humana arbeitet bei den derzeit laufenden Ermittlungen eng mit Staatsanwaltschaft, Landes- und Bundesbehörden zusammen.

    Aktuelle Untersuchungsergebnisse – keine Gefährdung durch andere Humana-Produkte
    "Wir können definitiv garantieren, dass in allen anderen vergleichbaren Humana-Produkten Vitamin B1 in der deklarierten Menge vorhanden ist", betont Albert Große Frie. Aufgrund von Nachfragen besorgter Verbraucher und um jeden Zweifel in der Öffentlichkeit auszuräumen hat Humana insgesamt 53 Babynahrungsprodukte auf den Vitamin B1-Gehalt durch zwei akkreditierte Untersuchungsinstitute untersuchen lassen.

    Ein Teil der Ergebnisse liegt bereits vor und bestätigt die absolute Unbedenklichkeit der Säuglingsnahrung in Bezug auf Vitamin B1. Die restlichen Ergebnisse werden in den nächsten Tagen erwartet.

    Verantwortung und Mitgefühl
    Wir bekennen uns zu den Fehlern, die in unserem Hause gemacht wurden.

    "Wir können zur Zeit ist nicht ausschließen, dass die von uns produzierte Sojanahrung möglicherweise zum Tod und zur Erkrankung der Säuglinge in Israel geführt hat. Das macht uns alle sehr betroffen. Wir empfinden tiefes und ehrliches Mitgefühl mit den betroffenen Familien", sagt Albert Große Frie im Namen aller Humana-Mitarbeiter. Humana werde von sich aus Verbindung zu den israelischen Behörden aufnehmen, um geeignete Möglichkeiten der Unterstützung für die betroffenen Familien zu sondieren.

    Die Ergebnisse der betriebsinternen Untersuchungen im Detail:
    Der erste Fehler wurde in der Produktentwicklung der neuen Sojanahrung gemacht. Wie bereits bekannt gegeben, sind bei der Entwicklung der neuen Sojanahrung Analysedaten falsch interpretiert worden. Dies hatte zur Folge, dass fälschlicherweise auf die übliche Vitamin B1-Supplementierung verzichtet wurde. Diese Entscheidung wurde von den Verantwortlichen einsam und ohne Information der Unternehmensleitung gefällt. Allein der Umstand an sich hätte zu einer nochmaligen Überprüfung der Vitaminberechnungen führen müssen.

    Der zweite Fehler geschah im Bereich der Qualitätskontrolle. Obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben, sah das Humana-Qualitätsmanagement eine labortechnische Untersuchung der Inhaltsstoffe als Kann-Bestimmung vor. Dies wurde üblicherweise bei Rezeptänderungen auch so gehandhabt und ist auch im Falle der für Israel bestimmten Sojanahrung geschehen.

    Bei den Labordaten, die von der LUFA-ITL GmbH in Kiel Mitte Mai zurückgeschickt wurden, fehlten sämtliche Vitaminanalysen. Dennoch wurde das Untersuchungsergebnis von den wissenschaftlichen Mitarbeitern von Humana als vollständig akzeptiert.

    Der Vorgang ist um so unverständlicher, da angesichts der in diesem Fall offenkundigen Abweichung von der erforderlichen Praxis, in Bezug auf die Beimischung von Vitamin B1, die fehlenden Vitaminanalysen nicht erneut angefordert wurden.

    Der dritte Fehler geschah, als das Fehlen der Vitamindaten im September zufällig auffiel. Eine entsprechende Nachfrage bei der LUFA erfolgte am 22.09.03. Dort wurde bestätigt, dass die Vitamine insgesamt nicht untersucht wurden. Eine notwendige Intervention unterblieb.



