BSE & Co in den Medien – Teil 30 khd
Stand:  18.1.2004   (52. Ed.)  –  File: M/edien30.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Artikel und andere Texte zur durch den Rinderwahnsinn BSE und der Anwendung der Gentechnik ausgelösten Problematik sowie zur gefährlichen H5N1-Vogelgrippe (Geflügelpest) und H1N1-Schweinegrippe gespiegelt und damit auf Dauer dokumentiert. Manches ist auch mit [Ed: ...] kommentiert. Tipp- und Übertragungsfehler gehen zu meinen Lasten.

Die anderen Vergiftungen von Nahrungsmitteln haben ab Ende 2004 eine eigene Webseiten- Serie in der Abteilung "Food" erhalten.

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  • Neuere Presseberichte  (31. Teil).
  • 16.10.2003: Verrat nach Eiweißart. (Prionen)
  • 16.10.2003: Wie viel Gen darf's sein?
  • 26.09.2003: Britische Ärzte sprechen von Erfolg bei Behandlung von nvCJD-Patient.
  • 21.05.2003: Erster BSE-Fall in Nordamerika.
  • 05.03.2003: Scrapie-Erreger nach oraler Infektion im Muskelfleisch nachgewiesen.
  • 21.02.2003: Futter für einen Skandal. (Dioxin-Skandal in Thüringen)
  • 03.02.2003: Auch Fische haben BSE.
  • 16.01.2003: Das Huhn, das Ei – und das Nitrofen. (Kommentar von THILO BODE)
  • 09.12.2002: Bundesinstitut: Auch Babynahrung kann Acrylamid enthalten.
  • 05.12.2002: Weihnachtsgebäck sehr unterschiedlich mit Acrylamid belastet.
  • 01.12.2002: BSE prions propagate as either variant CJD-like or sporadic CJD-like...
  • 22.11.2002: Künast: BSE-Krise noch nicht beendet.
  • 20.11.2002: Maßnahmen gegen CJD bei medizinischen Eingriffen verstärkt.
  • 17.10.2002: Zur BSE-Forschung auf der Ostsee-Insel Riems. (Hinweis)
  • 20.09.2002: Pariser Behörde für Ende des Rinder-Importstopps.
  • 20.09.2002: Mehr als 7.000 Briten könnten an menschlichem BSE erkranken.
  • 16.09.2002: Über die BSE-Tests bei Rindern. (Interview)
  • 14.08.2002: Philip Morris übte Druck auf Pharma-Firmen aus.
  • 12.08.2002: CWD: Hirschwahn in den USA – erste Tote.
  • Ältere Presseberichte  (29. Teil).
    Made with Mac


    S E U C H E N

    Von Nase zu Nase

    Hat der Rinderwahn die Steak-Nation erreicht? Hirsche in den USA gehen an einer BSE-artigen Hirnseuche zu Grunde. Nun gibt es Tote auch unter Jägern.

    Aus:
    Der Spiegel – 33/2002, 12. August 2002, Seite 145 (Wissenschaft) von MARCO EVERS. [Original]

    Nachts schleichen Hobbyjäger und staatlich bestellte Scharfschützen durchs Gestrüpp. Sie sollen nicht einfach töten – sie sollen ausrotten. Ihr Auftrag lautet, möglichst alle Weißwedelhirsche in einer Gegend im Süden des US-Bundesstaates Wisconsin bis Ende des Jahres zur Strecke zu bringen. Über 25.000 Tiere müssen sterben. Die Kadaver werden verbrannt.

    Solche Schlachtszenen hat es in Wisconsin seit ewigen Zeiten nicht gegeben. "Es ist wie im Krieg", sagt Anwohner Ross Reinhold. Er lebt zwar ziemlich privat auf eigenen 40.000 Quadratmeter Land; aber selbst dort fürchtet er um die Sicherheit seiner Enkel und seines Hundes. Normalerweise ist die Jagdzeit im November, wenn die Bäume kein Laub mehr tragen und die Hirsche im Schnee leicht auffallen. Jetzt aber kommen die Jäger schon im Sommer, wo sie kaum etwas sehen und nur schwer zwischen Freund und Feind unterscheiden können.

    Mit dem Hirsch-Gemetzel versuchen Veterinäre die Seuche CWD (Chronic Wasting Disease) aufzuhalten, die sich in den letzten Monaten unter Hirschen dramatisch ausgeweitet hat. Neun US-Bundesstaaten und zwei Provinzen von Kanada sind schon betroffen. Infizierte Tiere magern nach jahrelanger Inkubationszeit ab, sie werden nervös und wirr, sie torkeln, und schließlich sterben sie vollkommen ausgezehrt.

    Tierärzte, Jäger und Politiker sind alarmiert: In vielem gleicht CWD dem aus Europa bekannten Rinderwahn. Die Seuche zählt wie BSE zur Gruppe der "spongiformen Enzephalopathien", die das Gehirn ihrer Opfer schwammartig zersetzen. Auslöser von BSE wie CWD sind entartete Formen von bestimmten Eiweißen, "Prionen" genannt. Anders als BSE jedoch ist CWD offenbar hochgradig ansteckend: Womöglich hat schon Nasenkontakt durch einen Zaun bei Rothirschen ausgereicht, die Seuche von Hirsch- Farmen hinaus in die Wildnis zu tragen.

    "Wir wissen sehr, sehr wenig", sagt Stanley Prusiner, Neurologe aus San Francisco, der für seine Prionen-These 1997 den Medizin-Nobelpreis bekam. Vollkommen unklar sind selbst die wichtigsten Fragen zu CWD: Kann die Seuche wie BSE weitere Artengrenzen überwinden? Sind die bisher BSE-freien Weiderinder der Steak-Nation in Gefahr? Kann Hirschwahn auf den Menschen überspringen?

    Nachweislich kann BSE-verseuchtes Fleisch beim Menschen zu einer neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit [nvCJK bzw. nvCJD] führen. 115 Briten sind bisher daran gestorben, die meisten von ihnen waren, anders als die typischen Opfer der klassischen CJK-Variante, sehr jung.

    Auch Doug McEwen war erst 30 Jahre alt, als er 1999 an CJK starb. Er war Jäger und stammte aus Utah, dem Nachbarstaat des CWD- Epizentrums Colorado. Zwei weitere junge Leute unter 30 sind zwischen 1997 und 2000 an der höchst seltenen CJK gestorben – ein Jäger und die Tochter eines Jägers. Sie alle hatten oft Wild gegessen, wie Forscher in der Fachzeitschrift Archives of Neurology kürzlich berichteten. Trotzdem haben die Autoren der Studie, Experten der Seuchenkontrollbehörde CDC in Atlanta, lapidar befunden, dass sie nicht genügend Hinweise für eine Übertragung auf den Menschen hätten.

    Immerhin ist es jedoch Wissenschaftlern im Labor bereits gelungen, menschliche Eiweiße mit Hilfe von CWD-Prionen in die pathologische Form zu verwandeln. Das könnte durchaus bedeuten, dass die Seuche auch für Menschen ansteckend sein kann.

    Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät vorsorglich davon ab, Fleisch von CWD-kranken Tieren zu essen. US-Behörden empfehlen Jägern, sich beim Zerlegen der Körper Latex- Handschuhe überzustreifen. Köpfe samt Geweihen sind in vielen Bundesstaaten bei staatlichen Testern abzugeben – Fehlanzeige für Trophäenjäger. In weiten Teilen des Landes wird jetzt mit einer schwachen Jagdsaison gerechnet. Der Schaden an entgangenen Lizenzeinnahmen geht in die Millionen.

    Die Jagdindustrie selbst ist offenbar ein Hauptschuldiger an der Ausbreitung der Seuche. Seit 1967 ist CWD bekannt, und lange Zeit blieb die äußerst seltene Krankheit auf ein Gebiet um den Nordosten Colorados beschränkt. Erst in den letzten Jahren kam der Seuchenzug in Fahrt. Im Februar wurden in Wisconsin erstmals Gehirne dreier Weißwedelhirsche positiv getestet, 1300 Kilometer entfernt vom nächsten Seuchenherd.

