nvCJD-Verdacht: Mann "mittleren Alters" eingeliefert
Im Kreiskrankenhaus Bad Homburg wird ein Mann behandelt, bei dem Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) besteht. Der Mann sei von einem anderen hessischen Krankenhaus überwiesen worden, wo auch die Diagnose gestellt worden sei.
Aus: Spiegel Online 23. November 2000, 19.26 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BAD HOMBURG/BERLIN. Der Verwaltungsdirektor der Kliniken des Hochtaunus- Kreises, Peter Asche, sagte, es handele sich um eine "männliche Person mittleren Alters" aus Hessen. Noch ist unklar, ob es sich um die neue Variante (vCJD) der Krankheit handelt, die als quasi menschliche Form des Rinderwahnsinns BSE gilt. An vCJD sind bislang vor allem junge Menschen gestorben.
An der herkömmlichen Variante von CJD sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin bislang bereits knapp 400 Menschen in Deutschland erkrankt. Ob der Mann unter dieser Variante von CJD leidet, könne vor dem Tod nicht sicher festgestellt werden, erläuterte ein Sprecher des RKI. Erst eine Obduktion gebe Aufschluss über die Art des Gehirnschwamms. Allerdings gebe es Verdachtsmomente, die auch bei Lebenden auf vCJD schließen lassen. So litten diese Patienten anders als bei der klassischen Form an starken Gleichgewichtsstörungen. Ob das auf den nun behandelten Mann zutrifft, ist unklar. Eine endgültige Diagnose könne erst nach dem Tod des Patienten gestellt werden. Bislang ist die neue Variante in Deutschland noch bei keinem Menschen diagnostiziert worden.
In Großbritannien sind an vCJD bereits mindestens 88 Menschen gestorben. Weitere Fälle hatten in den vergangenen Wochen Frankreich erschüttert. Wenn sich die schlimmsten Befürchtungen der Forscher bewahrheiten, werden vor allem in Großbritannien noch Zehntausende Tote folgen. Die neue Form des Hirnschwammes wird möglicherweise durch den Verzehr von BSE-infiziertem Rindfleisch ausgelöst. Eine Sprecherin des RKI sagte: "Einen Zusammenhang bestreitet eigentlich niemand mehr".
Erreger sind in beiden Fällen krankhaft verformte Eiweiße, so genannte Prionen. Sie breiten sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nach dem Verzehr infizierten Gewebes auch im menschlichen Körper aus. Die Krankheit äußert sich beim Menschen zunächst durch Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Schließlich führt sie zu fortschreitendem Gedächtnisverlust. Die Zeit zwischen der Infektion und dem Ausbruch kann mehrere Jahrzehnte betragen. Die Krankheit ist unheilbar.
[Creutzfeld-Jakob: Früherkennung möglich?]
24.11.2000 (tsp). Der Berliner Tagesspiegel meldet dazu heute auf Seite 1, daß in Deutschland 2 Menschen an rätselhaftem Creutzfeldt-Jakob (CJD) erkrankt seien. Stärkstes Indiz dafür, daß es sich dabei um die ersten deutschen Fälle von nvCJD (BSE beim Menschen) handeln könnte, sei das relativ junge Alter von 22 bzw. 40 Jahren der Patienten. Ein Patient stammt aus Hessen, der andere lebt südlich von München. Seit der Einführung der amtlichen CJD-Meldepflicht im Jahr 1994 wurden bis Ende 1999 in Deutschland 369 Erkrankungen an klassischer Creutzfeldt-Jakob-Krankheit registriert.
BSE: Erstmals in Spanien erneut in Belgien
Die Seuche weitet sich aus. In Spanien wurde erstmals ein BSE-krankes Rind entdeckt. In Belgien trat der Rinderwahnsinn bereits zum neunten Mal in diesem Jahr auf.
Aus: Spiegel Online 23. November 2000, 19.28 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]MADRID/BRÜSSEL. Die kürzlich verendete Kuh habe möglicherweise Futter bekommen, das Tiermehl von BSE-infizierten Rindern enthalten habe, sagten Experten des Madrider Agrarministeriums. In Spanien ist es seit 1994 verboten, Tiermehl von Rindern an Wiederkäuer zu verfüttern. Möglicherweise habe der Bauer der Kuh Schweinefutter gegeben, hieß es.
Das vor einem Monat in Lugo im Nordwesten des Landes verendete Rind war das erste in Spanien, bei dem eindeutig BSE festgestellt wurde. Die Behörden gehen aber mittlerweile von zwei Fällen von Rinderwahnsinn aus. Wie der spanische Rundfunk berichtete, konnte bei einem zweiten Rind in einem Labor in London zwar der BSE-Verdacht nicht zweifelsfrei bestätigt werden. Das Agrarministerium entschied aber, diesen Fall aus Sicherheitsgründen ebenfalls so zu behandeln, als wäre Rinderwahnsinn nachgewiesen worden.
Der Präsident des spanischen Veterinärverbandes, Antonio Borregon, erklärte: "Nachdem die beiden Krankheitsherde ausgemerzt wurden, ist Spanien wieder BSE-frei." Das Risiko einer Epidemie sei auszuschließen. Der Verbraucherverband (OCU) betonte: "Die beiden BSE-Fälle geben Anlass zur Besorgnis. Aber es besteht kein Grund, Alarm zu schlagen."
In Belgien ist erneut ein Fall von Rinderwahnsinn entdeckt worden. Die mit BSE infizierte Kuh stammte nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Brüssel aus einer Herde im flämischen Bellegem. Damit wurden in diesem Jahr in Belgien neun Fälle von Rinderwahnsinn registriert, insgesamt stieg die Zahl der in dem Land aufgetretenen Fälle auf 19.
BVET konkretisiert Massnahmen im Kampf gegen BSE
Aus: Yahoo-News, 24. November 2000, 16.30 Uhr (Schweiz). [Original]BERN. Das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) hat die anfangs November geforderten Massnahmen im Kampf gegen die Rinderseuche BSE weiter konkretisiert. Zu diesem Zweck seien Diskussionen mit den betroffenen Kreisen aus Landwirtschaft, Verwaltung, Futtermittelindustrie und Konsumentenschutz geführt worden, teilte das BVET heute mit. Dabei habe Einigkeit darüber geherrscht, dass die Verfütterung von Tiermehl für alle Nutztiere zu verbieten sei, erklärte Hans Wyss vom BVET. Die Massnahmen zur Entsorgung des Tiermehls dürften Mehrkosten in der Höhe von 45 Millionen Franken verursachen. Der Bund habe signalisiert, sich an diesen Kosten zu beteiligen. Über das Ausmass der Beteiligung müsse der Bundesrat noch entscheiden.
In der Frage der Verfütterung von Schlachtabfällen in flüssiger Form an Schweine seien sich die betroffenen Kreise noch nicht einig. Die Meinungen, ob dies in einem streng eingegrenzten Rahmen weiter möglich sein soll, gingen noch weit auseinander, erklärte Wyss. Weitere Diskussionen darüber seien notwendig.