    Krankmachend nur im Doppelpack

    Ohne „gesundes“ Prion kein BSE

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 18. November 2003, Seite 25 (Forschen). [Original]

    LONDON (Tsp). Um BSE, den Rinderwahnsinn, und die neue Variante der Creutzfeld- Jakob- Krankheit ist es scheinbar ruhig geworden in den vergangenen zwei Jahren. Allerdings nicht wirklich: Wissenschaftler in aller Welt sind nach wie vor dem geheimnisvollen Erreger, dem Prion, auf der Spur.

    Ein Team aus London hat jetzt offenbar einen Durchbruch erzielt. Im Fachmagazin Science präsentierten Giovanna Mallucci und John Collinge kürzlich ein erstaunliches Ergebnis. Im Maus- Experiment ist es ihnen gelungen, mit Scrapie (vergleichbar BSE) infizierte Tiere von den Krankheitssymptomen zu heilen.

    Dazu haben die Forscher vom Londoner Institut für Neurobiologie die knock- out-Technik verwendet. Dabei werden Gene an- und abgeschaltet. Mallucci und Collinge nahmen Mäuse, die über das natürlich vorkommende Prion-Gen verfügen. Das heißt, das Prion- Protein „PrP“ wird sowohl im Gehirn als auch in anderen Organen gebildet (exprimiert).

    Gen ausgeschaltet

    Die Forscher haben diese Mäuse mit dem krankmachenden (pathologischen) Scrapie-Prion- Protein infiziert. Die Nagetiere wurden erwartungsgemäß krank. Nachdem sich die Scrapie-Symptome deutlich ausgebildet hatten, schalteten die Forscher das normale Prion-Gen ab ­ und die Krankheit bildete sich zurück.

    Als „genial“ bezeichnet Adriano Aguzzi, Prionenforscher an der ETH Zürich und diesjähriger Robert-Koch- Preisträger, dieses Experiment und das Ergebnis als „Meilenstein“. Dass sich neurodegenerative Symptome zurückbilden, sei überraschend. Und ebenso bemerkenswert sei es, dass pathologische Prion- Proteine nichts mehr ausrichten können, wenn die normale Prionenform entfernt wurde. Dies deutet darauf hin, dass das normale Prion-Protein beim Ausbruch der Krankheit eine andere Rolle spielt, als man bisher dachte, sagt Aguzzi.

    „Unsere Ergebnisse sprechen dagegen, dass das pathologische Prion-Protein direkt neurotoxisch ist“, schreiben Mallucci und Collinge. Es scheint, dass Scrapie (oder BSE) nur ausbricht, wenn das normale Prion-Protein innerhalb der Neuronen in die pathologische Form umgewandelt wird. Findet die Umwandlung außerhalb des Gehirns statt, bilden sich keine Krankheitssymptome, auch wenn das pathologische Prion-Protein weiter angereichert wird.

    Aguzzi vermutet, dass das normale Prion-Protein möglicherweise bei der Signalübertragung beteiligt ist. Das pathologische Prion-Protein wäre dann im Laufe der Krankheitsentstehung womöglich eher ein Katalysator oder ein Endprodukt der Signalübertragung als – wie bisher vermutet – der eigentliche Erreger. Mit der Londoner Arbeit sieht sich der Züricher Forscher darin bestätigt, dass nicht nur der Weg des pathologischen Prion-Proteins vom Darm ins Gehirn ein wichtiges Forschungsthema sei. „Wir können BSE nicht verstehen, wenn wir nicht wissen, wozu das normale Prion-Protein überhaupt da ist“, sagt Aguzzi.



    V E R B R A U C H E R - P I S A

    Konsumentenschutz in Deutschland nur Mittelmaß

    Vergleich in 10 OECD-Staaten zeigt Schwächen vor allem in der Gesetzgebung

    Aus:
    Yahoo-News, 2. Dezember 2003, 12.44 Uhr (Pressemitteilung des VZBV). [Original]

    BERLIN (ots). Deutschland ist im internationalen Vergleich im Verbraucherschutz nur Mittelmaß. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer jetzt veröffentlichten Studie über den Stand des Verbraucherschutzes in 10 OECD- Staaten. Die Untersuchung war vom britischen Ministerium für Handel und Industrie erstellt worden. Sie untersucht die Standards beim Verbraucherschutz in den Punkten Gesetzgebung und Rechtsdurchsetzung in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Niederlande, Dänemark, USA, Kanada und Australien. Auch dem britischen Verbraucherschutzsystem attestiert der Bericht gravierende Schwächen.

