]Künast attackiert Futtermittel-Branche
Hersteller tun, was sie wollen
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 14. Juni 2002, Seite 1 (Politik). Dokumentiert wird hier die Print- Fassung des Artikels. [Original
BERLIN (ce/pet). Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) gibt noch keine Entwarnung im Nitrofen- Skandal. Es dauert noch einige Tage, bis wir alle Warenströme aufgeklärt haben, sagte Künast gestern. Erneut erhob die Ministerin schwere Vorwürfe gegen die Futtermittel- Industrie. Mit ihrer Wagenburg- Mentalität würde diese Branche manchmal tun, wozu sie lustig sei.
Auch bei der Aufklärung des Skandals sei die Zusammenarbeit mit den Futtermittel- Herstellern und dem Landhandel nicht immer einfach. Die Lieferlisten für die möglicherweise verseuchte Getreide habe man den Firmen mühsam entziehen müssen.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, dem Spuk in der Agrar- Industrie
schnell ein Ende zu bereiten. Und notfalls muß eigentlich
wollten wir das ja nicht mehr die gesamte deutsche Futtermittel-
Industrie für eine gewisse Zeit unter Staats- Kuratel gestellt werden.
Denn die freie Marktwirtschaft hat in 20 Jahren nur aufgezeigt, daß
sie nicht in der Lage ist, diese Fehlentwicklung im Sinne der Verbraucher
zu korrigieren.
[14.06.2002: Künast bittet Futtermittelindustrie zur
Kasse]
Im Nitrofen-Skandal hat der niedersächsische
Futtermittel-Hersteller GS agri Widerspruch gegen die vom Land angestrebte
Betriebsschließung eingelegt. Unterdessen gibt es Unklarheit
über eine Zeugenaussage, wonach in dem ehemaligen Malchiner
Pflanzenschutzlager das Gift aus verrosteten Fässern ausgelaufen sein
soll.
HAMBURG. Die frühere Sicherheitsbeauftragte in dem ehemaligen
Malchiner Pflanzenschutzlager, Erika B., bestreitet ausgesagt zu haben,
dass in der Lagerhalle Pflanzengift "aus durchrosteten Fässern"
über Jahre hinweg auf den Hallenboden getropft sei. Der Chef des
Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern, Ingmar Weitemeier, hatte in der
vergangenen Woche unter Berufung auf eine Zeugenaussage von solchen
angeblich undichten Fässern berichtet.
Erika B. erklärte dem SPIEGEL, sie habe davon gesprochen,
dass "zwei oder drei Fässer Korrosionsspuren" aufgewiesen hätten.
Ein Widerspruch ergibt sich auch bei den Aussagen zur Räumung der
Halle im Jahre 1994. Während die Staatsanwaltschaft von 17 Tonnen
Trizilin (Nitrofen) ausgeht, die damals abtransportiert wurden, nennt das
Entsorgungsprotokoll 280 Fässer zu 180 Litern, also 50,4 Tonnen.
Hinweise auf eine Beschädigung der Behälter finden sich in dem
Papier nicht. Fotos der damaligen Giftfässer zeigen ebenfalls keine
auffälligen Rostspuren.
Das Bundesverbraucherministerium hat an die Länder appelliert,
ihre Lebensmittelkontrollen zu verschärfen. In Hamburg und Hessen war
Geflügelfleisch entdeckt worden, das mit Krebs erregenden Nitrofuranen
belastet war.
BERLIN. Die Behörden in den Ländern sollen brasilianische
Geflügelprodukte auf die verbotenen Antibiotika untersuchen, sagte die
Sprecherin des Bundesverbraucherministeriums, Sigrun Neuwerth, heute in
Berlin.
In Hamburg und Hessen waren Nitrofurane hauptsächlich in Geflügel
aus Brasilien beziehungsweise Thailand nachgewiesen worden. Gefunden wurde
die Substanz bereits Ende Mai/Anfang Juni. Neuwerth sagte, das Ministerium
habe keine Veranlassung gesehen, die Angelegenheit publik zu machen, da die
betroffenen Lebensmittel "unschädlich" gemacht worden seien. "Es ging
nicht darum, der Öffentlichkeit etwas zu verschweigen." Man habe nur
nicht vor etwas warnen wollen, was gar nicht da ist [Ed: hm, haben die noch
immer nicht kapiert, daß sie mündigen Bürgern
alles mitzuteilen haben?]. Über die genaue Menge der
betroffenen Lebensmittel konnte die Sprecherin keine Angaben machen.
Laut Bundesverbraucherministerium werden seit dem 27. März nach einem
sofort verwirklichten Beschluss der EU-Kommission alle Garnelen und alles
Geflügelfleisch aus Thailand auf Nitrofurane untersucht. Hintergrund
waren wiederholte Funde der Antibiotika in den Lebensmitteln.
Brasilianische Produkte umfasste der Beschluss nicht.