Um die Ausrottung von BSE zu erreichen, müssten auch die Kontrollen auf allen Ebenen verstärkt werden, so Wyss weiter. Um dies zu ermöglichen, soll künftig eine gesamtschweizerisch agierende Kontrollinstanz eingesetzt werden, die den gesamten Prozess vom Bauernbetrieb bis zum Schlachthof kontrolliere. Das BVET will die nötigen Änderungen der Tierseuchenverordnung bis am 1. März 2001 in Kraft setzten können.
Bundeskanzler Schröder: Verbot von Tiermehl-Verfütterung schon nächste Woche
Aus: Yahoo-News, 24. November 2000, 16.16 Uhr (Politik). [Original]ZAGREB. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich als Konsequenz aus der Entdeckung des möglicherweise ersten deutschen BSE-Falls für ein rasches und umfassendes Verbot der Verfütterung von Tiermehl ausgesprochen. Schröder sagte heute am Rande des EU-Balkan- Gipfels in Zagreb, das generelle Verbot der Verfütterung von Tiermehl werde voraussichtlich bereits am Montag [27.11.2000] in Deutschland erlassen. Darüber hinaus sei er dafür, die Verfütterung von Tiermehl in der gesamten EU zu verbieten. Bereits morgen solle ein Krisenstab in Berlin eingerichtet werden, der über Maßnahmen gegen BSE beraten solle.
Schleswig-Holstein hatte zuvor einen BSE- Verdachtsfall bei einem 1996 in Deutschland geborenen Rind gemeldet. Der BSE-Schnelltest war offiziellen Angaben zufolge positiv. Tiermehl steht im Verdacht, der Verbreitung der Viehseuche BSE Vorschub zu leisten, die beim Menschen zu einer Variante der tödlichen Creuzfeldt-Jakob-Krankheit führen kann.
Deutschland ist nicht BSE-frei
Regierung will Tiermehlfütterung schon ab Montag verbieten / Fischer sieht reale Gefahr in Deutschland
Aus: Yahoo-News, 24. November 2000, 18.10 Uhr (Politik). [Original]FRANKFURT/MAIN. Deutschland ist nicht BSE-frei. Erstmals wurden heute 2 in der Bundesrepublik geborene Rinder entdeckt, die höchstwahrscheinlich an Rinderwahn erkrankt sind. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer sprach daraufhin von einer "realen BSE-Gefahr" auch in Deutschland. Bundeskanzler Gerhard Schröder kündigte an, bereits am Montag [27.11.2000] könne ein vollständiges Verbot der Verfütterung von Tiermehl ergehen.
Die Erkrankung eines geschlachteten Tieres wurde in Schleswig-Holstein bei einem freiwilligen Untersuchungsprogramm festgestellt [Ed: also und das ist WICHTIG ein reiner Zufallstreffer!], wie die Landesregierung mitteilte. Daneben wurde in Portugal ein ebenfalls mit Rinderwahn infiziertes Rind entdeckt, das aus Sachsen-Anhalt stammt, wie das Magdeburger Agrarministerium mitteilte.
Das am 22. November geschlachtete Rind in Schleswig-Holstein stammt von einem Bauernhof im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Den positiven Befund zweier Untersuchungen lieferte ein Privatlabor in Hamburg [Artus GmbH], die Fehlerwahrscheinlichkeit liegt bei 5 bis 10 Prozent. Ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärte, eine weitere Probe sei an die Bundesanstalt für Viruskrankheiten der Nutztiere geschickt worden. Am Dienstag [28.11.2000] soll von dort ein hundertprozentig sicheres Analyseergebnis erfolgen.
Am (morgigen) Samstag berät in Bonn ein Krisenstab der Staatssekretäre aller Landwirtschaftsministerien der Bundesländer und ihrer Chefveterinäre über die Ergebnisse der Schnelltests und mögliche Konsequenzen.
Das Argraministerium in Magdeburg wurde heute über das Testergebnis des Tieres auf den Azoren informiert. Der betroffene Zuchtbetrieb werde geschlossen. Als erste Maßnahme habe das Agrarministerium angeordnet, dass ab sofort keine Tiere den Betrieb verlassen oder in den Betrieb hinein kommen. Am (morgigen) Samstag will Agrarminister Konrad Keller die Öffentlichkeit über weitere Maßnahmen informieren. Die Behörden der Azoren kündigten die Notschlachtung von mehr als 2.600 Rindern an. Zudem beschlagnahmten sie den Hof, auf dem das kranke Tier lebte, und ordneten eine Untersuchung an. Es ist der erste Fall von Rinderwahnsinn auf der portugiesischen Inselgruppe. [mehr]
Länder starten Bundesratsinitiativen zu Importstopp
Bundeskanzler Schröder sagte, er fühle sich bestätigt, "dass wir in Deutschland ein Verbot der Tiermehlverfütterung durchsetzen müssen". Grundsätzlich sprach er sich für ein einheitliches Verbot auf EU-Ebene aus. Für Wiederkäuer gilt bereits seit 1994 ein EU-weites Tiermehlverbot.Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke hatte bisher gezögert, das Verfütterungsverbot auf alle anderen landwirtschaftlichen Nutztiere auszuweiten. Funkes Sprecherin sagte, die neue Verordnung müsse zunächst vom Bundesrat verabschiedet werden. Deshalb könne noch nichts über den Zeitpunkt gesagt werden, wann das Verbot in Kraft treten werde. Im Bundesrat wollen verschiedene Länder Initiativen für einen Importstopp bei britischem und französischem Rindfleisch einbringen.
Bundesgesundheitsministerin Fischer betonte, die Schönrednerei "Deutschland ist BSE-frei" müsse jetzt endlich ein Ende haben [Ed: d. h. LaMi Funke wird wohl abtreten müssen]. "Wir werden umgehend und mit allen Kräften damit beginnen, so viele Schlachttiere wie irgend möglich zu testen." Die Vermutung scheine sich zu bewahrheiten, dass da, wo mit Tests gesucht werde, auch BSE-Fälle gefunden würden.
Veterinärmediziner schließt BSE-Varianten auch bei Schweinen nicht aus
Forscher für generelles Verbot von Hirn- und Rückenmarkgewebe in Wurstproduktion
Aus: Yahoo-News, 24. November 2000, 18.26 Uhr (Vermischtes). [Original]FRANKFURT/MAIN. Der Leipziger Veterinärmediziner Ernst Lücker schließt nicht aus, dass auch Schweine oder andere Tiere an einer BSE-Variante erkranken. Nach den ersten Fällen von Rinderwahnsinn in Deutschland forderte Lücker im Interview der Berliner Zeitung [25.11.2000], Schlachttiergewebe von Hirn und Rückenmark generell für die Wurstproduktion zu verbieten.
"So lange wir von BSE so wenig wissen, sollten wir für die Wurstherstellung auf dieses Risikogewebe verzichten", sagte der Wissenschaftler von der Universität Leipzig. Zusammen mit Forschern der Universität Gießen hatte Lücker zuletzt ein Test entwickelt, mit dem sich Hirngewebe in Wurstwaren nachweisen lässt. In einer Studie hatte der Forscher 1998 der Zeitung zufolge festgestellt, dass Hirngewebe in deutscher Wurst enthalten ist. So waren zehn Prozent der von Lücker getesteten Leberwurst mit gefährlichem Hirngewebe belastet.