    Der Bericht stellt fest, dass trotz der Neugründung des Bundesverbraucherministerium der wirtschaftliche Verbraucherschutz für die Bundesregierung nur eine geringe Priorität habe. "Die Verbraucherschutzgesetze und das Verhalten der Behörden tragen wenig dazu bei, das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Verbrauchern und Unternehmen auszugleichen", so die Autoren.

    Der Bericht hebt hervor, dass es für deutsche Verbraucher im internationalen Vergleich besonders teuer und aufwendig sei, ihre Ansprüche gegenüber Firmen vor Gericht durchzusetzen. So seien die Möglichkeiten für außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren in Deutschland unterentwickelt, die Verfahrenskosten vor Gericht dagegen relativ hoch. Anders als in den USA, Großbritannien oder Australien müssten Unternehmen in Deutschland oder Japan kaum befürchten, von Konsumenten wegen des Verstoßes gegen Verbraucherschutzgesetzen gerichtlich belangt zu werden. Zwar hätten die Verbraucherzentralen und der VZBV wirksame Instrumente zur Durchsetzung der Verbraucherrechte. Wegen des geringen Budgets der Verbraucherorganisationen könnten diese Instrumente jedoch nicht ausreichend genutzt werden.

    Der VZBV forderte, die Defizite bei den Verbraucherrechten in Deutschland abzubauen. Dazu sind die folgenden Schritte notwendig:

    Kritisiert wird auch die Verbraucherpolitik der Europäischen Union. "Trotz der Einführung eines rechtlichen Kapitels für Verbraucherschutz in den Vertrag von Maastricht, gibt es bis heute wenig Hinweise, dass Verbraucherinteressen tatsächlich in anderen Politikfeldern berücksichtigt werden", so die Studie. Die Behörden sind in Sachen Verbraucherschutz vor allem in den USA und in Australien besonders aktiv.

    Ausführlich befasst sich die Studie mit den Erfahrungen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft im Verbraucherschutz. In allen untersuchten Ländern habe sich der Selbstregulierungsansatz immer wieder als "drittbeste Lösung" erwiesen – wesentlich wirksamer seien allgemeine gesetzlichen Regelungen (wie zum Vertrags- oder Haftungsrecht) oder sektorspezifische Gesetzen (wie zum Anlegerschutz oder für Lebensmittelsicherheit). Verhaltenskodices und Selbstverpflichtungen seien nur dann sinnvoll, wenn bei einem Verstoß spürbare Sanktionen griffen.

    [Original der britischen Studie]



    Deutsche Forscher entwickeln neuen BSE-Test

    Aus:
    Yahoo-News, 3. Dezember 2003, 21.29 Uhr (Wissenschaft). [Original]

    LONDON. Forscher des Robert Koch-Instituts in Berlin haben einen neuen BSE-Test für lebende Tiere entwickelt. In einer Feldstudie konnten mehr als 500 Blutproben infizierter und gesunder Rinder zu 95 % korrekt bestimmt werden, berichtete RKI- Projektleiter Prof. Dieter Naumann.

    Die Forscher bedienen sich eines analytischen Standardverfahrens, der so genannten Fourier-Transform Infrarot Spektroskopie. Ein Computerprogramm erkennt anschließend die speziellen Spektren des Blutes infizierter und gesunder Tiere, schreibt das britische Fachmagazin New Scientist (Nr. 2424, Seite 20).