    Wie also kam die Krankheit dorthin? In den vergangenen Jahren sind Hunderte Hirsch- Farmen gegründet worden. Die Betreiber verkaufen das Fleisch der Tiere und das so genannte weiche Geweih, das Jungtieren im Frühjahr abgeschnitten wird. Zu Pulver zermahlen ist es Gold wert auf dem asiatischen Markt für Aphrodisiaka. Vor allem aber leben die Hirsch- Farmer vom Jagd- Tourismus.

    In manchen Betrieben kann sich ein Jäger den Rothirsch, den er schießen will, im Katalog aussuchen. Manche bieten Jagd- Komfort wie bei Honecker: Sie treiben die Tiere den Schützen direkt vor die Büchse. In anderen Betrieben wird das Wild immerhin in große Jagdgehege entlassen. Rothirsch-Züchter handeln mit ihren Tieren ebenso wie Rinder- Züchter. Die vielen Tiertransporte zwischen Hirsch- Farmen gelten jetzt als wahrscheinlichste Ursache dafür, dass Hirschwahn in immer mehr Bundesstaaten auftaucht.

    Jäger haben der Seuche aber auch sonst Vorschub geleistet. Oft schießen sie ein Tier, fahren mit ihm stundenlang nach Hause, zerlegen es dort und entledigen sich der Überreste im nächsten Wald. Durch diese Form der Kadaver- Entsorgung erobern sich die CWD- Prionen immer neue Gegenden: Sogar der Boden selbst, darauf deuten Experimente aus Colorado hin, bleibt jahrelang infektiös.

    [12.08.2002: Hirsch-BSE in Nordamerika]
    [01.11.2000: US-Jäger fürchten BSE-ähnliche Wildkrankheit]



    Philip Morris übte Druck auf Pharma-Firmen aus

    [Ed: Tabakindustrie bedient sich erneut skandalöser Methoden]

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 14. August 2002, Seite 28 (Weltspiegel). [Original]

    WASHINGTON. US-Zigarettenhersteller haben nach einer Studie massiven Druck auf die Pharma- Industrie ausgeübt, damit diese weniger Mittel zum Nikotinentzug verkaufen. So habe Philip Morris Chemikalien bei Dow Chemical gekauft. Daraufhin schränkte Dow die Werbung für sein Entwöhnungs- Kaugummi ein. Die Studie wird heute im Journal of American Medical Association veröffentlicht.

    [2.8.2000: WHO: Skandalöse Machenschaften der Tabakindustrie]



    T I E R S E U C H E N

    „Das ist Hysterie“

    Aus:
    Der Spiegel – 38/2002, 16. September 2002, Seite 167 (Wissenschaft). Sucharit Bhakdi, Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Hygiene der Universität (Mainz), über die BSE-Tests bei Rindern. Die Grafik "nvCJD-Tote in Großbritannien" wurde hier aus dem Fundus der BSE-Page zugefügt. [Original]

    Sucharit Bhakdi, 55, Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Hygiene der Universität Mainz, über die BSE-Tests bei Rindern. [März 2002: Eine kritische Analyse des BSE-Wahnsinns]

    SPIEGEL: In deutschen Labors werden pro Tag rund 10.000 Rinderhirne auf BSE untersucht. Sie fordern den Stopp des Massentests. Warum?

    Bhakdi: Nach allen Erfahrungen, die jetzt vorliegen, dürfte das Risiko, sich beim Essen mit Prionen zu infizieren, gleich null sein. Niemand hat je nachgewiesen, dass Tiere, die positiv getestet, aber nicht krank sind, überhaupt eine Gefahr darstellen.

    SPIEGEL: In Großbritannien sind immerhin schon 115 Menschen an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit [nvCJD] verstorben.

    nvCJD-Tote im UK

    Bhakdi: Dort sind mindestens 750.000 BSE-Rinder in die Nahrungskette gelangt, 150.000 zeigten bereits Symptome wie Zittern und staksigen Gang. Weit über 1 Million Engländer haben verseuchtes Fleisch, Hirn und Innereien gegessen. Gleichwohl wird sich die Zahl der Opfer in Grenzen halten.

    SPIEGEL: In einem Szenario ist von 500.000 Toten die Rede.

    Bhakdi: Diese Abschätzung ist längst passé. Schon jetzt nimmt die Zahl der Neuerkrankungen in der Bevölkerung wieder ab. Die maßgebliche Hochrechnung von der Oyford University geht davon aus, dass sich zwischen 120 und 3000 Menschen infiziert haben und sterben werden. Diese Zahlen hat jetzt auch eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler bestätigt. (...)

    SPIEGEL: Was bedeutet das für Deutschland?

    Bhakdi: In Deutschland sind bislang weniger als 200 [Ed: um die 200] Rinder positiv getestet und ausgesondert worden. Selbst mit ausgebildeten Symptomen hätten diese Rinder höchstens 3 Menschen anstecken können, und zwar in den nächsten 30 Jahren. Das ist der Maximalwert. Die Minimalzahl liegt bei weit unter 1.

    SPIEGEL: Muss man nicht trotzdem jeden möglichen Todesfall vermeiden?

    Bhakdi: Aus meiner Sicht haben Politik, Gesellschaft und Wissenschaft kollektiv versagt. Hysterische Taten folgten, die unbedingt beendet werden müssen. Ein BSE-Test kostet rund 50 Euro. Insgesamt wurden schon über 200 Millionen Euro verschleudert [Ed: hm, die europaweiten Pflicht- Tests sollten aber – angesichts der Tiermehl- Verschiebereien aus Großbritannien – die tatsächliche BSE-Durchseuchung in den EU-Ländern abklären].

    SPIEGEL: Was schlagen Sie vor?

    Bhakdi: Am besten nichts tun. Das reicht völlig. Rinder, bei denen die Seuche ausgebrochen ist, kann der Tierarzt leicht erkennen. Aber Millionen Gehirne von gesunden Tieren zu untersuchen ist völlig sinnlos.



    Mehr als 7.000 Briten könnten an menschlichem BSE erkranken

    Aus:
    Yahoo-News, 20. September 2002, 11.56 Uhr (Politik). [Original]

    LONDON. In Großbritannien könnten nach neusten Untersuchungen mehr als 7.000 Menschen an der menschlichen Form des Rinderwahns erkranken. Das britische Wissenschaftsmagazin Medical Journal berichtete heute unter Berufung auf vorläufige Ergebnisse einer laufenden Studie, 120 pro einer Million Menschen könnten ein erhöhtes Risiko der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit (vCJD) aufweisen. Die leitenden Forscher waren sich jedoch einig, dass weitere Untersuchungen notwendig seien.

    Das Team um David Hilton vom Derriford Hospital in Plymouth untersuchte Blinddarmproben und herausgenommene Mandeln auf krank machende Eiweißstoffen, so genannten Prionen. Von 8.318 Proben wies eine eine Ansammlung von Prionen auf. Außerdem studierten die Wissenschaftler Gewebeproben, die bei Operationen und Autopsien von solchen Patienten entnommen wurde, die an vCJD litten. Dabei zeigen 19 von 20 entnommenen Proben Spuren von Prionen.

    „Die Ergebnisse zeigen, dass wir Studien von größerem Ausmaß benötigen, um verlässlichere Angaben über die Zahl der Personen gewinnen, die vCJD entwickeln könnten“, sagte Hilton. „Wir haben bestätigt, dass es Menschen gibt, die im Stillen diese Krankheit in sich tragen, aber wir wissen nicht, ob sie Symptome entwickeln werden.“ Seit Mitte der 90er Jahre sind in Europa rund 80 Menschen [Ed: über 115 Menschen sind es] an der menschlichen Variante des Rinderwahns gestorben, die meisten davon in Großbritannien. Eine Heilung für die Krankheit gibt es nicht.



    Pariser Behörde für Ende des Rinder-Importstopps

    Aus:
    Yahoo-News, 20. September 2002, 14.22 Uhr (Wirtschaft). [Original]

    PARIS. Als letztes EU-Mitglied wird Frankreich wohl in Kürze wieder britisches Rindfleisch einführen. Die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit (AFSSA) in Paris sprach sich für ein Ende des wegen der BSE-Krise verhängten Importstopps aus. Die Regierung von Premierminister Jean-Pierre Raffarin dürfte der Empfehlung in den nächsten Wochen folgen und das Embargo aufheben. Großbritannien begrüßte die Empfehlung der AFSSA, mit der ein jahrelanger Streit zwischen London und Paris zu Ende gehen würde. Die EU-Kommission forderte eine schnelle Aufhebung.