In Hessen ist mit gesundheitsgefährdenden Nitrofuranen verseuchtes
Geflügelfleisch aus Thailand in den Handel gelangt und verspeist
worden. Nach Angaben des Wiesbadener Sozialministeriums von heute wurden
die Produkte importiert, bevor die EU-Kommission entsprechende Kontrollen
von Geflügel und Shrimps aus Thailand angeordnet hatte. Kontrolleure
hätten dann im Handel noch rund 570 Kilogramm belastetes
Geflügelfleisch aus einer Charge von insgesamt 5 Tonnen gefunden.
Im Verbraucherschutzkrimi sind neue Folgen in Sicht
Eine mediale Meisterleistung, von
Verbraucherschützerin Renate Künast spannend inszeniert: Wie im
Krimi schwärmten Polizisten und Staatsanwälte aus, durchsuchten
Lager und Silos, ein Heer von Analytikern fahndete in Kilotonnen Getreide
und Fleischprodukten nach Spuren von
Nitrofen. Schweigekartelle und kriminelle Futtermischer, die mit
verseuchter Ware harmlose Bioköstler gefährden, wurden enttarnt.
Fast 500 Betriebe wurden geschlossen, der agrarische Norden zitterte.
Schade nur, dass das kunstvolle Drama zur Reinheitserziehung der
Agroindustrie von vielen Zuschauern allzu ernst genommen wurde. Obwohl es
nur um den rituellen Schaukampf gegen ein gesundheitliches Nullrisiko
ging [Ed: wirklich Null?], waren viele Schwangere und Stillende tief
verunsichert: Muss ich abtreiben, vergifte ich mein Baby an der Brust? Das
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz beruhigt sie auf
seiner Internet-Seite, dass "ein
nennenswertes individuelles Schädigungsrisiko nach Verzehr von
belasteten Nahrungsmitteln nicht wahrscheinlich ist". Letzte Zweifel
beseitige ein Arztbesuch: "Ein hoch auflösender Spezialultraschall
kann die normale Entwicklung des Feten bestätigen."
Muttermilchanalysen auf Nitrofen seien "entbehrlich".
Das ist moderner Verbraucherschutz: im Fernsehen tüchtig
Gänsehaut erzeugen, im Internet still besänftigen. Eigentlich
schade, dass Nitrofen so selten ist. Die Fortsetzung des Krimis ist
ernstlich gefährdet. Doch halt, da warnte doch kürzlich der
Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, Brüssel dulde
den Massenimport verseuchter Hähnchen aus Brasilien! Die enthielten
Spuren von Nitrofuranen, krebserregenden Antibiotika. Da hiesige Broiler,
dank Nitrofen weiß es jeder, nach höchstem Reinheitsgebot
gedeihen, gilt es, unfaires Doping der Billigkonkurrenz zu stoppen, und
zwar sofort. Sauberfrau Künast hat schon übernommen, olé!
Doch ach, auch hier droht rascher Erfolg, quasi ein Filmriss, bevor der
Krimi richtig losgeht. Hatten doch unsere pfiffigen Analytiker gerade ein
Nachweisverfahren für Nitrofurane entwickelt, und nun wollen die
Brasilianer es übernehmen. So was untergräbt jede Spannung im
globalen Reinheitsrennen.
Gemach, Liebhaber lebendiger Lebensmitteldramen, wo die Industrie
einknickt, da springt die Natur in die Bresche. Acrylamid heißt der
Dauerbrenner, den schwedische Analytiker auf die Bühne gezaubert
haben. Ein potenter Krebserreger, entsteht beim kräftigen Erhitzen
stärkehaltiger Lebensmittel. Zum Verkosten einige Proben in
Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm: Müslimischung 100, Knäckebrot
400, Kartoffelchips 1500 bis 2000, Bratkartoffeln 270 bis 4500, je nach
Bratschärfe. Kundige Fans spüren: ein brandheißes
Stöffchen. Wer sorgt für das chemiefreie Müsli? Frau
Künast, übernehmen Sie!
Im Streit um Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit
Nitrofen-belastetem Futtergetreide empfiehlt das
Bundesverbraucherministerium den betroffenen Landwirten eine Sammelklage
gegen die Futtermittelverbände.
BERLIN. "Die Bauern müssen sich zusammenschließen",
sagte Verbraucherschutz- Staatssekretär Alexander Müller am
Donnerstag in Berlin. Zunächst appelliere das Ministerium allerdings
erneut an die Hersteller, ihrer Verantwortung gerecht zu werden: "Die
Industrie muss einen Hilfsfonds einrichten."
Die Futtermittelhersteller haben sich in einem ersten Schritt zwar bereit
erklärt, auf eigene Kosten den Landwirten das mit Pestiziden
verseuchte Getreide gegen unbelastetes Futter auszutauschen, teilte
Müller mit. Der Nachrichtenagentur AP sagte er: "Das ist ein erster
Schritt der Industrie, aber kein ausreichender". In der entscheidenden
Frage der Entschädigung schalteten die Futtermittelhersteller, so
Müller, weiterhin auf stur.
