G R A U S I G E B S E - H Y P O T H E S EBSE vom Menschen auf das Rind übertragen?
Britische Wissenschaftler: Menschliche Überreste könnten in Tiermehl gelangt sein
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 2. September 2005, Seite ?? (Wissen & Forschen) von HARTMUT WEWETZER. [Original]LONDON (Tsp). Vor 10 Jahren [Ed: hm, das sind doch 20 Jahre] wurden in Großbritannien die ersten Fälle des Rinderwahnsinns BSE beobachtet. Die bis dahin bei Rindern nicht aufgetretene Krankheit wurde auf Tiermehl zurückgeführt, das mit Erregern der Traberkrankheit der Schafe (Scrapie) verunreinigt war. Demnach war BSE eine Krankheit, die vom Schaf auf das Rind übertragen wurde. Jetzt aber warten die britischen Wissenschaftler Alan Colchester von der Universität von Kent und Nancy Colchester von der Universität von Edinburgh im Fachblatt Lancet mit einer neuen These auf. Sie sagen: Der Mensch, nicht das Schaf, ist der Ursprung von BSE.
Nach Ansicht der Forscher muss zudem angenommen werden, dass Überreste von Menschen an Rinder verfüttert wurden. Sie spekulieren, dass menschliche Überbleibsel auf dem indischen Subkontinent zusammen mit Tierkadavern gesammelt, nach Großbritannien exportiert und zu Tiermehl verarbeitet wurden. Allein in den 1960er und 70er Jahren wurden Hunderttausende Tonnen an Fleischabfällen und Knochen nach Großbritannien eingeführt und weitgehend unkontrolliert zu Dünger oder Tiermehl verarbeitet.
Wie aber kommen menschliche Überreste in das Tiermehl? Alan und Nancy Colchester stellen eine ebenso brisante wie makabre Überlegung an. Es könnte sich um Leichen handeln, die einer im Hinduismus gründenden Sitte folgend in Flüsse geworfen werden, zum Beispiel in den Ganges. 2004 fand eine Umweltschutzgruppe innerhalb von nur 2 Tagen 60 Leichen auf einem zehn Kilometer langen Abschnitt des Ganges. Und mehrfach wurde vom indischen Subkontinent berichtet, dass menschliche Überreste, etwa Knochen, ihren Weg in für den Export bestimmte Fleisch- und Knochenabfälle gefunden hatten.
Es könnte also sein, dass ansteckendes Gewebe eines Menschen, der an einer schwammartigen und übertragbaren Hirnkrankheit wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit litt, auf diese Weise in Tiermehl gelangte und Rinder infizierte. Aber wie wahrscheinlich ist so eine Annahme? In einem Kommentar in der gleichen Ausgabe des Lancet warnt Susarla Shankar vom Nationalen Institut für geistige Gesundheit im indischen Bangalore vor voreiligen Schlüssen: Bis jetzt wurde nicht von einem einzigen Fall von BSE oder Scrapie in Indien berichtet, mit Ausnahme eines wohl importierten Scrapie-Falls im Himalaya-Vorgebirge. Dennoch müsse der Theorie sorgfältig und mit Eile nachgegangen werden.
Wichtiger als die Verbindung nach Indien ist für die Forscher die Frage, ob BSE vom Menschen auf das Tier kam. Sie schlagen vor, zu testen, ob man menschliche schwammartige Hirnkrankheiten auf das Rind übertragen kann.
Gescheitert sind Versuche, Rinder über den Darm mit Scrapie zu infizieren. Vor allem aus diesem Grund stellen Alan und Nancy Colchester die gängige Schaf-Hypothese als Anfang von BSE in Frage. Auch eine BSE-Entstehung aus dem Nichts scheidet für sie aus. Die meisten Menschen erkranken aus heiterem Himmel an Creutzfeldt-Jakob, ohne das eine Infektion vorausging oder die Krankheit in der Familie auftrat. Bei Rindern ist das offenbar nicht der Fall.
Eine gut durchdachte und interessante Hypothese nennt der BSE-Forscher Michael Baier vom Robert-Koch-Institut in Berlin die Überlegungen der Wissenschaftler. Sie würde erklären, warum England von BSE getroffen wurde, nicht aber andere Länder, in denen genauso Tiermehl an Wiederkäuer verfüttert wurde. Allerdings dürfte es schwierig sein, die Annahme zu überprüfen. Denn die tödliche Creutzfeldt-JakobKrankheit ist auch in Indien selten und tritt vielleicht jedes Jahr bei 150 Menschen auf. Aber Baier gibt noch etwas anderes zu denken. Mittlerweile mehren sich die Hinweise darauf, dass BSE in Großbritannien andere Ursprünge hatte als in Frankreich und Italien. Vielleicht ist alles also noch viel komplizierter, sagt Baier. [mehr]
Menschenfleisch im Tierfutter?
Mit einer entsetzlich anmutenden These haben zwei Briten die medizinische Welt aufgeschreckt: Überreste von Leichen aus Indien könnten in England im Tierfutter gelandet sein und so zur Entstehung der Rinderkrankheit BSE geführt haben.
Aus: Spiegel Online 2. September 2005, 14.57 Uhr MESZ (nur elektronisch publiziert). [Original]LONDON. Die Beweiskette ist dünn aber wenn sie sich doch als tragfähig herausstellen sollte, wären die Schlussfolgerungen grausig: Der Rinderwahnsinn, der zunächst England und dann ganz Europa in den neunziger Jahren heimzusuchen begann, könnte vom Menschen verursacht worden sein und zwar buchstäblich. Möglicherweise seien Teile menschlicher Leichen in den sechziger und siebziger Jahren in britisches Tierfutter gelangt, argumentieren Alan Colchester von der University of Kent und seine Tochter Nancy Colchester von der University of Edinburgh in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift The Lancet.
Einige dieser Leichen könnten von Menschen stammen, die an einer Form der Creutzfeldt-Jacobs-Krankheit (CJD) gestorben seien und diese Überreste könnten zur Entstehung von BSE bei Rindern geführt haben, glauben die Colchesters. Sie sprechen von "substantiellen Indizienbeweisen, dass menschliches Material über einen langen Zeitraum hinweg zusammen mit Tierüberresten ins Vereinigte Königreich importiert und in der Herstellung von Tierfutter verwendet wurde."
Prionen-Krankheiten könnten über Urin übertragen werden
Aus: Yahoo-News, 14. Oktober 2005, 12.22 Uhr MESZ (Wissenschaft). [Original]ZÜRICH. Prionen-Krankheiten wie Scrapie, Creutzfeldt-Jakob und Rinderwahnsinn könnten auch über den Urin übertragen werden. Bei Tieren mit entzündeten Ausscheidungsorganen enthalte der Urin die für die Krankheiten verantwortlichen Proteine (Prionen), berichten Schweizer Wissenschaftler im Fachmagazin Science (Band 310, Seite 324).