Unterdessen erklärte die Chefin der Metzgerei in Itzehoe, in der der möglicherweise erste deutsche BSE-Fall gefunden wurde, sie habe die freiwilligen Tests seit einer Woche durchgeführt, um dem Verbraucher die größtmögliche Sicherheit zu geben: "Wer testet, der muss auch damit rechnen, dass er etwas findet", sagte Ines Basche im Südwestrundfunk. Noch sei unklar, ob ihre Kunden nun weiter Vertrauen zu ihr hätten, "aber ich denke, mit der Wahrheit kann jeder am besten leben". Durch die Tests sei ein möglicherweise infiziertes Rind aus der Nahrungsverwertung herausgenommen worden: "Das ist eine positive Geschichte", sagte Basche.
[2.3.2000: BSE-Risiko durch Wurst?] [Kritische Wurstsorten]
Entsetzen über BSE-Fall in Schleswig-Holstein
Aus: Yahoo-News, 24. November 2000, 18.40 Uhr (Politik). [Original]KIEL. "Das ist richtig Sch..." im letzten Moment verkniff sich der schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller (Grüne) heute noch das Wort auf den Lippen. Der Politiker reagierte ebenso wie Fleischer und Verbraucher erschrocken darauf, dass nun doch auch ein in Deutschland geborenes Rind an BSE erkrankt sein soll das erste ausgerechnet in Schleswig-Holstein.
Bis zuletzt hatten Politiker, Landwirte, Fleischer und Händler im Norden immer wieder damit argumentiert, dass die Verbraucher auf der sicheren Seite seien, wenn sie Rindfleisch aus dem eigenen Land kauften. Sollte sich der Verdacht endgültig bestätigen, könnte das niemand mehr so behaupten.
Das Fleisch des mutmaßlichen BSE-Tieres ist allerdings glücklicherweise wohl nicht in den Handel gegangen. Offen ist bisher der Infektionsweg: Der Verdacht zielt auf die Fütterung. Das Verfüttern von Tiermehl an Wiederkäuer jedenfalls ist seit 1994 verboten.
Schlachter Claus Jepsen aus Flensburg reagierte erschüttert auf die Nachricht vom BSE-Rind, da in Schleswig-Holstein überwiegend Weidetiere zu finden seien. Für das Fleisch, das in seinen sieben Geschäftsstellen verkauft wird, liegt laut Jepsen der Nachweis über die Fütterungsmittel der Tiere vor. Dies lässt er sich seit etwa einem halben Jahr bestätigen.
Ebenso erschrocken zeigte sich eine 40-jährige Hausfrau und Mutter von zwei Kindern aus Flensburg. Sie hatte sich bisher bei ihren Einkäufen bei den Schlachtern aus der Region sicher gefühlt, was nun nicht mehr der Fall sei. "Ich glaube, wir sind auf dem Weg zum Vegetarier, was meinem Mann und meinen Kindern sehr schwer fallen wird. Ich mag gar nicht an all das Fleisch denken, das wir schon gegessen haben, aber vielleicht können wir bald ja auch gar nicht mehr denken."
Ebenso entsetzt zeigte sich Stefan Michael, Filialleiter einer großen Lübecker Schlachterei: "Wir beziehen unser Rindfleisch nur aus Schleswig-Holstein und haben gedacht, damit auf der sicheren Seite zu sein." Der jetzige BSE-Fall zeige, dass diese Sicherheit eben doch nicht hundertprozentig sei. Was er seinen Kunden jetzt antworten wird, weiß Michael noch nicht. "Als die BSE-Fälle in England bekannt wurden, hatten wir Umsatzeinbußen bei Rindfleisch von bis zu 40 Prozent. Ich fürchte, so wird es wieder werden", sagt er.
Auch Lübecker Kunden reagierten verunsichert. "Wir dachten, Fleisch aus Schleswig-Holstein ist sicher. So hat man es uns jedenfalls erzählt", meinte Claudia Schäfer. "Ich habe bislang meinem Stammschlachter vertraut. Aber wenn jetzt heimisches Fleisch auch nicht mehr sicher ist, bin ich ratlos", bekannte Hedwig Wohlgemuth.
"Eigentlich bin ich sprachlos, wenn ich ehrlich bin", bekannte der Kieler Fleischermeister Gerd Markus. "Ich bin auch der Meinung, es liegt an dem Futter, was verarbeitet wird, diesem Tiermehl." Nun sollte man jedes Rind auf BSE überprüfen.
BSE ist überall
Aus: Spiegel-Pressemeldung 25. November 2000, 11.44 Uhr zum Artikel "BSE: Der deutsche Wahn" im SPIEGEL 48/2000, 27. November 2000, Seite 2226 (Deutschland).HAMBURG. Nach Einschätzung des Rotterdamer Virologen Albert Osterhaus sind in Deutschland schon BSE-Rinder geschlachtet und verzehrt worden. Auf jedes entdeckte BSE-Rind kämen statistisch gesehen zwei kranke Tiere, die unerkannt durch die Kontrollen schlüpften, sagte Osterhaus dem Nachrichten- Magazin DER SPIEGEL. Osterhaus, Mitglied im wissenschaftlichen Lenkungsausschuss der EU-Kommission, zeigte sich außerdem überzeugt, dass auf jedes BSE-Rind zusätzlich zahlreiche infizierte Tiere entfallen, die noch nicht erkrankt sind. Davon sind nach Osterhaus' Meinung in Deutschland "mehrere Dutzend" in die Nahrungskette des Menschen gelangt, die anderen stünden noch unerkannt in den Ställen. Für Osterhaus steht mit den ersten beiden aufgefallenen BSE-Fällen fest, dass das BSE-Risiko in Deutschland ebenso groß ist wie in Frankreich. Dort sind bereits Menschen an der durch BSE ausgelösten Sonderform der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorben.
Im Fall des mutmaßlichen BSE-Rinds aus Schleswig-Holstein hatten Mitarbeiter eines privaten Labors nach Angaben des SPIEGEL nicht mal eine Woche suchen müssen, um bei Reihentests zum ersten Mal fündig zu werden. Selbst die Wissenschaftler seien schockiert gewesen, wie schnell sie auf BSE-Fleisch gestoßen seien.
Unterdessen mehren sich Befürchtungen, in Würsten aus Deutschland könne trotz eines EU-Verbots, das seit Oktober gilt, noch Hirn verarbeitet werden. Der EU-Verbraucherkommissar David Byrne beklagte sich, er habe in der Frage nach Kontrollen bei der jüngsten Sitzung mit den EU-Landwirtschaftsministern keine befriedigende Antwort bekommen.
BSE-Krisenstab tagt in Bonn
Virologe: Rinderwahn in Deutschland in der Nahrungskette / Sonnleitner attackiert EU
Aus: Yahoo-News, 25. November 2000, 13.12 Uhr (Politik). [Original]BONN. Nach den wahrscheinlich ersten beiden BSE-Fällen in Deutschland ist heute im Bundeslandwirtschaftsministerium ein Krisenstab zusammengetreten. Ministerialbeamte und Veterinäre wollten in Bonn beraten, welche Konsequenzen nach den gestern bekannt gewordenen Fällen zu ziehen sind. Nach Ansicht von Experten sind in Deutschland bereits einige BSE- infizierte Rinder geschlachtet und in die Nahrungskette des Menschen gelangt.