    Bislang kann der Rinderwahnsinn BSE nur nach dem Tod der Tiere eindeutig festgestellt werden. Das neue Verfahren könnte eine unnötige Schlachtung verhindern und möglicherweise auch bei vorsorglichen Reihenuntersuchungen ganzer Herden helfen. Dafür muss die Empfindlichkeit des Tests jedoch noch verbessert werden, sagte Naumann. Denn die bisher untersuchten BSE-Blutproben stammten fast ausschließlich aus dem Endstadium der Krankheit. In Verdachtsfällen könne der Test jedoch bereits jetzt helfen.

    Je mehr Proben ausgewertet würden, umso aussagekräftiger werde zudem der Datenpool, sagt Naumann. Die Verfeinerung des Erkennungsprogramms sei nun eine Aufgabe für ein Spezialunternehmen.

    Göttinger Forscher um Prof. Bertram Brenig hatten gemeinsam mit US-Kollegen bereits im Mai einen anderen BSE-Bluttest für lebende Tiere vorgestellt. Brenig plädierte kürzlich angesichts von BSE- Fällen bei vergleichsweise jungen Rindern in Frankreich und Japan für solche Lebendtests, da diese untypischen Fälle nicht von den herkömmlichen Verfahren erfasst würden. Der Münchner BSE-Experte Prof. Hans Kretzschmar hatte betont, der wichtigste Schutz sei und bleibe die Entfernung von BSE-Risikomaterial wie Nervengewebe, Milz und Darm bei Schlachtrindern.



    Erster BSE-Verdachtsfall in den USA

    Aus:
    Yahoo-News, 24. Dezember 2003, 18.21 Uhr (Kurzberichte). [Original]

    WASHINGTON. Rund 17 Jahre nach dem Auftauchen von BSE in Europa haben nun auch die USA ihren ersten Verdachtsfall. Die zuständigen Behörden schließen weitere Fälle des so genannten Rinderwahnsinns nicht aus. Wie US-Landwirtschaftsministerin Ann Veneman mitteilte, wurde eine mutmaßlich an BSE erkrankte Holsteiner Kuh am 9. Dezember auf einem Bauernhof in Mapleton im Bundesstaat Washington entdeckt. Nach etlichen asiatischen Ländern wie Japan, Taiwan und Südkorea verhängten auch Russland, Mexiko, Brasilien und Chile ein vorläufiges Einfuhrverbot für amerikanisches Rindfleisch.

    Es sei „möglich“, dass es weitere Erkrankungen geben werde, sagte Veneman dem Fernsehsender ABC. Vermutlich handle es sich unter den Millionen Rindern in den USA aber um einen „isolierten Fall“ oder zumindest nur um wenige kranke Tiere. Die Behörden versuchten, „so schnell wie möglich“ herauszufinden, wo das verdächtige Tier sich angesteckt habe könnte. Das Rind sei geschlachtet und der betroffene Hof unter Quarantäne gestellt worden. Die Behörden hätten vorsichtshalber etwa 5 Tonnen Fleisch vom Markt genommen.

    Unterdessen versuchten Ermittler herauszufinden, ob Teile der erkrankten Kuh bereits weiterverarbeitet wurden. Vertreter des Landwirtschaftsministeriums gehen davon aus, dass das Fleisch vom Schlachthaus zu mindestens 2 weiteren verarbeitenden Betrieben geliefert wurde. Doch habe es sich dabei nicht um potenziell gefährliche Teile – wie etwa Hirn oder Rückenmark – gehandelt.

    Veneman betonte, sie sehe derzeit keinen Anlass für die Verbraucher, ihre Essgewohnheiten zu ändern: „Für das Weihnachtsmenü habe ich selbst Rindfleisch eingeplant“. Das Risiko einer Ansteckung sei minimal.

    Im vergangenen Mai war in der westkanadischen Provinz Alberta der erste Fall von Rinderwahnsinn in Nordamerika aufgetreten. Daraufhin war der Aktienkurs der Fast-Food-Kette McDonald's an der Wall Street stark gefallen.

