BSE & Co in den Medien – Teil 36 khd
Stand:  7.3.2006   (24. Ed.)  –  File: M/edien36.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Artikel und andere Texte zur durch den Rinderwahnsinn BSE und der Anwendung der Gentechnik ausgelösten Problematik sowie zur gefährlichen H5N1-Vogelgrippe (Geflügelpest) und H1N1-Schweinegrippe gespiegelt und damit auf Dauer dokumentiert. Manches ist auch mit [Ed: ...] kommentiert. Tipp- und Übertragungsfehler gehen zu meinen Lasten.

Die anderen Vergiftungen von Nahrungsmitteln haben ab Ende 2004 eine eigene Webseiten- Serie in der Abteilung "Food" erhalten.

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  • Neuere Presseberichte  (37. Teil).
  • 02.02.2006: Manipuliertes Virus stoppt Vogelgrippe.
  • 31.01.2006: Prionen sichern hämatopoetischen Stammzellen das Überleben.
  • 29.01.2006: Das gläserne Schnitzel – Prionics schliesst Lücke im Verbraucherschutz.
  • 27.01.2006: Forscher könnten Waffe des H5N1-Virus gefunden haben.
  • 20.01.2006: Das Virus geht um. Und Tamiflu ist machtlos.
  • 19.01.2006: Vogelgrippe: Virus vereint gefährliche Mutationen.
  • 19.01.2006: Bundesministerium für Gesundheit richtet neues Nationales Referenzzentrum in Göttingen ein.
  • 19.01.2006: Gesunde Luftratten. (Vogelgrippe bei Tauben)
  • 17.01.2006: Riems – Die Insel der Viren.
  • 17.01.2006: EU: Vogelgrippe zurzeit gefährlicher als BSE.
  • 16.01.2006: Türkei: Rette sie, wer kann. (Vogelgrippe)
  • 14.01.2006: Warten auf den weißen Mann. (Vogelgrippe in der Türkei)
  • 14.01.2006: Vogelgrippe: Das Virus verändert sich.
  • Ältere Presseberichte  (35. Teil).
    Made with Mac


    V O G E L G R I P P E 

    Das Virus verändert sich

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 14. Januar 2006, Seite 28 (Weltspiegel) von ADELHEID MÜLLER-LISSNER. [Original]

        H5N1-Virus
    ^   H5N1-Virus.   (Foto: 2005 – nn)
    LONDON (Tsp). Eins der Vogelgrippeopfer in der Türkei war nach Angaben der WHO mit einem genetisch veränderten Virus infiziert. Die jetzt gefundenen Genveränderungen könnten bewirken, dass das H5N1-Virus bevorzugt an menschliche Zellen andockt. Eine der Mutationen war schon bei einem kleineren Ausbruch der Vogelgrippe in Hongkong 2003 und später im Jahr 2005 in Vietnam festgestellt worden. Sie führte zur größeren Bindungsfähigkeit der H5N1-Viren an menschliche Zellen. Die Wissenschaftler vom Nationalinstitut für Medizinische Forschung in Mill Hill, London, die mit dem WHO-Zentrum für Influenzaforschung zusammenarbeiten, vermuten deshalb, dass auch das in der Türkei gefundene Virus dieses Merkmal habe. Um die Bedeutung des genetischen Testergebnisses einschätzen und bewerten zu können, brauche man allerdings noch genauere klinische Daten, heißt es bei der WHO.

    Die Veränderung der DNS könnte bewirken, dass das Virus für Menschen gefährlicher ist, die mit infizierten Tieren in Kontakt kommen. In der Türkei waren das bisher vorwiegend spielende Kinder. Infektionen von Mensch zu Mensch werden dadurch aber nicht automatisch wahrscheinlicher. Eine wirkliche menschliche Infektionskette, die Voraussetzung für die Entwicklung einer Pandemie wäre, sei bisher noch in keinem der betroffenen Länder entstanden, so die WHO. Dass sie laufend kleine genetische Veränderungen zeigen, mit denen sie sich ihrem "Wirt" anpassen, ist für Grippeviren insgesamt charakteristisch.

    Beruhigend ist jedoch, dass die Viren der beiden ersten türkischen Vogelgrippeopfer, die jetzt genetisch untersucht wurden, auf die Medikamente aus der Gruppe der Neuraminidase-Hemmer reagierten. Darunter ist der Wirkstoff Oseltamivir, besser bekannt unter dem Namen Tamiflu. Die Mittel müssen allerdings in den ersten 48 Stunden nach der Infektion gegeben werden, was bei den Opfern nicht gelang. Tamiflu bleibt für die WHO das Medikament der ersten Wahl.

    Auf einer Konferenz in Tokio forderten mehrere asiatische Länder die Gründung einer internationalen "Task Force". Die Vereinten Nationen wollen mit umgerechnet 1,1 Milliarden Euro der internationalen Gemeinschaft den Kampf gegen die Vogelgrippe verstärken. [mehr]



    V O G E L G R I P P E   I N   D E R   T Ü R K E I 

    Warten auf den weißen Mann

    Hier begann die neue Vogelgrippewelle, hier starben drei Kinder. Ein Besuch ganz im Osten der Türkei.

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 14. Januar 2006, Seite 3 (Die Dritte Seite) von THOMAS SEIBERT, Yalieres. [Original]

    YALIERES/TÜRKEI (Tsp). Als erst die Hühner und dann die Kinder starben, bekam Cuma Dayan es mit der Angst. Noch vor zwei Wochen hatten seine eigenen Kinder, 3 Söhne und 2 Töchter, unbekümmert mit den 4 Hühnern gespielt, die Dayan hielt, um den Speiseplan etwas aufzubessern. Die Dayans sind arme Leute, wie alle hier in Yalieres, einer Siedlung in der Nähe der osttürkischen Provinzhauptstadt Van. Ein paar Eier ab und zu und ein Brathühnchen sind da schon etwas.

    Doch damit ist es jetzt vorbei. Dayan hat seine Hühner weggesperrt und wartet auf die Leute vom Veterinäramt, die sie abholen sollen. Denn in Yalieres ist die Vogelgrippe aufgetaucht, ein Schild am Ortseingang warnt ganz offiziell: "In diesem Bezirk gibt es Hühnerpest." Dayans Kinder haben jetzt Angst vor Hühnern, sie laufen weg, wenn sie eins sehen. Aber: Bisher ist in Yalieres, ausgerechnet in dieser Gegend, die als Ausgangspunkt gilt der neuen Angstwelle vor der Vogelgrippe, noch kein Angestellter des Veterinäramtes aufgetaucht.

    Das Virus rückt nach Westen vor, und die Türkei ist die bisher letzte Station. Gestoppt hat es wohl nicht. Noch immer ist es von Mensch zu Mensch nicht übertragbar, auch wenn sich britische Wissenschaftler seit gestern Sorgen darüber machen, ob eines der türkischen Vogelgrippe-Opfer an einer mutierten Form des Virus H5N1 gestorben ist, die für den Menschen besonders gefährlich sei. Seit das Virus 2003 in Asien aufgetaucht ist, haben sich weltweit etwa 150 Menschen infiziert, 80 sind gestorben, in der Türkei sind es bisher 18 Erkrankte und 3 Tote; über einen vierten Fall wird noch gerätselt. Alle Toten sind Kinder. Und alle kamen sie aus dieser Gegend. Hier gibt es gleich Millionen von Hühnern, sie sind billig zu halten und liefern Fleisch, Eier und Federn, sie sind eine Ernährungsgrundlage für die Ärmsten in der Türkei. Und die Hühnervernichter in ihren Vollschutzanzügen tauchen hier nicht auf?