Auf jedes entdeckte BSE-Rind kämen statistisch gesehen zwei kranke Tiere, die durch die Kontrollen schlüpften, sagte der Rotterdamer Virologe Albert Osterhaus dem Spiegel. Das Mitglied im wissenschaftlichen Lenkungsausschuss der EU-Kommission zeigte sich auch überzeugt davon, dass auf jedes BSE-Rind zusätzlich zahlreiche infizierte Tiere entfielen, die noch nicht erkrankt seien. Das Rinderwahn- Risiko in Deutschland sei ebenso groß wie in Frankreich.
Unterdessen mehrten sich Befürchtungen, in Wurstwaren aus Deutschland könne trotz eines seit Oktober geltenden EU-Verbots Hirn verarbeitet werden. EU-Verbraucherkommissar David Byrne beklagte laut Spiegel, er habe in der Frage nach Kontrollen bei der jüngsten Sitzung mit den EU-Landwirtschaftsministern keine befriedigende Antwort bekommen.
Die Bonner Krisensitzung wurde von den Staatssekretären in Bundeslandwirtschafts- und Gesundheitsministerium, Martin Wille und Erwin Jordan, geleitet. Eingeladen waren die Staatssekretäre der Länderministerien sowie die Chefveterinäre von Landwirtschafts- und Gesundheitsministerien. Sie wollten erörtern, wie die für den Fall von Tierseuchen bestehenden Krisenpläne in der konkreten Situation umgesetzt würden, sagte die stellvertretende Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Ursula Horzetzky.
Der Krisenstab kann keine Beschlüsse fassen, sondern gibt Empfehlungen. Allerdings können die Ministerien noch am Wochenende Eilverordnungen erlassen, beispielsweise für ein vollständiges Verbot der Tiermehlverfütterung an Hühner und Schweine. Eine solche Verordnung könnte allerdings frühestens am Mittwoch in Kraft treten, da sie zuvor im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden muss.
Frankreich dringt auf Tiermehlverbot
Die französische Regierung begrüßte das geplante generelle Tiermehlverbot in Deutschland. Landwirtschaftsminister Jean Glavany sagte der AP am Rande des Kongresses der Sozialistischen Partei in Grenoble, er freue sich, dass sich die Haltung der Bundesregierung geändert habe. Wissenschaftlern sei stets klar gewesen, dass es BSE auch in Deutschland gebe.Frankreich hat Mitte des Monats ein totales Verbot von Tiermehl verhängt. Die Verfütterung von Fleisch- und Knochenmehl [MBM] an Wiederkäuer ist EU-weit seit Mitte der 90er Jahre verboten. Frankreich plädiert für ein umfassendes Verbot in der gesamten Europäischen Union, war damit aber Anfang der Woche beim EU-Agrarministerrat in Brüssel gescheitert [Ed: auch am deutschen Agrarminister Funke, der das EU-weite Tiermehl-Verbot blockierte].
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, machte für die jüngsten Entwicklungen insbesondere die EU verantwortlich. Brüssel habe "BSE in England nicht ernst genommen und zu lasch durchgegriffen", sagte Sonnleitner im DeutschlandRadio. Eine Mitverantwortung des Bauernverbandes wies er zurück. Entgegen früheren Äußerungen sagte Sonnleitner zudem, wenn die Verbraucher ein generelles Verbot der Tiermehlverfütterung wollten, "dann werden wir das stoppen und sofort aufhören" [Ed: und warum nicht schon Jahre früher?].
BSE-Krisenplan besteht schon seit 1990
Für den BSE-Fall in Deutschland sind Maßnahmen festgelegt
Aus: Yahoo-News, 25. November 2000, 13.13 Uhr (Politik). [Original]BONN. Für den Fall des Auftretens von Rinderwahnsinn in Deutschland haben die Tierseuchenreferenten des Bundes und der Länder schon im August 1990 einen Krisenplan festgelegt. Nach der zuletzt am 3. April 1996 überarbeiteten Liste muss bei BSE-Verdacht der betroffene Rinderbestand sofort gesperrt werden. Bestätigt sich der Verdacht bei einem Tier, müssen alle Rinder des betroffenen Bestandes getötet und verbrannt werden.
Die Gehirne der Tiere müssen in den Staatlichen Veterinäruntersuchungsämtern untersucht werden, fragliche Ergebnisse werden im Nationalen Referenzlabor Tübingen abgeklärt. Ferner wird versucht, alle ansteckungsverdächtigen Tiere zu identifizieren und zu finden: Dazu gehören
Gesucht werden ferner Embryonen und Eizellen des betroffenen Rindes, es wird versucht, die Möglichkeit der Infektion über Futtermittel zu klären, und es werden Rinder aus dem befallenen Bestand gesucht, die während der letzten sechs Monate von dort geliefert wurden, zum Beispiel an andere Zuchten. Alle ansteckungsverdächtigen Tiere müssen getötet, Embryonen und Eizellen sowie potenziell infizierte Futtermittel verbrannt werden.
- alle direkten Nachkommen des BSE-infizierten Rindes,
- alle Tiere, die während der erste zwölf Lebensmonate des erkrankten Rindes geboren und aufgezogen wurden und deshalb das gleiche potenziell infizierte Futter erhalten haben dürften.
Der BSE-Krisenplan sieht zudem genaue Meldepflichten vor. Der Tierbesitzer hat Anzeichen für eine Tierseuche in seinem Bestand dem zuständigen Veterinäramt anzuzeigen. Über die amtliche Feststellung einer anzeigepflichtigen Tierseuche müssen die zuständigen Behörden unmittelbar das Bundeslandwirtschaftsministerium unterrichten. Die EU-Mitgliedstaaten sind nach einer Richtlinie des Rates verpflichtet, innerhalb von 24 Stunden nach Erstausbruch einer Seuche wie BSE die EU-Kommission und die anderen Mitgliedstaaten zu unterrichten. Informiert werden müssen ferner das Internationale Tierseuchenamt (OIE) sowie bestimmte Drittstaaten.
Drei Verfahren für BSE-Schnelltests an Rindern
Aus: Yahoo-News, 25. November 2000, 14.21 Uhr (Vermischtes). [Original]BERLIN/TÜBINGEN. Für die Untersuchungen von Schlachtkühen auf die Rinderseuche BSE kommen derzeit drei verschiedene Testverfahren in Frage. Die Tests stammen von den Firmen Prionics (Schweiz), Bio-Rad (Frankreich) und Enfer (Irland). In Deutschland haben bislang nur die beiden Hersteller Prionics und Bio-Rad die amtliche Zulassung nach dem deutschen Tierseuchengesetz beantragt. Zuständig ist dafür nationale Referenzzentrum für BSE-Diagnostik an der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen. Beide Tests werden in Deutschland bereits angewandt.
Nach Angaben der Forschungsanstalt beruhen beide Verfahren auf dem immuno- chemischen Nachweis krankhaft veränderter Eiweiße (Prionen) und sind innerhalb von 6 bis 8 Stunden durchführbar. Allerdings können die Tests lediglich an Gewebeproben aus dem Gehirn infizierter Rinder nach dem Tod der Tiere vorgenommen werden. Für die Untersuchungen anderer Gewebe wie Muskelfleisch oder auch Blut sind diese Verfahren nicht geeignet.
