BSE & Co in den Medien – Teil 13 khd
Stand:  5.6.2003   (56. Ed.)  –  File: M/edien13.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Artikel und andere Texte zur durch den Rinderwahnsinn BSE und der Anwendung der Gentechnik ausgelösten Problematik sowie zur gefährlichen H5N1-Vogelgrippe (Geflügelpest) und H1N1-Schweinegrippe gespiegelt und damit auf Dauer dokumentiert. Manches ist auch mit [Ed: ...] kommentiert. Tipp- und Übertragungsfehler gehen zu meinen Lasten.

Die anderen Vergiftungen von Nahrungsmitteln haben ab Ende 2004 eine eigene Webseiten- Serie in der Abteilung "Food" erhalten.

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  • Neuere Presseberichte  (14. Teil).
  • 21.12.2000: BSE: Vorsicht billige Wurst.
  • 20.12.2000: Fischer fordert Rücknahme älterer Wurstprodukte.
  • 19.12.2000: Keine Rückholaktion für Wurstwaren.
  • 19.12.2000: Klee statt Tiermehl.
  • 19.12.2000: Es geht um die Wurst. (BZ-Kommentar)
  • 19.12.2000: Schröder: Bei BSE nicht aufgepasst.
  • 18.12.2000: Tierärzte bemängeln Kontrollen des Tiermehl-Verbots.
  • 18.12.2000: BSE: Kein Bauer kann mehr sicher sein.
  • 18.12.2000: Vorsicht bei Gütesiegeln für Fleisch.
  • 18.12.2000: Gesundheitsministerium erwartet französische BSE-Verhältnisse.
  • 18.12.2000: Neuer BSE-Test: "Wir stehen noch am Anfang".
  • 18.12.2000: Degussa-Hüls-Medikament könnte CJD „verlangsamen“.
  • 18.12.2000: Kein BSE-frei-Staat. (FR-Kommentar)
  • 17.12.2000: Neuer BSE-Test. (Bluttest von Boehringer)
  • 16.12.2000: BSE in Bayern?
  • 16.12.2000: Rindfleisch liegt wie Blei in der Theke. („Qualität aus Bayern“)
  • 16.12.2000: Finanzminister Eichel: Subventionen für Landwirte als "pervers" kritisiert.
  • 15.12.2000: Verstoß gegen das Tiermehlverbot.
  • 15.12.2000: Schweiz will auch Bio-Dünger aus Tiermehl verbieten.
  • 14.12.2000: Expertenrunde zu Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mit Bulmahn.
  • 14.12.2000: EU-Gesundheitsminister wollen verstärkte BSE-Forschung.
  • 14.12.2000: Deutsche Bauern umgehen BSE-Vorschriften.
  • Ältere Presseberichte  (12. Teil).



    R I N D E R W A H N

    Deutsche Bauern umgehen BSE-Vorschriften

    In Deutschland sind BSE-Tests für Schlachtrinder seit wenigen Tagen Pflicht. Doch die eilig beschlossene Verordnung läuft bisher ins Leere, denn viele Bauern fahren mit ihren Rindern mittlerweile ins nahe EU-Ausland und lassen dort schlachten – ohne den teuren Test.

    Aus:
    Spiegel-Online, Hamburg, 14. Dezember 2000, 00.37 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    HAMBURG. Immer mehr deutsche Bauern umgehen die in Deutschland eingeführte Testpflicht auf BSE. Nach ersten Hinweisen aus Hannover und Nordrhein- Westfalen drängen jetzt die Landwirtschaftsminister der Länder die Bundesregierung auf eine EU-weite Regelung zur Einführung der Tests. Sollte dies nicht bis 1. Januar durchgesetzt werden, wollen sich die Bundesländer notfalls für ein Importverbot – egal ob von ausländischem oder nur im Ausland geschlachteten deutschem Rindern – stark machen. Das haben die Minister vorgestern auf einer Planungssitzung in Bonn vereinbart.


    Immer mehr deutsche Kühe werden zur Schlachtung ins Ausland geschafft.

    In den Niederlanden hat die Regierung gestern auf Hinweise aus den eigenen Schlachtereien reagiert: Ab heute wird dort jedes Rind aus Deutschland, das über 30 Monate alt ist, auf BSE getestet. Der Landwirtschaftsattaché im niederländischen Konsulat, Niek Schelling, in Bonn sagte dazu auf Anfrage: "Wir reagieren damit auf die steigende Zahl von deutschen Rindern in unseren Schlachthöfen." Für in Holland geborene Rinder besteht allerdings nach wie vor keine Testpflicht. Der Grund sei, dass in niederländischen Herden bisher kein BSE-Fall entdeckt wurde.

    Die ersten Hinweise für die Abwanderung der Bauern kamen von den heimischen Schlachtern. Denn seit in Deutschland die Testpflicht für über 30 Monate alte Schlachtrinder gilt, bekommen sie deutlich weniger zu tun. Ganz im Gegensatz zu den Kollegen beispielsweise in den Niederlanden oder Belgien. Sie bemerken in den letzten Tagen einen erstaunlichen Zuwachs an deutschem Rindern, die bei ihnen geschlachtet werden.

    Illegal ist die Auslandsschlachtung nicht

    "Wir haben die Entwicklung seit Tagen beobachtet", sagt der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Niedersachsen, Hanns-Dieter Rosinke. Doch die Beamten gegen den Trend zur Auslandsschlachtung nichts unternehmen. Denn den strengen deutschen Regeln bei der Schlachtung von Tieren steht die Freizügigkeitsgarantie für den Güterhandel innerhalb der Europäischen Union entgegen. "Den Bauern ist es nicht verboten, ihr Fleisch woanders schlachten zu lassen und es wieder einzuführen", erklärt Rosinke. Opfer sei mal wieder der Verbraucherschutz.

    Für die Bauern ist all das eher eine Frage des Portemonnaies als der Moral. Denn der Test auf BSE kostet in Deutschland rund 250 Mark pro geschlachtetem Rind. Ein Transport nach Holland kann sich da schon lohnen. "Der Preis von einem Rind liegt mittlerweile bei etwa 1000 Mark, da ist der Test mit 250 Mark schon ein entscheidender Faktor", erklärt Rosinke. "Bei solchen Verhältnissen siegt eben der Geldbeutel über die Moral."

    Auch Verbände laufen Sturm

    Auch der Bundesverband der Versandschlachtereien forderte am Mittwoch von der Bundesregierung eine EU-weite Regelung. Der Wettbewerbsnachteil der deutschen Bauern durch die Testpflicht im Alleingang müsse umgehend durch eine EU-Verordnung, die die BSE-Tests in allen Unionsländern vorschreibt, aufgehoben werden, sagte der Verbandsvorsitzende Paul Brand.

    Die Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministers Karl-Heinz Funke äußerte sich bislang nur wortkarg zum Thema. Die Praxis der Bauern sei nicht illegal aber auch "nicht im Sinne des Verbraucherschutzes", räumte sie ein. Über konkrete Maßnahmen und Zahlen über das Ausmaß dieses "Schlupfloches" könne sie aber noch nichts sagen [Ed: ja, wußten die Agrar- Politiker das denn nicht?]. [mehr]



    EU-Gesundheitsminister wollen verstärkte BSE-Forschung

    Aus:
    RZ-Online, 14. Dezember 2000, 20.11 Uhr (Newsticker). [Original]

    BRÜSSEL. Die EU-Gesundheitsminister wollen im Kampf gegen den Rinderwahnsinn verstärkte Forschungsanstrengungen unternehmen. Außerdem möchten sie zukünftig an allen EU- Entscheidungen, die die Gesundheit betreffen, beteiligt werden. Bislang fallen die Maßnahmen gegen den Rinderwahnsinn auf europäischer Ebene in die Zuständigkeit des Agrarministerrates.