    "Die kommen nicht, weil hier nur arme Leute wohnen", sagt einer aus dem Dorf. Die Straße zwischen Yalieres und Van, der Provinzhauptstadt, ist voller Schlaglöcher und mit gefrorenem Schneematsch überzogen. Wer in die Stadt will, läuft gut einen Kilometer zur nächsten Bushaltestelle, und die Ankunft eines Autos zieht in Yalieres immer einen Pulk neugieriger Kinder an. Einige von Dayans Nachbarn haben ihre Hühner getötet und die Kadaver einfach auf die Straße geworfen. Sie liegen immer noch da.

    Es ist nicht das erste Mal, dass Dayan Angst um seine Familie hat. Vor 10 Jahren war der heute 35-Jährige aus seinem Dorf im Dreiländereck zwischen der Türkei, Iran und Irak geflohen – es lag mitten in dem Gebiet, in dem die türkische Armee gegen die kurdische PKK kämpfte. In Yalieres konnte sich Dayan damals mit staatlicher Unterstützung ein kleines Häuschen bauen. Mehr als das Wohnzimmer können die Dayans aber immer noch nicht heizen, es ist zu teuer. Cuma Dayan ist arbeitslos und schlägt sich als Hilfsarbeiter durch, zuletzt hatte er einen Job auf dem Bau. Das war im Sommer. Nun muss das Ersparte eine Weile reichen. Das macht den Verlust der Hühner noch schmerzlicher.

    Den meisten Nachbarn, die sich an einem strahlend schönen, aber bitterkalten Nachmittag in Dayans warmem Wohnzimmer zum Tee eingefunden haben, geht es ähnlich. Die Männer sitzen auf dem rot-grün gemusterten Teppich im Kreis um den bullernden Ofen. Dayan begrüßt jeden Gast mit einem Spritzer Kölnisch Wasser und reicht Tee.

    Informiert fühlt sich hier keiner. Das Virus ist eine Chimäre. Kaum einer weiß, wie es aussieht, wo es herkommt und wie gefährlich es ist, geschweige denn, wie man mit den Hühnern, mit dem Hühnerfleisch oder mit den Hühnereiern jetzt umgehen soll. Sie wissen nur, es ist winzig, was die Angst noch vergrößert. Und dass man daran sterben kann. "Allein hier in der Gegend sind 7 Leute ins Krankenhaus gekommen", sagt einer. "Gibt's so was denn auch woanders, außerhalb der Türkei?", fragt ein anderer. Von der Vogelgrippe in Südostasien und China hat er noch nie gehört.

    Während Cuma Dayan und seine Nachbarn noch auf die Männer in den Schutzanzügen warten müssen, hat Sefik Yasar mehr Glück. Vor seiner Hütte an einer Ausfallstraße südlich von Van ist der Vernichtungstrupp schon eingetroffen: Acht Männer mit weißen Spezialanzügen, Schutzbrillen und Mundschutz, unterstützt von 4 Soldaten mit Schnellfeuergewehren, stellen Yasars 6 ahnungslosen Hühnern nach. Eines kann dem Trupp entwischen und läuft gackernd über den Hof, bevor einer der rennenden weißen Männer es erwischt. Vermutlich lebt es noch, wenn es in seinem Sack in eine eilig ausgehobene Grube geworfen wird. Nur langsam regt sich in der Öffentlichkeit Protest gegen diese Tierquälerei; in mindestens einem Fall ermittelt nun tatsächlich die Staatsanwaltschaft.

    Sefik Yasar protestiert nicht dagegen, dass sie ihm an diesem Tag seine Hühner wegnehmen. Aber anderswo wehren Hühnerhalter sich noch immer, das vergrößert das Problem, das sowieso jeden Tag zu wachsen scheint – und zwar nicht nur im besonders armen Osten Anatoliens, sondern auch in der europäischsten Stadt des Landes, in Istanbul. In einem Armenviertel, in dem tote Vögel gefunden worden waren, ist gerade eine 15-köpfige Familie ins Krankenhaus eingeliefert worden, weil sie ihre kranken Hühner lieber verspeist hatte, als die Behörden zu verständigen. In einem anderen Quarantäne- Bezirk der Stadt musste die Polizei anrücken, weil einige Bewohner ihre Hühner partout nicht herausrücken wollten.

    Für Cuma Dayan kommt so etwas nicht in Frage. Er kann sich noch zu gut an den Schrecken erinnern, der ihn durchfuhr, als er kurz nach Neujahr erfuhr, dass der 14-jährige Mehmet Ali Kocyigit aus Dogubeyazit am Berg Ararat gestorben war, nachdem er ein krankes Huhn geschlachtet hatte; kurz darauf starben auch die Schwestern Fatma und Hülya. Der Ort liegt zwar 200 Kilometer weit weg, aber die kranken Kinder waren ins Universitätskrankenhaus von Van gebracht worden, und das hat diese beängstigende Krankheit dann praktisch vor die Haustür der Dayans geliefert. Von den Kocyigit-Kindern hat nur der sechsjährige Ali Hasan überlebt. Dieser Tage ist er aus der Klinik nach Hause zurückgekehrt.

    Die Kocyigits sind ebenso arm wie die Dayans. Vater Zeki hatte bis vor einigen Jahren noch Musikkassetten im eigenen Geschäft verkauft, bis ein Erdrutsch alles hinwegfegte. Er habe seinen Kindern nie etwas bieten können, hat er kürzlich einer türkischen Zeitung erzählt. "Sie starben in Armut. Wenn sie Spielsachen wollten, erfand ich eine Ausrede, warum ich keine kaufen konnte. Ich flickte ihre abgenutzten Schuhe und zog sie ihnen wieder an." Inzwischen hat Zeki Kocyigit von den Behörden finanzielle Unterstützung und Jobangebote erhalten. Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan persönlich will Kocyigit und seinen einzig verbliebenen Sohn Ali Hasan nun bald in Ankara empfangen, um mit ihm über die Zukunft der Familie zu reden – und natürlich, um medienwirksam zu demonstrieren, dass sich der Staat um die Opfer der Vogelgrippe kümmert.

    Dabei versagt der Staat schon bei der Prävention. Ein Beispiel: Viele Menschen rund um Van sprechen kein Türkisch – sie sprechen Kurmanci, einen kurdischen Dialekt. Und so verstehen ausgerechnet die, die dieser Tage am meisten gefährdet sind – und deren Kooperation beim Hühnerfang besonders wichtig wäre – die Infosendungen der Regierung nicht, die seit Neuestem im Fernsehen laufen. Nirgendwo in der Türkei ist die Arbeitslosigkeit so hoch, die Infrastruktur so schwach und das Bildungsniveau so niedrig wie im Osten, dem Hühnerland. Die drei Kinder der Kocyigits seien auch Opfer ihrer Armut geworden, meinen manche deshalb.

    Aber das ist nicht das einzige Beispiel für das Versagen des türkischen Staates im Kampf gegen die Vogelgrippe. Örtliche Behörden hatten den Krankheitserreger bereits Mitte Dezember nördlich von Van, in der Provinz Agri, an totem Geflügel aufgespürt, doch dann hatte es Wochen gedauert, bis die Regierung in Ankara den Ausbruch öffentlich bekannt gab. Wichtige Untersuchungsergebnisse sind im Dschungel der Bürokratie verloren gegangen, und Regierungssprecher Cemil Cicek hatte die Medien sogar beschuldigt, aus purer Sensationsgier aus einer Mücke einen Elefanten zu machen; inzwischen hat er sich dafür allerdings entschuldigt. Und der Landwirtschaftsminister Mehdi Eker erteilt seinen Beamten eine Urlaubssperre, um im Kampf gegen die Seuche alle Mann an Deck zu haben – und nimmt sich selbst dann erst einmal frei. Auch deshalb sind Leute wie Cuma Dayan zutiefst verunsichert. Sie sagen: Nur wenn der Staat durchgreift, hört das auf.