    Der erste BSE-Fall wurde 1986 in Großbritannien bekannt. Doch erst 10 Jahre später räumte die britische Regierung ein, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen BSE und einer Variante der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit [nvCJD] beim Menschen. Seitdem sind weltweit mehr als 130 Menschen an der [Ed: absolut tödlichen] Krankheit gestorben. Die Krankheitserreger zerfressen das Gehirn, so dass es am Ende wie ein Schwamm aussieht. Die Rinderseuche BSE hat ähnliche Symptome. [mehr]



    Rein zufällig Rinderwahn

    Die USA haben ihren ersten BSE-Fall. Die kranke Kuh sah völlig gesund aus. Nur 0,01 % der Tiere werden in Amerika getestet.

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 27. Dezember 2003, Seite 5 (Politik). [Original]

    WASHINGTON (Tsp). Eine Kuh ist trächtig. Sie ist 4 Jahre alt, sieht gesund aus. Bei der Geburt kommt es zu Komplikationen. Das Kalb ist sehr groß. Die Kuh verletzt sich. Daraufhin wird sie untersucht. Ohne das Resultat abzuwarten, wird die Kuh am 9. Dezember von der Bundesaufsichtsbehörde zum Schlachten freigegeben. Routinemäßig schickt der Arzt eine Probe ihres Gehirns zur Analyse ein. Dreizehn Tage später trifft das Laborergebnis ein. Die Kuh war an der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) erkrankt, dem Rinderwahnsinn. Britische Pathlogen haben dies inzwischen bestätigt. Amerika hat seinen ersten BSE-Fall.

    Tiermehl im Futtertrog
    Aus: Tagesspiegel, 27.12.2003, Seite 5.
    USA (deh). Die USA haben in den 90er Jahren ihre Grenzen für europäisches Rindfleisch geschlossen. Damit reagierten sie auf den Ausbruch der Rinderkrankheit BSE in Großbritannien. Über ein Verbot von Tiermehl, das in Europa als vermutliche Ursache für die Krankheit erkannt worden ist, ist in den USA allerdings kaum diskutiert worden. Lediglich die hochinfektösen Teile von Rindern – Gehirn und Rückenmark – dürfen nicht mehr zu Tiermehl verarbeitet werden.

    Und an sich dürfen Kühe auch nicht an Kühe verfüttert werden. Doch Linda Detwiler, die bis 2003 im Agrarministerium die Arbeitsgruppe BSE geleitet hat, weist auf Schlupflöcher hin. Der "New York Times" sagte sie, dass beispielsweise Rinderbestandteile, die zu Schweine- oder Geflügelfutter verarbeitet werden, über einen Umweg wieder im Futtertrog für Kühe landen können. Dann nämlich, wenn Abfall von Geflügelfarmen, oft nicht verbrauchtes Futter, als Kraftfutter an Milchbauern verkauft wird.

    Außerdem fehlt in den USA bisher noch ein System, um die Tiere bis zu ihrem Geburtsort zurückverfolgen zu können. Eine weitere Risikoquelle ist das in Deutschland inzwischen verbotene so genannte Separatorenfleisch. Dabei werden maschinell die letzten Fleischfetzen vom Rückgrat der Kühe abgekratzt. Dabei kann Rückenmark in dieses billige Fleisch geraten, das dann zu Hot Dogs verarbeitet wird.

    Und seinen ersten Skandal. Nur durch einen Zufall war die Krankheit entdeckt worden. Jetzt bricht jäh der Mythos zusammen, die Herden des Landes seien auf wundersame Weise verschont geblieben von der Krankheit, und besorgt stellen die Verbraucher fest, wie lax die Überprüfungs- Gesetze sind. Es sind Strichproben, mehr nicht. Weniger als 30.000 der etwa 300 Millionen Kühe, die in den vergangenen neun Jahren geschlachtet worden waren, wurden getestet. Das sind 0,01 %. Ein Zentralregister für die Herkunft von Rindern fehlt in den USA. Der Chefveterinär des US-Landwirtschaftsministeriums, Ron DeHaven, kündigte nun an, den mehr als 96 Millionen Rindern im Land sollten Mikrochips zur Überwachung ihres Werdegangs eingepflanzt werden.