    Unterdessen hat sich der Verdacht auf einen BSE-Fall [Ed: bei einer 12-jährigen Kuh aus einem Dorf nahe Luckau] in Brandenburg vorerst nicht bestätigt. Nachdem ein erster Schnelltest in Berlin unklar gewesen sei, sei ein zweiter negativ ausgefallen, sagte Brandenburgs Agrarminister Wolfgang Birthler in Potsdam.



    Expertenrunde zu Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mit Bulmahn

    Aus:
    RZ-Online, 14. Dezember 2000, 20.55 Uhr (Newsticker). [Original]

    BERLIN. Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn hat im Kampf gegen den Rinderwahnsinn verstärkte Forschungs- Anstrengungen in Aussicht gestellt. Absolute Priorität habe die Entwicklung von Schnelltests und wirksamen Therapieformen, sagte die Ministerin nach einem Treffen mit Experten in Berlin. Die Tests müssten künftig in der Lage sein, schon vor Ausbruch der Krankheit, BSE oder Creutzfeldt-Jakob zu erkennen.



    Schweiz will auch Bio-Dünger aus Tiermehl verbieten

    Aus:
    Yahoo-News, 15. Dezember 2000, 18.13 Uhr (Vermischtes). [Original]

    BERN. Im Kampf gegen die Rinderseuche BSE will die Schweiz auch Bio-Dünger aus Tiermehlen verbieten. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) beschloss heute, dem Bundesrat einen entsprechenden Antrag zu stellen, wie BLW-Sprecher Jürg Jordi auf Anfrage mitteilte. Trotz Vorbehalten der Branche wären auch Huf- und Hornmehle vom Verbot betroffen.

    Da Fleisch-, Knochen- und Blutmehle sowie Gelatine und Fett ab kommendem 1. Januar nicht mehr verfüttert werden dürften, müssten sie gleichzeitig auch aus den hauptsächlich im Bio-Landbau verwendeten Düngern verschwinden, sagte Jordi weiter. Dass man gegen den Widerstand der Produzenten und Vertreiber auch Huf- und Hornmehle verbieten lassen wolle, liege an der unklaren Herkunft, Herstellung und Lagerung der Produkte. Laut Jordi kann sich das Bundesamt grundsätzlich vorstellen, Huf- und Hornmehle wieder zuzulassen. Es müsste aber bewiesen werden, dass sie bezüglich BSE unbedenklich seien. Dies wäre vorstellbar, wenn die Produkte beispielsweise in Argentinien gesondert hergestellt und ohne Kontakt zu anderen Tiermehlen importiert würden.



    S A C H S E N - A N H A L T

    Verstoß gegen das Tiermehlverbot

    Das Tiermehlverbot bei der Produktion von Futtermitteln wird in Sachsen-Anhalt offenbar in großem Stil unterlaufen. Gegen zahlreiche Tierzüchter und Futtermittelhändler laufen bereits Bußgeldverfahren.

    Aus:
    Spiegel-Online, Hamburg, 15. Dezember 2000, 21.10 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]


    Die Verfütterung von Tiermehl ist seit dem 2. Dezember 2000 in Deutschland verboten.

    Aber die Maximalstrafe beträgt nur 50.000 DM.


    MAGDEBURG. Bei Kontrollen in Sachsen-Anhalt wurden jetzt nach Angaben von Landes-Agrarminister Konrad Keller (SPD) in nahezu jeder fünften Futtermittel-Probe Tiermehlbestandteile gefunden. Von 435 Proben seien 88 positiv auf Tiermehl getestet worden, sagte Keller vor dem Landtag in Magdeburg.

    Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) forderte die Bundesländer daraufhin zu "schärfsten" Kontrollen auf. Nach Angaben Kellers wurde gegen 58 Tierzüchter ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Darunter seien auch zahlreiche Rinderhalter. Weitere Bußgeldverfahren seien gegen 15 Futtermittelhändler in Gang gesetzt worden. Den Händlern sei zudem untersagt worden, das positiv getestete Futter in Umlauf zu bringen.

    Eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums in Berlin sagte, vereinzelte Verstöße seien auch schon in anderen Bundesländern registriert worden. Die jetzt aus Sachsen-Anhalt bekannt gewordenen Zahlen hätten jedoch eine "ganz andere Dimension". Funke sagte, "es darf nicht sein, das gesetzliche Regelungen zum Schutz der Verbraucher durch Handel und Wirtschaft unterlaufen werden." Bei Verstößen müssten sofort alle Sanktionsmöglichkeiten ergriffen werden. Die betroffenen Wirtschaftsverbände seien aufgefordert, "schwarze Schafe" in den eigenen Reihen ausfindig zu machen und Gesetzesverstöße zu unterbinden. Mit dem Tiermehlverbot soll eine weitere Ausbreitung des Erregers der Rinderseuche BSE über das Futter verhindert werden.



    Eichel: Subventionen für Landwirte als „pervers“ kritisiert

    Aus:
    Kölner Stadt-Anzeiger, 16. Dezember 2000, Seite ?? (???). [Original]

    BERLIN. In der Debatte um die Kosten der BSE-Krise hat Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) die staatlichen Subventionen für Landwirte kritisiert. Der Agrarbereich stehe insgesamt in Europa auf einem "sehr hohen Subventionssockel mit teilweise falschen Subventionen", sagte Eichel der Berliner Morgenpost. Erst werde die Produktion gefördert und bei Überproduktion Tiere geschlachtet und verbrannt. "Das ist für mich ein perverser Vorgang", sagte der Finanzminister [Ed: eben Planwirtschaft à la EU seit den Butterbergen der EWG].

    "So darf Landwirtschaftspolitik auf Dauer nicht funktionieren." Eichel stellte klar, der Bund werde in der BSE-Krise seinen finanziellen Verpflichtungen gerecht. "Aber wir dürfen dabei nicht ständig neue Subventionstatbestände aufbauen", warnte der Minister. "Gute, sichere und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel kosten ihr Geld. Ich kann das nicht durch den Staatshaushalt subventionieren."



    Rindfleisch liegt wie Blei in der Theke

    Der Verbraucher in Zeiten von BSE

    Aus:
    Passauer Neue Presse, 16. Dezember 2000, Seite ?? (Lokalteil Regen). [Original]

    REGEN. Zenta Waasmaier sieht robust aus – trotzdem hatte die Bäuerin aus Rattiszell (Landkreis Straubing- Bogen) in den vergangenen zwei Tagen einen schweren Stand bei ihrer Arbeit. Im Supermarkt E-Center informierte sie über das Gütesiegel „Qualität aus Bayern – Garantierte Herkunft“, das es vom bayerischen Landwirtschaftsministerium für Fleisch gibt. Thema Nummer 1 beim Dialog mit den Einkäufern: BSE, Rindfleisch. "Ihr werft's de Viecher des Tiermehl hi und lasst's des fressen!" – diesen vorwurfsvollen Satz hörte Zenta Waasmaier nicht nur einmal bei ihren Gesprächen zwischen Info-Stand und Fleischtheke. Und geduldig erklärte sie wieder und wieder, dass an die Rinder kein Tiermehl verfüttert wird.