    Aber bisher sind die Männer in Weiß noch nicht da gewesen. Und die Menschen in Yalieres sitzen vor ihrem bullernden Ofen, draußen die weggesperrten Hühner, und sagen: Es ist wie ein Sturm. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. [mehr]



    V O G E L G R I P P E   I N   D E R   T Ü R K E I 

    Rette sie, wer kann

    Der H5N1-Erreger nistet sich offenbar bleibend in der Türkei ein. Wie wird dem Land bei der Bewältigung der Vogelgrippe jetzt geholfen?

    Aus:
    Der Tagesspiegel, Berlin, 16. Januar 2006, Seite 2 (Fragen des Tages) von JAN DIRK HERBERMANN, Genf [Original]

    GENF (Tsp). In Werbespots für das internationale Fernsehpublikum präsentiert sich die Türkei gern als modernes, innovatives Land: Ein ganzer Staat braust da auf dem Highway der Globalisierung davon. Doch die jüngsten Schreckensnachrichten über die grassierende Vogelgrippe trüben das Bild. Bisher haben sich mindestens 19 Türken mit dem Killervirus H5N1 infiziert, erst am Sonntag [15.1.2005] wurde ein 5 Jahre alter Junge positiv getestet. Ums Leben gekommen sind bisher mindestens drei Personen. Angesichts der Ereignisse wurde der türkischen Regierung relativ schnell klar: Nur mit Hilfe von außen können die heimischen Experten das Killervirus stoppen.

    "Trotz der bisher angelaufenen Maßnahmen droht sich das Virus weiter auszubreiten", warnt auch die Welternährungsorganisation (FAO). Sie hat bereits die Nachbarländer der Türkei ermahnt, sich für den Ernstfall zu rüsten.

      Disease Outbreak News
    Info-Service der WHO.
     
    Was können UN- Agenturen nun konkret tun, um Ländern wie der Türkei nach dem Ausbruch der Vogelgrippe zu helfen? Die FAO und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen den Türken vor Ort zur Seite. Die WHO schickte Teams nach Ankara und in die betroffenen Regionen in der Osttürkei. "Die Kooperation mit dem Gesundheitsministerium läuft gut", sagte Klaus Stöhr, Leiter des WHO-Grippeprogramms, dem Tagesspiegel. Er koordiniert von Genf aus den Einsatz der Fachleute in der Türkei. Die Experten sollen zunächst bei der so genannten Risikoeinschätzung mithelfen. "Wir wollen die Frage beantworten, ob sich das Virus verändert hat", sagte Stöhr. Bis jetzt springt das Virus nur von Tier zu Tier und vom Tier auf den Menschen. Sollte es jedoch mutieren, könnte es sich auch von Mensch zu Mensch verbreiten. "Das wäre der Beginn einer globalen Grippewelle", erklärt Stöhr. Für diesen Fall fürchtet die WHO "hunderte Millionen Fälle schwerer Erkrankungen und Millionen Tote". Weiter unterstützen die WHO-Fachleute die Türken bei den Untersuchungen in den Labors, bei der Infektionskontrolle in Krankenhäusern und in der Forschung.

    Die WHO drängt die türkische Regierung, die Wahrheit über die Seuche zu sagen. "Da darf nichts vertuscht werden, später müssten viele Menschen für die Lügen einzelner Personen zahlen", warnt ein WHO-Mitarbeiter, der anonym bleiben will.

    Auch die Welternährungsorganisation verlangt totale Transparenz. "Infiziertes Geflügel muss sofort gemeldet werden", sagt Juan Lubroth, FAO-Veterinär. Die Organisation legte den Türken ein Bündel von Empfehlungen auf den Tisch: Von Notschlachtungen über Tierimpfungen bis hin zu striktem Transportverbot für Vögel. "Die Türkei muss eine zentral koordinierte, landesweite Kontrollkampagne anwenden", fordert Lubroth. Dabei dürfe der Staat nicht knausern. Die Veterinäre bräuchten jegliche finanzielle Hilfe.

    Letztlich sehen sich die internationalen Experten als eine Art Feuerwehr – und die Türkei ist nur ein Brand unter vielen. "Insgesamt haben wir in 13 Ländern Ausbrüche der Vogelgrippe unter Tieren, in 5 Ländern sind Menschen befallen", sagt WHO-Mann Stöhr. Nach Schätzungen wird es zum Beispiel in Asien 3 bis 5 Jahre dauern, um das Killervirus vollständig zu eliminieren.

    Stöhr und seine Mitstreiter ahnen: Die Türkei wird wohl nicht ihr letzter Fall bleiben. [mehr]



    B S E

    Vogelgrippe zurzeit gefährlicher als BSE

    Die EU-Kommission stuft die Vogelgrippe als die zurzeit gefährlichste Tierseuche ein – noch vor BSE.

    Aus:
    Schweizer Bauern-Verband, 17. Januar 2006, ??.?? Uhr MEZ (News). [Original]

    BRÜSSEL (lid). Besonders kostspielige Massnahmen zur Bekämpfung des Rinderwahns müssten deshalb überdacht werden, um die knappen Ressourcen in die richtige Richtung zu lenken, berichtet der Österreichische Agrarpressedienst AIZ. Insbesondere stellt die Kommission die immer noch umfangreichen BSE-Tests in Frage. Bei Rindern im Alter von 30 bis 35 Monaten würden keine BSE-Fälle mehr nachgewiesen. Weil die Tiere nach den EU-Vorschriften aber immer noch durchgängig untersucht würden, summierten sich die Kosten auf mehrere 100 Millionen Euro in der EU. Das sei nicht mehr zu rechtfertigen, insbesondere wenn die Bekämpfung der Vogelgrippe anstünde, meint die Kommission gemäss AIZ. Besonders Deutschland tut sich schwer bei der Lockerung der BSE-Auflagen. Dort werden immer noch alle Schlachtrinder ab 24 Monaten getestet. Inzwischen seien einige Bundesländer mit der Situation unzufrieden, heisst es.

    Auch bei anderen Massnahmen will die Kommission Schritte einleiten. Für Grossbritannien soll nach 10 Jahren das Exportverbot für Rindfleisch wieder aufgehoben werden. Kürzlich unterbreitete die Kommission den Mitgliedstaaten den Vorschlag, gemäss diesem lebende Rinder und Fleisch aus England wieder auf den Kontinent gelangen dürften. Dem Konsument gegenüber müssten solche Lockerungen gut begründet werden, gibt die Kommission zu bedenken. 14 Mitgliedstaaten sollen sich für ein Ende des Embargos ausgesprochen haben. In den kommenden Wochen will die Kommission im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit abstimmen lassen. Dort braucht sie eine qualifizierte Mehrheit an Befürwortern.



    V O G E L G R I P P E

    Die Insel der Viren

    Auf der Ostseeinsel Riems arbeiten Forscher an einem Impfstoff gegen die Vogelgrippe – abgeschottet von der Außenwelt und unter strengen Sicherheitsmaßnahmen. Sie sind Teil des weltweiten Wettrennens gegen das H5N1-Virus, das schon bald zu einer globalen Gefahr werden könnte.

    Aus:
    Spiegel Online – 17. Januar 2006, 15.21 Uhr MEZ (nur elektronisch publiziert) von TOBIAS LILL, Insel Riems. [Original]

    INSEL RIEMS. Die tödliche Gefahr lauert ganz in der Nähe. Hinter Stacheldrahtzaun, massiven Mauern, Sicherheitsschleusen und dicken Glasfenstern. Die Wildgänse im Schilf ahnen nichts, schnattern unentwegt, und auch die kleine Entenfamilie am Ufer watschelt gemütlich den Strand entlang.