    Der Import des Fleischs von der Insel stelle keine Gefahr mehr für die Sicherheit der Verbraucher dar, heißt es in einer Untersuchung der AFSSA. Die BSE- Häufigkeit in Großbritannien sei aufgrund besserer Kontroll- Mechanismen mittlerweile nur noch 7 bis 10 Mal so hoch wie in Frankreich. Im Jahr 1999 seien jenseits des Ärmelkanals noch 300 mal mehr Tiere an Rinderwahnsinn erkrankt als in Frankreich. "Wir haben nun Anlass, das System flexibler zu gestalten, ohne die französischen Verbraucher zu gefährden", sagte AFSSA- Direktor Martin Hirsch.

    Die Ministerien für Handel, Landwirtschaft und Gesundheit hatten im Juni bei der Lebensmittel-Behörde um eine entsprechende Studie gebeten. Sie soll in den nächsten Tagen an die Regierung von Premierminister Raffarin weitergeleitet werden. Das Pariser Kabinett wird den Empfehlungen der Untersuchung aller Wahrscheinlichkeit nach folgen.

    Die Europäische Union hatte auf dem Höhepunkt der BSE-Krise im März 1996 einen Importstopp gegen britisches Rind verhängt. Seit August 1999 ist die Einfuhr britischen Rindfleischs von Tieren bis zum Schlachtalter von 30 Monaten in der gesamten EU jedoch unter Auflagen wieder erlaubt. Lediglich Frankreich sträubte sich auf Empfehlung der AFSSA weiterhin gegen den Import und wurde deshalb bereits vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verurteilt. Im Juli verlangte die EU-Kommission wegen des fortgesetzten Einfuhrverbots eine tägliche Geldbuße von 158.250 Euro von Paris. Der Streit über die Buße ist noch vor dem EuGH anhängig. Eine Sprecherin von EU-Verbraucherkommissar David Byrne bekräftigte in Brüssel, Frankreich müsse sich dem geltenden EU-Recht beugen.



    Ein Stall für den Wahnsinn

    Forscher wollen auf der Ostsee-Insel Riems Kälber gezielt mit BSE infizieren und untersuchen

    Hinweis auf:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 17. Oktober 2002, Seite 30 (Wissen & Forschen) von WALTER SCHMIDT. [Original]



    Maßnahmen gegen CJD bei medizinischen Eingriffen verstärkt

    Aus:
    Yahoo-News, 20. November 2002, 10.53 Uhr (Schweiz). [Original]

    BERN. Die präventiven Massnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung mit der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit (CJD) bei medizinischen Eingriffen werden verstärkt. Der Bundesrat hat heute in einer Verordnung die Transplantation von Hirnhaut verboten und die Sterilisationsvorschriften verschärft, wie das EDI bekannt gab.

    Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wird von so genannten Prionen verursacht. Es wird zwischen der seit langem bekannten klassischen Form und der wahrscheinlich durch BSE- Erreger verursachten varianten Form unterschieden. Letztere trat erstmals Mitte der 90-er Jahre in Grossbritannien und anschliessend auch in Frankreich, Irland und Italien auf und forderte insgesamt über 120 Todesopfer. In der Schweiz ist bisher kein Fall bekannt, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch hier auftreten wird. Von der klassischen CJD wurde in der Schweiz im vergangenen Jahr ein sprunghafter Anstieg von bisher jährlich knapp 10 auf 19 Fälle verzeichnet. Auch im laufenden Jahr wurden bereits 15 Fälle der klassischen CJD bekannt.

    Nicht der Anstieg der CJD-Fälle hat aber zu einer Verschärfung der präventiven Massnahmen im medizinischen Bereich geführt, wie Jean-Louis Zürcher, vom Mediendienst des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) sagte. Es handle sich vielmehr um eine Anpassung an die neusten wissenschaftlichen Kenntnisse. So gibt es gemäss dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) dokumentierte Fälle von einer Übertragung der Krankheit durch die Transplantation von menschlicher Hirnhaut, so genannter Dura mater. Da Alternativen vorhanden sind, wird die Transplantation menschlicher Dura mater künftig verboten.

    Als anerkannte Methode zur Risikoverminderung gilt auch die Sterilisation chirurgischer Instrumente bei 134 Grad während 18 Minuten in feuchter Hitze. Gemäss EDI haben die meisten Spitäler die dafür notwendige Anpassung der Sterilisationsgeräte bereits nach der Veröffentlichung einer entsprechenden Expertenempfehlung im Jahr 2001 vorgenommen. Ab In-Kraft-Treten der Verordnung am 1. Januar 2003 müssen nun auch die restlichen Spitäler innerhalb eines Jahres ihren Gerätepark anpassen. Die Arztpraxen, die bei chirurgischen Eingriffen mit Kontakt zu Gehirn oder Gehirnnerven ebenfalls ein erhöhtes Risiko aufweisen, müssen ihre Sterilisationsgeräte innerhalt von zwei Jahren der neuen Norm anpassen.

    Die Inkubationszeit der beiden CJD- Formen, das heisst die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit, ist unbekannt. Die Krankheit kann in einem frühen Stadium auch nicht nachgewiesen werden. Die Erreger, die Prionen, sind gegen die üblichen Inaktivierungsmethoden resistent. Es ist deshalb denkbar, dass Prionen mittels chirurgischem Besteck, das zuvor bei Eingriffen an Trägern ohne Krankheitssymptome eingesetzt wurde, auf andere Personen übertragen werden können.



    Künast: BSE-Krise noch nicht beendet

    Aus:
    Yahoo-News, 22. November 2002, 13.29 Uhr (Politik). [Original]

    BERLIN. Zwei Jahre nach dem ersten Fall von Rinderwahnsinn ist die BSE-Krise in Deutschland noch immer nicht beendet. Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) betonte heute in Berlin, „dass es keinerlei Grund gibt für eine Entwarnung“. Die Vorkehrungen zum Schutz vor BSE würden auf keinen Fall rückgängig gemacht.

    Die Zahl der amtlich bestätigten BSE-Fälle ist inzwischen auf 225 gestiegen. Mehr als zwei Millionen Mal wurden Tiere auf Rinderwahnsinn getestet. „Wir haben alles Mögliche und alles Sinnvolle getan, um BSE einzudämmen“, sagte Künast. „Wir haben das Rind umzingelt.“

    Der Rindfleischkonsum sei fast wieder auf dem Niveau von vor der BSE-Krise, sagte Künast. Mit Blick auf die Schutzmaßnahmen betonte sie: „Der Verzehr von Rindfleisch ist heute so sicher wie schon lange nicht mehr.“ Am 24. November 2000 war der erste BSE-Fall bei einem in Deutschland geborenen Rind gemeldet worden. Künast sagte, ein Zusammenhang zwischen BSE und der für den Menschen tödlichen neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit (nvCJD) sei nicht nachgewiesen, könne aber weiterhin nicht ausgeschlossen werden. In Großbritannien gibt es die meisten Fälle von Rinderwahnsinn und zugleich die meisten Fälle von nvCJD.

    Künast übte Kritik am Umgang mit der BSE-Problematik in der Bundesrepublik in den 90er Jahren. Schon 1991, mit Beginn der ersten Stichproben-Tests, hätte eine Strategie zur Risikominimierung erarbeitet werden können. Es habe beim vorbeugenden Verbraucherschutz „schlicht und einfach die falsche Grundhaltung“ vorgeherrscht. Die Ministerin betonte: „Wir haben aus der BSE-Krise gelernt.“

    Ziel der BSE-Forschung sei weiterhin die Entwicklung eines Tests, mit der auch am lebenden Rind Erreger nachgewiesen werden können, sagte Künast. Bislang geht das nur am toten Tier. Auch sollen neue Testverfahren ermöglichen, bei jüngeren Rindern BSE festzustellen. Bei Tieren unter 24 Monaten ist die Aussagekraft bei den derzeitigen Testverfahren nach Expertenmeinung sehr gering.