Sie fordern, dass künftig auch aus tierischem Urin gewonnene medizinische Produkte auf Prionen getestet werden.
Die Forscher um Adriano Aguzzi vom Institut für Neuropathologie an der Universität Zürich hatten nierenkranke und mit Prionen infizierte Mäuse untersucht. Die kranken Tiere schieden die infektiösen Proteine im Urin aus. Im Urin von Versuchstieren mit gesunden Nieren wurde das Protein nicht festgestellt.
Normalerweise kommen Prionen im Gehirn vor. Die Proteine sind jedoch auch in bestimmten Zellen des Immunsystems zu finden, den B-Zellen. Diese kommen beispielsweise bei Entzündungen im Körper zum Einsatz. Zu Beginn dieses Jahres hatte Aguzzi bereits Prionen in entzündeten Organen bei der Maus nachweisen können. Nun wies er nach, dass sie auch ausgeschieden werden. Chronische Entzündungen der Nieren und anderer Verdauungsorgane könnten bei wild lebenden Tieren die Übertragung der Krankheit über Ausscheidungen möglich machen. Die Prionen könnten so zum Beispiel auf Gras gelangen, das von anderen Tieren gefressen wird.
Prionen lösen Krankheiten wie Creutzfeld-Jakob beim Menschen, BSE beim Rind oder Scrapie bei Schafen aus, die das Gehirn zerstören. Auch Menschen, die an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit leiden, können mit dem Urin Prionen ausscheiden. Arzneien, die aus menschlichem Urin hergestellt werden, unterliegen deshalb bereits strengen Auflagen. Bis heute sind allerdings keine Übertragungen von Prionen durch Medikamente aus menschlichem Urin bekannt.
Vogelgrippe-Virus mit Resistenz gegen Tamiflu entdeckt
Tamiflu gilt als taugliches Mittel gegen die Vogelgrippe. Jetzt ist in Vietnam ein Virus des gefährlichen Typs H5N1 aufgetaucht, das gegen die Arznei resistent ist. Ein Mädchen hatte sich bei ihrem Bruder angesteckt. Tamiflu hatte aber nicht angeschlagen.
Aus: Spiegel Online 14. Oktober 2005, 21.04 Uhr MESZ (nur elektronisch publiziert). [Original]HAMBURG. Wissenschaftler haben mehrfach vor diesem Szenario gewarnt: Da aus Angst vor der Vogelgrippe in Asien vermehrt Tamiflu verabreicht wird, könnte sich ein gegen das Grippemedikament resistentes H5N1-Virus entwickeln. Das ist nun geschehen, wie das Wissenschaftsmagazin Nature berichtet: Der Erreger sei bei einem 14-jährigen Mädchen festgestellt worden, das sich überdies bei seinem Bruder und nicht direkt bei Geflügel angesteckt haben könnte.
Eine genetische Analyse des Erregers ergab demnach, dass er durch eine Mutation die Resistenz gegen Tamiflu aufgebaut hat. Der Wirkstoff mit dem wissenschaftlichen Namen Oseltamivir, der vom Schweizer Pharmakonzern Roche als Tamiflu vermarktet wird, gilt derzeit als wichtigster Schutz vor einer Vogelgrippe- Epidemie.
Das infizierte Mädchen habe sich zwar erholt. Aber der Fall gebe Anlass zu der Sorge, dass Tamiflu "zur Bekämpfung einer potentiellen Grippe-Pandemie nicht ausreichend" sein könne, schreiben die Wissenschaftler um Yoshihiro Kawaoka von der Universität Tokio in Nature (Bd. 437, S. 1108).
In dem Fall aus Vietnam zeigte sich aber, dass das Virus mit einem anderen Wirkstoff bekämpft werden konnte. Zanamivir, das vom britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline unter dem Produktnamen Relenza vermarktet wird, habe sich als wirksam erwiesen, heißt es in der "Nature"- Studie. Es könne also "nützlich sein", Vorräte dieses Medikaments anzulegen. Zudem deuteten bisherige Forschungsergebnisse auch darauf hin, dass Viren, die durch Mutationen Resistenzen entwickelt haben, weniger widerstandsfähig und damit weniger ansteckend seien. [Ed: Tamiflu-Tabletten (Roche) und Relenza zum Inhalieren (GlaxoSmithKline) sind rezeptpflichtige Medikamente, die vorbeugend verlangt nicht von den Krankenkassen bezahlt werden].
Ursprünglich sollte die Studie erst am kommenden Donnerstag [20.10.2005] veröffentlicht werden. Wegen der derzeit akuten Gefahr einer weltweiten Vogelgrippe- Epidemie entschied sich die Zeitschrift jedoch nach eigenen Angaben für eine Vorabveröffentlichung.
Die deutsche Bundesforschungsanstalt für Tiergesundheit erklärte jedoch, die vorbeugende Einnahme von Grippe- Medikamenten sei übertrieben und nutzlos. "Heute muss in Deutschland niemand Angst vor der Vogelgrippe haben", sagte eine Sprecherin. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußerte sich allerdings besorgt und rief zu erhöhter Wachsamkeit auf. Es bestehe die Gefahr einer weiteren Ausbreitung der Seuche auch nach Deutschland, sagte Klaus Stöhr, Leiter des Influenza-Programms der WHO.
Disease Outbreak News
Info-Service der WHO.
Neuer Vogelgrippe-Herd in Rumänien
In Rumänien haben die Behörden derweil einen neuen Vogelgrippe-Herd bestätigt. Über das Donaudelta-Dorf Maliuc wurde Quarantäne verhängt. In Proben von einem dort verendeten Huhn und einem Schwan habe ein Labor in Bukarest das Grippevirus H5 isoliert, teilte das rumänische Landwirtschaftsministerium am Freitagnachmittag [14.10.2005] mit. Die untersuchten Proben seien verendeten Vögeln am vergangenen Sonntag [9.10.2005] und Montag entnommen worden. Offen ist auch hier, ob es sich um den Virusstamm H5N1 handelt.Das am Donauarm Sulina gelegene Dorf und ein drei Kilometer großes Gebiet sei von der Außenwelt völlig abgeschottet worden, hieß es. Notschlachtungen des gesamten Geflügels sollen eingeleitet werden. In Maliuc waren in den vergangenen Tagen mehrere Dutzend verendete Schwäne entdeckt worden.
In Ceamurlia de Jos im Süden des Donaudeltas wurde bereits am Donnerstag [13.10.2005] das Vogelgrippevirus H5 bei Hausenten und einem Huhn bestätigt. In Ceamurlia wollten die rumänischen Behörden die Notschlachtungen bis Samstag beenden.