    Die Gefahr hat einen Namen: H5N1. Im unweit einiger Nistplätze gelegenen Friedrich-Loeffler-Institut experimentieren Forscher mit dem Vogelgrippe-Virus. Doch die vielen Wasservögel am Strand haben nichts zu befürchten. Europas führendes Forschungszentrum gilt als absolut sicher. Das Virus ist gut verwahrt, mit modernsten Filtern von der Außenwelt abgeschottet.

    Die Wissenschaftler forschen an einem neuartigen Impfstoff gegen die Vogelgrippe. Er soll, anders als die bisher gängigen Präparate, gesunde Vögel nicht nur immunisieren, sondern es zugleich ermöglichen, geimpfte Tiere von infizierten zu unterscheiden.

    Derzeit impfen die Ärzte jedes Tier einzeln, in Zukunft könnten sie die erforderliche Dosis einfach dem Trinkwasser beimischen. Der Prototyp wurde bereits erfolgreich getestet, bis zur Massentauglichkeit dürften aber noch einige Jahre vergehen.

    Rund 450 Mitarbeiter beschäftigt das FLI, den Großteil auf Riems. Seit 1910 werden auf der Insel – in sicherer Entfernung zur nächsten Stadt Greifswald – Erreger von Tierseuchen erforscht. 2004 belief sich das Budget des Instituts auf über 21 Millionen Euro.

    Die Mitarbeiter testen in Spitzenzeiten täglich über hundert Proben von Vögeln auf Influenzaviren. Einer der Tiermediziner, die sich am Institut auf die Vogelgrippe spezialisiert haben, ist Timm Harder. Er sitzt in einem kleinen Labor, das man nur in Schutzkleidung betreten darf.

    Anfragen aus Indien und Saudi-Arabien

    "Wir haben auch Anfragen aus dem asiatischen Raum, etwa aus Indien, Saudi-Arabien oder eben der Türkei", sagt der Forscher. Dann deutet er auf einen schwarzen Plastikkasten, der im Hintergrund surrt. Harder erklärt: "Mit diesem Analysegerät erhalten wir innerhalb von eineinhalb Stunden erste Ergebnisse." Das Schicksal diverser Hühnerpopulationen wurde schon in diesem unscheinbaren Gerät entschieden.

    Sicherheit gibt es aber erst nach mehrtägigen Tests. Zu Harders Arbeitsplatz gehört deshalb auch eine kleine, fensterlose Kammer. Dort ist es immer warm, denn an der Wand stehen die Brutschränke, in denen virenverseuchte Vogelembryos die ersten und zugleich letzen Stunden ihres kurzen Lebens verbringen.

    Das Virus tötet in fünf Tagen

    Harder öffnet die Tür zum Brutschrank, entnimmt eine Palette mit Hühnereiern und richtet eine Lampe auf eines davon. Er deutet auf ein kleines, mit Wachs verschlossenes Einstichloch. "Hier injizieren wir aufbereitetes Material aus den uns zugeschickten Proben", erklärt der Forscher.

    Die Schale schimmert orangefarben. Einige gut durchblutete Gefäße werden sichtbar. Der Embryo bewegt sich. Noch lebt er. "Die Eier werden fünf Tage bebrütet", erklärt Harder. Länger braucht das Vogelgrippe-Virus nicht, um einen Embryo zu töten. Noch hat Harder keine tödlichen Proben aus Deutschland injizieren müssen.

    "Um das Risiko eines Vogelgrippe-Virus', das von Mensch zu Mensch überspringt, möglichst einzudämmen, ist es wichtig, die weitere Verbreitung in der Geflügelpopulation zu minimieren", erklärt Thomas Mettenleiter, der Präsident des FLI. Je mehr Tiere infiziert werden, desto höher ist das Risiko, dass irgendwann ein Virus so mutiert, dass es von Mensch zu Mensch überspringen kann.

    Von seinem Schreibtisch aus hat der Wissenschaftler einen traumhaften Blick auf die Weite der Ostsee. "Es ist einer der schönsten Arbeitsplätze", schwärmt er. Aber eigentlich hat er im Augenblick andere Sorgen: "Es ist nicht auszuschließen, dass die Vogelgrippe zur Pandemie wird." Mettenleiter hat tiefe Augenringe. "Derzeit sind 12-Stunden-Arbeitstage die Regel", sagt er.

    Isoliert auf der Insel

    Die Insellage des FLI ist ein Überbleibsel aus der Anfangszeit des vergangenen Jahrhunderts, als Institutsgründer Friedrich Loeffler emsig nach einem Impfstoff für die Maul- und Klauenseuche suchte. Zuvor lag die Forschungseinrichtung auf dem Festland – aber örtliche Bauern machten das Institut für verendetes Vieh verantwortlich und erzwangen schließlich den Umzug übers Wasser.

    Damit das FLI auch für die Seuchen der Zukunft gerüstet ist, sollen in den nächsten fünf Jahren 150 Millionen Euro in den Ausbau des Instituts investiert werden. Noch liegt die Fläche brach, auf der bald hochmoderne Ställe und Hochsicherheitslabore entstehen sollen, so dass hier in Zukunft auch mit besonders ansteckenden auch für den Menschen gefährlichen Erregern geforscht werden kann.

    Außerdem soll Riems wieder "eine richtige Insel" werden, wie es Mettenleiter formuliert. Seit 1971 verbindet ein in DDR-Zeiten ohne Rücksicht auf das sensible Ostsee-Ökosystem aufgeschütteter Damm das Institut mit dem Festland. Dieser soll möglichst bald geöffnet werden, um so einen ausreichenden Wasseraustausch im flachen Bodden zu ermöglichen.

    Auch auf die Menschen der Region nahm die SED-Führung wenig Rücksicht. Sie erklärte einen riesigen Bereich – samt einigen von Mitarbeitern bewohnten Häusern – kurzerhand zum Sperrgebiet. "Auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen mussten die Anwohner ausgiebige Kontrollen über sich ergehen lassen", sagt ein Greifswalder. Noch heute warnen Verbotsschilder mit Aufschriften wie "Tierseuchen-Sperrbezirk" und "Zugang nur für Befugte".

    Vor 1971 war die Insel nur mit einer Seilbahn zu erreichen. "Fünf Wissenschaftler oder eine Kuh hatten damals darauf Platz", erinnert sich der örtliche Busfahrer. In Zeiten der Vogelgrippe-Angst hat sich die Wahrnehmung der einheimischen Bevölkerung gegenüber dem Eiland grundlegend verändert.

    Früher nannten die Bauern des Umlands Riems die "Seuchen-Insel", zu BSE-Zeiten die "Wahnsinns-Insel". Jetzt schwärmen die Greifswalder vor allem über die "vielen sicheren Jobs" und den "Forschungsstandort Mecklenburg-Vorpommern".



    V O G E L G R I P P E

    Gesunde Luftratten

    Stimmt es eigentlich, dass Tauben resistent gegen Vogelgrippe sind oder ist das eine Mär?

    Aus:
    DIE ZEIT – Nr. 4/2006, 19. Januar 2006, Seite ?? (Wissen) von BODO LASCH, Bergstedt. [Original]

    Weil Tauben zu Millionen unsere Städte bevölkern und dem Menschen sehr nahe kommen, sind sie schon früh ins Visier der Seuchenforscher geraten. Und so mancher Taubenfeind mag gehofft haben, dass die Vogelgrippe endlich einen Anlass bieten würde, die Population der »Ratten der Lüfte« drastisch zu reduzieren.