    Und was ist mit der Meldung, dass die Kälber hungern müssten, wenn sie kein Tiermehl bekämen? "Total missverständlich", sagt Waasmaier, sei diese Meldung gewesen. "Die tierischen Fette, die in den Milchaustauschern für die Kälber sind, das sind Milchfette", sagt sie. Den Kunden erläutert sie jetzt, was es bedeutet, wenn das Fleisch das Siegel "Qualität aus Bayern" trägt: Dass der Fleischprüfring, beauftragt vom Landwirtschaftsministerium die Herkunft und Qualität vom Bauernhof bis zur Fleischtheke überwacht. "Hier", sagt sie und deutet auf den Begleitzettel für die verschweißten Fleischstücke, "anhand dieser Nummer kann man identifizieren, aus welchem Betrieb dieses Fleisch kommt, von welchem Tier". Bloß hat sie das Problem, dass das den Konsumenten gar nicht so recht interessiert. Er lässt die Finger einfach ganz vom Rindfleisch. Auch von dem Rindfleisch mit dem "Qualität aus Bayern"-Siegel. Die Kosten für die Überwachung machen rund 70 Pfennig pro Kilo Rindfleisch aus.

    Wie groß die Verunsicherung beim Verbraucher ist, das sieht Metzgermeister Quirin Allinger vom E-Center schwarz auf weiß an den Umsatzzahlen. "Wir verkaufen seit dem deutschen BSE-Fall ungefähr 70 Prozent weniger Rindfleisch als vorher", sagt er. Die Kunden steigen um auf Schwein, Pute, Fisch, Käse. Und so wird sich der Trend weiter fortsetzen. 1990 noch hatte der deutsche Durchschnittsesser im Jahr 14,8 Kilo Rind- und Kalbfleisch auf dem Teller; 1998 waren es nur noch 10,3 Kilo.

    Der sinkende Fleischverzehr, "das ist einer der Gründe, warum es die Metzger so beutelt", sagt Innungsobermeister und Kreishandwerksmeister Alfons Oswald. Die BSE-Krise hält er für gar nicht so entscheidend. 60 handwerklich produzierende Metzger gibt es noch im Landkreis. "Das ist bezogen auf die Einwohnerzahl die höchste Metzgerdichte in Bayern", sagt Oswald, und prophezeit: "Die Zahl wird sinken." Wegen des geringeren Fleischkonsums, aber auch wegen der starken Konkurrenz durch die Filialisten und Supermärkte. Wie hoch die Zahl der Metzger im Landkreis ist, zeigt der Vergleich mit München: Laut Oswald gibt es in der 1,3-Millionen-Einwohner-Stadt nur noch 80 handwerklich arbeitende Metzgereien.

    Josef Pletl, Kreisobmann des Bauernverbands, fällt nur ein Wort ein, wenn er auf die BSE-Krise angesprochen wird: "Katastrophe!" Und das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Für ein 100-Kilo-Kalb, das die Landwirte im August 2000 auf dem Kälbermarkt verkauften, gab es 1077 Mark. Im Dezember bekam der Bauer für ein 100-Kilo-Kalb nur noch 732 Mark. 345 Mark weniger, ein Rückgang um 32 Prozent.



    BSE: Jetzt auch in Bayern?

    Erster BSE-Verdachtsfall in Bayern: In Kempten wurde ein vermutlich infiziertes Rind geschlachtet. Das ergab ein Schnelltest von 57 Proben des dortigen Schlachthofs.

    Aus:
    Spiegel-Online, Hamburg, 16. Dezember 2000, 18.45 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    MÜNCHEN/KEMPTEN. Das verdächtige Rind stammt aus einem Betrieb [aus Sulzberg] im Landkreis Oberallgäu, wie das bayerische Gesundheitsministerium am frühen Samstagmorgen mitteilte. Das Tier wurde ausweislich der Angaben der bayerischen Rinderdatenbank am 5. Oktober 1995 geboren [Ed: also nach dem Bann der Tiermehl- Verfütterung an Wiederkäuer vom Juni 1994].

    Die Probe stammt nach Angaben des Ministeriums aus einer Schlachtung des Schlachthofs in Kempten (Allgäu) am 13. Dezember. Schlachthof und Herkunftsbetrieb wurden vorsorglich gesperrt, das Fleisch sichergestellt.

    Vom Schlachthof waren zunächst 57 Proben an ein privates Labor eingesandt worden. Untersuchungen am Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen in Nordbayern wurden erforderlich, nachdem bei dem privaten Labor ein positiver und vier unklare, nicht eindeutig negative Befunde erhoben worden waren.

    Das Tier hatte bis zur Schlachtung den Bestand nicht gewechselt. Wenn sich der positive Befund durch eine weitere Untersuchung bestätigt, werden nach Angaben des Ministeriums alle Tiere des Bestandes getötet und beseitigt. Ihre Gehirne werden untersucht.

    Das gleiche gilt für das Muttertier, Geschwister und alle direkten Nachkommen der infizierten Kuh sowie für alle Rinder, die während der ersten zwölf Lebensmonate des infizierten Tieres in dessen Bestand geboren und aufgezogen wurden und das gleiche Futter erhalten haben. Darüber hinaus wird die Fütterung des gesperrten Betriebs untersucht, die Futtermittel werden auf eventuelle Tiermehlanteile kontrolliert. [mehr] [Kommentar]



    Neuer BSE-Test

    Rindfleisch bald wieder sicher / Forscher aus Rheinland-Pfalz entwickeln neues Verfahren

    Auszug aus: Bild am Sonntag (BamS), Hamburg, 17. Dezember 2000, Seite 1 + 8–9 (Titel).

    HAMBURG. (...) Derzeit kann BSE nur an toten Tieren erkannt werden, denn alle Tests beruhen auf der Untersuchung eingeschickter Gewebeproben der Hirnmasse. Boehringer- Ingelheim hat jetzt ein Verfahren entwickelt, das Notschlachtungen verhindert und dem Verbraucher Sicherheit garantiert.

    Das Neue daran: Der BSE-Erreger kann jetzt im Blut lebender Tiere nachgewiesen werden. „Unser Verfahren ähnelt einem Diabetes-Test für Zuckerkranke“, sagt Dietrich Janott (58), Geschäftsführer der zuständigen Boehringer -Tochterfirma Vetmedica. „Zuerst entnehmen wir dem Tier eine Blutprobe, im Labor wird dann mit einem so genannten Elisa-Test geprüft, ob eine Infektion vorliegt.“

    Bei diesem Verfahren werden isolierte BSE-Erreger (Antikörper) eines erkrankten Tieres mit dem entnommenen Blut in Kontakt gebracht. Anschließend schwemmt eine Waschlösung alle störenden Stoffe (Bakterien, Viren) weg – jetzt durchsuchen die Antikörper, die mit einem Leuchtmittel markiert sind, das Blut nach BSE-Erregern [Ed: infektiöse Prionen]. Werden sie fündig, lässt sich der entdeckte Erreger durch die leuchtende Markierung sofort erkennen. „Anhand der Verfärbung können wir Rinderwahnsinn feststellen“, sagt Janott. „In 3 bis 4 Wochen haben wir unsere Labortests abgeschlossen, läuft alles nach Plan, sind wir im Spätsommer 2001 einsatzbereit.“.

    Setzt sich das Verfahren durch, können Verbraucher wieder aufatmen. „Das wäre ein großer Fortschritt für sorgenfreieren Rindfleischverzehr“, meint Erwin Jordan, Staatssekretär im Gesundheitsministerium (Bündnis 90/Grüne).

    Die Kosten beziffert Janott auf „150 Mark pro Test“. Damit wäre er rund 50 Mark billiger als die derzeit durchgeführten Tests. Schneller ist er auch: „Im Labor dauert der Test etwa 20 Minuten. Wir könnten noch am Tag der Schlachtung eine Blutprobe analysieren.“ Pharma- Geschäftsführer Janott zur BamS: „Die Gefahr, dass BSE-Rinder in den Schlachtungsprozess und ihr Fleisch anschließend ins Supermarktregal gelangen, wäre damit gleich null.“ Weitere Vorzüge: „Wir können die Tests unabhängig vom Alter der Tiere anwenden, durch regelmäßige Blutentnahmen eine ständige Kontrolle garantieren.“ Zudem wird an einer Version gearbeitet, die der Tierarzt „beim Bauern vor Ort durchführen kann“.