Türkei: Vogelgrippe-Verdacht bei 9 Menschen
In der Türkei sind wegen des Verdachts auf eine Infektion mit der Vogelgrippe neun Menschen zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht worden. Die Patienten blieben zu Bluttests bis auf Weiteres in der Klinik der westtürkischen Stadt Turgutlu, nachdem 40 Tauben der Familie in den vergangenen 2 Tagen verendet seien, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anatolien. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion sei aber gering.Um Panik nach dem Auftreten eines lebensgefährlichen Virusstammes der Krankheit in der Türkei zu verhindern, ließ sich Regierungschef Tayyip Erdogan demonstrativ beim Essen von Hühnerfleisch ablichten.
Die Europäische Union (EU) beschloss am Freitag [14.10.2005] Sofortmaßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe. Die 25 Mitgliedsländer sollten besonders gefährdete Gebiete genauer bestimmen, um dort Wildvögel von Geflügel zu trennen, teilte die EU-Kommission nach einer Krisensitzung der Veterinärexperten mit. Damit solle das Ansteckungsrisiko für heimische Tiere möglichst gering gehalten werden. Denkbar sei auch eine Stallpflicht in den besonders gefährdeten Gebieten. Als risikoreich gelten Feuchtgebiete und andere Regionen, in denen Zugvögel in großer Zahl Station machen. [mehr]
Vogelgrippe: Virus jetzt auch in Rumänien nachgewiesen
Britisches Labor bestätigt H5N1-Verdacht / Gleicher Erreger-Typ wie in der Türkei
Aus: Berliner Morgenpost, 16. Oktober 2005, Seite 1 (Titel). [Original]BUKAREST/BERLIN (BM). Der für den Menschen gefährliche Strang der Vogelgrippe hat Europa erreicht. Britische Wissenschaftler bestätigten gestern, daß bei Enten-Kadavern in Rumänien Viren des Typs H5N1 isoliert worden seien. Die Tiere waren im Donaudelta verendet. Die Region dort ist abgeriegelt worden, Tausende Vögel werden getötet. Der Virusstrang war zuvor in der Türkei nachgewiesen worden. An dem H5N1-Strang sind seit 2003 in Asien mehr als 60 Menschen gestorben. Die Behörden haben dort Millionen Vögel notgeschlachtet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet, daß das Virus mutieren und dann eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich werden könnte.
"Wir sind nun in der Lage zu bestätigen, daß es sich um H5N1 handelt", sagte ein Sprecher des britischen Umweltamts. Es werde weiter gearbeitet, um den Ursprung des Virus feststellen zu können. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, man habe ohnehin mit der Annahme gearbeitet, daß es sich bei der in Rumänien gefundenen Vogelgrippe um die für den Menschen gefährliche Variante handle. Alle Vorsichtsmaßnahmen seien ergriffen worden.
Die Kommission hatte am Donnerstag [13.10.2005] mitgeteilt, der H5N1-Stamm sei in der Türkei gefunden worden. Für Unruhe hatten dann Berichte über erste Vogelgrippe-Verdachtsfälle beim Menschen gesorgt. Im Westen der Türkei waren mehrere Personen zur Beobachtung ins Krankenhaus von Turgutlu eingeliefert worden. Der Verdacht auf eine Erkrankung hat sich unterdessen nicht bestätigt. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, die Tests bei den mutmaßlich Infizierten seien negativ ausgefallen.
Regierungen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bemühen sich bislang, eine größere Panik zu verhindern, rufen aber zu erhöhter Wachsamkeit auf. Der Leiter des WHO-Influenza-Programms, Klaus Stöhr, sagte, die Weiterverbreitung der Seuche sei besorgniserregend. "Man muß sich jetzt schon darauf vorbereiten, daß die Seuche sich weiter ausbreitet." Zwar handle es sich um eine Tierseuche, aber das Virus habe alle Potenzen zu mutieren und so eine schlimme Pandemie hervorzurufen.
Disease Outbreak News
Info-Service der WHO.Die EU-Kommission warnte am Sonnabend [15.10.2005] auf ihrer Web-Seite vor einer drohenden Impfstoff- Knappheit. Die Vorräte seien in der EU sehr ungleichmäßig verteilt. Am Freitag abend [14.10.2005] hatte die Kommission punktuelle Maßnahmen wie Stallhaltungspflichten vereinbart. EU-Veterinärexperten verabschiedeten nach einem Treffen in Brüssel einen einheitlichen Risikoanalyse-Katalog, der als Eilverordnung in nationales Recht umgesetzt werden soll.
Viel Flügelschlag
Die Panik ist gefährlicher als die Vogelgrippe selbst
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 19. Oktober 2005, Seite 10 (Was Wissen schafft) von ALEXANDER S. KEKULÉ. Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. [Original]Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Vogelgrippe ist eine Krankheit der Vögel, nicht eine des Menschen. Auch wenn das Influenzavirus H5N1 noch so dramatisch nach Westen vorrückt, wird es immer nur Hühner, Truthähne und anderes Gefieder dahinraffen jedoch so gut wie keine Menschen. Deshalb müssen sich Landwirte und sonstige Vogelhalter darum kümmern, ihre Schützlinge vor Infektionen durch Wildvögel oder illegale Importe zu schützen. Der Schaden ist jedoch zuvorderst ein wirtschaftlicher. Kein Grund zur Panik also, auch wenn wir wohl eine Weile auf die geliebten Freiland-Eier verzichten müssen.
Leider bezeichnen auch renommierte Presseorgane das H5N1-Virus als gefährlich für Menschen und heizen so die Hysterie an. Tatsache ist, dass sich bisher knapp 120 Menschen mit H5N1 angesteckt haben, 60 davon starben. Das ist eine winzige Zahl, wenn man bedenkt, dass in Asien bis zu 100 Millionen Vögel infiziert sind und die Menschen dort mit ihren Tieren und deren Exkrementen in engem Kontakt leben. Selbst für die dürfte die Infektionsgefahr in der Nähe von eins zu einer Million liegen. Fliegen ist gefährlicher.
Trotzdem sorgt die Vogelgrippe, die bei Veterinären eigentlich den harmloser klingenden Namen Geflügelpest hat, täglich für Schlagzeilen: Vergangene Woche fiel sie in der Türkei und Rumänien ein. Seit vorgestern ist sie sogar in der EU angekommen dass die 2 Kilometer vor dem türkischen Festland liegende Insel Inousses zu Griechenland und damit zur EU gehört, macht für das Virus erwartungsgemäß keinen Unterschied. Soweit sich Seuchenexperten Sorge um die Entstehung einer menschlichen Grippe- Pandemie machen, kann ihnen das geographische Detail ebenfalls egal sein: Die Supergrippe kann überall entstehen, wo Menschen in engem Kontakt zu infiziertem Geflügel stehen. Angesichts der extrem bedrohlichen Lage in Asien kommt es auf ein paar griechische Truthähne wirklich nicht mehr an.