Vertreter der beiden Verbände Raiffeisenverband und Deutscher
Verein für Tiernahrung hätten ihre Absicht schon gestern
dem Ministerium mitgeteilt. Der in Aussicht gestellte Austausch
von Futtermitteln sei aber "nur ein Ersatz für mangelnde Lieferung,
nicht für entstandene Schäden".
Ein einzelner Futtermittelbetrieb habe sich sogar darauf festgelegt,
über die von der Versicherung festgelegte Entschädigungssumme
hinauszugehen, sagte Müller. Nähere Angaben wollte er nicht
machen. Die Zahl der Höfe, die wegen möglicher
Nitrofenverseuchung gesperrt sind, nimmt währenddessen ab. Auf
insgesamt 359 von bundesweit zunächst 499 gesperrten Höfen sei
die Sanktion am Dienstagabend noch in Kraft gewesen, sagte Müller.
Derzeit werde "stündlich mit weiteren Entsperrungen gerechnet". Von
ursprünglich gesperrten Betrieben würden etwa 80 %
konventionell und der Rest ökologisch bewirtschaftet.
In Mecklenburg-Vorpommern blieben nach Müllers Angaben bis
Dienstagabend noch 233 der 334 ursprünglich gesperrten Höfen
geschlossen. In Brandenburg seien bis zu diesem Zeitpunkt 19 von 38, in
Sachsen-Anhalt 11 von 12, in Niedersachsen 8 von 59, in Nordrhein-
Westfalen 5 von 12 und in Schleswig- Holstein zwei von 4 Höfen wieder
freigegeben worden. Aus Bayern lagen dem Ministerium keine aktuellen
Zahlen vor. Dort waren insgesamt 47 Höfe von der Sperrung
betroffen.
Im Dezember 1999 und Januar 2000 seien in Malchin 5300 Tonnen so genanntes
Interventionsgetreide gelagert und in der Anlage gereinigt worden. Das
Getreide wurde laut Müller Mitte 2000 in Nicht-EU- Länder
exportiert.
[13.06.2002: Bauern beschuldigen die "Futtermittel-Mafia"]
Der Bio-Boom lockt auch zwielichtige Gestalten ins
Geschäft. Ein Agraringenieur soll riesige Mengen konventionelles
Getreide als Öko-Ware verkauft haben.
Jahrelang entsorgte ein bayerischer Bauer vor den Augen der
Behörden illegal riesige Mengen Giftmüll. Ein Großteil
davon landete auf seinen Äckern.
Der Hotspot liegt mitten im
weißblauen Idyll. Eine schmutzig-braune Stelle aus verkrusteten
Erdklumpen, voller abgestorbener Insekten und deformierter
Pilzgewächse. In der schwülen Sommerhitze klebt der
säuerlichbeißende Gestank nach ranzigem Fett.
Das Flurstück Nummer 658 vor dem Ortsteil Reuth der Gemeinde
Neuendettelsau ist ein totes Stück Boden, dessen Erdreich eher
chemischem Kampfstoff gleicht: Spuren von Anilin, einem Kontaktgift, das
über die Haut eindringen und das Blut zerstören kann, sind ebenso
vorhanden wie das leberzersetzende Lösungsmittel Pyridin, dazu
giftiger Polymerlack und Ameisensäure in 32-prozentiger Konzentration.
Der verdorrte Acker in der fränkischen Provinz ist das Epizentrum
eines Umweltskandals, der seit Wochen den bayerischen Freistaat
erschüttert. Offenbar über Jahre hinweg hatte ein örtlicher
Landwirt nahezu ungestört mehr als 3995 Tonnen Giftmüll
akquiriert, einen Großteil davon auf seinen Feldern verklappt und
damit einen ganzen Landstrich verseucht; die toxische Brühe lieferten
Firmen aus ganz Deutschland an, meist diskret nach Einbruch der
Dämmerung.
Als die kriminelle Entsorgungspraxis aufflog, brach ein Sturm der
Entrüstung los. Besonders Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf
(CSU) sparte nicht mit Empörung über die "Riesensauerei", die
seine "Vorstellungskraft" übertreffe. "Auf übelste Art",
polterte er Anfang Juni, sei hier "Recht grob missachtet" worden.
Dieses Urteil könnte jetzt auf den Minister selbst zurückfallen.
Denn ausgerechnet Schnappaufs bayerische Umweltbürokratie machte den
Giftmüll- GAU offenbar erst möglich. Dank einer unglaublichen
Pannenserie in der Kommunikation zwischen der Abfallbehörde des
zuständigen Ansbacher Landratsamts und dem Landesamt für
Umweltschutz (LfU) in Augsburg konnte aus dem inzwischen verhafteten Bauern
quasi über Nacht und mit behördlichem Segen ein
Großunternehmer in Sachen Gift werden. Jahrelang sahen Beamte weg
und ermöglichten damit erst, dass eine der möglicherweise
größten Umweltkatastrophen der Republik entstehen konnte.
Wären die Auswirkungen nicht so verheerend, würde das Wort Posse
den Fall wohl am ehesten beschreiben. So aber ist es ein handfester
Skandal.