    Für die BSE-Forschung sollen bei Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere auf der Ostseeinsel Riems erstmals in Deutschland BSE- Infektionsversuche gemacht werden. Mehr als 50 Tiere sollen infiziert werden. Zur Strategie der Risikominimierung gehört unter anderem das Verbot der Tiermehl- Verfütterung. Die Verfütterung von verseuchtem Tiermehl gilt als Hauptursache für die Übertragung der Krankheit. Außerdem müssen Risikomaterialien von Wiederkäuern wie Gehirn, Augen, Rückenmark und Wirbelsäule entfernt und verbrannt werden. In Deutschland müssen alle über 24 Monate alten Rinder, die geschlachtet werden, mit BSE- Schnelltests untersucht werden. EU-weit muss erst bei Schlachttieren ab 30 Monaten getestet werden.



    BSE prions propagate as either variant CJD-like or sporadic CJD-like prion strains in transgenic mice expressing human prion protein

    Aus:
    EMBO Journal, Volume 21, No. 23, 1. Dezember 2002, Seite 6358–6366 (Abstract) von EMMANUEL A. ASANTE, JACQUELINE M. LINEHAN, MELANIE DESBRUSLAIS, SUSAN JOINER, IAN GOWLAND, ANDREW L. WOOD, JULIE WELCH, ANDREW F. HILL, SARAH E. LLOYD, JONATHAN D. F. WADSWORTH and JOHN COLLINGE. [Original]

    Variant Creutzfeldt–Jakob disease (vCJD) has been recognized to date only in individuals homozygous for methionine at PRNP codon 129. Here we show that transgenic mice expressing human PrP methionine 129, inoculated with either bovine spongiform encephalopathy (BSE) or variant CJD prions, may develop the neuropathological and molecular phenotype of vCJD, consistent with these diseases being caused by the same prion strain.

    Surprisingly, however, BSE transmission to these transgenic mice, in addition to producing a vCJD-like phenotype, can also result in a distinct molecular phenotype that is indistinguishable from that of sporadic CJD with PrPSc type 2.

    These data suggest that more than one BSE-derived prion strain might infect humans; it is therefore possible that some patients with a phenotype consistent with sporadic CJD may have a disease arising from BSE exposure. [Full Text]



    Weihnachtsgebäck sehr unterschiedlich mit Acrylamid belastet

    Foodwatch veröffentlicht neue Messwerte zu Lebkuchen und Spekulatius

    Aus:
    Yahoo-News, 5. Dezember 2002, 16.03 Uhr (Vermischtes). [Original]

    BERLIN (ots). Weil die Bundesregierung keine produktbezogenen Acrylamid- Werte veröffentlicht, enthält sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine besonders einfache und effektive Möglichkeit vor, Acrylamid zu vermeiden.

    Foodwatch hat Weihnachtsgebäck in einem anerkannten Labor (*) testen lassen. Die gemessenen Acrylamid- Gehalte lagen zwischen 12 und 461 Mikrogramm pro Kilogramm [Spekulatius], unterscheiden sich also um den Faktor 36. Die erste Minimierungsrunde der Chips- Hersteller hat lediglich eine Senkung der Acrylamid- Belastungen um den Faktor 0,7 erbracht

    Foodwatch bekräftigt daher die Forderung, produktbezogene Werte zu veröffentlichen und das Minimierungsprogramm an denjenigen Produkten mit den geringsten Belastungen auszurichten. Das Minimierungsprogramm der Regierung setzt hingegen bei den am meisten belasteten Lebensmitteln an. "Die gezielte Produktauswahl ist ein sehr effektiver Weg, um die Acrylamid- Belastungen zu senken. Wir finden es daher unverantwortlich, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern dieser Weg versperrt bleibt", so Carsten Direske von Foodwatch.

    Die großen Unterschiede bei den Acrylamidgehalten zwischen vergleichbaren Produkten beschränken sich nicht nur auf Weihnachtsgebäck. Bei Pommes frites zum Beispiel liegen die bisher bekannt gewordenen Minimal- und Maximalwerte um den Faktor 25 auseinander, bei salzigem Knabbergebäck bis zum Faktor 50 und bei Knäckebrot bis zum Faktor 100.

    Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Höhn lässt die Acrylamid- Messwerte Ihrer Ämter veröffentlichen. Sie kann sich dabei auf ein Informationsgesetz stützen. Diese Möglichkeit fehlt dem Künast- Ministerium zwar, aber das Bundesverfassungsgericht hat mit einer im Juni ergangenen Entscheidung ausdrücklich die Veröffentlichung von Marktinformationen zum Schutz der Bevölkerung durch den Staat gerechtfertigt.

    Acrylamid-Gehalte von Spekulatius und Lebkuchen
    Eingekauft in verschiedenen Berliner Supermärkten bzw. Bioläden.
    Stand: 5. Dezember 2002 + 5. Dezember 2003
    Labor: Untersuchung durch NAFU-Labor GmbH & Co. KG, Berlin im Auftrag von FoodWatch.
    Nr. Produkt Menge Acrylamid-
    Gehalt
     1)
    2002
    Acrylamid-
    Gehalt
     1)
    2003  3)
    Hersteller / Vertrieb Anm.
     S p e k u l a t i u s
    1. Allos Mini Spekulatius "Organic 100% Bio" 125 g 461 µg/kg 205 µg/kg Allos Walter Lang,
    D-49457 Mariendrebber
     4)
    2. Bahlsen feinster Butterspekulatius 200 g 304 µg/kg 158 µg/kg Bahlsen,
    D-3001 Hannover
     
    3. Borggreve Butterspekulatius 200 g 50 µg/kg 69 µg/kg Borggreve,
    D-49828 Neuenhaus
     
    4. Lidl Butter Spekulatius 200 g 35 µg/kg 45 µg/kg Lidl Stiftung GmbH & Co KG,
    D-52001 Neckarsulm
     
    5. Hig Gewürz Spekulatius 600 g 396 µg/kg 303 µg/kg Hig Hagemann GmbH & Co KG,
    D-48599 Gronau
     
    6. Lidl Gewürz Spekulatius 600 g 309 µg/kg 424 µg/kg Lidl Stiftung, GmbH & Co KG,
    D-52001 Neckarsulm
     
    7. Lambertz Butterspekulatius 200 g 12 µg/kg 13 µg/kg Lambertz GmbH & Co KG,
    D-52001 Aachen
     
     L e b k u c h e n
    8. Bahlsen Grandessa Oblaten-Lebkuchen mit Schokolade 175 g 83 µg/kg 131 µg/kg Bahlsen,
    D-3001 Hannover
     
    9. Donaubäcker Elisen-Lebkuchen 300 g 637 µg/kg ??? µg/kg Gubi GmbH & Co KG,
    D-86609 Donauwörth
     
    10. Wolff Feine Nürnberger Oblaten Lebkuchen 200 g 290 µg/kg 198 µg/kg Ferdinant Wolff,
    D-90425 Nürnberg
     
    11. Lidl Feinste Nürnberger Elisen-Lebkuchen 400 g 82 µg/kg 28 µg/kg Lidl Stiftung GmbH & Co KG,
    D-52001 Neckarsulm
     
    12. Schuhmann Feinste Nürnberger Elisen-Lebkuchen 250 g 259 µg/kg 117 µg/kg Schuhmann,
    D-90471 Nürnberg
     
    13. Wappenkrone Feine Nürnberger Lebkuchen 3fach sortiert 200 g 146 µg/kg ??? µg/kg Goldhand Vertriebsges. mbH,
    D-40235 Düsseldorf
     
    14. Weisella Feine Weiche Oblatenlebkuchen 200 g 168 µg/kg 169 µg/kg Weiss GmbH & Co KG,
    Neu-Ulm und Nürnberg
     
    15. Weiss Elisen Feinste Oblaten Lebkuchen Bioline 250 g 570 µg/kg 792 µg/kg Weiss GmbH & Co KG,
    Neu-Ulm und Nürnberg
     2) 4)
    1) Alle Acrylamid-Gehalte in Mikrogramm pro Kilogramm Gebäck. Meßtoleranz: ±10 %.
    2) Trägt das Biosiegel nach der EG Öko VO.
    3) FoodWatch hat 2003 noch weitere Produkte untersuchen lassen: [Meßergebnisse 2003]
    4) Hinweis zu Bio-/Diät-Gebäck.