Beide Verfahren wurden in einem EU-weiten Versuch geprüft und waren nach Angaben der Tübinger Forscher bei 1400 Proben in der Lage, Gehirngewebe von BSE-erkrankten Tieren von dem BSE-freier Tiere zu unterscheiden. Diese Untersuchung umfasste allerdings keine Proben von Tieren in der Inkubationszeit das ist die Zeit zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Krankheit. Noch lägen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, von welchem Zeitpunkt an innerhalb der durchschnittlichen fünfjährigen Inkubationszeit infizierte Tiere mit Sicherheit erkannt werden könnten. Daraus folgt: Auch Proben mit negativem Testergebnis können nicht garantieren, dass die untersuchten Tiere tatsächlich BSE-frei sind.
"Ein negativ getestetes Tier ist nicht unbedingt BSE-frei", bestätigt Jürgen Kundke vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) in Berlin. Zwar können mit den von der EU geplanten flächendeckenden Tests älterer Tiere Hinweise auf die Ausbreitung von BSE in Deutschland gewonnen werden. Gerade jüngere Schlachttiere könnten jedoch BSE-Erreger unter der heute nachweisbaren Menge in sich tragen.
In der EU sollen vom 1. Juli 2001 an alle Schlachtrinder, die älter als 30 Monate sind, einem Schnelltest unterzogen werden. In Deutschland wären das nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums rund 1,6 Millionen Kühe pro Jahr. Insgesamt wurden in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr fast 4,6 Millionen Rinder (einschließlich der Kälber) geschlachtet der Großteil vor Erreichen des 30. Lebensmonats. Nach Schätzungen wird das Kilo Rindfleisch durch den Test um etwa 30 Pfennig teurer werden.
Byrne wirft Deutschland bei BSE Selbstgefälligkeit vor
EU-Verbraucherkommissar weist Vorwürfe an Brüssel zurück / Auch Spanien in der Kritik
Aus: Yahoo-News, 25. November 2000, 17.34 Uhr (Politik). [Original]BRÜSSEL. EU-Verbraucherkommissar David Byrne hat Deutschland und Spanien im Kampf gegen die Rinderseuche BSE scharf kritisiert. Die beiden Mitgliedstaaten seien bei der Einschätzung der Risiken der Rinderseuche offenbar zu selbstgefällig gewesen, erklärte Byrne heute in Brüssel. "Trotz der wissenschaftlichen Warnungen über die Risiken scheint in diesen Mitgliedstaaten nicht genug gegen BSE unternommen worden zu sein."
Byrne forderte die deutschen und spanischen Behörden auf, die derzeitige Lage genau zu analysieren und sich dringend mit der EU-Kommission sowie der Wissenschaft über das weitere Vorgehen zu beraten. Besondere Aufmerksamkeit müsse darauf gelegt werden, risikoreiche Stoffe aus der Nahrung von Mensch und Tier zu entfernen [Ed: Hirn und Nervengewebe aus allen Wurstsorten]. Der Schutz der Gesundheit und das Vertrauen der Verbraucher sei von äußerster Wichtigkeit. Alles andere müsse dem untergeordnet werden.
Der EU-Kommissar erinnerte daran, dass Deutschland und Spanien unter den Mitgliedstaaten gewesen seien, die permanent gegen wichtige EU-Gesetzentwürfe zu BSE gewesen seien. Seit 1997 habe die Kommission vorgeschlagen, risikoreiche Tierprodukte wie Hirn und Augen aus der Nahrungs- und Futterkette herauszunehmen. Dies sei jedoch ständig blockiert worden. Dank der Unterstützung anderer Mitgliedstaaten sei das Gesetz dann aber doch verabschiedet und zum 1. Oktober in Kraft getreten. "Ich kann deshalb die Bemerkungen einiger deutscher Politiker, dass Brüssel für BSE in Deutschland verantwortlich sei, nicht akzeptieren."
Anstatt die Schuld für Ereignisse in der Vergangenheit woanders zu suchen, müssten die derzeitigen Probleme dringend in Angriff genommen werden. Er schlage deshalb vor, dass diese Politiker dafür sorgten, dass alle EU-Verordnungen zum Verbraucherschutz auch tatsächlich umgesetzt würden. Neben den beiden BSE-Fällen in Deutschland war vergangene Woche auch in Spanien der erste Fall von Rinderwahn bekannt geworden.
Ende der Beschwichtigung
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 26. November 2000, Seite 1 (Leitartikel) von ULRIKE FOKKEN. [Original]Rindfleisch ist sicher in Deutschland. Tiermehl ist sicher in Deutschland. Fleisch zu essen ist sicher in Deutschland. Beständig hat Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke diese Sätze wiedergekäut. Es waren aber eher fromme Wünsche und Hoffnungen, wie wir jetzt wissen, keine gesicherten Erkenntnisse. Funke war in seiner Beschwörung auch nicht allein, sein Vorgänger im Amt Jochen Borchert (CDU) sprach genauso.
Dabei ist bei der Rinderseuche BSE nur eines sicher: Dass nicht mit endgültiger Sicherheit gesagt werden kann, was sie ist, wie sie übertragen wird, wie sie sich im Menschen ausbreitet, ob infizierte Menschen die Krankheit weitergeben können und welche Tierarten eigentlich vom Rinderwahnsinn verschont bleiben werden. Katzen? [Ed: Nein, wg. Max] Karpfen? Schnecken?
Das sind nur einige der Fragen und Rätsel, auf die Wissenschaftler gern eine Antwort hätten. Und sie sind nicht erst in der vergangenen Woche aufgetaucht, sondern vor Jahren, als führende BSE-Forscher in Großbritannien bereits staatlich verfolgt und schikaniert wurden. Nachdem Deutschland nun mit Sicherheit nicht mehr BSE-freie Zone ist, stellt sich die Frage, ob hierzulande nicht die gleiche Untersuchung wie in Großbritannen nötig ist: bis hin zur Staatsanwaltschaft.
Vorerst lässt sich nur vermuten, unter welchem Druck die Landwirtschaftsminister stehen. Wie die Agrarindustriellen dem Minister die Millionen vorrechnen, die sie in die Mastbetriebe gesteckt haben und wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Wie die Funktionäre des Bauernverbandes bei Funke sitzen und von sicherem Fleisch berichten. Schließlich hatte bis Freitag offiziell kein Rind in Deutschland BSE. Allerdings wurde auch kein Tier darauf getestet.
Man mag kaum glauben, dass Minister Funke die ganze Zeit selbst vom untadeligen Zustand der hiesigen Rinderherden überzeugt war. Wenn er es war, dann wirkt das naiv und er [ist] insofern der Aufgabe nicht gewachsen, nun die Verbreitung von BSE einzuschränken und die Gesundheit der Bürger nicht länger zu gefährden. Was, wenn Funke aber nicht überzeugt war? Wenn er dann trotzdem die Aussagen der Agrarindustrie als Gewissheit an die Öffentlichkeit gebracht hat, ist das ebenfalls keine tragfähige Voraussetzung für die Arbeit eines Ministers, der die Ernährung sichern soll. Diese Aufgabe hat er vernachlässigt.