Peter K., 35, ist Landwirt und Geschäftsmann. Ein Franke mit
mäßigem Berufsschulabschluss, gern gesehen bei der freiwilligen
Feuerwehr und beim Bauernstammtisch, trotz seines etwas zu großen
Hangs zum Glücksspiel und zur Geselligkeit, über den im Ort
getuschelt wird. Der Hof seiner Eltern in Neuendettelsau-Reuth läuft
nicht so recht, Schulden drücken auf die morsche Scheune und das
rustikale Bauernhaus mit den Spitzengardinen.
1996 kommt K. die Idee, ins Biogasgeschäft einzusteigen. Die junge
Technologie verspricht Fördermittel und Gewinne eine saubere
Art, Geld zu verdienen. Das Prinzip ist so umweltfreundlich wie effizient:
In einem so genannten Fermenter werden Gülle, Kompost und
natürliche Fette zur Gärung gebracht, das so entstehende Gas
erzeugt Strom fürs öffentliche Netz.
Ohne größere Probleme erhält K. im November 1996 vom
Landratsamt Ansbach die Genehmigung, eine solche Biogasanlage zu bauen. Um
den Reaktor herum muss er ein kleines, gelb verputztes Häuschen
errichten, damit der malerische Dorfkern nicht verschandelt wird. K.
füttert sein Minikraftwerk zunächst ordnungsgemäß mit
Gülle und Grünzeug. Dann kommen dem jungen Landmann
merkwürdige Gedanken: Dem Biobrennstoff will K. plötzlich
Klärschlamm beimischen eine zusätzliche Einnahmequelle,
die satte Entsorgungsgebühren verspricht.
Dafür allerdings benötigt K. eine "immissionsschutzrechtliche
Genehmigung" des Landratsamts und weil er die erforderlichen
Unterlagen nicht vorweisen kann, versickert der Antrag bald im Dickicht des
Behördenverkehrs. Stattdessen kommt dem geschäftstüchtigen
Bauern eine andere Idee. Seit 1993 führt das Bayerische Landesamt
für Umweltschutz eine "Verwerterdatenbank", in der
Entsorgungsunternehmer kostenlos ihre Dienste anpreisen dürfen. Die
Internet-Kartei
dient der deutschen Sondermüll-Branche als Kontaktbörse. Um das
Anmeldeformular herunterzuladen, reicht ein Mausklick.
Anfang 1998 dann, so K., habe er einen Müllmakler aus dem Hessischen
getroffen, der ihm das nötige Verwaltungs-Know-how vermittelte.
Danach geht alles sehr schnell. Beim Ausfüllen des Formblatts
trägt K. zunächst die Giftstoffe ein, die er zu entsorgen
gedenkt, und kreuzt bei der Frage "Ist die Anlage genehmigt?" dreist
einfach das Kästchen "Ja" an. Das scheint den Prüfern im
Ansbacher Landratsamt als Nachweis zu genügen. Eilig schicken sie das
Formular weiter ins LfU. Auf die Idee, den Antrag vorher zu prüfen,
kommen sie nicht eine entsprechende Anweisung aus dem Ministerium
sei damals nicht bekannt gewesen, heißt es heute im Amt.
So trägt der Antrag, der wenig später das LfU erreicht, weder
Stempel noch Unterschrift, was die Augsburger jedoch nicht weiter zu
stören scheint. Für sie gilt der Vorgang als geprüft
schließlich kommt er ja aus der zuständigen
Genehmigungsbehörde. So schicken die Landesbeamten den Akt
zurück nach Ansbach, mit dem Vermerk, dass K. nunmehr in die
"Positivliste" der bayerischen Abfallentsorger aufgenommen sei
für ihn die Eintrittskarte ins lukrative Sondermüllgeschäft.
"Das war kein großes Ding", sagt K.s Verteidiger Manfred Neder heute.
"Schublade auf, Formular raus und ein paar Tage später war die
Bestätigung im Briefkasten. Nicht mal Schmiergeld war nötig."
"Das war ein riesengroßes Missverständnis", entschuldigt
sich Landrat Rudolf Schwemmbauer (CSU) heute. Sein Vorgänger, der den
unglaublichen Vorgang letztlich zu verantworten hat, ist mittlerweile im
Ruhestand und nicht zu sprechen. Vor Schwemmbauers Amtsantritt im Mai
hatte ihm der Parteifreund schon düster prophezeit: "Da wird noch
einiges auf dich zukommen." Und es kam.
Denn mit der unfreiwilligen Hilfe der Behörden, die auch weiterhin
immer nur wegsahen, vergrößerte Landwirt K. nach und nach sein
Entsorgungsrepertoire, offenbar nach Bedarf seiner jeweils neuen
Geschäftspartner. Seit K.s Name in der offiziellen Verwerterkartei
stand, bestürmten ihn Müllmakler wie die Firmengruppe Jakobi mit
Angeboten, die furchterregendsten Stoffe in seiner Biogasanlage zu
verwerten. K. will für seinen Job im Schnitt nur 15 Euro pro Tonne
erhalten haben ein knappes Zwanzigstel des Normalpreises.