    Der größte Fortschritt liegt laut Janott aber darin, „dass wir nah an den Infektionszeitpunkt herankommen. Das Auffinden des Erregers im Anfangsstadium ist immens wichtig für die Ursachenforschung von BSE. Das bildet die Basis für einen zukünftigen Impfstoff für Tiere und letztlich auch für uns Menschen.“ [Ed: und wann gibt es Teststäbchen oder Biochips zum Do-it-yourself- Testen von Wurst und Fleisch für jedermann? Denn das Vertrauen der Verbraucher in Deklarationen oder jegliche „Gütesiegel“ ist endgültig dahin]. [mehr]

    [Chronik der BSE-Krise]

    25.1.2001 (bse-p). Das Pharma-Unternehmen Boehringer-Ingelheim hat jetzt die Ankündigung, noch in diesem Jahr einen BSE-Test am lebenden Tier einzuführen, wieder zurückgezogen.



    Kein BSE-frei-Staat

    Rinderwahn nun auch in Bayern – und nun stellt sich verschärft die Frage nach den Übertragungswegen

    Aus:
    Frankfurter Rundschau, 18. Dezember 2000, Seite xx (xxx). [Original]

    Wer nicht sucht, der findet auch nichts. Wer aber sucht, der läuft Gefahr, noch mehr Unangenehmes herauszufinden, als er vorher durch das absichtsvolle Nicht- Suchen verdecken wollte.

    Nach Schleswig-Holstein hat es nun auch Bayern erwischt. Das Image vom BSE-frei-Staat ist dahin, seitdem sich zumindest bei einem der drei jetzt bekanntgewordenen Fälle der Verdacht auf Rinderwahnsinn erhärtet hat. Dass dies einen "schweren Schlag für die bayerische Landwirtschaft" darstellt, hat Bayerns Agrarminister Josef Miller gleich richtig erkannt. Denn das bislang sorgsam gepflegte Image von der naturnahen Scholle in Deutschlands Süden mit seinen glücklichen Kühen auf saftigen Wiesen vor leuchtendem Alpenpanorama droht heftige Kratzer zu bekommen.

    Doch Image-Fragen stellen das kleinere Problem dar. Wenn es stimmt, dass zum Beispiel auf dem betroffenen Bauernhof im Oberallgäu nie Tiermehl gefüttert wurde und alle Tiere aus eigener Zucht stammen, wird der Wahnsinn ja umso schlimmer. Dann ist die Seuche noch schwerer beherrschbar. Die Panscherei mit Tiermehl bei angeblich rein pflanzlichen Futtermitteln ist als Problem erkannt, aber nun stellt sich verschärft die Frage nach möglichen anderen Infektionswegen – Übertragung der Erreger von der Mutterkuh oder über die Böden, ebenso die Gefahr von spontanen Mutationen auf Grund von Umweltbelastungen etwa durch Pestizide.

    Dass es bald einen BSE-Test für lebendes Vieh geben soll, ist für die Verbraucher ein Hoffnungssignal. Den Irrwitz des Rinderwahnsinns beseitigt er nicht.   [Chronik der BSE-Krise]



    Degussa-Hüls-Medikament könnte Creutzfeldt-Jakob-Krankheit „verlangsamen“

    Aus:
    vwd-Wirtschaftsdienst, 18. Dezember 2000, 8.00 Uhr (Pharmazie). [Original]

    NEW YORK (vwd). Zu einer „Verlangsamung“ des Verlaufs der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) könnte ein bereits als Schmerzmittel gebräuchliches Medikament führen, das unter dem Handelsnamen Katadolon von der Asta Medica AG, Dresden, des Pharmabereichs der Degussa-Hüls AG, Frankfurt, in Deutschland, Brasilien, Portugal und Italien vertrieben wird. Das berichtet das Wall Street Journal (WSJ) in seiner Montagausgabe [18.12.2000].

    Demnach hätten seit 1997 vorgenommene Studien, bei denen 23 CJD-Patienten mit dem in Katadolon enthaltenen Wirkstoff Flupirtine im Vergleich mit dem Einsatz von Plazebos behandelt wurden, „signifikante Verbesserungen des kognitiven Vermögens“ der Probanden festgestellt werden können. Sollten sich diese Tests als zuverlässig erweisen, so wäre das Medikament das erste überhaupt, das im Bemühen um eine CJD-Therapie Wirkung zeige, heißt es in dem Zeitungsbericht.

    Das WSJ beruft sich auf Aussagen des Vorstandsvorsitzenden Bernd Aundrup von Asta Medica sowie auf Markus Otto, ärztlicher Leiter der Studie an der Univesität Göttingen. Otto habe das Medikament „als Hoffnungsschimmer“ bezeichnet, zugleich aber betont, dass es „noch weit entfernt von einem Heilmittel“ zu betrachten sei. Im „besten Falle“ könnte das Medikament den durch CJD bewirkten und bislang tödlich verlaufenen Verfall der Gehirnzellen „um Monate oder Jahre“ hinauszögern.



    N E U E R   B S E - T E S T

    „Wir stehen noch am Anfang“

    Die Werbung hätte nicht besser sein können: Doch nach der ersten Euphorie schlägt der Pharmakonzern Boehringer-Ingelheim nun leisere Töne an – denn auch die Konkurrenz arbeitet an neuen BSE-Testverfahren.

    Aus:
    Spiegel-Online, Hamburg, 18. Dezember 2000, 14.00 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    KÖLN. Die Bundesregierung hat vor zu hohen Erwartungen an den angekündigten BSE-Test bei lebenden Rindern gewarnt. Der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Erwin Jordan, sagte am Montag im ARD- Morgenmagazin, es sei noch zu früh, nur optimistische Aussagen darüber zu machen. Auch Dietrich Janott von der Ingelheimer Firma Boehringer, die den Test zum Patent angemeldet hat, betonte, man sei noch am Anfang hinsichtlich der Entwicklung des Tests.

    "Wir hoffen aber, dass wir einen Fortschritt bei der BSE-Testung erreichen", sagte Janott. Der Vorteil des neuen Verfahrens liege darin, dass das Ergebnis nach einer Blutentnahme bereits nach einer halben Stunde vorliege. Klare Aussagen darüber, von welchem Alter an und nach welcher Zeit bei einem infizierten Tier der Nachweis geführt werden könne, seien allerdings erst dann möglich, wenn der Erreger isoliert worden sei. Voraussichtlich werde der Test im Spätsommer kommenden Jahres einsatzbereit sein.

    Auch wenn nach einer erfolgreichen Testentwicklung lebende Rinder getestet werden könnten und die Ergebnisse schneller als bisher vorlägen, bleibe ein Restrisiko, betonte Janott. Ursache dafür sei, dass BSE selbst noch viel zu wenig erforscht sei.

    Doch auch für Boehringer-Ingelheim ist die groß angelegte Ankündigung nicht ohne Risiko: Weltweit arbeiten mehrere Unternehmen und Forschergruppen an neuen BSE-Tests. So haben sich nach einer Meldung der Financial Times Deutschland von Anfang Dezember drei deutsche Universitäten mit der Hamburger Biotech- Firma Evotec zusammengeschlossen, um einen Frühtest auf Prionen in Körperflüssigkeiten zu entwickeln – darunter auch der Münchner BSE- Spezialist Hans Kretzschmar. Dem Neuropathologen ist es vor einigen Monaten gelungen, Prionen in der Rückenmarksflüssigkeit von Menschen nachzuweisen, die an der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit erkrankt sind.