    Deutschlands führende Vogelgrippenforscher arbeiten im Friedrich-Loeffler-Institut auf der vor Greifswald gelegenen Ostseeinsel Riems. Ortrud Werner leitet dort das Nationale Referenzlabor für die Vogelgrippe. Schon 2003 untersuchte ihr Institut die Legende von den resistenten Tauben auf ihren Wahrheitsgehalt: In zwei Ställen wurde einer Gruppe Tauben und einer Gruppe Hühner eine hohe Dosis des Grippevirus H7N7 regelrecht in die Nasenlöcher geschmiert. Während die Hühner binnen zwei Tagen tot von der Stange fielen, blieben die Tauben putzmunter. Allerdings waren in ihrem Blut sowohl Antikörper gegen den Erreger als auch winzige Mengen des Virus nachweisbar. Wenn man Hühner zu ihnen in die Volière setzte, infizierten sich diese nicht – offenbar gaben die Tauben kaum ansteckende Keime weiter.

    In diesem Jahr hat Ortrud Werner die Versuche mit dem gefährlicheren Virus H5N1 wiederholen lassen, das aus Indonesien beschafft worden war. Diesmal war das Ergebnis ein anderes: Wieder starben sämtliche "Referenzhühner" innerhalb von 2 Tagen, aber auch 5 von 16 Tauben erkrankten an der Vogelgrippe und zeigten die typischen Ausfallsymptome des Nervensystems. Drei der Vögel starben. Aber offenbar schieden auch die erkrankten Tiere nur geringe Mengen des Virus aus und steckten keine Hühner an.

    Das Fazit also: An der neuen, aggressiven Form der Vogelgrippe können auch Tauben erkranken. Der Mensch muss sich aber nicht vor der Ansteckung fürchten, da sich nicht einmal die viel empfindlicheren Hühner infizieren. Insbesondere gibt es keinen Anlass, nun in Panik die Tauben im Park zu vergiften.



    Bundesministerium für Gesundheit richtet neues Nationales Referenzzentrum in Göttingen ein

    Prionforschungsgruppe wird Nationales Referenzzentrum für die "Surveillance Humaner Spongiformer Enzephalopathien". Die Förderung gilt für zunächst drei Jahre.

    Aus:
    Uni-Protokolle, 19. Januar 2006, ??.?? Uhr MEZ (Nachrichten). [Original]

    GÖTTINGEN (idw/ukg). Die Prionforschungsgruppe an der Abteilung Neurologie des Bereichs Humanmedizin – Universität Göttingen ist seit dem 1. Januar 2006 das Nationale Referenzzentrum für die "Surveillance Humaner Spongiformer Enzephalopathien" in Deutschland. Das Nationale Referenzzentrum soll alle in Deutschland vorkommenden Fälle von so genannten "humanen spongiformen Enzephalopathien" erfassen. Zu diesen Erkrankungen bei Menschen gehören unter anderem die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) und die durch BSE ausgelöste Variante der CJK, die so genannte vCJK. Das Bundesministerium für Gesundheit hat das Nationale Referenzzentrum (NRZ) in Göttingen eingerichtet und fördert es für zunächst drei Jahre.

    Das Nationale Referenzzentrum (NRZ) wird insbesondere Änderungen in der Häufigkeit des Auftretens der Creutzfeldt-Jakob Krankheit sowie alle Hinweise auf Änderungen bei den krankheitsspezifischen Merkmalen dieser Erkrankung dokumentieren. "Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf solche Anzeichen, die auf eine BSE-Epidemie hindeuten könnten", sagt die Leiterin der Prionforschungsgruppe und des Nationalen Referenzzentrums, Professorin Dr. Inga Zerr. Alle Erkenntnisse und Daten werden in einer Referenzdatenbank gesammelt. Die Daten stehen anderen Institutionen europaweit und darüber hinaus weltweit zur Verfügung.

    Als Nationales Referenzzentrum übernimmt die Göttinger Prionforschungsgruppe zusätzlich Aufgaben in der Diagnostik atypischer Demenzerkrankungen. Das Nationale Referenzzentrum berät und unterstützt den öffentlichen Gesundheitsdienst und das Robert-Koch-Institut bei ergänzenden Untersuchungen. Darüber hinaus bietet das NRZ Schulungen und allgemeine Fort- und Weiterbildungen für Ärzte über humane spongiforme Enzephalopathien an.

    Das Göttinger NRZ arbeitet an der Entwicklung diagnostischer Verfahren zur Erkennung von humanen spongiformen Enzephalopathien. Neben der Liquordiagnostik (Untersuchung des Nervenwassers) gehören auch bildgebende Verfahren, wie z. B. die Kernspintomographie dazu. Krankenhäuser aus ganz Deutschland können sich bei einem Verdacht auf eine Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung an das NRZ wenden. Das NRZ bietet dafür spezielle Liquoruntersuchungen an. Jährlich wurden bisher etwa 2.500 Liquorproben von Patienten mit rasch fortschreitenden demenziellen Erkrankungen im Labor der Prionforschungsgruppe untersucht. Als Referenzlabor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Liquordiagnostik bei Verdacht auf CJK untersucht die Göttinger Forschungsgruppe Proben aus europäischen und außereuropäischen Ländern, darüber hinaus besteht eine enge Zusammenarbeit zu anderen Forschungsgruppen in Europa und den USA.

    In Deutschland wurde bislang nur bei einem Teil der Verdachtsfälle eine Creutzfeldt-Jakob-Krankheit diagnostiziert. Pro Jahr erkranken etwa 120 Menschen in Deutschland an CJK, das entspricht einer Häufigkeit von 1,5 pro Jahr auf eine Million Einwohner. Eine der neuen Variante der CJK oder vergleichbare Erkrankungsfälle, wie sie in Großbritannien aufgetreten sind, sind bisher in Deutschland nicht dokumentiert worden. "Da aber weiterhin Varianten der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJK) in europäischen Ländern mit niedriger BSE-Inzidenz auftreten, macht dies jedoch eine kontinuierliche Überwachung auch in Deutschland notwendig", sagt Prof. Dr. Inga Zerr.

    Nationales Referenzzentrum (NRZ)

    Im Rahmen der Neustrukturierung der Infektionsepidemiologie in Deutschland werden seit 1995 eine Reihe Nationaler Referenzzentren (NRZ) zur Überwachung wichtiger Infektionserreger durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) benannt und finanziell gefördert. Die Berufung erfolgt jeweils für eine dreijährige Periode in Abstimmung unter anderem mit Vertretern des Robert-Koch-Institutes. Nationale Referenzzentren gehören zu dem infektionsepidemiologischen Netzwerk, das das Robert-Koch-Institut bei seiner Arbeit unterstützt. So liefern sie dem Robert-Koch-Institut unter anderem zusätzliche Informationen und Fachexpertisen, die zur Entwicklung effektiver Präventions- und Bekämpfungsstrategien bei Infektionskrankheiten gebraucht werden.

    Weitere Informationen:

    Bereich Humanmedizin – Universität Göttingen
    Abt. Neurologie (Direktor: Prof. Dr. Mathias Bähr)
    Prof. Dr. Inga Zerr
    Prionforschungsgruppe
    E-Mail:
    IngaZerr@med.uni-goettingen.de
    Tel: 0551/ 39-6636, Fax: 0551/ 39-7020
    Homepage: http://www.cjd-goettingen.de

    Bereich Humanmedizin – Georg-August-Universität Göttingen
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Stefan Weller
    Robert-Koch-Str. 42 – 37075 Göttingen
    Tel.: 0551/39 - 99 59, Fax: 0551/39 - 99 57
    E-Mail: presse.medizin@med.uni-goettingen.de



    V O G E L G R I P P E

    Virus vereint gefährliche Mutationen

    Forscher haben bei den Vogelgrippe-Viren aus der Türkei 3 verschiedene Mutationen festgestellt. Zwei davon passen das Virus dem menschlichen Organismus an. Ein anderes Forscherteam warnt davor, sich auf die Medikamente Tamiflu und Relenza zu verlassen.