Im September 2000 registriert die ministeriale Mülldatenbank in
Augsburg 85 teils hochgefährliche Stoffe, die K. entsorgen darf
unter anderem "Mutterlaugen aus der Herstellung von Pharmazeutika"
und Chemieschlämme. Die Beamten denken sich offenkundig nichts dabei.
Immer häufiger beobachten dagegen K.s Nachbarn Tanklastzüge, die
vor dem beschaulichen Hof in Neuendettelsau stoppen. Wahllos wird in die
Lagertanks gepumpt, was gerade kommt.
Zu K.s Kundschaft gehörten Unternehmen ersten Ranges. Die Lufthansa-
Technik etwa entsorgte "öl-und fetthaltige Reinigungsschlämme",
der Auto-Riese Ford lud rund 100 Tonnen wässriger Suspensionen mit
Farben und Lacken ab und Agfa 140 Tonnen "Lösungsmittel -Wasser-
Gemisch" (SPIEGEL 25/2002).
Agfa-Beauftragte hatten den Gifthof sogar
persönlich besichtigt: Dass K.s "Zwischenlager" nur aus einer
Einfüllklappe direkt neben dem Misthaufen bestand, schien die Herren
nicht zu stören.
Ans Aufbereiten der gefährlichen Stoffe in seiner Biogasanlage dachte
der Landwirt schon lange nicht mehr die toxischen Substanzen
hätten seinen Reaktor gesprengt. Und so wählte K. einen anderen
Entsorgungsweg: War die Betongrube voll, ging es aufs Feld. Aus seinem
grün-weißen Mercedes-Traktor mit angekoppeltem Güllefass,
so der Vorwurf, verspritzte der Bauer die Brühe auf seine Äcker
die daraufhin mal schwarz, mal rot, mal brombeerfarben zu schimmern
begannen. "Das Gras", erinnert sich ein Anwohner, "das abends noch
grün war, war am Morgen nur noch hellgraues, krankes Gestrüpp."
Als Spezialisten im April auf K.s Hof den Deckel des "Fermenter II"
öffneten, bot sich ihnen ein Bild, das ein Ermittler beschreibt als
"Cocktail aus allem, was die organische Chemie hergibt".
Die naive Sorglosigkeit des Landratsamts zeigte sich auch stets, wenn ein
Lieferant seine Ladung in K.s Grube gekippt hatte. Dann meldete er dies
der Behörde in Ansbach. Der Bauer, der den Erhalt des
Sondermülls quittieren musste, tat das Gleiche. Der Job der
Umweltbeamten bestand jetzt nur noch darin, die angegebenen Mengen zu
vergleichen und nachzuschlagen, ob der Abfallcode passte schon ging
der "Entsorgungsnachweis" in die Post.
Niemandem will dabei aufgefallen sein, wie sich das bayerische
Kontrollsystem so jahrelang selbst ad absurdum führte. Auch dann
nicht, als Ende Juli 2001 eine Nachbarin Anzeige erstattete; ihre
Beschwerde über K.s stinkende Giftküche wiegelte ein Inspektor
ab. Er stellte nur "dorftypischen Güllegeruch" fest.
Lediglich einmal drohte der Gift-Tango des Bauern mit den Behörden aus
dem Takt zu geraten. Im Juni 2001 hatte ein Ansbacher Sachbearbeiter das
Umweltministerium angerufen und sich nach dem Sinn einer neuen
BSE-Verordnung erkundigt. "Ganz einfach", antwortete der Ministeriumsmann:
Es solle nur sichergestellt werden, dass nichts Verseuchtes auf die Felder
komme.
Da fiel dem Ansbacher Beamten sein Stammkunde K. ein. Der hatte ja
schließlich auch mit Verseuchtem zu tun. Jetzt plötzlich sollte
K. schriftlich versichern, dass er keinen Unfug damit treibe. "Hiermit
erkläre ich", schrieb K. daraufhin wunschgemäß
zurück, dass "das Lösemittel der Firma Agfa" nicht "auf
landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wird" und der Beamte
war zufrieden.
Nun müssen die Böden um Neuendettelsau entgiftet werden, was wohl
einen zweistelligen Millionenbetrag kosten wird. Minister Schnappauf will
die Kontrollen seiner Behörden verbessern höchste Zeit.
Bei dem Vorhaben könnte Landwirt K., der vor der Staatsanwaltschaft
bislang zu den Vorwürfen schweigt, dem Minister nützliche Tipps
geben in der Untersuchungshaft schreibt er gerade an einer
"Chronologie" seiner Giftmüllkarriere.
Wieder ein Lebensmittelskandal: Rund 2.200 mit einem verbotenem Hormon
belastete Schlachtschweine und bis zu 35 Tonnen Schweinefutter aus den
Niederlanden sind in Deutschland in Umlauf geraten. Ein Teil des
belasteten Fleisches soll bereits verzehrt worden sein.