    Auch Babynahrung kann Acrylamid enthalten

    Darauf hat jetzt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin hingewiesen.

    Aus: Yahoo-News, 9. Dezember 2002, 16.15 Uhr (Politik). [Original]

    BERLIN/LEIPZIG. Allerdings sei in den meisten Komplettmahlzeiten und selbst zubereiteten Kindernahrungen sehr wenig Acrylamid gefunden worden. Ausnahmen bildeten jedoch manche Keksprodukte. Das ARD- Magazin "Plusminus" hat 9 Gemüse- und Kartoffelbreie und 6 Kinderkekse von 8 Herstellern untersuchen lassen. Die Testergebnisse aus dem Berliner Naturwissenschaftlichen Forschungs- und Umweltlabor (NAFU) stellt das Magazin an diesem Dienstagabend [10.12.2002] vor.

    Die für "Plusminus" getesteten Babybrei- Gläschen enthielten demnach 4 bis 34 Mikrogramm (millionstel Gramm) Acrylamid pro Kilogramm Brei, bei den Keksprodukten schwankte die Konzentration zwischen 20 und 400 Mikrogramm pro Kilogramm. Dem ARD- Magazin zufolge kann bei einem 8-monatigen Baby bereits ein Gläschen von manchem Brei zu einer Acrylamid- Konzentration im Körper führen wie sie bei Erwachsenen beobachtet wird. Auch das BfR betonte, durch Keks- Produkte mit hohen Konzentrationen könne ein Kleinkind im ungünstigsten Fall so viel Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen wie ein hoch belasteter Erwachsener.

    Das BfR appellierte an alle Hersteller, den Acrylamid- Gehalt ihrer Produkte so schnell wie möglich und so weit wie möglich zu senken. Die große Zahl der Produkte zeige, dass es möglich sei, Baby- und Kleinkindnahrung mit geringen Acrylamidgehalten herzustellen. Soweit der Acrylamid- Gehalt bekannt sei, sollten Eltern auf gering belastete Produkte ausweichen, empfahl das Institut. Für die Nennung der Produktnamen fehle nach Auffassung des Bundesverbraucherministeriums derzeit allerdings die rechtliche Grundlage.

    Acrylamid entsteht beim Backen, Rösten und Braten stärkehaltiger Lebensmittel wie Kartoffelchips, Keksen und Knäckebrot. Im Tierversuch wirkt der Stoff Krebs auslösend und Erbgut schädigend. Das genaue Risiko für den Menschen lasse sich noch nicht sicher abschätzen, betonte das BfR. Es gebe aus heutiger Sicht jedoch keinen Grund, an einem Krebsrisiko auch für Menschen zu zweifeln. Das Schutzniveau für Kinder sollte grundsätzlich besonders hoch angesetzt werden. Acrylamid ist vermutlich schon immer in entsprechenden Nahrungsmitteln enthalten gewesen, wurde jedoch erst im April dieses Jahres entdeckt.



    Das Huhn, das Ei – und das Nitrofen

    So viele Lebensmittelskandale wie im letzten Jahr gab es noch nie. Rot-Grün scheut Konsequenzen.

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 16. Januar 2003, Seite 8 (Positionen) von THILO BODE. Der Autor war von 1995 bis 2001 Geschäftsführer von Greenpeace International. Er ist heute Geschäftsführer der Verbraucherorganisation FoodWatch (Berlin). [Original]

    Früher zeigten die Eröffnungsbilder von der Grünen Woche einen massigen Landwirtschaftsminister neben bulligen Zuchtstieren. Heute streichelt eine zierliche Verbraucherministerin ein glückliches Ökoferkel. Die Unterschiedlichkeit der Bilder reflektiert jedoch leider nicht die Unterschiedlichkeit der Verhältnisse. Der Fortschritt ist nur scheinbar.

    Das Jahr 2002 war nicht nur das Jahr der großen Flut, sondern auch das Jahr mit den bislang schlimmsten Lebensmittelskandalen: Immer noch tauchen BSE-infizierte Rinder auf. Verbotene Hormone wurden im Tierfutter und in Lebensmitteln entdeckt. Hohe Belastungen von Back- und Frittierwaren mit dem krebserregenden Acrylamid alarmierten Wissenschaftler und Verbraucher. Und schließlich fand sich noch das hochgiftige und längst verbotene Spritzmittel Nitrofen in Ökogetreide, Putenfleisch, Eiern und sogar in Babynahrung.

    Für das vor zwei Jahren eingerichtete Verbraucherministerium ist das nicht gerade eine erfreuliche Bilanz. Vor allem Nitrofen im Getreide war ein Tiefschlag, denn obwohl Pestizide der Normalfall in der konventionellen Landwirtschaft sind, wurde Nitrofen zum Störfall für den Ökolandbau. Angesichts der sich stetig wiederholenden Nahrungsmittelskandale macht sich Fatalismus bei den Verbrauchern breit. Und die resignierte Feststellung: Den vielfaltigen – und wie im Fall der Verbraucherschutzministerin, engagierten – Ankündigungen folgen keine Taten. Und auch die Strafverfolgungsbehörden scheinen bei den Lebensmittelskandalen alles andere als hart durchzugreifen.

    Beispiel BSE: Bis heute ist niemand dafür belangt worden, dass er verseuchtes Tiermehl ins Rinderfutter gemischt hat. Kein Täter, nirgends. Dabei handelt es sich bei diesen Vergehen nicht um Kavaliersdelikte. Sie stellen vielmehr einen Angriff auf die Gesundheit der Menschen und damit auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit dar.

    Beispiel Nitrofen: Das Verfahren gegen den Futtermittelhersteller, der es allzu lange unterlassen hatte, die Öffentlichkeit zu informieren, ist eingestellt worden. Noch laufende Ermittlungen könnte dasselbe Schicksal ereilen. Das Ende vom Lied wird sein, dass der Staatsanwaltschaft zwar alle Vorgänge bekannt sind, aber niemand zur Verantwortung gezogen wird. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass weitaus mehr Getreide mit Nitrofen kontaminiert wurde als ursprünglich angenommen. Mit Nitrofen kontaminierte Gerste ging sogar ins Ausland, wofür die Exporteure auch noch mit EU-Subventionen belohnt wurden.

    Perfiderweise wird schließlich den Verbrauchern die Verantwortung zugeschoben, weil die ja angeblich immer nur das Billigste kaufen wollen. Als ob es in ihrer Verantwortung liegt, dass sie ein Nitrofen-Ei erhalten, wenn sie ein Öko-Ei kaufen. In Deutschland wird man zwar hart und schnell bestraft, wenn man falsch parkt, aber offensichtlich nicht, wenn man fahrlässig oder sogar vorsätzlich Lebensmittel vergiftet.

    Wenn die Politik nicht endlich damit anfängt, die Strukturen und rechtlichen Grundlagen zu ändern [Ed: und sinnvolle Vorschläge dafür liegen ja seit 1989 (!) auf dem Tisch], wird es mit den Skandalen weitergehen.

    Aber die rot-grüne Regierung kneift. Sie kneift vor dem Bauernverband und der Macht des Agro- Business, namentlich Raiffeisen [Ed: quasi ein Staat im Staat]. Sie drückt sich davor, Gesetze zu erlassen, die die Vergiftung von Futtermitteln und Lebensmitteln als strafbare Handlungen ächten, und nicht mehr als Ordnungswidrigkeit durchgehen lassen.

    Es reicht nicht, die Ökolandwirtschaft zu fordern und zugleich die, so die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn, „mafiösen“ Strukturen zu tolerieren. Wenn diese Strukturen nicht aufgebrochen werden, kann auch eine ökologische Landwirtschaft nicht florieren. Sie gerät im Gegenteil sogar in den Sog des allgemeinen Vertrauensverlustes der Verbraucher.

    Unterlassungen gibt es nicht nur in der Politik, sondern auch bei den vergesslichen Medien: Statt nachzuhaken, werden die Skandale durchgewunken. Statt ihrer demokratischen Kontrollfunktion nachzukommen, peitschen sie das nächste Versäumnis hoch.