    Aus:
    Spiegel Online – 19. Januar 2006, 17.38 Uhr MEZ (nur elektronisch publiziert). [Original]

    LONDON. Das Londoner Labor, das die aus der Türkei angelieferten Vogelgrippe-Viren untersucht, hat 3 unterschiedliche Mutationen in der Gensequenz des Erregers entdeckt. Mindestens zwei davon ermöglichen es dem H5N1-Virus vermutlich, sich leichter in menschlichen Körpern einzunisten.

    Schon seit der extremen Häufung der Fälle befallener Menschen in der Türkei sind Experten besorgt, dass sich der Erreger verändert haben könnte. 20 Menschen haben sich dort bislang nachweislich mit dem Virustyp H5N1 infiziert, 4 sind daran gestorben. Maria Cheng, eine Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sagte dem Nachrichtendienst des Wissenschaftsjournals "Nature": "Die große Zahl der Fälle in einer derartig kurzen Zeitspanne hat uns gezwungen, eine Übertragung von Mensch zu Mensch in Betracht zu ziehen."

    Ein Labor des britischen National Institute of Medical Research hat bislang Proben von den ersten beiden Kindern sequenzieren können, die in der Osttürkei an dem Virus gestorben waren. Von einer Mutation war schon in der vergangenen Woche die Rede: Sie betrifft ein Protein, dass es dem Virus ermöglicht, besser an die Oberfläche der Zellen des befallenen Organismus anzudocken. Genau diese Mutation ist schon zuvor beobachtet worden, zweimal in Hongkong und einmal bei einem tödlich verlaufenen Fall in Vietnam. Sie erhöht die Fähigkeit des Virus', an menschliche Rezeptoren anzudocken und senkt dafür die Affinität zu Rezeptoren von Geflügelzellen.

    Die Proben der beiden türkischen Kinder wiesen zudem eine Veränderung des sogenannten Polymerase-Proteins auf, das das Virus benötigt, um sein genetisches Material zu reproduzieren. Diese Mutation wurde in anderen Vogelgrippe-Stämmen bereits beobachtet. Sie gehört laut "Nature News" auch zu den Veränderungen, die das Virus der Spanischen Grippe entstehen ließen, die 1918 eine Pandemie mit bis zu 50 Millionen Todesopfern auslöste.

    Zwei für Menschen gefährliche Mutationen gleichzeitig

    Auch diese Veränderung signalisiere eine Anpassung an den Menschen, erklärte der Chef des Londoner Labors, Alan Hay. Glutaminsäure sei an einer Stelle des Polymerase-Proteins durch Lysin ersetzt worden, und "Glutaminsäure ist mit der Grippevirus-Vermehrung bei Vögeln verknüpft, Lysin bei Primaten", so Hay.

    Die Bedeutung einer weiteren von den Forschern entdeckten Mutation ist noch unklar. Die Virenstämme aus der Türkei seien jedoch die einzigen, bei denen die rezeptorspezifische und die vermehrungsspezifische Variation gemeinsam aufgetreten seien. Sie könnten es den Viren erleichtern, von Geflügel auf den Menschen überzuspringen – aber auch den Sprung von Mensch zu Mensch ermöglichen.

    Die Polymerase-Mutation hilft dem Virus, in den kühleren Regionen im Bereich der Nase zu überleben, während die Rezeptormutation es ihm ermöglicht, sich auch in der Nase und im Hals festzusetzen, anstatt tiefer unten in der Lunge. Dies könnte eine Übertragung durch Tröpfcheninfektion begünstigen. Hay sagte gegenüber "Nature News" aber, die beiden Veränderungen allein erlaubten vermutlich noch keine Übertragung von Mensch zu Mensch. Weitere Proben müssten dringend untersucht werden, um mögliche weitere Veränderungen aufzuspüren.

    Antivirale Mittel schützen nicht gut genug

    Eine andere Studie warnt unterdessen davor, sich in falscher Sicherheit durch die Verfügbarkeit antiviraler Mittel wie Tamiflu und Relanza [siehe Infokasten] zu wiegen. Zwar könnten diese Medikamente beim Kampf gegen Symptome und Komplikationen helfen, sie hätten aber nur eine niedrige Wirksamkeit, wenn es darum gehe, einen Grippe-Ausbruch unter Kontrolle zu bringen, heißt es in der aktuellen Ausgabe der britischen Medizinzeitschrift "The Lancet".

    Die Arzneien sollten deshalb "nur bei einer ernsten Epidemie oder Pandemie zusammen mit anderen Maßnahmen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge eingesetzt werden, wie Masken, Schutzkleidung, Handschuhen, Quarantäne und Händewaschen."

    Einen weitgehenden Stopp der Virus-Verbreitung könnten beide Mittel nicht gewährleisten, erklärten Tom Jefferson vom Mediziner-Netzwerk Cochrane Vaccines Field und seine Kollegen. Zudem wirke keines der Medikamente bei Infizierten ohne klar erkennbare Symptome, die damit die Krankheit unbewusst weiter verbreiten und Eindämmungsversuche der Behörden unterlaufen könnten.

    Bei den Studien zur Vogelgrippe fanden die Mediziner nach eigenem Bekunden keinen Beweis, dass Tamiflu bei H5N1-Infizierten in Asien die Todesrate senkte. Sie räumen allerdings ein, dass dies auch die Folge einer zu späten Diagnose der Krankheit sein kann. Daneben gab es bei Fällen in Japan und Vietnam eine relativ hohe Zahl von Resistenzen gegen Tamiflu (16 Prozent). [mehr]



    Das Virus geht um. Und Tamiflu ist machtlos

    Forscher warnen vor der vorbeugenden Einnahme von Grippemedikamenten / [Ed: aber man beachte die Kritik an der Kritik]

    Aus: Berliner Zeitung, 20. Januar 2006, Seite ?? (Politik) von Anke Brodmerkel. [Original]

    In vielen deutschen Kühlschränken sind zur Zeit nicht nur Käse, Wurst und Bier zu finden. In Zeiten der weltweiten Bedrohung durch die Vogelgrippe horten dort die Menschen auch das Grippemittel Tamiflu. Wochenlang war das Medikament in Apotheken ausverkauft. Sogar bei Ebay wurde damit gehandelt. In dem Internet- Auktionshaus bot manch einer für eine Packung mit 10 Tabletten bis zu 130 Euro – das ist etwa das Vierfache des regulären Verkaufspreises.

    Eine Nachricht aus Italien könnte nun all diese Jäger und Sammler erschüttern. "Wir haben keine Beweise gefunden, dass Tamiflu gegen Vogelgrippe hilft", schreiben Wissenschaftler um Tom Jefferson vom Cochrane-Zentrum in Alessandria in der Medizinzeitschrift Lancet. Die Forscher haben 51 Studien mit insgesamt mehr als 25.000 Teilnehmern ausgewertet, in denen Medikamente gegen Grippeviren untersucht wurden. Zwar lindere der in Tamiflu enthaltene Wirkstoff Oseltamivir Symptome der Vogelgrippe, schreiben Jefferson und seine Kollegen. Es gebe aber keine Hinweise, dass das Mittel die Zahl der Grippetoten senken könne [Ed-7.3.2006: aber genau das zeigte sich in Asien, worauf RKI-Influenza-Experte Werner Lange erzürnt hinwies]. Auch verhindere es weder eine Ansteckung noch eine Weitergabe der Viren.