    Noch weiter ist Adriano Aguzzi vom Institut für Neuropathologie der Universität Zürich. Wie der Schweizer Ende November in der Fachzeitschrift Nature berichtete, kann das körpereigene Protein Plasminogen krankmachende Prionen von normalen unterscheiden und sich daran binden. Die neue Methode lasse, so Aguzzi, die Hoffnung zu, einen BSE-Test zu entwickeln, der viel sensibler als die bisherigen Tests reagiere. Selbst Tests nach einem Rachenabstrich scheinen für den Neuropathologen in Zukunft möglich.



    Gesundheitsministerium erwartet französische BSE-Verhältnisse

    Aus:
    Yahoo-News, 18. Dezember 2000, 15.09 Uhr (Vermischtes). [Original]

    BERLIN. Das Bundesgesundheitsministerium erwartet beim BSE-Problem französische Ausmaße. In Frankreich sei jeweils eines von 200.000 Rindern erkrankt, sagte Staatssekretär Erwin Jordan dem Nachrichtensender n-tv heute in Berlin. In Deutschland gebe es etwa 15 Millionen Rinder. Es müsse mit weiteren BSE-Fällen gerechnet werden. Die Verbraucherverunsicherung werde noch einige Zeit andauern. Nur über ein Tiermehl-Verbot und die Fortführung der Untersuchungen lasse sich das Vertrauen der Verbraucher auf lange Sicht wieder herstellen. [Ed: nur 15.000.000 / 200.000 = 75 BSE-Fälle in Deutschland?]



    " Ö K O - T E S T "

    Vorsicht bei Gütesiegeln für Fleisch

    Aus:
    Spiegel-Online, Hamburg, 18. Dezember 2000, 16.57 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    FRANKFURT/MAIN. Das Magazin Öko-Test rät zur Vorsicht bei Gütesiegeln für Fleisch. 11 von 70 getesteten Zertifikaten haben demnach bis vor kurzem erlaubt, dass Tiermehl in die Futtertröge von Geflügel und Schweinen gelangt. Darunter war auch das bekannte Gütesiegel der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA), wie das Magazin heute berichtete. Tiermehl wird für die Ausbreitung der Rinderseuche BSE verantwortlich gemacht.

    "100-prozentig sicher" fanden die Verbraucherschützer letztlich nur Fleisch vom Biobauern sowie Fleisch aus artgerechter Tierhaltung. Hierfür stünden zum Beispiel Siegel wie „Bioland“, „Füllhorn“ oder „demeter“. Diese Marken hätten Tiermehl noch nie erlaubt. Zudem seien 39 Siegel für konventionelles Fleisch seit längerem über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgegangen. Bereits vor dem generellen Verbot von Tiermehl verfütterten die Betriebe kein Tiermehl mehr an Schweine und Geflügel.



    B S E - I N F E K T I O N

    Kein Bauer kann mehr sicher sein

    Das Fazit aus den jetzt bekannt gewordenen BSE-Fällen ist bitter: Jeden Bauern kann es treffen, niemand kann mehr sicher sein. Die Gefahr einer Infektion mit der Rinderseuche betrifft nicht nur die Höfe mit Massentierhaltung, sondern auch die kleinen Familienbetriebe.

    Aus:
    Spiegel-Online, Hamburg, 18. Dezember 2000, 17.00 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    HAMBURG. Für die kleinen und mittleren Bauern war die Nachricht von der Infektion mehrerer Rinder aus kleinen Familienbetrieben ein Schock. Bisher haben sie sich und die Verbraucher sicher gefühlt. Ihre bisherige Begründung: Da sie kein Tiermehl in der Aufzucht verwenden und ihre Tiere sich im Sommer auf der Weide von Gras und im Winter von selbshergestelltem Futter ernähren, schien sie die BSE-Panik nicht zu berühren. Bisher gilt die Infektion über das Tiermehl als Hauptinfektionsursache. Genauso ratlos reagierte auch der Bauer, dem die am Sonntag entdeckte BSE-Kuh "Trixi" gehörte. BSE sei für ihn "kein Thema" gewesen, da er kein Tiermehl verfüttere, sagte Bauer Josef Feneberg aus Sulzberg [bei Kempten] heute auf einer Pressekonferenz. Seine gesamte Herde wird jetzt getötet.

    Doch die Hoffnung der Kleinbauern war naiv, wie sich zeigt. Die neuen Fälle von kleineren Familienhöfen aus Bayern beweisen, dass BSE durchaus nicht nur ein Problem der großen Höfe ist, die über Industriefutter jahrelang Tiermehl mit dem BSE-Erreger verfütterten. Offenbar ist auch bei den kleinen Höfen Tiermehl in die Nahrungskette der Rinder gekommen. Dafür gibt es mehrere denkbare Wege:

    Infektion durch Tiermehlreste in den Futterfabriken

    Das Tiermehl könnte durch fahrlässige Herstellung ins Futter gelangt sein. Grund dafür: Die meisten Tierfutterbetriebe stellen alle Arten von Futter her, also auch Futter mit Tiermehl. Da jedoch die Reinigung der Anlagen und Lkw sehr aufwendig ist, befürchtet man, dass Reste von Tiermehl aus anderen Produkten in Futter für Rinder gelangt sein könnte. Der Bauer hätte dann mit dem Industriefutter Tiermehl verfüttert, ohne dies zu wissen. Diese Möglichkeit nimmt auch Bauer Feneberg an, da auch er Industriefutter verwendete.

    Mutwilliges Versetzen von Futter mit Tiermehl aus Profitgier

    Kritiker der Tierfutterindustrie wie der "Euronatur"-Aktivist Lutz Ribbe vermuten sogar, dass Tierfutterhersteller aus reiner Profitgier Tiermehl in verschiedene Futtersorten mischen, da es ein extrem billiges Eiweiß ist. "In einem Kraftfutter kann man Tiermehl kaum nachweisen, da ist die Versuchung groß", sagt Ribbe. Selbst nach dem Tiermehlverbot, das in der Bundesrepublik schon seit mehreren Tagen gilt, war mehrmals Tierfutter mit dem verbotenen Tiermehl entdeckt worden. Heute erst teilte das Landwirtschaftsministerium von Baden- Würtemberg mit, dass man bei Proben Tiermehl im Industriefutter gefunden habe. "Momentan kann sich kein Bauer sicher sein, was er verfüttert", meint dazu Ribbe.

    Besonders fatal: Während der ersten großen BSE-Welle in Großbritannien Mitte der neunziger Jahre sackte der Preis für britisches Tiermehl in den Keller. Nun vermutet man, dass sich Tierfutterhersteller trotz des Einfuhrverbots mit billigem, mit BSE-Erregern verseuchtem Tiermehl, versorgt haben und so den Erreger ins deutsche Tierfutter einschleusten.

    Niedersachsen fordert Ermittlungsstelle

    Die Politik hat mittlerweile auf die neuen BSE-Fälle reagiert. So forderte der Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministers eine Ermittlungsstelle für Tiermehl einzurichten. In der Einrichtung sollen Vertriebs- und Herstellungswege von Tiermehl, aber auch von tiermehlfreiem Kraftfutter nachvollzogen werden, um eventuelle Verunreinigungen von "normalem" Futter durch Tiermehl nachzuweisen und zu verhindern, dass solches auf den Markt gelangt.