Zunächst hat die allgemeine Aufregung immerhin bewirkt, dass das Thema Pandemie-Planung nach jahrelangen Appellen der Fachleute in der Politik angekommen ist. Mit mehr oder weniger großem Tempo arbeiten die Länder an Gegenmaßnahmen. Wenn die Pandemie in zwei Jahren oder später kommt, werden die meisten von ihnen wohl ganz gut darauf vorbereitet sein.
Jedoch ist die irrationale Angst vor der Geflügelpest inzwischen dabei, eine größere Gefahr als die Tierseuche selbst zu werden. Tausende Touristen haben ihre Reisen nach Rumänien abgesagt, der Schaden soll in die Millionen gehen. Aus Angst vor der Vogelgrippe lassen sich viele Deutsche gegen Grippe impfen, was ebenfalls unsinnig ist: Die Influenza- Schutzimpfung schützt zwar gegen die normale saisonale Grippewelle, jedoch nicht gegen die Vogelgrippe oder ein ventuell aus dieser entstehendes, menschliches Pandemievirus. Jetzt droht der Impfstoff knapp zu werden für die, die ihn dringend brauchen: Menschen über 60 Jahre, chronisch Kranke, Immungeschwächte, Kinder mit Asthma und medizinisches Personal. Die normale Grippewelle tötet in Deutschland pro Jahr rund 10.000 Menschen, die meisten aus den Risikogruppen. Wenn der Impfstoff vorzeitig verbraucht ist, fordert die Hysterie in Deutschland mehr Opfer als die Vogelgrippe weltweit.
Auch bei den Grippemitteln Tamiflu und Relenza kann die Panik zum Problem werden. Wenn eine große Zahl von Gesunden diese Mittel zur Prophylaxe einnimmt, können Influenzaviren resistent werden. Falls die gefürchtete Pandemie dann eines Tages wirklich kommt, wäre die einzige Waffe der Ärzte stumpf geworden. Vergangenen Freitag publizierten Wissenschaftler aus Vietnam erstmals einen solchen Fall: Sie isolierten bei einer 14-Jährigen ein H5N1-Virus, das vollständig resistent gegen Tamiflu war das Mädchen hatte das Mittel ganze 4 Tage lang zur Prophylaxe eingenommen.
[Überblick zu den Grippe-Viren] [Die Gefahren der Vogel-Grippe]
Seit 1996 in Frankreich 13 Tote durch Creutzfeldt-Jakob
Aus: Yahoo-News, 3. November 2005, 17.07 Uhr MEZ (Kurzberichte). [Original]PARIS. In Frankreich sind seit 1996 13 Menschen an der menschlichen Form des Rinderwahns [nvCJD] gestorben. In 2 weiteren Fällen sei die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit [nvCJD] diagnostiziert worden, die Patienten seien aber noch am Leben, teilten die Gesundheitsbehörden am Donnerstag [3.11.2005] in Paris weiter mit. Die bislang höchste Zahl von nvCJD-Todesfällen gab es demnach im laufenden Jahr mit fünf. Der jüngste Betroffene war 20, der älteste 58 Jahre alt. [mehr]
Rindfleisch war noch nie so sicher wie jetzt
Aus: Yahoo-News, 21. November 2005, 15.53 Uhr MEZ (Vermischtes). [Original]FRANKFURT/MAIN. Fleischskandale, Vogelgrippe, Rinderwahn immer neue Hiobsbotschaften über möglicherweise gesundheitsgefährdende Nahrungsmittel verunsichern die Verbraucher. Doch zumindest im Fall der Rinderseuche BSE scheint 5 Jahre nach ihrem ersten Auftreten in Deutschland die größte Gefahr gebannt. Seit Jahren sinken die Zahlen der positiv auf BSE getesteten Rinder, und ein Experte des Bundesverbraucherschutzministeriums meint: "Was BSE angeht, war Rindfleisch noch nie so sicher wie jetzt."
Erstmals dokumentiert aufgetreten war die Rinderseuche 1986 in Großbritannien. Qualvoll verendeten reihenweise Kühe, die zuvor nur noch torkelnd hatten laufen können und andere wesentliche Veränderungen des Verhaltens aufgewiesen hatten. Mit einem Paukenschlag an die breitere Öffentlichkeit kam die Seuche erst 1996: Britische Wissenschaftler erklärten in einer Studie, der Zusammenhang zwischen Rinderwahn und einer neuen, erstmals 1995 aufgetretenen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD [auch nvCJD]) beim Menschen sei wahrscheinlich.
Damit begann die so genannte BSE-Krise, in deren Folge in Deutschland sogar mehrere Minister ihren Hut nehmen mussten. Bilder von großen Haufen brennender Rinder liefen über die Fernseher, und der Konsum von Rindfleisch ging allein in Deutschland nach dem ersten Auftreten von BSE um fast die Hälfte zurück.
Mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen versuchen die Regierungen der einzelnen Staaten wie auch die EU-Kommission seitdem, die Epidemie in den Griff zu bekommen, an der sich bislang fast 190.000 Rinder in der Europäischen Union angesteckt haben, davon mit rund 184.000 die weitaus meisten in Großbritannien.
Hauptursache der seuchenartigen Verbreitung von BSE war nach dem Stand der Wissenschaft die Verfütterung von BSE-infiziertem Tiermehl an erwachsene Rinder und von Milchaustauschern in der Kälberaufzucht, die BSE-infizierte Tierfette enthielten. Auf Grundlage dieser Erkenntnis ist seit 1. Januar 2001 EU-weit die Verfütterung solcher Stoffe verboten. Außerdem darf das so genannte Risikomaterial von Rindern, also Gehirn, Augen oder Rückenmark, nicht verwertet werden, und Schlachttiere müssen ab einem bestimmten Alter auf BSE getestet werden.
Während EU-weit die Altersgrenze bei 30 Monaten liegt und unter Umständen sogar angehoben werden soll, liegt sie in Deutschland bei 24 Monaten, erfasst also wesentlich mehr Tiere als in anderen Ländern. Dennoch waren 2005 bislang nur 29 der insgesamt rund 1,7 Millionen getesteten Rinder positiv, wie das Verbraucherschutzministerium mitteilte. 2001 und 2002 waren es jeweils mehr als 100 gewesen.
Trotz der hohen Kosten von durchschnittlich 16 Euro pro Test, die nur zum Teil von Ländern und EU getragen werden, wollen auch die Landwirte an dem Verfahren festhalten. Wichtig sei, dass "das Vertrauen in das Rindfleisch dadurch zurückgewonnen wurde", sagt der Sprecher des Deutschen Bauernverbandes, Michael Lohse.