Als Resultat der Politik von Funke werden die Verbraucher nach den BSE-Rindern noch weniger Fleisch essen als in den vergangenen Monaten bereits. Der Fleischverkauf und Verzehr geht seit Jahren zurück, in den vergangenen Monaten ist der Absatz geradezu eingebrochen. Die Verbraucher haben also schon vor der Gewissheit von Rindernwahn ihren Zweifeln mehr getraut mit erheblichen finanziellen Folgen für die Fleischindustrie.
Diese Erkenntnis hat den Ernährungsminister immerhin dazu geführt, innerhalb von vier Tagen vom Tiermehlbefürworter zum Gegner des Kadavermehls zu werden. Aber wohlgemerkt: Es waren die schwindenden Verkäufe der Fleischproduzenten, die Funke umstimmten, nicht die Einsicht, dass auch deutsches Tiermehl mit BSE verseucht sein könnte.
Seit 1994 sind die Rinder vom Tiermehl befreit. Nun soll es auch nicht mehr an Schweine, Hühner oder Puten verfüttert werden. Dem Verbraucher nützt das Verbot zunächst einmal wenig. Alle jetzt noch lebenden Schweine und Hühner sind mit dem Mehl großgezogen worden. Und dann die Rinder, die nicht aus einem Öko-Stall stammen: Wer soll sie jetzt essen? Dazu kann ihnen kein Politiker guten Gewissens raten.
[Funke sieht keine deutschen Versäumnisse]
[Gähnende Leere an vielen Wurst- und Fleischtheken]
BSE-Krise: Totalverbot von Tiermehl-Verfütterung
Wenn schon, denn schon: Auf die angeblich ersten BSE-Fälle in Deutschland reagiert die Regierung mit einem rigorosen Alleingang. Am Abend beschloss sie ein Totalverbot für die Tiermehl-Verfütterung.
Aus: Spiegel Online 26. November 2000, 7.44 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BONN/BRÜSSEL. Auf ein Totalverbot für die Verfütterung Tiermehl- haltigen Futters verständigte sich ein Krisenstab der Landwirtschaftsministerien von Bund und Ländern gestern in Bonn. Das Verbot wird voraussichtlich am Mittwoch [29.11.2000] in Kraft treten. EU-Verbraucherkommissar David Byrne wies unterdessen Vorwürfe deutscher Politiker an Brüssel zurück und bezichtigte Deutschland im Gegenzug in der BSE-Krise der Selbstgefälligkeit.
In einer zweiten Eilverordnung verständigten sich die Experten in Bonn darauf, den Import von Tiermehl nach Deutschland und den Export des Futtermittels zu verbieten. In Deutschland seien bisher 600.000 Tonnen Tiermehl pro Jahr hergestellt und verfüttert worden, erläuterte ein Experte des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Diese Proteinmenge müsse nun durch pflanzliche Eiweiße ersetzt werden. Die Bundesregierung werde beim EU-Agrarministerrat am 4. Dezember eine Initiative für ein gemeinschaftsweites Verfütterungsverbot einbringen.
Der Krisenstab befürwortete ferner ausgedehnte BSE-Tests, "so viel und so schnell wie möglich". In diesem Zusammenhang betonte der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Martin Wille, bei dem in Schleswig- Holstein positiv getesteten Rind sei bislang nur von einem Verdacht die Rede. Ein bestätigendes Ergebnis werde Anfang der Woche vorliegen. Bundesgesundheitsministerin Fischer begrüßte die Maßnahmen des Krisenstabs.
Zweifel an der Identität von Azoren-Kuh
Zweifel gebe es an der Identität des auf den Azoren aufgefallenen, angeblich aus Sachsen-Anhalt stammenden Tieres, sagte Wille. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wolle zur Klärung bei den portugiesischen Behörden eine Genomanalyse erreichen. Sachsen- Anhalts Landwirtschaftsminister Konrad Keller sagte in Magdeburg, die Herkunft des Tieres werde genau überprüft. Die Kuh sei seit 25 Monaten nicht mehr in Deutschland. Es sei nicht auszuschließen, dass sie sich nach ihrem Export infiziert habe. [mehr]EU-Kommissar Byrne erklärte in Brüssel, Deutschland und Spanien seien bei der Einschätzung der BSE-Risiken offenbar zu selbstgefällig gewesen. "Trotz der wissenschaftlichen Warnungen über die Risiken scheint in diesen Mitgliedstaaten nicht genug gegen BSE unternommen worden zu sein." Beide Länder seien unter den Mitgliedstaaten gewesen, die permanent gegen wichtige EU-Gesetzentwürfe zu BSE gewesen seien.
"Ich kann deshalb die Bemerkungen einiger deutscher Politiker, dass Brüssel für BSE in Deutschland verantwortlich sei, nicht akzeptieren." Anstatt die Schuld für Ereignisse in der Vergangenheit woanders zu suchen, müssten die derzeitigen Probleme dringend in Angriff genommen werden. Er schlage deshalb vor, dass diese Politiker dafür sorgten, dass alle EU-Verordnungen zum Verbraucherschutz auch tatsächlich umgesetzt würden. Auch in Spanien war vergangene Woche der erste Fall von Rinderwahn bekannt geworden.
CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer griff Gesundheitsministerin Fischer und Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke scharf an. Der Berliner Morgenpost sagte Meyer, "was sich Schröders Minister in Sachen BSE geleistet haben, geht im wahrsten Sinne des Wortes auf keine Kuhhaut mehr". Fischer habe nichts unternommen und deshalb grob fahrlässig gehandelt. Funke leide unter Realitätsverlust: "Sein bräsiges Verhalten hat den Landwirten in Deutschland einen großen Vertrauensverlust beschert."
[Krisenstab tagt: Landwirtschaftsminister warnt vor "Panikmache"]
[Gesundheitsministerin Fischer: Reale BSE-Gefahr in Deutschland]
[The Independent: BSE war "nur eine Frage der Zeit"]
EU-Tiermehlverbot würde Milliarden Euro kosten
[Ed: EU-Kommissar Fischler hat noch immer nicht verstanden, welche Gefahren vom weltweiten Verteilen von infektiösen Prionen durch Tier- und Knochenmehle ausgehen]
Aus: Yahoo-News, 27. November 2000, 15.07 Uhr (Politik). [Original]PARIS. In der BSE-Krise hat EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler zurückhaltend auf die deutsche Forderung nach einem EU-weiten Verbot von Tiermehl reagiert. Der französischen Tageszeitung Le Figaro [27.11.2000] sagte Fischler, eine solche Entscheidung müsse wohl überlegt sein, da sie weit reichende Folgen hätte. Nach EU-Schätzungen würde die Beseitigung des Knochen- und Tiermehls mindestens 3 Milliarden Euro (rund 6 Milliarden Mark) kosten. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte am Freitag [24.11.2000] ein EU-weites Verbot für Tiermehl gefordert, das im Verdacht steht, zur Verbreitung der Viehseuche BSE beizutragen. Eine Eilverordnung zum sofortigen Verbot des generellen Verfütterns von Tiermehl wird es laut Bundesregierung aber [aus juristischen Gründen] nicht geben.