    Den kleinen Bauern in Bayern und er ganzen Bundesrepublik nutzt das für den Moment wenig. Sie müssen weiter mit der Befürchtung leben, dass auch sie schon Futter mit Tiermehl unbewusst verfüttert haben und früher oder später ein positives Testergebnis unter ihren Schlachtrindern haben. Der Biobauer Friedrich Ostendorff fasst das Problem zusammen: "Jeder Bauer, der irgendwann einmal, auch wenn es nur einmal war, Industriefutter verfüttert hat, muss sich jetzt diese Frage stellen."



    Tierärzte bemängeln Kontrollen des Tiermehl-Verbots

    Aus:
    Yahoo-News, 18. Dezember 2000, 22.19 Uhr (Vermischtes). [Original]

    LEIPZIG. Angesichts der BSE-Krise in Deutschland hat die Bundestierärztekammer den Behörden eine ungenügende Kontrolle des Tiermehl- Verbots vorgeworfen. Ihr Präsident Günter Pschorn sagte heute Abend im MDR- Fernsehen, es seien zu wenige Stichproben gemacht worden. Obwohl Tiermehl in steigendem Maße in Futtermitteln enthalten gewesen sei, seien daraus keine Konsequenzen gezogen worden. Auch die Bundesregierung habe zu wenig Druck auf die zuständigen Behörden ausgeübt, meinte Pschorn. Er forderte, die Zersplitterung der Zuständigkeit auf die Bereiche Landwirtschaft und Gesundheit zu beenden und alles dem Gesundheitswesen zuzuordnen.



    R I N D E R W A H N S I N N

    Schröder: Bei BSE nicht aufgepasst

    „Das konnte auf Dauer nicht gut gehen“ / EU-Verbraucherkommissar will Risiko-Wurst vom Markt nehmen

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 19. Dezember 2000, Seite 1 (Titelstory) von ULRIKE FOKKEN. [Original]

    BERLIN (Tsp). Bundeskanzler Schröder (SPD) räumt eine Mitschuld an der aktuellen BSE-Krise ein. "Ich gebe doch zu, wir haben alle nicht aufgepasst." Jeder habe wissen müssen, dass das Füttern von tierischen Eiweißen an Wiederkäuer "auf Dauer nicht gut geht". Ein Gipfelgespräch beim Kanzler zum Thema Agrarpolitik forderte indes der Vorsitzende im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne forderte, Dosenwurst und andere Produkte mit risikoreichen Inhaltstoffen vom Markt zu nehmen.

    Kanzler Schröder sagte, dass Politiker, Konsumenten, Bauern und die Industrie nicht genug auf die Verfütterung von Tiermehl geachtet hätten. Das Kadavermehl ist seit dem 2. Dezember in Deutschland ganz verboten, ab dem 1. Januar auch in der Europäischen Union. "Ich ärgere mich, dass die Europäische Union das nur für ein halbes Jahr gemacht hat", sagte Schröder.

    Der Kanzler hatte vor knapp drei Wochen im Bundestag gefordert, Deutschland müsse "weg von den Agrarfabriken". Seitdem haben weder er noch Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) den Rat der bäuerlichen Verbände und Interessenvertretungen gesucht, die nicht die Agrarkonzerne vertreten. "Es ist dringend erforderlich, dass das Agrarbündnis einen Termin beim Kanzler bekommt", sagte Graefe zu Baringdorf gestern. Er ist ebenfalls Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und hat zusammen mit anderen Öko- Landbauvereinigungen eine "Landwirtschaftswende und eine neue Agrarpolitik" gefordert.

    Baringdorf warnte davor, nun zu behaupten, dass das Allgäuer BSE-Rind niemals mit Tiermehl gefüttert worden sei: "Diese Diskussion ist unverantwortlich." Es werde sich herausstellen, dass Tiermehl verfüttert wurde, sagte Baringdorf. Wenn nun eine zweite Erklärungslinie gesucht werde, würde Fleisch bald ganz verboten werden müssen. Bauernpräsident Sonnleitner hatte neben verschiedenen bayerischen Politikern behauptet, dass das Allgäuer Rind sich auf eine andere Weise angesteckt haben müsse als durch Tiermehl im Futter. Dieser Ansteckungsweg ist jedoch der einzige gesicherte Übertragungsweg. Das Bundeslandwirtschaftsministerium tappt hingegen noch im Dunkeln. "Der Infektionsweg ist völlig unklar", sagte eine Sprecherin von Minister Funke.

    EU-Kommissar Byrne wiederholte unterdessen Zweifel daran, dass das Verfütterungsverbot von Tiermehl an Wiederkäuer in der EU eingehalten wurde. Man müsse "den Menschen die Wahrheit sagen und Industrie und Landwirte zur Einhaltung der Gesetze zwingen", sagte Byrne. Für den Schutz der Verbraucher reichten halbherzige Maßnahmen nicht aus, betonte der EU-Kommissar.

    Die Sprecherin Funkes kündigte unterdessen an, dass das BSE-Referenzlabor in Tübingen ausgebaut wird. Aus dem Labor soll ein Institut werden. Über Forschungsgeld und den Beginn der Forschungsarbeit machte die Sprecherin keine Angaben.



    R E G I E R U N G  P R Ü F T  W U R S T - V E R B O T

    Es geht um die Wurst

    Aus:
    B.Z., Berlin, 19. Dezember 2000, Seite 3 (Politik). Kommentar von HERBERT KREMP. Original-Berichte: [Seite 1] [Seite 3] [Seite 4] [Seite 5]

    Der BSE-Alarm erreicht nun auch die Wurst, die Lieblingsnahrung der Kinder und Kommissare. Kommt die Wurst vom Markt, wie die EU empfiehlt, oder vergeht einem der Appetit schon so, wenn man hört, was alles in die Haut gepresst wird, um das Kaufgewicht zu erhöhen?

    Der [BSE-]Skandal wird in seinem ganzen Ausmaß offenbar: Dem Kraftfutter ist Kadavermehl beigemischt. In der Putenwurst steckt Rind. Wahnsinnsfrei ist deutsche Wurst nur offiziell. Bis man dann doch Hirn und Mark – die gefährlichsten Infektionsträger – am sulzigen Rand entdeckt. Oder das Glasige eines erstaunt blickenden Rinderauges. Kauert denn in jedem Brat die Kriminalität?

    Seit getestet wird, gibt es auch in Deutschland BSE. Seit man genau hinschaut, stößt man überall auf Rind und Reste. Wenn nun Hysterie ausbricht, Bauern weinen, Fleischer bankrott gehen, Schlachthöfe schließen und Politiker ratlos stammeln, dann sind das die Folgen jahrzehntelanger Schlamperei, bedenkenloser Geschäftemacherei. Der ganze Enährungssektor kommt ins Schleudern.

    Dürfen wir nur noch ins Gras beißen, um satt zu werden?   [Kritische Wurstsorten]



    R I N D E R W A H N S I N N

    Klee statt Tiermehl

    Öko-Landwirte kritisieren den Bauernverband: Jahrelang falsche Forderungen gestellt

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 19. Dezember 2000, Seite 5 (Innenpolitik) von ULRIKE FOKKEN. [Original]

    BERLIN (Tsp). Von Genugtuung wollen die ökologisch produzierenden Landwirte nichts wissen. Sie fordern zwar seit Jahren, dass die Agrarpolitik sich um die bäuerlichen Betriebe und nicht um die Agrarkonzerne kümmert. Dass Tiermehl im Futter nichts zu suchen hat, ebenso wenig wie Antibiotika, Hormone oder Dioxine. Die artgerecht produzierenden Landwirte sind auch gegen die Subventionen für die Agrokonzerne nach Fläche und Masse und die staatliche Unterstützung von Dumpingpreisen für Exporte in Entwicklungsländer oder die Weltagrarmarkterzeugung. Sie wollen gesunde Lebensmittel produzieren und sie als verantwortungsbewusste Landwirte an verantwortungsbewusste Verbraucher verkaufen.