    Der Nitrofen-Skandal hat dem Image der ökologischen Landwirtschaft erheblich geschadet – und damit auch einem Kernstück rot-grüner Reformpolitik. Es ist geradezu absurd: Ökogetreide wurde in einem ehemaligen, hochverseuchten ChemikaIienlager der DDR-Landwirtschaft, dessen Zustand Behörden und Firmen seit Jahren bekannt war, gelagert und wieder ausgeliefert – und keiner will es gewesen sein!

    Aber der Vorfall ist nicht das Ergebnis individueller Verfehlungen. Er hat System und wird sich deshalb auch wiederholen. Unabhängig von staatsanwaltlichen Ermittlungen muss die Regierung deshalb die Aufklärung des Falles weiter voranbringen. Sie muss den Verbrauchern alle Ereignisse und deren Ursachen unterbreiten [Ed: auch dazu haben wird das Internet], statt auf Vergesslichkeit zu spekulieren. Sie muss den hohen Anspruch der Agrarwende durch Taten einlösen und die Täter benennen. Sonst droht sie, den Rest an Glaubwürdigkeit zu verspielen.



    Auch Fische haben BSE

    Aus:
    B.Z., Berlin, 3. Februar 2003, Seite 55 (Wissen). [Original]

    KONSTANZ. Müssen wir die tödliche BSE-Gefahr jetzt auch an der Fischtheke fürchten? Der Konstanzer Gen- Forscher Edward Malaga- Trillo hat herausgefunden: Auch Fische können eine BSE- ähnliche Krankeit bekommen.

    Bei BSE zerstören krankhaft verformte Eiweiße – Prionen – das Gehirn. Malaga- Trillo hat ein ähnliches verformtes Eiweiß beim Kugelfisch entdeckt. Rinder- Prionen können auch beim Menschen die tödliche Creutzfeldt- Jakob- Krankheit auslösen.

    Dennoch glaubt Malaga- Trillo nicht, dass uns der "Fisch- Wahnsinn" gefährlich wird. Denn Fisch- Prionen unterscheiden sich sehr von Säugetier- Prionen. Es sei unwahrscheinlich, dass sie auf Menschen übertragen würden, so der Forscher.



    Futter für einen Skandal

    Dioxin im Fressen, Gift im Essen. Der jüngste Fall in Thüringen zeigt: Trotz Kontrollen kommt es immer wieder zu gefährlichen Pannen. Die Fehler der Vergangenheit haben zwar zu neuen Vorschriften geführt, aber offensichtlich halten sich nicht alle daran.

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 21. Februar 2003, Seite 2 (Thema des Tages) von DAGMAR DEHMER. [Original]

    Für Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) liegt der Fall klar. „Die sind da einfach nicht auf Zack“, sagte sie der Sächsischen Zeitung zum Dioxin- Skandal in Thüringen über die dortigen Behörden. Den Vorwurf will Stefan Baldus (CDU), Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, nicht auf sich sitzen lassen. „Damit will sie doch nur davon ablenken, dass der Bund noch immer keine Verwaltungsvorschrift für die Meldungen vorgelegt hat, wie die Europäische Union das verlangt“, sagte er dem Tagesspiegel. Nur eines hat seine Sprecherin Katrin Trommer- Huckauf zugegeben. Dass ihr Haus für die Information des zuständigen Sozialministeriums in Erfurt 5 Tage gebraucht hat, „das war zu lang“.

    Das Spiel, die Verantwortung für die Pannen hin- und herzuschieben, ist der Klassiker in jedem Drehbuch für einen Lebensmittelskandal. Diesmal ist es Dioxin in Futtermitteln. Ein Trocknungsbetrieb in Apolda hatte trotz eines Defekts der Anlage die Herstellung von Futter- Zwieback und Zuckerrübenschnitzeln nicht eingestellt. Weil in der Anlage noch dazu nasse Holzstückchen verbrannt wurden, wurden mehr als 2100 Tonnen Futtermittel mit dem krebserregenden Gift verseucht – und verkauft.

    „Dass der Fall aufgedeckt wurde, ist reiner Zufall“, sagt Trommer- Huckauf. Und wirft ein Licht auf die real existierenden Futtermittelkontrollen in Deutschland. Am 4. Dezember nahm ein Kontrolleur eine Probe in dem Werk. Rund 100 solcher Proben werden in Thüringen im Jahr gezogen. Der Kontrolleur reiste eine Woche lang von Werk zu Werk, um Proben zu nehmen. Einmal pro Woche liefert der Kontrolleur seine Proben in der Zentrale ab. Dort werden sie vorbereitet, um an die Untersuchungslabors verschickt zu werden.

    Schon im Urlaub

    Weil die so genannten Breitbandanalysen aufwändig und teuer sind, werden sie erst ans Labor weitergereicht, wenn genügend – in diesem Fall 5 – Proben beisammen sind, um Rabatte in Anspruch nehmen und Porto sparen zu können. Im Labor kamen die Proben am 19. Dezember an. Dort hatte aber bereits der Weihnachtsurlaub begonnen, der nach Dreikönig, also am 7. Januar, endete. Erst dann wurden die Proben untersucht. Am 15. Januar erfuhr das Landwirtschaftsministerium in Thüringen erstmals von der Dioxin- Verseuchung. Weitere Proben zeigten keine erhöhten Werte mehr, was allerdings daran lag, dass das Dioxin- Messgerät des Untersuchungslabors defekt war. Es dauerte bis zum 7. Februar, bis das Erfurter Ministerium davon überzeugt war, dass es wohl doch nicht nur um 20 Tonnen Futtermittel ging, die an einen Schweinemäster in Thüringen geliefert worden waren. Denn die Dioxin- Werte der dort geschlachteten Schweine waren so hoch, „dass da mehr gewesen sein musste“, wie Trommer- Huckauf sagt.

    Baldus verteidigt, dass das Verbraucherschutzministerium erst am 7. Februar über den Dioxin- Skandal informiert worden ist. Schließlich habe eine „Verbrauchergefährdung ausgeschlossen“ werden können. Die betroffenen Schweine wurden vernichtet, und sollten doch belastete Produkte auf den Markt gekommen sein, sei die Dioxin- Konzentration sehr gering, sagte er dem Tagesspiegel. Im Übrigen liege die Schuld dafür eindeutig bei dem Trocknungsunternehmen. Deshalb habe das Land auch Klage gegen die Firma eingereicht. Auf den Einwand, dass Futtermittelfirmen kaum etwas zu befürchten haben, weil ihre Vergehen in der Regel als Ordnungswidrigkeiten bewertet werden, sagte Baldus: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ermittlungen im Sande verlaufen.“

    Carsten Direske von der Verbraucherorganisation FoodWatch kann das schon. Schließlich sind vor einer Woche auch die Ermittlungen gegen die Futtermittelfirma, die den Nitrofen- Skandal vor einem Jahr mit verursacht hat, eingestellt worden. „Das Sanktionspotenzial ist offenbar nicht ausreichend“, sagt er deshalb. Außerdem kritisiert er den Zuständigkeits- Wirrwarr zwischen Bund und Ländern. Denn für die Lebensmittelsicherheit sind meistens sogar die Kreise zuständig, die womöglich befangen seien, wenn es darum gehe, einen Betrieb zu schließen, um Verbraucher nicht zu gefährden. Stefan Baldus sagt dazu nur: „Die Betriebe sind dafür verantwortlich.“

    Auch der Deutsche Bauernverband hält die Eigenkontrolle der Unternehmen für ausreichend. Sprecher Helge Amberg: „Das wird doch hochgespielt.“ Außerdem habe der Betrieb dem System „Qualität und Sicherheit“, das Bauernverband und Industrie entwickelt haben, um Skandale auszuschließen, nicht angehört. Über ein Qualitätsmanagementsystem verfügt der Trocknungsbetrieb dagegen. Am 23. Dezember wurde er – auf Anforderung des Landwirtschaftsministeriums – nach der Iso-Norm 9001 zertifiziert. Baldus dazu: „Wir haben ein paar Fragen an das Zertifizierungsbüro.“



    Scrapie-Erreger nach oraler Infektion im Muskelfleisch nachgewiesen

    Aus:
    TSE-Forum, München, 5. März 2003 (Aktuelles). [Original]

    Nach oraler Infektion mit Scrapie-Erregern wurde das pathologische Prionprotein in substantiellen Mengen im Muskelfleisch von Goldhamstern gefunden. Dieses wichtige Ergebnis wurde am 27. Februar auf dem 7. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin von Michael Beekes vom Robert-Koch-Institut (RKI) vorgestellt. Die Experimente der Arbeitsgruppe von Beekes wurden angeregt von einer Studie des Nobelpreisträgers Stanley Prusiner von San Francisco (vgl. Meldung Aktuelles vom 20.3.2002), der jedoch den Mäusen den Erreger injizierte und nicht wie im Experiment des RKI, Scrapie- Erreger den Tieren verfütterte.