Die Preise für Sojabohnen und Futter aus Soja aus den USA sind in die Höhe geschnellt, weil erwartet wird, dass die EU ihren Bedarf an den proteinreichen Ölsaaten angesichts der BSE-Krise deutlich steigern dürfte. Die Europäische Union (EU) deckt ihren Bedarf zu 70 Prozent durch Importe. Die EU habe nur in geringem Maße die Möglichkeit, ihre Ölsaat- Produktion zu erhöhen und bleibe von Einfuhren abhängig, sagte Fischler [Ed: wie wäre es mit dem Anbau von heimischen Pflanzen wie Raps, Lupine, Erbsen und Bohnen]. Gegenwärtig belaufe sich die Importmenge auf 15 Millionen Tonnen. Fischler schloss zugleich jede Neuverhandlung des Blair-House- Abkommens aus. Darin hatten die USA und EU 1992 eine Obergrenze für den Anbau von Ölsaaten in der EU vereinbart.
Die Hersteller von Tiermehl müssten mit Verlusten in Höhe von schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro pro Jahr rechnen, sagte Fischler weiter. Er bestätigte, die EU werde Hilfe in Höhe von 60 Millionen Euro für ein privates Lagerungssystem für französisches Rindfleisch bereitstellen. Danach soll Rindfleisch aufgekauft und von Dezember an für 6 Monate gelagert werden. Er sei sich bewusst, dass die französische Rindfleisch-Industrie durch eine ihrer schwersten Krisen gehe, sagte Fischler. In Frankreich war der Verkauf von Rindfleisch um 40 Prozent zurückgegangen, nachdem einige Supermärkte eingeräumt hatten, sie hätten möglicherweise mit BSE verseuchtes Rindfleisch verkauft. Fischler sagte weiter, der EU-weite Preisverfall für Rindfleisch erfordere derzeit keine direkte Intervention der EU.
BSE steht im Verdacht, beim Menschen eine neue Variante der tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auszulösen. Am Freitag war der erste Fall von BSE bei einer in Deutschland geborenen Kuh bekannt geworden. Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke sagte heute, für die ursprünglich vorgesehene Eilverordnung sehe das Bundesjustizministerium keine ausreichende Rechtsgrundlage. Das Verbot solle nun über den Gesetzesweg in Kraft gesetzt werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf werde noch rechtzeitig für die Bundesratssitzung am Freitag [1.12.2000] eingebracht.
EU-Gesundheitskommissar David Byrne sagte unterdessen im irischen Fernsehsender RTE, kein EU- Mitglied könne garantieren, dass sein Rindfleisch BSE-frei sei. Byrne reagierte auf Berichte, Irland plane, sein Rindfleisch als BSE-frei zu vermarkten. Irland habe strenge Kontrollen, sagte Byrne, eine Garantie könne es aber nicht geben. Seit 1989 sind in Irland 550 Fälle von BSE bekannt geworden. [mehr]
Tiermehl auch in Rinderfutter entdeckt
Aus: Yahoo-News, 27. November 2000, 16.33 Uhr (Politik). [Original]BERLIN. Die Krise um die Rinderseuche BSE in Deutschland hat eine neue Dimension angenommen. Heute gab das niedersächsische Landwirtschaftsministerium bekannt, im Rinderfutter eines Futterherstellers sei Tiermehl entdeckt worden, obwohl dies seit 6 Jahren verboten ist. Tiermehl steht im Verdacht, die Verbreitung von BSE zu begünstigen. Zudem erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD), die Verfütterung von Tiermehl werde erst später verboten als noch am Wochenende angekündigt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wies Vorwürfe der EU-Kommission und der CDU zurück, die Bundesregierung sei beim Schutz vor BSE zu zögerlich gewesen.
Das mit Tiermehl versetzte Rinderfutter stammte nach Angaben aus Behördenkreisen aus einem Mischfutterbetrieb, der neben Rinderfutter auch Futtermittel für andere Tiere herstellt. Der Betrieb verwende für Schweine- oder Geflügelmischfutter auch Tiermehl. Nach Angaben des Ministeriums in Hannover wurde die gesamte Charge, aus der die Stichprobe gezogen wurde, sichergestellt.
Bei dem Mischfutter-Hersteller handelt es sich um die Firma Kohnen in Sögel im Emsland bei Cloppenburg. Der Prokurist der Firma bestritt, dass das Tiermehl bewusst beigemischt worden sei. "Wir haben niemals Tiermehl beigemengt", sagte er. Denkbar sei allenfalls ein Versehen. Inzwischen seien alle Anlagen gereinigt worden, so dass der Betrieb weiterarbeiten dürfe. Für die gesamte Produktion werde aber kein Tiermehl mehr verwendet.
Die Verfütterung von Tiermehl an Rinder ist seit 1994 in der Europäischen Union (EU) verboten. Die Bundesregierung hatte nach Bekanntwerden der ersten BSE-Fälle in Deutschland am Wochenende angekündigt, ab Mittwoch solle dieses Verfütterungsverbot auch für alle anderen Tiere in der Landwirtschaft gelten. Nach Angaben Funkes wird das Verbot aber nun frühestens am Samstag in Kraft treten können. Für die ursprünglich vorgesehene Eilverordnung sehe das Bundesjustizministerium keine ausreichend juristisch begründbare Gefahrenlage. Das Verbot solle nun über den Gesetzesweg in Kraft gesetzt werden. Er rechne mit einer Verabschiedung am Freitag [1.12.2000], sagte Funke weiter: "Wenn am Freitag der Bundesrat zustimmte, würde das am Samstag in Kraft treten."
Mit dem generellen Verbot reagiert die Bundesregierung auf den ersten Fall von BSE bei einer in Deutschland geborenen Kuh, der am Freitag bekannt geworden war. Experten gehen davon aus, dass das Tier möglicherweise durch Tiermehl erkrankte, obwohl der Bauer in Schleswig- Holstein nach eigenen Angaben nur tiermehlfreies Futter verwendete.
Schröder sagte zu Kritik an Deutschland aus der EU-Kommission vor einer Sitzung des SPD- Präsidiums: "Ich denke, dass wir gezeigt haben, dass wir schnell und präzise zu handeln im Stande sind." Der zentrale Krisenstab aus Bund und Ländern habe Vorschläge zum weiteren Vorgehen gemacht. "Das ist nicht nur ein deutsches Problem, sondern auch ein europäisches Problem." Deshalb werde die Bundesregierung neben dem Verbot von Tiermehl-Verfütterung "auch auf der europäischen Ebene handeln". Nach Angaben von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering richtete sich Kritik im Präsidium an Versäumnissen nicht gegen Funke.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kündigte eine Strafanzeige gegen Unbekannt an. Es habe bei der Verfütterung von Tiermehl nicht genügend Vorsorge gegeben, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, der grüne Europaabgeordnete Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, im MDR. Er forderte einen Bundestags- Untersuchungsausschuss.