    "Ohne uns gäbe es keine praktische Versorgungsalternative", sagte gestern Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Vorsitzender des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, bei der Vorstellung eines gemeinsamen Aufrufes für eine "Landwirtschaftswende". Die aktuell brandende BSE-Krise zeige, dass die Politik in der Vergangenheit "falsche Rahmenbedingungen gesetzt" habe. Die bis zu 50 Millionen Euro im Jahr an Agrarsubventionen werden "einseitig zu Lasten der bäuerlichen Betriebe eingesetzt", sagte Baringdorf. Der Bauernverband habe jahrelang die falschen Forderungen an die Politik gestellt. So erweise es sich nun als schwerer Fehler, dass der Verband nicht auf der Kennzeichnung von Tierfutter bestanden habe. So konnte Tiermehl in das Kraftfutter gelangen.

    Doch auch die deutschen Landwirtschaftsminister haben das Problem BSE ignoriert. Jochen Borchert (CDU), Vorgänger von Amtsinhaber Karl-Heinz Funke, hat noch vor fünf Jahren dafür gesorgt, dass BSE-Risikomaterialien wie Hirn weiterhin in die Wurst kommen durften. Verboten wurde dies erst ab dem 1. Oktober 2000 [Ed: auf Betreiben der EU – nicht aus deutscher Einsicht]. Baringdorf ist wie seine Mitstreiter von Agrarbündnis, Neuland, Greenpeace, Euronatur und der Katholischen Landjugendbewegung skeptisch gegenüber der Neuorientierung der Agrarpolitik. "Wenn der Kanzler sich hinter den Begriff der Größe zurückzieht, haben wir verloren", sagte Friedrich von Homeyer vom Agrarbündnis. Die Größe eines Betriebes sage nichts über die artgerechte Tierhaltung aus, sondern einzig die Art der Bewirtschaftung. Die Bauernbetriebe bekommen aber trotz höheren Arbeitsbedarfs nur ein Zehntel der Förderung.

    Baringdorf ist auch skeptisch, ob sich die EU-Landwirtschaftsminister gegen die Chemiekonzerne durchsetzen. Nach einem EU-Tiermehlverbot würde wohl vermehrt Klee als Eiweißfutter angebaut werden. Der braucht aber weniger Stickstoffdünger.



    Keine Rückholaktion für Wurstwaren

    Fischer gegen EU-Vorstoß zur Bekämpfung der BSE-Gefahr

    Aus:
    Yahoo-News, 19. Dezember 2000, 14.18 + 15.58 Uhr (Vermischtes). [Original]

    BERLIN. Eine Rückholaktion für deutsche Wurstwaren wird es nach dem Willen der Regierung nicht geben. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer erklärte heute in Berlin, in Wurstwaren würden seit Jahren keine Risikomaterialien wie Rinderhirn verarbeitet. "Man soll die Gefahren nicht beschönigen, aber auch keine Ängste schüren", sagte Fischer anlässlich der Vorstellung des Ernährungsberichts 2000.

    Sie wandte sich gegen den Vorstoß von EU-Verbraucherkommissar David Byrne, der dazu aufgerufen hatte, deutsche Fleisch- und Wurstprodukte vom Markt zu nehmen. Byrne habe sich nicht die Mühe gemacht, seine Forderungen zu begründen und Sachkenntnis an den Tag zu legen, sagte die Ministerin. Fischer forderte erneut, den Verbraucherschutz zu stärken. Sie verwies auf die Deklarationspflicht für Lebensmittel. Der Konsument müsse selbst entscheiden können, ob er Wurst, die Rindfleisch enthalte, essen wolle. Sie persönlich werde solche Wurst nicht kaufen, sagte die Grünen-Politikerin.

    Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), Helmut Erbersdobler, riet den Verbrauchern, in der gegenwärtigen Situation auf Schweine- und Geflügelfleisch auszuweichen [Ed: die aber meistens auch reichlich Tiermehl abbekommen haben]. Der Lebensmittelexperte verwies aber darauf, dass in Rindfleischstücken noch nie der BSE-Erreger nachgewiesen wurde. Bei zerkleinerten Fleischprodukten solle man vorsichtiger sein, erklärte der Fachmann. Die Deklarationspflicht für Wurstwaren bringe Transparenz für den Verbraucher. Anders sei dies in der Gastronomie, in Kantinen oder Restaurants, wo noch Aufklärungsbedarf herrsche.

    Erbersdobler sagte weiter, dass Rohwurst, wie zum Beispiel Salami, relativ sicher sei. Anders sehe es bei Brühwürsten, Leberwurst oder Saumagen aus, die neben Muskelfleisch und Fett auch anderen Bestandteilen wie Lymphgefäße enthalten könnten.

    Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verlangte indessen ein Verkaufsverbot für Dauerwurst und Wurstwaren in Dosen, die vor Oktober 2000 produziert wurden [Ed: denn die Verbraucher können auf Dosen kein Herstellungsdatum finden]. Erst am 1. Oktober sei die Verarbeitung von Materialien wie Rinderhirn EU-weit untersagt worden, betonte die Organisation in Stuttgart. [Kommentar] [Kritische Wurstsorten]



    Fischer fordert Rücknahme älterer Wurstprodukte

    Dritter deutscher BSE-Fall bestätigt / Zwei weitere Verdachtsfälle

    Aus:
    Yahoo-News, 20. Dezember 2000, 20.36 Uhr (Politik). [Original]

    BERLIN/MÜNCHEN. Im Kampf gegen die Rinderseuche BSE hat Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) erstmals die Rücknahme älterer Wurstwaren gefordert, die so genanntes Separatorenfleisch von Rindern enthalten. "Diese Produkte sollten unverzüglich aus den Regalen geräumt werden", forderte Fischer in einer Erklärung heute Abend. Morgen werde sie aus Gründen des Gesundheitsschutzes weitere rechtliche Schritte prüfen. Unterdessen wurde ein dritter BSE-Fall nachgewiesen. Außerdem tauchte ein weiterer Verdachtsfall auf, bei dem das betroffene Tier möglicherweise an Rinderwahnsinn erkrankt war.

    Seperatorenfleisch fällt nach Angaben des Gesundheitsministeriums am Ende des Schlachtprozesses an und wird mechanisch vom Knochen des Rindes abgelöst. Dieses Fleisch werde hauptsächlich bei der Produktion von Koch- und Brühwürsten [Ed: vermutlich auch Würstchen!] verwendet. Betroffen von Fischers Aufforderung sind Produkte, die Seperatorenfleisch enthalten, das vor dem 1. Oktober 2000 gewonnen wurde. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) habe Fischer am Nachmittag über die mögliche Gesundheitsgefährdung durch derartige Produkte unterrichtet.

    Eine Ministeriumssprecherin sagte zur Erläuterung, die Verarbeitung dieses Fleisches sei bis zum 1. Oktober 2000 erlaubt gewesen. Dabei sei auch Fleisch angefallen, das aus unmittelbaren Umgebung der Wirbelsäule stamme, und das möglicherweise mit Risikomaterial vermischt gewesen sei. Das Seperatoren-haltige Fleisch sei hauptsächlich in Würsten enthalten, die zu Konserven verarbeitet worden seien. "Kein Produkt, das dieses Fleisch enthält, sollte noch verkauft werden", forderte Fischer. Es müsse jedes reale Risiko ausgeschlossen werden.