Über eine mögliche Anhebung des Alters der getesteten Rinder möchte der Leiter des nationalen BSE-Referenz-Labors am bundeseigenen Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems in Mecklenburg-Vorpommern, Martin Groschup, frühestens 2006 entscheiden. Ausgehend von 2001, als das Verfütterungsverbot von Tiermehl eingeführt wurde, wäre nämlich erst dann die derzeit angenommene Inkubationszeit von 5 Jahren für BSE abgelaufen. Sollten die Maßnahmen Deutschlands und der EU wirksam gegriffen haben, dürften dann keine Infektionen von nach 2001 geborenen Tieren mehr festgestellt werden.
Zu der Gefahr für den Menschen, an der neuen CJD-Variante zu erkranken, verweist der Experte auf die derzeit eher stagnierenden, bis zurückgehenden Zahlen aus Großbritannien. Immerhin rund 175 Menschen weltweit sind laut Groschup seit 1995 erwiesener Maßen an vCJD gestorben, wie bei BSE auch hier mit mehr als 150 die weitaus meisten in Großbritannien. In Deutschland gab es noch keinen Fall der Krankheit.
Die Wissenschaft geht inzwischen davon aus, dass diese CJD-Variante vom BSE-Erreger ausgelöst wird. In der Regel haben die Betroffenen infiziertes Rindfleisch gegessen. Neuerdings sind aber auch zwei Fälle in Großbritannien bekannt geworden, in denen die Kranken über Blutspenden anderer vCJD-Infizierter angesteckt wurden.
Ob mit dem Abebben der Zahlen in Großbritannien die Krankheit insgesamt auf dem Rückzug ist, vermag nach den Worten von Groschup derzeit niemand zu sagen: "Es scheint so, dass der Höhepunkt überschritten ist, aber es könnte eine zwei Welle kommen."
Als Beispiel für eine extrem lange Inkubationszeit einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung nennt der Fachmann die Krankheit Kuru. Bei einem Stamm Eingeborener in Papua-Neuguinea, die zu rituellen Zwecken Gehirne und Körperteile ihrer Verstorbenen aßen, waren im vergangenen Jahrhundert insgesamt rund 2.500 Menschen an der Krankheit gestorben. Bei diesen Ritualen hatten sich Lebende immer wieder neu an Toten angesteckt. Obwohl der Brauch schon 1958 verboten worden war, war erst 2004 der letzte Patient an Kuru erkrankt.
Fünf Jahre BSE
Antworten aus der Ostsee / [Ed: Neues von der Insel Riems]
Aus: Bayerischer Rundfunk, München, 24. November 2005, ??.?? Uhr MEZ (Landwirtschaft + Verbraucherschutz). [Original]RIEMS. Diese Dosis führt mit Sicherheit zum Tod: 100 Gramm BSE-infiziertes Hirngewebe verabreichten Forscher vor bald 3 Jahren 56 Kälbern auf der Ostseeinsel Riems. Durch den Versuch will man mehr über den Krankheitserreger herausfinden. Fünf Jahre nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland scheint klar: In das Tier gelangen Erreger nur mit dem Futter. Doch der Rinderwahn gibt noch viele Rätsel auf.
Der Schock saß tief, bei deutschen Landwirten genauso wie bei den Verbrauchern, als am 24. November 2000 der erste BSE-Fall in Deutschland bekannt wurde. Entdeckt hatte man ihn bei freiwilligen Tests, denen sich ein Schlachthof im norddeutschen Itzehoe unterzogen hatte. Bald darauf folgten weitere Fälle, bis heute sind es 386 in Deutschland, 140 davon in Bayern. Damit ist der Freistaat zum BSE-Spitzenreiter geworden. Seit die Krankheit 1986 von britischen Pathologen entdeckt wurde, schätzt Veterinärmediziner Martin Groschup vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Ostseeinsel Riems, hätten sich in Europa vermutlich 3,1 Millionen Rinder mit der Seuche infiziert. Tatsächlich gefunden wurden nur rund 190.000 kranke Tiere. "Der Rest ist in die Nahrungskette gelangt", bilanziert Groschup.
Eine Kettenreaktion im Gehirn
BSE ist eine so genannte Prionen- Erkrankung. Als ziemlich sicher gilt: Der Erreger destabilisiert und verändert ein Prionprotein, also ein körpereigenes Eiweiß unserer Nervenzellen. Diese Prionproteine sammeln sich im Gehirn und zerstören dort weiteres, gesundes Protein. So wird das Gehirn zerlöchert und schließlich zerstört. Vieles ist noch unklar.Infektion durch winzige Mengen
Klar scheint auch zu sein, dass die Erreger nur über die Nahrung in das Rind gelangen. Laut britischen Studien reicht dafür ein Milligramm infizierter Gehirnmasse. Über das Futter steckten sich demnach höchstwahrscheinlich auch die 140 Rinder an, bei denen in Bayern BSE diagnostiziert wurde. Infizierte Kühe scheinen die Krankheit aber nach heutigem Wissen nicht an ihre Kälber zu übertragen.
Lebendtests kurz vor Marktreife
Die Zahl der BSE-Neuerkrankungen sinkt seit dem ersten Auftreten der Krankheit kontinuierlich. Bis November wurden 2005 in Deutschland 29 erkrankte Tiere festgestellt, während es in den Jahren 2001 und 2002 noch jeweils 100 waren. Dazu beigetragen hat nach Expertenmeinung das Verbot von Tiermehl im Rinderfutter. Zudem werden Landwirte mittlerweile geschult, wie sich erste Anzeichen von BSE schon im Stall am lebenden Tier erkennen lassen. Ab einem Alter von 24 Monaten werden die Tiere in Bayern außerdem im Schlachthof mit einem BSE-Schnelltest untersucht, bevor das Fleisch in den Handel gelangt. Bisher ist das allerdings nur am toten Tier zuverlässig möglich. Zwar gibt es mehrere Ansätze für Test am lebenden Tier, "die vielleicht auch funktionieren", so Groschup. Doch seien diese bisher nicht von unabhängigen Gremien getestet.
N A H R U N G D I E 1 8 0 - G R A D - W E N D ESeehofers erste Bewährungsprobe
[Ed: Die Union nimmt Verbraucherschutz nicht ernst / Und die SPD schaut zu]
Aus: Berliner Zeitung, 28. November 2005, Seite ?? (Meinung) von JÖRG MICHEL. [Original]Als sich die Minister der neuen Regierung in der letzten Woche zu ihrer ersten Kabinettssitzung zusammenfanden, fassten sie einen wenig beachteten Beschluss. Gleichsam als erste Amtshandlung gab die neue Regierung dem Ministerium von Horst Seehofer einen neuen Namen. Das bislang als Verbraucherministerium bekannte Haus heißt seitdem "Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz". Der Schutz der Verbraucher, bisher im Titel an erster Stelle, ist ans Ende gerückt. Auf den ersten Blick mag das wie eine Petitesse erscheinen. Doch wenn man sich die Geschichte des Hauses vergegenwärtigt, dann könnte das auch der Auftakt einer unguten Entwicklung sein.