EU-Gesundheitskommissar David Byrne bekräftigte den Vorwurf, dass Deutschland wie auch Spanien im Glauben, sie seien frei von BSE, wenig kooperativ gewesen seien. EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler reagierte zurückhaltend auf die deutsche Forderung nach einem EU-weiten Verbot von Tiermehl. Der französischen Tageszeitung Le Figaro sagte er, eine solche Entscheidung müsse wohl überlegt sein, da sie weit reichende Folgen hätte. Nach EU-Schätzungen würde die Beseitigung des Knochen- und Tiermehls mindestens drei Milliarden Euro (rund sechs Milliarden Mark) kosten. Die EU- Agrarminister wollen am Montag in Brüssel zu einer Sondersitzung zum Thema BSE zusammenkommen. Das verlautete aus Kreisen des französischen Landwirtschaftsministeriums in Paris.
Die deutschen Bauern können nach Äußerungen Funkes in der Bild-Zeitung keine Hilfen für drohende Umsatzeinbußen durch BSE erwarten. Vor Journalisten erklärte der Minister, an ein Export-Verbot für deutsche Rinder sei nicht gedacht. Deutschen Verbrauchern riet Funke, beim Fleischer ihres Vertrauens zu kaufen, der auch Auskunft über die Herkunft des Fleisches geben könne. Der agrarpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Albert Deß, nannte es unverantwortlich, dass Funke Hilfen für deutsche Bauern jetzt schon ausschließe.
Für die Tierzüchter wird das Tiermehl-Verbot voraussichtlich deutlich höhere Kosten für Futtermittel zur Folge haben. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbandes Tiernahrung (DVT), Hubert Rote, sagte, er erwarte höhere Kosten "in der Größenordnung von 10 bis 15 Prozent".
Nach BSE-Fall Eilverordnung für Tiermehl-Verbot gescheitert
Aus: Yahoo-News, 27. November 2000, 17.13 Uhr (Politik). [Original]BERLIN. Die ersten BSE-Fälle in Deutschland haben die Politik in ein Dilemma gestürzt. Die Bundesregierung kann die Verfütterung von Tiermehl nicht wie geplant bereits von Mittwoch an im Eilverfahren verbieten. Ein entsprechendes Gesetz kann frühestens am kommenden Samstag in Kraft treten. Für die Kunden in der Metzgerei gibt es derzeit keine hundertprozentige Gewähr dafür, dass Rindfleisch BSE-frei ist. Das Landwirtschaftsministerium richtete eine bundesweite Hotline zum Thema Rinderwahnsinn ein: (030) 200 631 20 [Ed: die aber bereits am 1. Dezember 2000 wieder dicht gemacht wurde].
Öko-Test: BSE-Risiko in Brühwürstchen Verkaufsverbot gefordert
Aus: Yahoo-Finanzen, 27. November 2000, 18.04 Uhr (BSE). [Original]FRANKFURT/MAIN. Die Verbraucherzeitschrift Öko-Test in Frankfurt fordert ein Verkaufsverbot für so genanntes Separatoren-Fleisch, das beispielsweise bei Brühwürstchen verwendet wird. Diese Fleischart könne Hirn und Rückenmark von Rindern enthalten und somit BSE-Erreger in sich tragen, warnte das Magazin heute.
Separatoren-Fleisch werde mit Maschinen von den Knochen der Tiere heruntergeschabt. Dabei könnten auch Gewebeteile des Zentralen Nervensystems in die Masse gelangen. Solche Rückstände hätten Untersuchungen belegt, die Öko-Test im April veröffentlicht habe. [Kritische Wurstsorten]
Bundestag bringt Gesetz gegen Tiermehl-Verfütterung auf den Weg
Rücktritt des Landwirtschaftsministers gefordert / Kosten der BSE-Schnelltests treffen auch den Verbraucher
Aus: Yahoo-News, 28. November 2000, 17.11 Uhr (Politik). [Original]BERLIN. Fünf Tage nach Entdeckung der ersten deutschen BSE-Kuh hat der Bundestag ein Gesetz gegen Tiermehl-Verfütterung auf den Weg gebracht [Ed: wer gegen Verbot der Tiermehl-Verfütterung verstößt, begeht künftig eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 50.000 Mark geahndet werden kann]. Die Regierung rechnet damit, dass das Gesetz am Samstag [2.12.2000] in Kraft treten kann. Die Opposition kritisierte heute in Berlin das Verbot als unzureichend. Das Gesetz verbietet neben der Verfütterung auch den Im- und Export von Tiermehl. Untersagt wird ebenso die Verfütterung von Geflügelmehl und tierischen Fetten an Nutztiere. Fischmehl darf nur noch an Fische verfüttert werden. Geregelt werden auch die Kosten, die durch das neue Gesetz entstehen. Länder, Kommunen und Landwirte sollen die Mehrausgaben für die Tierkörperbeseitigung zu gleichen Teilen übernehmen.
Die Kosten für die demnächst flächendeckend anlaufenden BSE-Schnelltests werden nach Aussage des schleswig- holsteinischen Umweltministers Klaus Müller hingegen die Verbraucher zahlen. Grundlage dafür sei eine Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums, erklärte der Grünen-Politiker. Er rechnet mit einem Preisaufschlag von rund einer Mark pro Kilogramm Rindfleisch.
Funke zum Rücktritt aufgefordert
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos forderte die Bundesregierung auf, schnell und unbürokratisch Hilfen für die Bauern zu gewähren. Dies sei zum Schutz der von einer Existenzkrise bedrohten Landwirtschaft erforderlich, sagte Glos. Außerdem müsse sich die Bundesregierung für ein europaweites Verbot der Verfütterung von Tiermehl und für eine verbesserte Kennzeichnungspflicht einsetzen. Notwendig sei eine lückenlose Kontrolle des Rindfleischs vom Stall bis zur Ladentheke.Glos nannte den SPD-Politiker Karl-Heinz Funke eine "krasse Fehlbesetzung" auf dem Posten des Bundeslandwirtschaftsministers [Ed: wie schon vorher Technokrat Jochen Borchert (CDU)]. Er gebe überall nach, könne "nur Sprüche machen und nichts durchsetzen". Er sei nicht der Sachwalter der Anliegen von Verbrauchern und Bauern. Auch führende Landespolitiker der Grünen forderten Funke zum Rücktritt auf.
Opposition nennt Maßnahmen ungenügend
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Horst Seehofer, forderte ein Import-Verbot für Rindfleisch. Wegen der BSE-Fälle in Großbritannien, Portugal und Frankreich dürfe kein Fleisch mehr nach Deutschland eingeführt werden, sagte Seehofer der Zeitung Die Welt [29.11.2000]. Die Union werde dem Gesetz zum Verbot der Tiermehlverfütterung zustimmen, das Verbot sei jedoch nur "ein Mosaikstein" zum Schutz der Verbraucher.Die FDP-Fraktion forderte die Bereitstellung von mehr Forschungsgeldern, um Rinderwahn und die davon vermutlich verursachte neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wissenschaftlich zu untersuchen.
Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft erklärte, sie werde Klage gegen Unbekannt einreichen. Der Grünen-Politiker Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender des Agrarausschusses der Europäischen Union und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, sagte, es müsse geklärt werden, wer die Verantwortung für eventuelle Schadensfälle zu tragen habe. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, warnte indessen vor überzogenen Reaktionen. Telefon-Hotline zu BSE: 030-20063120 und 0228-5294453 [Ed: die aber bereits am 1. Dezember 2000 wieder dicht gemacht wurden].
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