    Die Forscher gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie raten auch davon ab, das Mittel einzunehmen, um der herkömmlichen Grippe vorzubeugen. Damit widersprechen sie den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, die sich für eine prophylaktische Einnahme bei Risikogruppen während der Grippesaison ausspricht. Sowohl Tamiflu als auch das Grippemedikament Relenza sollten erst bei einer beginnenden Epidemie, gemeinsam mit anderen Schutzmaßnahmen, zum Zuge kommen, fordert das Team um Jefferson. Andernfalls müsse man damit rechnen, dass Grippeviren zunehmend resistent würden. Die Pillen im heimischen Kühlschrank könnte man dann wegwerfen. [mehr]



    V O G E L G R I P P E

    Forscher könnten Waffe des H5N1-Virus gefunden haben

    Eine aufwendige Studie hat die Menge der Daten über das Erbgut des Vogelgrippe-Erregers verdoppelt. Forscher haben dabei möglicherweise herausgefunden, was das H5N1-Virus so gefährlich macht.

    Aus:
    Spiegel Online – 27. Januar 2006, 12.49 Uhr MEZ (nur elektronisch publiziert). [Original]

    Experten fragen sich schon seit langem, warum alle bisherigen Grippe- Pandemien unter Menschen auf Vogelviren zurückgingen – und warum auch die derzeit in Asien kursierende Vogelgrippe-Variante für Menschen tödlicher ist als andere Grippeviren. Jetzt könnten Wissenschaftler eine Antwort gefunden haben.

    Ein Team um John Obenauer vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis hat 2196 einzelne Vogelgrippe-Gene und das komplette Genom von 169 verschiedenen H5N1-Viren analysiert. Dabei stießen die Forscher auf ein Protein mit einer Reihe von Aminosäuren, die sich in der infizierten Zelle an Rezeptoren binden und dadurch etliche Schlüsselfunktionen von Proteinen beim Menschen lahmlegen.

    Menschliche Grippeerreger haben das sogenannte NS1-Protein zwar auch. Doch ihnen fehlt die Kette von Aminosäuren, die Vogelgrippeviren ganz offensichtlich als Waffe nutzen, schreiben Obenauer und seine Kollegen in der Online-Ausgabe des Fachblatts Science.

    Die Forscher hatten Vogelgrippeviren studiert, die von 1976 bis 2004 bei zahlreichen Arten freier Vögel sowie Haushühnern und anderem Zuchtgeflügel isoliert wurden. Ihr Ergebnis, das sie in der "GenBank" öffentlich zugänglich machen, verdoppelt die Anzahl der bisher verfügbaren genetischen Daten von H5N1-Erregern auf einen Schlag, heißt es in Science.

    Die US-Forscher setzten zusätzlich ein von ihnen entwickeltes Verfahren namens "Proteotyping" ein. Dieses konzentriert sich auf Unterschiede in den Aminosäuren der Viren-Proteine und spürt winzigste Veränderungen im Erbgut der Erreger auf, die bei den bisher üblichen Verfahren laut Obenauer und Kollegen leichter übersehen werden. [mehr]



    Das gläserne Schnitzel

    Prionics schliesst Lücke im Verbraucherschutz

    Aus:
    Campus-Med, 29. Januar 2006, ??.?? Uhr MEZ (Pressemitteilung) von PRIONICS AG, Zürich. [Original]

    ZÜRICH (ots). Dem schweizerischen Erfolgsunternehmen Prionics ist ein weiterer Coup im Kampf gegen Tierseuchen gelungen. TypiFix™, die innovative Diagnostikohrmarke kann Nutztiere, wie Rinder, Schweine und Schafe kennzeichnen und ihnen gleichzeitig eine Gewebeprobe entnehmen.

    "Durch die spezielle Mumifizierungstechnik von TypiFix™ ist es einfach geworden, das Schnitzel in den Stall zurück zu verfolgen", sagt Prof. Dr. med. vet. Gottfried Brem, der geistige Vater von TypiFix™. Darüber hinaus lassen sich mit einer TypiFix™-Probe diverse diagnostische Tests durchführen und beispielsweise Viruserkrankungen nachweisen. Auch in der Tierzucht kann das innovative System eingesetzt werden: Erkennt der Züchter frühzeitig, welche Tiere genetische Mängel aufweisen, können diese von der Zucht ausgeschlossen werden.

    "Die Einsatzmöglichkeiten für TypiFix™ sind vielfältig, was das System so attraktiv macht. Zudem füllt das Produkt, dadurch dass es erstmals die beiden Anwendungsgebiete Rückverfolgbarkeit und Diagnostik verbindet, eine wichtige Lücke im Verbraucherschutz", sagt Dr. Bruno Oesch, CEO und Verwaltungsratspräsident von Prionics.

    In mehreren offiziellen Pilotstudien mit Behörden in Europa und den USA hat sich TypiFix™ bereits bewährt. Prionics geht davon aus, dass sich die Diagnostikohrmarke schnell zu einem weltweiten Standard etablieren wird. Prionics wird TypiFix™ über die IDnostics AG, eine eigens gegründete Tochtergesellschaft vermarkten, an der das Zürcher Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung hält.

    Über TypiFix™ Die preisgekrönte Diagnostikohrmarke entnimmt einem Tier direkt bei der Kennzeichnung ein Stück Gewebe. Das Ohrgewebe wird bei der Entnahme konserviert und kann dann vom Bauern einfach und kostengünstig per Post ins Labor zur Diagnose verschickt werden. Durch die spezielle Mumifizierungstechnik kann eine TypiFix™-Probe praktisch unbegrenzt lange bei Zimmertemperatur gelagert werden.

    Die Probe eignet sich sowohl für diagnostische Tests als auch DNA-Analysen. Da mit TypiFix™ eine Gewebeprobe entnommen wird, ist das System zudem absolut verwechslungssicher.

    Über Prionics

    Die Prionics AG ist weltweit führend in der Prionendiagnostik. Gegründet wurde das Unternehmen 1997 als Spinoff der Universität Zürich. In ihrem Hauptsitz in Zürich entwickelt Prionics Diagnostikprodukte für Prionenerkrankungen wie BSE sowie andere zoonotische Erkrankungen. Das Unternehmen, das derzeit rund 90 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, wurde 2002 mit dem Swiss Economic Award als "Unternehmen des Jahres" ausgezeichnet und gewann 2004 den European Biotech Award für "Excellence in Biotech Business". Spitzenforschung, hochwertige Produkte und neue Marketingkonzepte sind das Erfolgsrezept von Prionics. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.prionics.com, unter www.idnostics.com.



    Prionen sichern hämatopoetischen Stammzellen das Überleben

    Eine positive Seite der BSE-‚Erreger‘ / [Ed: aber nur eine ganz kleine ‚Sekundärseite‘, denn die vorgelegten Forschungsergebnisse erklären nicht, wozu die riesigen Prionenmengen im Umfeld von Neuronen (vor allem im Gehirn) dienen – das wollen wir endlich wissen!]

    Aus:
    Ärzteblatt, 31. Januar 2006, ??.?? Uhr MEZ (Medizin-Nachrichten). [Original]

    CAMBRIDGE/MASSACHUSETTS (rme). Seit langem wird darüber gerätselt, welche Funktion den überall im Körper vorhandenen PrP-Eiweißen zukommt, deren fehlerhafte Faltung im Gehirn die Prionen-Erkrankungen wie BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) oder CJD (Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) auslöst. US-Forscher vermuten, dass die normalen Prione hämatopoetischen Stammzellen das Überleben sichern, wofür ihre in den Proceedings of the National Academy of Science (PNAS 2006; doi: 0510577103) beschriebenen Experimente den Beleg liefern.