    Fieberhaft versucht die Agrarbehörde, die Herkunft des betroffenen Tieres zu ermitteln. Wie und wo hat es sich infiziert? Die vergangenen zwei Jahre hat die Kuh, eine Holstein, als eine von 4000 Milchkühen auf der „Sunny Dene Ranch“ in Mabton im Staat Washington an der Pazifikküste gelebt. Doch aus Washington stammt sie nicht. Womöglich wurde sie importiert. Wahrscheinlich wurde sie bereits in der Geburtsherde mit infiziertem tierischem Abfall gefüttert. Die Experten gehen ohnehin davon aus, dass es nicht der einzige BSE-Fall in den USA bleiben wird. „Wir wissen nur nicht“, sagt William Hueston von der University of Minnesota, „ob es ein Dutzend oder zwei Dutzend sind“.

    Die ökonomischen Folgen des ersten BSE- Falls sind bereits gravierend. Amerikanisches Rindfleisch galt lange als Symbol einer vitalen amerikanischen Wirtschaft. Amerika ist der weltgrößte Beef- Produzent. Jährlich setzen die Unternehmen 50 Milliarden Dollar um. Der Konkurrenzkampf ist groß, die Gewinnspanne klein. 10 % des Rindfleischs werden exportiert, in erster Linie nach Japan, Mexiko und Südkorea. Diese drei Länder, und zwanzig weitere, reagierten umgehend. Sie alle haben unbefristete Importstopps verhängt. Innerhalb von zwei Tagen brach der Auslandsmarkt für US-Rindfleisch um zwei Drittel ein. In Europa gilt, wegen der Behandlung von US-Rindern mit Wachstumshormonen, ohnehin ein Importverbot.

    Um die Kunden des heimischen Marktes zu beruhigen – jeder Amerikaner isst rund 30 Kilogramm Rindfleisch pro Jahr –, wiegelte US-Agrarministerin Ann Veneman zunächst ab. Die Sicherheit der Verbraucher sei nicht gefährdet. Möglicherweise befallene Organe wie Gehirn, Rückenmark und Teile des Dünndarms seien entfernt worden, bevor sie in die Nahrungskette hätten gelangen können. Das Gesundheitsrisiko für Menschen, durch den Verzehr von BSE- verseuchtem Rindfleisch an der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit (CJD) zu erkranken, sei „extrem niedrig“. Sie selbst wolle ihrer Familie zu Weihnachten Rindfleisch servieren.

    Mit ähnlich abwiegelnden Bemerkungen begann einst der BSE- Skandal in Großbritannien. Am Ende mussten 3,7 Millionen Tiere geschlachtet werden. An der neuen Variante der CJD starben bislang 137 Briten. Es ist zu früh zu sagen, wie die Amerikaner reagieren. Über Weihnachten hatten die meisten Restaurants und Supermärkte geschlossen. Und in den Medien wird die Angst vom Terror- Thema absorbiert. Die Alarmstufe „Code Orange“ gilt mindestens bis Ende Januar. [Kommentar]   [mehr]



    Rindfleisch zu Weihnachten

    Der erste BSE-Fall in den USA

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 27. Dezember 2003, Seite 8 (Meinung) von DAGMAR DEHMER. [Original]

    Die amerikanische Agrarministerin hat bei der Bekanntgabe des ersten Falls von Rinderwahn in den USA gesagt, sie wolle ihrer Familie zu Weihnachten Rindfleisch auftischen. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen John Gummer, dem konservativen britischen Landwirtschaftsminister während der dortigen BSE-Krise, hat sie dazu nicht das Fernsehen eingeladen. Gummer hatte damals seiner widerstrebenden dreijährigen Tochter einen Burger zu essen gegeben. Auch er hatte lange versucht, BSE einfach zu leugnen.