    Während im Prusiner-Versuch der Erreger nur im Hinterbein gefunden wurde, wies die Arbeitsgruppe um Herrn Beekes Erreger- assoziiertes Prionprotein zudem in Kopf-, Schulter- und Rückenmuskulatur sowie in der Zunge nach. "Sämtliches untersuchtes Muskelgewebe war positiv", so Beekes im Online- Artikel der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.2.2003 (vgl. auch FAZ vom 1.3.2003).

    12.5.2003 (tse-f). Die Publikation zu diesem Artikel ist heute online erschienen, in Print- Version liegt sie im Mai vor: Thomzig, A., Kratzel, C., Lenz, G., Krueger, D. & Beekes, M.: Widespread PrPsc-accumulation in muscles of hamster orally infected with scrapie. EMBO Reports 4, 5 (2003). [siehe auch: Nature vom 8.5.2003]



    Erster BSE-Fall in Nordamerika

    Aus:
    Yahoo-News, 21. Mai 2003, 16.23 Uhr (Wissenschaft). [Original]

    KANADA. In Kanada ist der erste Fall von BSE bestätigt worden. Bislang war die Krankheit dort nur im Jahr 1993 bei einem aus Großbritannien eingeführten Tier festgestellt worden. Die Herde, aus der das bereits im Januar geschlachtete Tier stammte, wurde jetzt unter Quarantäne gestellt.

    Keine Gefahr für die Bevölkerung

    Die Tiere sollen getestet und später geschlachtet werden. Wie der kanadische Landwirtschafts-Minister Lyle Vanclief mitteilte, ist das Fleisch des kranken Rindes nicht zu Lebensmitteln verarbeitet worden. Für die kanadische Bevölkerung bestünde demnach keine Gefahr, sich mit der vermutlich durch BSE-verseuchtes Fleisch verursachten Variante der Creutzfeldt- Jakob- Krankheit anzustecken.

    Nach dem Schlachten wurde der Körper des BSE-Rinds in einer Anlage zur Tierkörperverwertung entsorgt. Das Tier, das von einer Ranch in der kanadischen Provinz Alberta stammte, war einem Tierarzt als besonders dünn aufgefallen. Der Veterinär ließ daher an Gewebe vom Kopf des Tieres Tests durchführen, um eine vermutete Lungenentzündung fest zu stellen.

    Da im Labor kein dringender Verdacht bestand, wurden die Proben erst am vergangenen Freitag bearbeitet, berichtet die Online-Ausgabe der New York Times. Dabei wurde die BSE-Erkrankung festgestellt. Über das Wochenende ist das Testergebnis in Großbritannien überprüft und bestätigt worden.

    Einbußen am Aktienmarkt

    Die US-Landwirtschaftsbehörde hat daraufhin den Import kanadischen Rindfleischs eingestellt. Sollte es sich aber nach einer weiteren Untersuchung um den einzigen Fall von BSE handeln, würde das Importverbot wieder aufgehoben, so die Behörde. Kanada exportierte im vergangenen Jahr Rindfleisch im Wert von rund 1,1 Milliarden US-Dollar in die USA. Auf die Nachricht vom vorläufigen Handelsstop hin fielen die Aktien des weltgrößten Rindfleischeinkäufers, McDonald's, um 6,7 Prozentpunkte und die des weltgrößten Rindfleisch verarbeitenden Unternehmens, Tyson Food Class A, um 4,9 Prozentpunkte.



    Britische Ärzte sprechen von Erfolg bei Behandlung von nvCJD-Patient

    Aus:
    Yahoo-News, 26. September 2003, 13.28 Uhr (Wissenschaft). [Original]

    LONDON. Britische Ärzte haben von einem Erfolg versprechenden Ansatz im Kampf gegen die tödliche neue Variante der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit (nvCJD) berichtet. Eine neue Behandlung habe das Fortschreiten der Gehirn zerstörenden Krankheit bei einem 19-jährigen Patienten gestoppt, sagte der Mikrobiologe Stephen Dealler vom Royal Lancaster Krankenhaus. Internationale CJD-Experten wollten heute auf einer Konferenz in Belfast den Fall des jungen Mannes erörtern, dem als erstem CJD- Patienten weltweit ein Blut verdünnendes Medikament direkt in das Gehirn gespritzt worden war.

    Die Eltern des jungen Mannes hatten vor Gericht die bisher einmalige Behandlung ihres Sohnes mit dem Mittel Pentosan- Polysulfat (PPS) erstritten. Nach ihren Angaben haben sich bei ihrem Sohn kleine, aber bedeutende Veränderungen, gezeigt.“ So könne der Teenager wieder schlucken, auf mündliche Anweisungen reagieren und das Wörtchen „Mum“ sagen. „Er ist allgemein aufgeweckter“, sagte der Vater. Sein Sohn muss rund um die Uhr gepflegt werden.

    „Wir glauben, dass die Erkrankung seit Beginn der Behandlung eingefroren worden ist“, erläuterte Dealler dem Sender BBC. Von einer Heilung könne aber nicht gesprochen werden. Falls künftig durch rechtzeitige Diagnosen schon früh mit einer Behandlung begonnen werde, könnte PPS möglicherweise ein Behandlungsmittel sein. [mehr]



    Wie viel Gen darf's sein?

    Die Biobauern kämpfen in Brüssel für sauberes Saatgut. Und die rot-grüne Koalition in Berlin streitet über Grenzen für die Gentechnik auf deutschen Äckern.

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 16. Oktober 2003, Seite 5 (Politik) von DAGMAR DEHMER. [Original]

    BRÜSSEL/BERLIN (Tsp). Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf ist wütend. Und ein bisschen verzweifelt. Aus Sicht des grünen Europaabgeordneten und Biobauern entscheidet sich in diesem Herbst, ob es künftig noch eine Landwirtschaft ohne Gentechnik geben wird – oder nicht.

    Graefe selbst kämpft derzeit als Berichterstatter des Europaparlaments dafür, dass Saatgut, das nicht gekennzeichnet ist, tatsächlich keine Gentechnik enthält. Gleichzeitig streitet sich Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) mit ihren Kabinettskollegen darüber, wie die europäische Freisetzungsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Ihr Entwurf für ein neues Gentechnikgesetz ist derzeit in der Ressortabstimmung. Und: „Es ist kein Geheimnis, dass das Forschungs- und das Wirtschaftsministerium alle relevanten Fragen strittig gestellt haben“, sagte der Grünen- Fraktionsvize Reinhard Loske dem Tagesspiegel.