    Das normale Prion-Protein (PrP) ist im Körper so weit verbreitet, dass seine Existenz kein Zufall sein kann. Es muss eine Funktion haben, andernfalls wäre es im Verlauf der Evolution längst aus dem Erbgut aussortiert worden. Doch die Aufgabe des PrP ist bislang unklar. Rein zufällig hat die Forschergruppe um Harvey Lodish vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, Massachusetts, entdeckt, dass hämatopoetische Stammzellen PrP auf ihrer Oberfläche exprimieren. Es lag deshalb nahe, das Verhalten von Stammzellen zu untersuchen, denen PrP fehlte. Bereits 1993 wurden so genannte Knock-out-Mäuse geschaffen, denen das PrP-Gen fehlt. Die Tiere blieben jedoch gesund und hatten darüber hinaus noch den Vorteil, nach Infektion mit missgefalteten PrPSc niemals zu erkranken.

    Auch die hämatopoetischen Stammzellen dieser Tiere waren zunächst unauffällig. Wenn sie anderen Tieren transplantiert wurden, deren Knochenmark durch Bestrahlung ausgeschaltet wurde, kam es zu einer Neubildung eines neuen blutbildenden Systems. Doch wenn das Knochenmark dieser Tiere genommen wurde, um bei weiteren bestrahlten Tieren ein neues blutbildendes Gewebe zu etablieren, offenbarten die PrP-freien Stammzellen allmählich ihre Schwächen. Je länger die Transplantations-Kette fortgesetzt wurde, desto schlechter gelang die Etablierung eines neuen blutbildenden Gewebes. Anscheinend benötigen die Stammzellen die PrP, um langfristig – also über Generationen hinweg – ihre Integrität zu wahren.

    Damit sind allerdings noch nicht alle Rätsel der PrP gelöst. Ungeklärt ist weiterhin, welche Funktion sie im Gehirn haben [Ed: und darauf kommt es doch wohl an], wo sie besonders zahlreich sind. [mehr]

    [Pressemitteilung des Whitehead Institute for Biomedical Research]



    I M   T I E R V E R S U C H

    Manipuliertes Virus stoppt Vogelgrippe

    Auf der Suche nach einer Vogelgrippe-Impfung haben Forscher ein Merkmal von H5N1 in ein harmloses Virus eingeschleust. Das ist zumindest technisch ein Durchbruch auf dem Weg zu einem Serum. Im Experiment schützte das bereits – aber nur Labormäuse.

    Aus:
    Spiegel Online – 2. Februar 2006, 15.02 Uhr MEZ (nur elektronisch publiziert) von STEFAN SCHMITT. [Original]

    Die Furcht vor einer Vogelgrippe-Pandemie spornt die Suche nach neuen Impfmöglichkeiten an. Statt wie bisher mit einer abgeschwächten Injektion des gefährlichen Virus in Hühnereiern, die dann als Immunreaktion ein Serum produzieren, setzt Mary A. Hoelscher auf Gentechnik: Sie hat ein gewöhnliches Adenovirus so verändert, dass es ein spezielles Protein namens Hämagglutinin Untertyp 5 (kurz: H5HA) produziert. Dieses Protein ist ein Bestandteil der Hülle des Vogelgrippe-Erregers H5N1, der nach den Subtypen seiner beiden Oberflächenproteine Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) benannt ist.

    Im Versuch injizierte Hoelscher Versuchsmäusen das genetisch modifizierte Adenovirus anstelle eines gewöhnlichen Impfserums. Das Ergebnis: Zwar entwickelten die Tiere keine Antikörper, die H5N1 neutralisieren könnten. Aber das H5NA rief eine andere Immunreaktion hervor. Im Blut der Mäuse entstanden CD8-T-Zellen, eine spezielle Form weißer Blutkörperchen, die in der Lage waren, Viren mit H5-Proteinen auf der Hülle zu neutralisieren. In der Studie, die am 2. Februar in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde, beschreiben die insgesamt zehn Autoren der Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta und der Purdue University in Indiana eine "Stragegie" gegen das "sich beständig verändernde H5N1-Virus" – einen alternativen Weg, ein Impfserum herzustellen.

    Es ist diese offenbar universelle Einsetzbarkeit und die Technik der Herstellung, welche die Arbeit der amerikanischen Gruppe auszeichnet. "Das ist interessant, weil man das in einer Zellkultur herstellen kann", sagt Hans-Dieter Klenk, Virologe an der Universität Marburg, zu SPIEGEL ONLINE. "Auch in der klassischen Impfstoffherstellung arbeitet man in diese Richtung. In Kürze werden da Zellkultur-Impstoffe zur Verfügung stehen." Die Produktion mittels genetisch veränderter Organismen in sogenannten Bioreaktoren gilt langfristig als Königsweg zur Abwehr einer möglichen Pandemie. Weltweit arbeiten Wissenschaftler in dieser Richtung.

    Der Hintergrund: Wenn die Vogelgrippe so mutiert, dass sie leicht von Mensch zu Mensch überspringt (was momentan noch nicht der Fall ist), dann fürchten Experten, dass die bis zu sechs Monaten dauernde Hühnerei-Methode nicht genügen wird. Weder ist die Produktionsgeschwindigkeit bei diesem Verfahren einem Seuchenausbruch angemessen, noch können beliebig große Mengen hergestellt werden. Ein weiteres Problem ist, dass aggressive H5N1-Viren oft die befruchteten Eier zerstören – es also gar nicht zur Produktion eines Impfstoffs kommt.

    Die Versuche von Hoelscher zeigen darüber hinaus, dass die Impfung mit einem modifizierten Adenovirus gegen mehrere Subtypen der Vogelgrippe schützen könnte. Die Forscher hatten das H5HA-Protein für ihr Experiment einer Laborprobe des Jahres 1997 aus Hongkong entnommen. Den Versuchsmäusen hingegen spritzten sie Erreger, die 2003 bei Menschen in Hongkong und Vietnam gefunden worden waren. – Es ist "eine machbare Impfstrategie gegen existierende und neu entstehende Viren der hoch krankheitserregenden Vogelgrippe", folgern die Autoren. Jedoch handelt es sich keineswegs um ein bald verfügbares Medikament.

    "In drei oder vier Jahren" könnte ein solcher Impfstoff von Nutzen sein, früher nicht, sagte der Virologe John Oxford der BBC. Den Grippespezialisten John Wood vom National Institute for Biological Standards and Controls zitiert die BBC mit der Aussage, dies sei die erste Veröffentlichung über die Herstellung eines Pandemie- Impfstoffs mithilfe gentechnischer Manipulation. Virologe Hans-Dieter Klenk sagt: "Die Frage wird sein, wie gut sich das in der Praxis anwenden lässt, weil Adenoviren im Menschen natürlich sind." Wenn das Immunsystem im Menschen bereits an die Erreger gewöhnt sei, verursache die Injektion manipulierter Erreger womöglich gar keine Schutzwirkung.

    Das Experiment der CDC-Gruppe ist noch in einem sehr frühen Stadium: Klinische Studien an Menschen können erst Auskunft darüber geben, ob die H5HA-Impfung nicht nur für Mäuse wirksam und ungefährlich ist. Experte Klenk bestätigt jedoch, das mit ähnlich manipulierten Viren auch zukünftige Impfstoffe gegen die gewöhnliche menschliche Influenza denkbar seien. "Sicher wird das aber nicht mit rekombinanten Adenoviren gemacht", sagt er.

    Am Montag hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die aktuellen Zahlen offiziell durch Referenzlabors bestätigter Fälle von H5N1-Infektionen bei Menschen veröffentlicht: Im Zeitraum von 2003 bis Ende Januar diesen Jahres sind von 160 Infizierten 85 Menschen in Kambodscha, China, Indonesien, Thailand, der Türkei und Vietnam gestorben. Jüngste Todesfälle eines Mädchens im Irak und eines indonesischen Jungen werden untersucht. Hier müssen Referenzlabore den H5N1-Verdacht noch bestätigen. [mehr]



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      Zum Teil 37

    © 2006-2007 – Universitätsrat a. D. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 26.06.2011 23.31 Uhr