DEN HAAG/BERLIN. Etwa 1.740 Schlachtschweine sind nach Nordrhein-
Westfalen und je 230 nach Niedersachsen und Rheinland- Pfalz exportiert
worden, teilte eine Sprecherin des Bundesverbraucherschutz- Ministeriums in
Berlin mit. Sie berief sich auf eine Mitteilung des niederländischen
Agrarministeriums vom Donnerstag [4.7.2002]. Der Lieferzeitraum reiche vom
2. Mai bis zum 26. Juni.
Bereits am Dienstag [2.7.2002] habe die EU-Kommission Berlin gewarnt, dass
30 bis 35 Tonnen des mit dem verbotenen synthetischen Hormon Medroxy-
Progesteron- Azetat (MPA) belasteten Futters an einen Schweinemäster
nach Hannover geliefert worden seien, sagte die Ministeriumssprecherin.
Der Betrieb wurde gesperrt. Proben seien genommen worden, Ergebnisse seien
ihr aber noch nicht bekannt.
Der Sprecher des Düsseldorfer Agrarministeriums, Leo Bosten, sagte, im
Mai und Juni seien etwa 1.800 Schweine in nordrhein- westfälischen
Schlachthöfen getötet worden, die aus einem gesperrten
niederländischen Betrieb stammten. "Die ersten Lieferungen sind
sicher schon gegessen", sagte Bosten. Bislang könne nicht mit
Sicherheit gesagt werden, ob auch in den nach NRW gelangten Chargen
tatsächlich das in der Tierzucht eingesetzte Medikament enthalten war.
"Wir versuchen, noch Fleisch im Handel zu entdecken und zu untersuchen."
Die letzten Chargen stammten vom 24. und 26. Juni.
Hormone sind nach Angaben der Berliner Ministeriumssprecherin in der
Tiermast EU-weit verboten. Lebensmittel würden auf Hormone
untersucht. Futtermittel würden dagegen nicht darauf getestet, da
diese Mittel wenn sie denn illegal angewendet werden den
Tieren gespritzt und nicht dem Futter beigemengt würden. Das Medroxy-
Progesteron- Azetat werde zur hormonellen Regelung im Heimtierbereich und
beim Menschen in der Anti-Babypillen- Produktion verwandt.
Der amtierende niederländische Landwirtschaftsminister Laurens
Brinkhorst sagte am Donnerstag im Parlament in Den Haag, ein
Schweinemäster aus der niederländischen Provinz Gelderland habe
am 25. Juni bis zu 35 Tonnen hormon-belastetes Schweinefutter an einen
Betrieb in Nordrhein- Westfalen exportiert. Vier Tage lang seien dort die
Schweine damit gefüttert worden. Erst dann habe der Futterlieferant
den deutschen Mäster auf die Verunreinigung aufmerksam gemacht.
Der niederländische Mastbetrieb gehört nach Brinkhorsts
Darstellung zu 29 Betrieben, die von den Aufsichtsbehörden
überwacht werden, weil bei ihnen MPA im Schweinefutter entdeckt
worden war. [mehr]
Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzministerin Bärbel
Höhn spricht von einem "handfesten Skandal, auf gut Deutsch gesagt
eine Sauerei". Weit mehr hormonverseuchte Schweine sind aus den
Niederlanden nach Deutschland eingeführt worden als bisher
bekannt.
BERLIN/DEN HAAG. Wenige Wochen nach dem Skandal um Nitrofen-
belastetes Getreide ist die Futtermittelindustrie erneut unter Verdacht
mangelnder Kontrollen geraten. Seit [Anfang] Mai wurden knapp 7.000 mit
einem Wachstumshormon belastete Schweine aus den Niederlanden nach
Deutschland verkauft, teilte das Ministerium für Verbraucherschutz
heute in Berlin mit. Am Donnerstag [4.7.2002] hatte es noch
geheißen, es seien lediglich 2.200 gewesen. Auf Grund der geringen
Rückstände sei nicht mit einer Gefährdung der Gesundheit zu
rechnen.
5.686 Tiere seien nach Nordrhein-Westfalen, 1.064 nach Niedersachsen und
230 nach Rheinland-Pfalz geliefert worden. Außerdem gelangten nach
Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums 37 Tonnen
[mit 0,239 mg MPA pro kg] hormonbelastetes Futtermittel an einen Betrieb
[im Weser-Ems-Kreis], der daraufhin gesperrt wurde.
Die Tiere hatten in einem niederländischen Betrieb Mischfutter
bekommen, dem das Hormon MPA (Medroxy- Progesteron- Azetat) beigemengt war.
In Deutschland [und der gesamten EU] ist der Einsatz von Hormonen in der
Tiermast verboten. Das Landwirtschaftsministerium in Den Haag lässt
42 verdächtige Schweinemästereien überwachen. Sie
dürfen keine Tiere schlachten oder exportieren, ohne deren Hormon-
Freiheit nachzuweisen.
"Wieder einmal hat die Futtermittelindustrie bei der Kontrolle geschlampt",
sagte Matthias Berninger (Grüne), Staatssekretär im
Verbraucherschutzministerium. Es müsse so schnell wie möglich
auf Ebene der EU eine Positiv-Liste für die Bestandteile von
Mischfutter geben. Auch der Deutsche Bauernverband kritisierte die
Hersteller der Futtermittel. "Die Bauern sind entsetzt, dass dort immer
noch nicht die nötige Sorgfalt herrscht", sagte ein Mitarbeiter.