    In den USA werden kaum Rinder getestet. Allesamt Tiere, die nicht mehr laufen können, aber dennoch zur Schlachtung freigegeben werden. Aber selbst von diesen kranken Tieren wird nur ein Bruchteil auf BSE untersucht. Kein Wunder, dass in den USA bisher keine Rinderseuche festgestellt wurde. Auch in Deutschland ist BSE erst entdeckt worden, nachdem begonnen wurde, danach zu suchen.

    Jetzt haben auch die USA ihre BSE-Krise. Wie drastisch sie ausfällt, hängt davon ab, ob die Regierung die Realität weiter verweigert. Oder ob sie beginnt, ihre Verbraucher durch mehr Tests besser zu schützen. Nach den europäischen Erfahrungen hätte sie das viel früher tun können. [mehr]

    Bush ermuntert US-Bürger zum Verzehr von Rindfleisch

    2.1.2004 (d-radio). US-Präsident George W. Bush hat die US-Bürger aufgefordert, seinem Beispiel zu folgen und auch nach Bekanntwerden des ersten BSE-Falls in den USA weiterhin Rindfleisch zu essen. Er selbst werde auch künftig Rindfleisch verzehren, sagte Bush am Donnerstag [1.1.2004] nach einer Jagdpartie auf einer Ranch im US-Bundesstaat Texas mit seinem Vater und Amtsvorgänger George Bush. Er habe Landwirtschaftsministerin Ann Veneman angewiesen, "die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Nahrungsmitteln zu gewährleisten". Die amerikanischen Verbraucher könnten "Vertrauen haben".



    US-Behörden erwägen Ausweitung der BSE-Tests

    Aus:
    Yahoo-News, 29. Dezember 2003, 22.12 Uhr (Finanzen). [Original]

    WASHINGTON. Das US-Landwirtschaftsministeriums erwägt nach dem ersten BSE-Fall in den USA die Ausweitung der Untersuchung von Rindern. Der Chef-Veterinär der Behörde, Ron De Haven, ließ allerdings heute offen, ob die Untersuchung aller Rinder auf BSE in Erwägung gezogen werde. Derzeit werden in den USA nur ältere Rinder, die Anzeichen der Krankheit zeigen, auf BSE getestet.

    Die mit BSE infizierte Milchkuh ist nach Angaben der US-Behörden bei ihrer Schlachtung 6-1/2 Jahre alt gewesen. Damit sei die Kuh vor dem Verbot von Tiermehl- Fütterung in den USA und Kanada geboren, sagte ein Sprecher der US-Gesundheitsbehörde (FDA). Die Ermittler der Behörde versuchten nun das Futter zu finden, das die vermutlich in Kanada geborene Kuh infiziert haben könnte.

    Als Reaktion auf den BSE-Fall wurde bereits Rindfleisch in 8 US-Bundesstaaten und im US-Überseegebiet Guam aus den Regalen der Geschäfte genommen. Die dortigen Geschäfte könnten Fleisch von einem der Tiere erhalten haben, die am 9. Dezember im Bundesstaat Washington geschlachtet worden waren. An diesem Tag war dort die mit BSE infizierte Milchkuh geschlachtet worden. BSE steht im Verdacht, beim Menschen eine neue Variante der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit [nvCJD] auszulösen.

    Mehr als 2 Dutzend Länder hatten vorsorgliche ihre Rindfleischimporte aus den USA gestoppt. Die US-Behörden stellten 2 Herden mit insgesamt 4.400 Tieren unter Quarantäne. Der US-Agrarwirtschaft drohen nach Einschätzung von Volkswirten Milliardenverluste. Die US-Schnellrestaurantketten McDonald's , Wendy's und Burger King sehen allerdings bisher keine Auswirkung des ersten BSE- Falls in den USA auf ihr Geschäft. [mehr]

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      Zum Teil 32

    © 2003-2005 – Universitätsrat a. D. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 26.06.2011 23.30 Uhr