    Fischer hatte zunächst Gefährdungen durch Wurstprodukte ausgeschlossen und erklärt, in Deutschland würden keine Materialien mit einem erhöhten BSE-Risiko zu Wurst verarbeitet. Sie selbst habe den Verbrauchern nicht geraten, auf den Kauf von Wurst zu verzichten, sondern lediglich erklärt, sie kaufe keine Wurst, weil sie wenig Fleisch esse.

    Der inzwischen bestätigte BSE-Verdacht bei dem Rind aus der Oberpfalz war am Wochenende aufgekommen. Das Rind stamme aus einem Familienbetrieb, der als Vorzeigebauernhof gelte, sagte der Landrat von Cham in Bayern, Theo Zellner. Die Untersuchung einer Kontrollprobe an der Tübinger Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten habe ein positives Ergebnis und damit den Beleg für die Infektion ergeben. Möglicherweise sei das Tier über das Industriefutter infiziert worden. Den Familienbetrieb in Stamsried treffe keine Schuld. Der Landwirt verhalte sich seit Jahren vorbildlich und nehme am Kontrollprogramm "Offene Stalltür" teil. Alle 200 Rinder des Hofes sollen nach Weihnachten notgeschlachtet werden.

    Beim neuesten Verdachtsfall in Oberbayern handelte es sich nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums in München um ein sechseinhalb Jahre altes Rind aus dem Landkreis Weilheim-Schongau. Bei ihm sei ein positiver Gehirnbefund festgestellt worden. Das Tier sei am Anfang November "wegen zentralnervöser Störungen krank geschlachtet worden". Den BSE-Verdacht habe die zuständige Behörde gestern gemeldet. Die Herde des Tieres sei gesperrt worden.

    Eine Sprecherin des Münchner Ministeriums betonte heute Abend erneut, trotz der Auffälligkeiten bei dem BSE-positiv getesteten Rind sei völlig offen, ob es an der Rinderseuche erkrankt gewesen sei. Erst müsse das Ergebnis der Gegenprobe abgewartet werden. Wenn die positiv sei, sei das der erste Fall eines BSE-kranken Tiers gewesen. Bislang hat es in Deutschland nur BSE-Fälle gegeben, in denen die Tiere infiziert, nicht aber erkrankt waren.

    Am Sonntag [17.12.2000] war die BSE-Infektion einer Kuh aus Sulzberg im Allgäu und damit der zweite BSE-Fall in Deutschland bekannt geworden. Den ersten gab es im November in Schleswig-Holstein. Der betroffene Tierbestand soll nach Angaben des bayrischen Gesundheitsministeriums ebenfalls komplett geschlachtet werden. Es wird zudem noch das Ergebnis der Gegenprobe für ein ebenfalls BSE- verdächtiges Rind aus dem oberpfälzischen Neumarkt erwartet.

    Der bayrische Landwirtschaftsminister Josef Miller (CSU) kündigte eine weitere Verschärfung der Futtermittelkontrollen in Bayern an. Alle 17 Probenehmer seien nun ausschließlich mit der Überprüfung von Tierfutter beschäftigt. Tiermehl, das als Überträger der Rinderseuche BSE gilt, darf seit Anfang Dezember nicht mehr in Tierfutter verwendet werden. In Niedersachsen wurde nach Angaben der Bezirksregierung in Oldenburg bei mehreren Futtermittelproben Tiermehl in geringen Mengen nachgewiesen. Auf Grund der geringen Mengen des festgestellten Tiermehls liege die Ursache vermutlich in verunreinigten Produktionsanlagen.

    Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) kündigte verstärkte Anstrengungen bei der Erforschung von BSE an. Es seien bessere Tests vonnöten, um am lebenden Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und am lebenden Tier BSE feststellen zu können. Nach Ansicht von Forschern wird die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob- Erkrankung beim Menschen durch BSE ausgelöst.



    B S E 

    Vorsicht billige Wurst

    Experten warnen vor bestimmten Sorten / Fischer: Kein Risiko

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 21. Dezember 2000, Seite 5 (Politik). [Original]

    KULMBACH/KÖLN/BERLIN. Angesichts der BSE-Krise haben Experten ein Verzehrverbot für Rinder-Organe wie Lunge und Herz gefordert. "Das sind Risikoorgane, die auf die Rote Liste gehören", sagte der Leiter der Bundesanstalt für Fleischforschung im bayerischen Kulmbach, Klaus Tröger. Bei der Schlachtung der Rinder per Bolzenschuss würden im Gehirn viele Blutgefäße zerstört. Daher könne der BSE-Erreger über den Blutkreislauf im Körper verteilt werden. Studien in Großbritannien hätten belegt, dass Lunge und Herz auf diese Weise infiziert werden könnten.

    Zugleich warnte Tröger vor dem Verzehr von billigen Brüh- und Kochwurst- Konserven sowie Leberwürsten und Leberkäse in Dosen. Bis zum 1. Oktober sei es erlaubt gewesen, für diese Produkte so genanntes Separatorenfleisch zu verwenden. "Das ist mechanisch vom Knochen entferntes Restfleisch, bei dem auch Rückenmarkreste mit abgepresst werden", sagte der Experte.

    Wirbelknochen dürften zwar seit dem Stichtag nicht mehr verwendet werden. "Aber Konserven und Gläser mit Würsten sind weiterhin im Verkauf", warnte Tröger. Er empfahl den Verbrauchern, Konserven mit Würsten zu meiden und nur qualitativ hochwertige Waren zu kaufen. "Bei teuren Produkten ist der Verbraucher auf der sicheren Seite. Ich würde den Metzger meines Vertrauens vorziehen."

    Der Experte forderte außerdem neue Schlacht-Methoden. Die Teilung der Rinder-Körper in zwei Hälften sei nicht mehr zeitgemäß. "Dabei wird das Rückenmark entzwei geschnitten, und BSE-Erreger können überall hin gelangen." Auch dürfe der Bolzenschuss nicht mehr angewendet werden. "Er stellt ein erhebliches Risiko für den Verbraucher dar", kritisierte Tröger. Das Institut arbeite zur Zeit an einer Schlachtmethode per Laser. Dabei werde das Tier mit einem Hochenergie- Laser von mehr als 1000 Watt getötet. "Binnen weniger Sekundenbruchteile ist das Tier unblutig tot."

    Der Abteilungsleiter in der Bundesanstalt für Fleischforschung, Klaus Tröger, hat darauf hingewiesen, dass Wurstwaren auch dann Rindfleisch enthalten können, wenn sie eine andere Bezeichnung haben wie zum Beispiel Putenwurst. Dies liege an der Kennzeichnungs- Verordnung. Im ARD- Morgenmagazin sagte Tröger: "Die Sachen sind ja nicht von heute auf morgen verändert worden. Die Kennzeichnungs- Verordnung gibt es schon seit langer Zeit. Wenn man eine Kalbsleberwurst kauft, ist dort auch nicht ausschließlich Kalbfleisch verarbeitet."

    Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) sieht weiterhin keinen Anlass, den Verkauf bestimmter Wurstsorten und Fleischwaren zu stoppen. Auch neue Überprüfungen hätten ergeben, dass in Wurst aus Deutschland keine Materialien mit einem erhöhten BSE-Risiko verarbeitet würden, sagte Fischer im Deutschlandfunk. Dem EU-Gesundheitskommissar David Byrne warf sie Verwantwortungslosigkeit vor. Mit seiner Forderung, bestimmte Wurstwaren aus den Verkaufsregalen zu räumen, habe er die Verbraucher nur verunsichert. [Kommentar]

    [Mit Hirn essen, nicht Hirn essen]
    [Der Döner-Imbiss setzt nun auf Puten-Gyros]
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      Zum Teil 14

    © 2000-2005 – Universitätsrat a. D. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 26.06.2011 23.30 Uhr