Man erinnere sich: Vor 5 Jahren brach die BSE-Krise aus. Es war der größte Fleischskandal, den Deutschland je erlebt hat. Es ging um todkranke Rinder, verunreinigtes Futter, kriminelle Machenschaften der Landwirtschaft und schlampige Lebensmittelkontrollen. Als Konsequenz wurde das Agrarministerium alten Schlags in ein modernes Verbraucherministerium umgewandelt. Inklusive neuem Titel. Die politische Botschaft war klar: Die Interessen der Verbraucher an gesunden und genießbaren Lebensmitteln soll Vorrang haben vor den kurzfristigen Profitinteressen der Agrarwirtschaft.
Heute grassiert in Deutschland wieder ein Fleischskandal. Lebensmittelkontrolleure und Staatsanwaltschaften durchkämmen seit Tagen die Kühlhäuser nach verdorbenem Fleisch. Mehr als 200 Tonnen der ekligen Ware haben sie bereits gefunden. Ein Ende ist nicht abzusehen. Ausgerechnet in dieser Lage setzt die neue Regierung nun ein rückwärts gewandtes Signal. Natürlich lässt sich wenige Tage nach Seehofers Amtsantritt noch nicht beurteilen, ob die nominelle Herabstufung des Verbraucherschutzes tatsächlich auch neue politische Prioritäten widerspiegelt. Doch gibt es erste Warnzeichen.
So ist zwar zu begrüßen, dass Seehofer im aktuellen Fall schnell handelt. Er plant Krisentreffen, verspricht Ursachenanalyse und will Gesetzesänderungen prüfen. Das ist gut. Denn der Staat darf den Machenschaften einer Fleisch-Mafia, die abgelaufene Ware systematisch aufkauft und verscherbelt, nicht tatenlos zusehen. Doch Seehofer setzt dabei auch fragwürdige Akzente. So verlangt er unter anderem mehr Eigenkontrollen der Wirtschaft. Im Koalitionsvertrag heben Union und SPD ferner die zunehmende Bedeutung privater Qualitätssicherungssysteme hervor. Sollte das die neue Linie sein, hieße das: Weil der Staat zu wenig Geld für Lebensmittelkontrolleure hat, soll sich die Wirtschaft künftig stärker selbst überwachen. Beispiele gibt es bereits: In Bayern wurden unlängst Teile des staatlichen Kontrollwesens in private Hände gelegt.
Ein solcher Privatisierungskurs aber wäre falsch. Es gehört zur hoheitlichen Aufgabe des Staates, seine Bürger vor kriminellem Missbrauch zu schützen. Und einer Branche, die immer neue Skandale produziert, ist bei Eigenkontrollen nur wenig zuzutrauen. Das zeigen die Ereignisse der letzten Tage. Anlass zur Sorge geben auch die schwarz-roten Pläne zur Föderalismusreform. Verbraucherschützer machen seit langem den Wirrwarr an Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bei der Überwachung für die Skandale mitverantwortlich. Von der Unterfinanzierung der Behörden ganz zu schweigen. Dennoch soll sich bei den Kompetenzen in der Substanz nichts ändern. Von ein paar mehr Koordinationsbefugnissen des Bundes, wie sie die Koalition plant, werden sich verbrecherische Fleischhändler kaum abschrecken lassen.
Auch sonst deuten sich im Koalitionsvertrag trotz eines verbalen Bekenntnisses zum Verbraucherschutz Rückschritte an. Gegen den Willen der Mehrheit der Kunden will die Regierung etwa den Anbau genmanipulierter Pflanzen forcieren obwohl es noch offene Fragen in Sachen Gesundheit gibt. Anders als seine Vorgängerin Renate Künast wird Horst Seehofer ferner bei ökonomischen Verbraucherschutzthemen kein Initiativrecht mehr haben. Ob Handytarife, Fahrgastrechte oder Anlegerschutz: All das wird künftig in anderen Ministerien stattfinden.
Und so könnte die Umtaufe des Hauses mehr als nur Zufall sein. Als Seehofer am Freitag [25.11.2005] das Ministerium von den Grünen übernahm, sprach er davon, dass für ihn die drei Bereiche Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gleichwertig seien. Von einem Vorrang der Verbraucherinteressen war nicht die Rede. Horst Seehofer muss nun zeigen, dass dies für die Kunden kein Nachteil ist. Der Fleischskandal ist seine erste Bewährungsprobe.
V O G E L G R I P P E I N D E R T Ü R K E IWeniger Öko auf dem Hof, mehr Gen auf dem Feld
Die Grüne Renate Künast wollte die Agrarwende. Ihr Nachfolger Horst Seehofer rückt davon ab. Er setzt in der Landwirtschaft wieder stärker auf konventionelle Bewirtschaftung und die neue Gentechnik / [Ed: und was macht nun die SPD?]
Aus: Berliner Zeitung, 16. Dezember 2005, Seite ?? (Tagesthema) von JÖRG MICHEL. [Original]BERLIN. Manchmal zeigen sich die ersten Anzeichen einer neuen Politik fast unbemerkt. Als das Bundessortenamt in Hannover vor 2 Tagen 3 Sorten Gen-Mais zuließ, nahm davon kaum jemand Notiz. Dabei ist die Entscheidung für die Verbraucher eine Zäsur: Erstmals ließ die Behörde, die Agrarminister Horst Seehofer (CSU) unterstellt ist, hier in Deutschland gentechnisch veränderte Pflanzen zum Anbau in der Landwirtschaft zu. Dagegen hatte Seehofers grüne Vorgängerin im Amt, Renate Künast, dem Gen-Mais der Firmen Monsanto und Pioneer die Erlaubnis jahrelang verbissen verweigert.
Es wird nicht die einzige Änderung bleiben. Horst Seehofer hat sich vorgenommen, der Agrar- und Verbraucherpolitik eine neue Richtung zu geben. Er will künftig gentechnisch veränderte Pflanzen fördern, die von Künast betriebene Bevorzugung des ökologischen Landbaus beenden und das Verhältnis der Politik zu den Bauern wieder einvernehmlich gestalten.