    Am 27. Oktober soll nach dem Willen von EU-Verbraucherkommissar David Byrne der Saatgutausschuss darüber entscheiden, von welcher Schwelle gentechnischer Verunreinigung an Saatgut gekennzeichnet werden muss. Byrne hat vorgeschlagen, Verunreinigungen zwischen 0,3 Prozent für Raps und 0,7 Prozent für Sojabohnen zuzulassen. Graefe und einer Allianz von 300 Nicht-Regierungsorganisationen in Europa, die sich in dem Bündnis „Save our Seeds“ (Rettet unsere Samen) zusammengeschlossen haben, sind diese Werte zu hoch. Für Biobauern werde es fast unmöglich, ihre Produkte gentechnikfrei zu halten, wenn sie nicht einmal wissen, wie hoch die Kontaminierung ihres Saatguts sei. Sollten ihre Erzeugnisse darüber hinaus durch den Pollenflug weitere Fremdgene aufnehmen, könnten die gentechnisch veränderten Bestandteile schnell höher als 0,9 Prozent liegen. „Wenn ich dann ein Schild aufhängen muss, auf dem steht 'gentechnisch verändert', kann ich meinen Hof gleich dichtmachen“, sagte Graefe in Berlin. Das gelte jedoch nicht nur für Biobauern, die keine gentechnisch veränderten Organismen anbauen dürfen. Das träfe auch konventionell erzeugende Bauern, die Abnahmeverträge mit Herstellern hätten, die ebenfalls Gentechnikfreiheit fordern. „Die Gentechnik-Konzerne haben das Recht, Geld zu verdienen“, sagte Graefe. „Aber wir müssen dieses Recht auch haben.“

    Das von Künast vorgelegte Gentechnik-Gesetz soll genau das möglich machen. Um ein „verträgliches Nebeneinander“ der unterschiedlichen Produktionsformen zu ermöglichen, will sie eine „gute fachliche Praxis“ vorschreiben, die Gentech-Bauern besondere Pflichten auferlegt. Sie müssen in einem Standortregister den Anbau genetisch veränderter Pflanzen angeben, und ihre Nachbarn sollen wissen, was sie anbauen. Außerdem müssen sie Mindestabstände zu konventionellen Äckern einhalten. Und wenn ihre Pflanzen die Ernte eines angrenzenden Bauern kontaminieren, soll der geschädigte Landwirt einen Haftungsanspruch bekommen.

    Nur so lasse sich die Wahlfreiheit der Verbraucher gewährleisten, sagte Loske dem Tagesspiegel. Auch die Vorsitzende des Agrarausschusses, Herta Däubler-Gmelin (SPD), betonte: „Die Wirkungen von gentechnischen Veränderungen müssen rückholbar sein.“ Sie besteht deshalb auf „klaren Grenzen und Haftungsregelungen“. Das hält der Staatssekretär im Forschungsministerium Wolf-Michael Catenhusen offenbar für überflüssig. In einem Interview mit der „Zeit“ sagte er: „Wir lehnen neue Sonderregelungen im Haftungsrecht ab.“ Für Reinhard Loske ist das eine Kampfansage. Dem Tagesspiegel sagte er: „Für uns ist das Gentechnikgesetz ein zentrales Gesetzesvorhaben.“ Und außerdem gebe es da noch den Koalitionsvertrag, in dem Rot-Grün den Verbrauchern auch in Zukunft Wahlfreiheit versprochen hat.



    Verrat nach Eiweißart

    Die Erreger von BSE und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit haben Helfer, die sie erst richtig gefährlich machen

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 16. Oktober 2003, Seite 30 (Wissen + Forschen) von HARTMUT WEWETZER. [Original]

    Prionen – das sind jene tückischen Eiweißmoleküle, die vermutlich Krankheiten wie den Rinderwahnsinn BSE oder die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK [Ed: auch nvCJD]) beim Menschen auslösen. Die heute gängige Theorie besagt, dass es mit den Prionen wie mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde ist: aus einem freundlichen, friedlichen, nützlichen Mitbürger wird ein mordendes Monster. Ein normales Nerveneiweiß verwandelt sich in einen nutzlosen, unverdaulichen Proteinkrümel, der sich mit seinesgleichen zusammenschließt und das Gehirn allmählich zerstört.

    Diese „Nur-Protein“-Theorie war so außergewöhnlich, dass der kalifornische Forscher Stanley Prusiner mit ihr den Medizin-Nobelpreis gewann – obwohl sie nie wirklich bewiesen wurde. Prusiner war es auch, der den Begriff „Prionen“ prägte. Trotzdem bezweifeln auch heute noch manche Wissenschaftler, dass Eiweißmoleküle Krankheiten auslösen und sich ausbreiten können, ohne dass dabei Erbsubstanz im Spiel ist. Jetzt bekommen die Zweifler Unterstützung von ungewohnter Seite. Ein Team von Prionenforschern an der Dartmouth Medical School im amerikanischen Hanover glaubt, einen Mittäter der Prionen ermittelt zu haben. Es handelt sich um einen alten Bekannten – um die Erbsubstanz RNS, den „kleinen Bruder“ der DNS.

    Die Wissenschaftler untersuchten eine der zentralen Schwachpunkte der Prionen-Hypothese: Wie schaffen es wenige gefährliche Prionenmoleküle, innerhalb von Monaten ein ganzes Gehirn zu zerstören? Wie gelingt es ihnen, die intakten und ungefährlichen Eiweißmoleküle in den Nervenzellen in Prionen umzuwandeln? Um das zu prüfen, vermischten die Forscher die Hirnsubstanz scrapiekranker Hamster (Scrapie ist eine BSE-artige Prionen-Erkrankung, die vor allem bei Schafen auftritt) mit der von gesunden Tieren. Wie nicht anders zu erwarten, beobachteten sie, dass sich die Prionen rasch vermehrten. Ihre Menge stieg um das Sechsfache. Dann gaben sie ein Ferment (Enzym) hinzu, das einsträngige RNS spaltete – und waren verblüfft: Je mehr RNS auf diese Weise zersetzt wurde, umso weniger Prionen wurden gebildet. Fügte man erneut Hamster-RNS hinzu, stieg die Prionenbildung wieder auf das 24-fache, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ (Band 425, Seite 717).

    Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die RNS entscheidender Motor der krankhaften Prionenproduktion ist. Vielleicht ist BSE ohne RNS gar nicht denkbar. Welche Aufgaben hat die RNS normalerweise? Die fadenförmigen Moleküle sind sehr vielseitig – anders als die DNS, die träge im Zellkern vor sich hin döst. RNS transportiert die Erbinformation aus dem Zellkern zu den Ribosomen, den Eiweißfabriken der Zelle. Hier arbeitet ebenfalls RNS an zentraler Stelle als Enzym. Sie ist also nicht nur Informationsträger wie die DNS, sondern auch biologisch aktiv – wie die Proteine, die Produkte der DNS.

    Über die prionenfördernde RNS ist bisher wenig bekannt, abgesehen davon, dass sie einsträngig ist, mehr als 300 Bausteine (Nukleotide) enthält und vielleicht Bestandteil der Ribosomen ist. „Diese stimulierende RNS scheint eine ganz bestimmte Form zu haben, die sie zu einem aufregenden Studienobjekt macht“, sagt der Studienleiter Surachai Supattapone. „Wenn wir diese typische RNS identifizieren, kopieren und herstellen können, haben wir vielleicht einen Ansatzpunkt für Therapien und ein Handwerkszeug zur Früherkennung.“ Zum Beispiel könnte es möglich sein, mit der „Prionen-RNS“ auch geringe Spuren der gefährlichen Eiweißstoffe festzustellen, weil sie rasch vermehrt werden können.

    Bedeutet der Fund von Erbsubstanz nun den Abschied von der „Nur-Protein“- Hypothese? Erwartungsgemäß verneinen das die Wissenschaftler. Denn sie nehmen an, dass die RNS nicht aus den infektiösen Prionen selbst stammt, sondern vom Empfänger des tödlichen Erregers. Ein Fall von molekularem Verrat – körpereigene RNS produziert tödlichen Hirnballast.

    Die Behandlung der vCJK steckt noch ganz in den Anfängen. Auch die neuen Erkenntnisse werden daran so schnell nichts ändern. Die Erkrankten sterben im Mittel nach zwei Jahren. Erfreulicherweise breitet sich die Krankheit jedoch längst nicht so schnell aus wie erwartet. 1997 hatten Schätzungen zehn Millionen Opfer für möglich gehalten. Die jüngste Prognose vom Mai 2003 hält es für denkbar, dass in den nächsten 80 Jahren nur noch 40 Menschen an vCJK erkranken. Insgesamt wurden in Großbritannien bisher 143 bestätigte oder mutmaßliche Fälle registriert, Tendenz rückläufig. In Deutschland trat bislang kein Fall von vCJK auf.

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      Zum Teil 31

    © 2002-2005 – Universitätsrat a. D. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 26.06.2011 23.30 Uhr