Eine Spur führt nach Belgien: Die dortige Lebensmittelaufsicht teilte
mit, dass die Firma Bioland Liquid Sugar im nordbelgischen Arendonk
hormonbelasteten Glucosesirup für die Herstellung von Schweinefutter
verkauft habe [Ed: na, hoffentlich ist dieser Sirup nicht auch in
Getränken wie Coke gelandet]. Bioland ist mittlerweile Pleite
gegangen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Frage, ob das Hormon
absichtlich dem Futter beigemischt worden sei, um fettere Schweine zu
züchten, sei noch offen, sagte Berninger.
Bereits Ende Juni hätten die niederländischen Behörden
darauf hingewiesen, dass in einer Schweinezucht
Fruchtbarkeitsstörungen aufgetreten waren, sagte eine
Ministeriumssprecherin. Zunächst hieß es, dass Tiere aus diesem
Betrieb nach Belgien verkauft worden seien.
Nach Angaben von Nordrhein- Westfalens Verbraucherschutzministerin
Bärbel Höhn (Grüne) sind die Verarbeitungswege des
belasteten Schweinefleisches nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen. Es
gebe zwar genaue Schlachtlisten. Aber das Fleisch werde anschließend
häufig mit dem von anderen Tieren vermengt. Der größte
Teil des Fleisches aus den Niederlanden sei vermutlich längst im Laden
oder verzehrt.
In Niedersachsen sind nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 2
Betriebe bekannt, die belastete Schweine oder Futtermittel erhalten haben.
Die Behörden prüfen nun gezielt Höfe im Grenzgebiet zu den
Niederlanden. In Rheinland- Pfalz wurden die Schweine aus den Niederlanden
nach Angaben des Umweltministeriums am 6. Mai importiert und sofort
verarbeitet. Der betroffene Schlachthof liefere seine Fleischwaren weit
über die Landesgrenzen hinaus.
Das künstlich hergestellte Hormon MPA gilt in der Tierzucht als
Wachstumsförderer. Es unterdrückt den Sexualzyklus und wird in
der Humanmedizin unter anderem bei Wechseljahrsbeschwerden, zur
unterstützenden Behandlung von Brustkrebs und in seltenen Fällen
zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt. [mehr]
6.7.2002 (bse-p). Die belgische Firma Bioland Liquid Sugar im
nordbelgischen Arendonk, die nichts mit dem deutschen
Bioland- Verband zu tun hat,
besaß keine Lizenz zur Produktion von Tierfutter.
Das Ausmaß wird immer größer. Weitere 504 aus den
Niederlanden gelieferte Schweine stehen unter Verdacht, mit
unzulässigen Wachstumshormonen gefüttert worden zu
sein.
BERLIN. Davon seien die deutschen Behörden am Freitagabend
über das europäische Schnellwarnsystem unterrichtet worden,
teilte das Bundesverbraucherschutzministerium heute in Berlin mit. Damit
ist die Gesamtzahl der verdächtigen Schweine auf 7.504 gestiegen.
Verbraucher-Staatssekretär Alexander Müller erläuterte, die
fraglichen 504 Schweine seien von den Niederlanden nach Belgien geliefert
und dort geschlachtet worden. Das Fleisch sei dann nach Nordrhein-
Westfalen (NRW) exportiert worden. Die Behörden dort verfolgten die
Lieferungen nun weiter. Bis Freitag [5.7.2002] war das Ministerium in
Berlin noch von etwa 7.000 Tieren ausgegangen, die in einem
niederländischen Betrieb mit einem Wachstumshormon gefüttert
wurden. Das Futter für die Tiere kam vermutlich aus Belgien.
NRW-Verbraucherministerin
Bärbel Höhn (Grüne) forderte höhere Strafen
für die Täter. "Leute mit krimineller Energie müssen Angst
haben, erwischt zu werden", sagte sie der
Welt am Sonntag.
Verschärfte Geld- und Gefängnisstrafen gegen die persönliche
Verantwortlichen müssten abschreckende Wirkung haben. Zudem verlangte
sie eine erhebliche Ausweitung der EU-weiten Kontrollen.
Der Betrieb, der nichts mit dem deutschen Bioland-Verband zu tun hat, war
bereits im Mai Pleite gegangen. Die Staatsanwaltschaft in Turnhout wirft
den beiden Inhabern vor, sie hätten wissentlich Hormone unter den
Sirup gemischt, obwohl die Verwendung von Hormonen bei der Mast verboten
ist. In Proben, die bei Bioland genommen wurden, konnten Hormone
nachgewiesen werden. Der Betrieb lieferte tonnenweise Sirup an zwei
Abnehmer in den Niederlanden, die daraus Schweinefutter herstellten.