Für viele Bauern ist es ein Neuanfang. Ihr Verhältnis zu Künast galt als äußerst belastet, seit sie vor 5 Jahren nach der BSE-Krise ihre Agrarwende ausgerufen hatte. Die Aufarbeitung der Skandale betrieb sie oft in Konfrontation mit den Landwirten und sie machte die Agrarbranche für viele Missstände verantwortlich. Seehofer dagegen setzt auf Kooperation. Dies dürfte er nicht zuletzt mit seiner Wählerschaft zu tun haben: Die bayerische CSU fühlt sich den Bauern traditionell enger verbunden als die großstädtisch geprägten Grünen. [mehr]
V O G E L G R I P P E I N D E R T Ü R K E IVogelgrippe der Tod kommt näher
In der Türkei sind 2 Kinder an der Infektionskrankheit gestorben. Sie hatten mit Hühnern gespielt.
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 6. Januar 2006, Seite ?? (Weltspiegel) von SUSANNE GÜSTEN, Istanbul. [Original]ISTANBUL (Tsp). Erkältet seien die Kinder, sagte der diensthabende Arzt und schickte die Familie Kocyigit nach Hause. Zwei Wochen ist das her. Nun sind Mehmet und Fatma tot, ihre Schwester Hülya schwebt in Lebensgefahr, der kleine Ali ist schwer krank und die ganze Türkei ist entsetzt: Vogelgrippe lautet der wahre Befund, der für den 14-jährigen Mehmet und die 15-jährige Fatma zu spät kam. Der Junge starb am Sonntag [1.1.2006], das Mädchen am Donnerstag [5.1.2006], ihre 11-jährige Schwester ringt auf der Intensivstation mit dem Tod. In Dogubeyazit am östlichsten Rand der Türkei spielt sich das Drama ab, bei dem erstmals Menschen außerhalb von Südostasien an der Vogelgrippe starben. Die Seuche bewegt sich auf Europa zu, daran besteht kein Zweifel doch übertragen lässt sich der Fall auf europäische Verhältnisse nicht. Armut, Unwissenheit und Inkompetenz waren mit daran schuld, dass die Kinder sterben mussten.
Vogelgrippe-Alarm herrscht in der Türkei schon seit einem Vierteljahr, seit das Virus im Oktober bei Truthähnen im westtürkischen Kiziksa festgestellt wurde. Bis in den unterentwickelten und verarmten Osten des Landes, wo längst nicht alle Menschen lesen können, sprach sich das nicht herum. Bei der Familie Kocyigit wie bei vielen anderen Kleinbauern wurden die Hühner weiterhin in Haus und Hof gehalten und in der Küche geschlachtet. Die inzwischen verstorbenen Geschwister spielten sogar mit den abgehackten Hühnerköpfen und warfen sie sich gegenseitig zu. Dass sie sich durch das Hühnerblut infizierten, gilt als wahrscheinlich.
Dem Arzt an der Gesundheitsstation in Dogubeyazit kam die Vogelgrippe aber nicht gleich in den Sinn, als Zeki Kocyigit seine 4 erkrankten Kinder vor 2 Wochen dort vorstellte. Erst 3 Tage später, als der besorgte Vater erneut mit seinen fiebernden Kindern in der Klinik auftauchte, kamen die Mediziner ins Grübeln. Ob die Kinder sich wohl an den Hühnern vergiftet haben könnten, die wir neulich geschlachtet haben?, dachte der Vater während der Untersuchung laut nach und da fiel beim Arzt der Groschen. Die Kinder wurden ins Universitätskrankenhaus der nächsten Großstadt Van eingewiesen und auf Vogelgrippe getestet. Bevor die ersten Ergebnisse aus dem Labor zurückkamen, war Mehmet schon tot.
Negativ, lautete der Laborbefund dennoch. Der Junge hatte keine Vogelgrippe, erklärte das Gesundheitsministerium, schickte vorsichtshalber aber weitere Proben an spezialisierte Labore in Ankara und Istanbul. Weil die Proben wegen schlechter Witterung nicht auf dem Luftweg, sondern auf der Straße quer durch das große Land nach Istanbul gebracht wurden, verstrichen weitere 2 Tage, bis das dortige Labor am späten Mittwochabend [4.1.2006] seinen Befund abgeben konnte: Die Kinder hatten Vogelgrippe. Für Fatma Kocyigit kam die Diagnose zu spät. Sie starb 8 Stunden nach Bekanntgabe des Laborbefunds.
Selbst wenn die Diagnose früher gestellt worden wäre, hätte das Mädchen womöglich nicht gerettet werden können, denn in Van war das Vogelgrippe- Medikament Tamiflu nicht vorrätig. 2 Tage mussten die Ärzte dort warten, bis das Medikament aus dem Westen der Türkei gebracht wurde. Erst am Montag [2.1.2006] trafen die Päckchen dort ein, wie der Chefarzt Ahmet Faik Öner sagte. Diese medizinische Unterversorgung ist im Osten der Türkei chronisch. Erst vor einem Jahr war dort kein Tollwut-Serum vorrätig, als Wölfe eine Kleinstadt überfielen und 15 Menschen zerfleischten. Und immer wieder sterben dort Kinder an Skorpionstichen, weil die örtlichen Kliniken das Gegengift nicht haben.
Während die Ärzte in Van um das Leben der kleinen Hülya Kocyigit kämpften, wurden immer weitere Kinder mit Verdacht auf Vogelgrippe ins Krankenhaus eingeliefert und teils auf der Intensivstation behandelt. Die Kinderstation der Universitätsklinik in Van wurde von allen anderen Patienten geräumt, um sie aufzunehmen; 5 Menschen wurden in die nächste Großstadt Erzurum verlegt, weil die Kapazitäten in Van erschöpft waren. Unter den neuen Verdachtsfällen waren alleine 8 Kinder einer Familie namens Özcan, die ebenfalls aus Dogubeyazit stammt und Hühner hält. Das Problem wurzele in der Armut von Ost-Anatolien, wo viele Menschen sich Hühner für den Eigenbedarf im Haus halten, sagte der türkische Landwirtschaftsminister Mehdi Eker. Ein ernstes Problem ist das tatsächlich, wie der Minister sagte aber noch keine Gefahr für Europa. [mehr]
Mysteriöse H5N1-Fälle beunruhigen Experten
In der Türkei sind Forscher auf eine mysteriöse Gruppe von Vogelgrippe-Fällen gestoßen. Fünf Menschen, die mit dem gefährlichen H5N1-Virus infiziert sind, zeigen kaum Krankheitssymptome. Experten befürchten, dass die Gefahr einer weltweiten Seuche dadurch gestiegen ist.
Aus: Spiegel Online 11. Januar 2006, 17.41 Uhr MEZ (nur elektronisch publiziert) von MARKUS BECKER. [Original]
Mit Verblüffung reagierten die Mediziner im Keciören-Krankenhaus in Ankara auf ihre eigenen Daten: Zwei Brüder, 4 und 5 Jahre alt, sind eindeutig mit dem gefährlichen Vogelgrippe-Erreger H5N1 infiziert und zeigen keine Anzeichen einer Erkrankung. Zwei weitere Brüder und ein 65-jähriger Mann tragen ebenfalls das Virus, leiden aber nur unter schwachen Symptomen. Das widerspricht der bisherigen Auffassung, dass sich das H5N1-Virus im menschlichen Körper ähnlich aggressiv verhält wie bei Vögeln und schwerste Symptome verursacht.
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H5N1-Virus. (Foto: 2005 nn)
Wie die "New York Times" berichtet, wissen die türkischen Mediziner derzeit nicht, ob sie erstmals Menschen im frühesten Stadium einer Vogelgrippe-Erkrankung sehen oder aber entdeckt haben, dass eine Ansteckung mit dem H5N1-Virus nicht immer zu einer Erkrankung führt.
Erst diese Woche hat das Fachblatt "Archives of Internal Medicine" eine Studie veröffentlicht, der zufolge die Zahl der H5N1-Infektionen unter Menschen in Asien viel höher liegen könnte als bisher geschätzt. Als Grund vermuteten die Autoren ebenfalls, dass eine Infektion mit dem Erreger möglicherweise nicht immer zu einer so schweren Erkrankung führt, dass der Patient im Krankenhaus und damit in den Statistiken landet.
Für Epidemiologen ist das eine äußerst schlechte Nachricht. Sollte das H5N1-Virus tatsächlich leichter als bisher angenommen auf den Menschen überspringen und seltener zu schweren Erkrankungen führen, wäre die Gefahr einer weltumspannenden Seuche noch größer.
Gefahr einer Pandemie gestiegen
"Es spricht vieles dafür, dass das Pandemie-Potential von H5N1 dadurch höher einzuschätzen ist", bestätigt Hans-Dieter Klenk, Professor am Zentrum für Hygiene und Infektionsbiologie der Uni Marburg. Denn wer nicht krank wird oder gar stirbt, kann einen Erreger wesentlich länger mit sich herumtragen und weitergeben. "Zudem hat das Virus dann eine größere Chance, sich zu verändern und dem Menschen anzupassen", sagte Klenk im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Wissenschaftler warnen seit Monaten davor, dass H5N1 durch Mutation oder Vermischung mit einem menschlichen Influenza-Erreger zu einem Supervirus werden könnte, das eine Pandemie mit Millionen von Toten auslöst.Die Gefahr für Deutschland dürfte bereits jetzt gestiegen sein. "Was derzeit in der Türkei geschieht, erinnert stark an das, was in Asien seit Jahren vorgeht", meint Klenk. "Das sind keine sporadischen Ausbrüche. Das Virus könnte sich in der Türkei einnisten." Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftorganisation der Vereinten Nationen. Sie warnte am heutigen Mittwoch davor, dass das H5N1-Virus auch in der Türkei endemisch werden könnte und wie in Asien über Jahre hinweg immer wieder aufflammt, ohne jemals ganz zu verschwinden.
Neue Geflügel-Stallpflicht in Deutschland geplant
"Durch den intensiven Reiseverkehr mit der Türkei steigt die Gefahr, dass das Virus nach Deutschland kommt", erklärt Klenk. Die Bundesregierung sieht das ähnlich und will die Sicherheitsvorkehrungen wieder verschärfen. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer sagte heute in Berlin, man werde höchstwahrscheinlich eine neue Stallpflicht für Geflügel per Eilverordnung erlassen. Die Entscheidung solle noch im Januar fallen, sagte Seehofer.Der Vogelzug sei nach Meinung von Experten jedoch kein großes Problem, sagte der CSU-Politiker. Für das Risiko einer Übertragung der Tierseuche entscheidender sei der illegale Import von Geflügel und Produkten aus den befallenen Regionen, darunter die Türkei und Rumänien.
Seehofer sagte, es helfe hier nur ein verantwortliches Verhalten der Bevölkerung, um die Sache in den Griff zu bekommen. In der EU werde Deutschland darauf drängen, dass die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt würden. Wenn in Deutschland illegale Einfuhren von Geflügelprodukten beschlagnahmt würden, deute das darauf hin, dass an den Außengrenzen zu wenig kontrolliert werde.
Die FAO hat mittlerweile Nachbarstaaten der Türkei, darunter dem Irak, Iran, Syrien, Georgien und Armenien, empfohlen, strenge Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen einzuführen, um eine Einschleppung der Seuche zu verhindern. "Wenn nicht alle Infektionsherde strikt eingedämmt werden, werden noch viel mehr Menschen und Tiere mit H5N1 in Kontakt kommen", sagte FAO-Experte Juan Lebroth.
Die hohe Geschwindigkeit der Vogelgrippe-Verbreitung in der Türkei hat Fachleute in den letzten Tagen vor Rätsel gestellt. Das Land ist das erste außerhalb Ostasiens, das mit H5N1 infizierte Menschen gemeldet hat. Innerhalb nur einer Woche bestätigte die Regierung in Ankara 15 H5N1-Infektionen bei Menschen. In Asien gab es bisher 140 solcher Fälle allerdings verteilt über einen Zeitraum von 5 Jahren.
In der gleichen Woche wurden H5N1-Ausbrüche bei Geflügel in 16 Städten, verteilt über die gesamte Türkei, bekannt. Noch nie hat es bisher innerhalb so kurzer Zeit so viele parallele Ausbrüche bei Tierbeständen gegeben. Derzeit haben Experten keine Erklärung für dieses Phänomen. Sie können nur vermuten, dass es an der gegenüber Asien strengeren Überwachung in der Türkei liegt. [mehr]
[30.09.2005: Die Gefahren der Vogelgrippe (Geflügelpest)] (BSE-Page)
[16.10.2005: Asiatische Geflügelpest erreicht Europa] (BSE-Page)
[20.10.2005: Vogelgrippe Noch ist es eine Tierseuche] (khd-Page)
[06.01.2006: Vogelgrippe der Tod kommt näher] (DER TAGESSPIEGEL)
[07.01.2006: WHO bestätigt H5N1-Todesfälle in der Türkei] (SPIEGEL-ONLINE)
[08.01.2006: Vogelgrippe Das Virus erreicht Istanbul] (SPIEGEL-ONLINE)
[11.01.2006: Mysteriöse H5N1-Fälle beunruhigen Experten] (SPIEGEL-ONLINE)
[13.01.2006: Gefährliche H5N1-Variante in der Türkei angekommen] (SPIEGEL-ONLINE)
[14.01.2006: Vogelgrippe Das Virus mutiert] (BERLINER MORGENPOST)
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