Derzeit stehen mehr als 40 niederländische Schweinemastbetriebe unter
Beobachtung. [mehr]
12.7.2002 (info-radio). Der
Hormon-Skandal weitet sich aus. Inzwischen steht fest, daß Hormon-
Schweine nicht nur nach Deutschland sondern in mindestens 8 Länder
darunter Frankreich (200 Schweine), Großbritannien
(Schweinefleisch), Italien (2000 Schweine) und Spanien (500 Schweine)
exportiert worden sind.
[Wie kam das MPA-Hormon in den
Glucose- Sirup?]
MONTPELLIER. In der Affäre um die Vergabe Tod bringender
Hormone in Frankreich ist das renommierte Institut Pasteur schuldig
gesprochen worden. Zusammen mit der Vereinigung France- Hypophyse sei das
Institut dafür verantwortlich, dass eine in den 80er Jahren mit
Wachstumshormonen behandelte kleinwüchsige Patientin an der
Creutzfeldt-Jakob- Krankheit gestorben sei, entschied das Landgericht in
Montpellier. Die Hinterbliebenen sollen eine Entschädigung von knapp
400.000 Euro erhalten. Es ist das erste Urteil im Skandal um die Vergabe
von Hormonen mit Gewebe aus Hirnanhangdrüsen Verstorbener. Das
Institut Pasteur kündigte Berufung an.
Mit dem Urteil vor dem Zivilgericht in Montpellier wurde den Eltern der vor
einem Jahr gestorbenen Pascale Fachin eine Entschädigungssumme von
340.000 Euro zugesprochen. Darüber hinaus sollen sie zur moralischen
Wiedergutmachung 54.000 Euro erhalten. Auch mehrere Verwandte, die sich um
die Pflege der Frau gekümmert hatten, erhalten Entschädigungen
von einigen tausend Euro.
Die Eltern der Verstorbenen hatten das Verfahren in Gang gebracht, um
aufzuklären, wer für die Vergabe der verseuchten Wachstumshormone
verantwortlich war. Sie wandten sich an ein Zivilgericht, weil vor den
Strafgerichten auch 10 Jahre nach den ersten Klagen kein Verfahren in
Gang gekommen ist.
Pascale Fachin war im Alter von 14 Jahren mit den Hormonen behandelt worden
und mit 30 Jahren an der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit gestorben, die mit dem
Rinderwahnsinn (BSE) verwandt ist. Die Hormonbehandlung sollte der jungen
Patientin einen Wachstumsschub geben. Auf ähnliche Weise wurden
damals mehr als tausend Jugendliche in Frankreich behandelt.
Ein Bericht der Aufsichts- Behörde IGAS deckte Anfang der 90er Jahre
auf, dass die Hormone unter Missachtung aller Hygiene- Vorschriften aus
Hirnanhangdrüsen Verstorbener gewonnen worden waren. Das Gericht in
Montpellier entschied, dass die Verantwortung für die Fehlbehandlung
noch genauer aufgeklärt werden müsse. Die inzwischen
aufgelöste Vereinigung France- Hypophyse war damals für die
Beschaffung der Hirnanhangdrüsen zuständig, das Institut Pasteur
stellte daraus die Wachstumshormone her. Für Februar 2003 wurde ein
weiterer Gerichtstermin anberaumt, bei dem die Aufgabenteilung näher
untersucht werden soll.
BRÜSSEL. Das zunächst nur in Schweinefutter
gefundene verbotene Geschlechtshormon MPA ist von der belgischen
Behörde für Lebensmittelsicherheit nun auch in
Erfrischungsgetränken festgestellt worden.
Niedrige Konzentrationen des Hormons, das auch in Anti-Baby-Pillen
enthalten ist, seien in Sirup- Getränken zweier belgischer Hersteller
gefunden worden, teilte die Behörde heute in Brüssel mit.
Die Europäische Kommission berief eine Sondersitzung des
Lebensmittelausschusses ein. Dabei werde es aber vor allem um
ausführliche Informationen und nicht um Handelsbeschränkungen
gehen, sagte eine Sprecherin von Verbraucherschutzkommissar David Byrne.
Das Hormon ist nach Angaben der EU-Kommission in geringer Konzentration und
bei kurzfristiger Einnahme ungefährlich, steht bei Einnahme in
höheren Dosen oder über einen längeren Zeitraum aber im
Verdacht, zu Unfruchtbarkeit zu führen. In den USA, Australien und
Neuseeland ist es als Wachstumshormon im Tierfutter zugelassen. Innerhalb
der EU ist es verboten.
In Deutschland gingen die Behörden zuletzt von bis zu 7.500
hormonbelasteten Schweinen aus, die aus den Niederlanden und Belgien
importiert wurden. Die belgische Staatsanwaltschaft ermittelt, ob die
Hormonbelastungen von aus Bonbonabfällen hergestelltem Glukosesirup
des inzwischen Pleite gegangenen Unternehmen "Bioland" an der belgischen
Grenze zu den Niederlanden ausgingen. [mehr]
Der EU-Agrarkommissar will die Landwirtschaft reformieren:
Hoffentlich gelingt'sEin Staat im Staat
14.6.2002 (khd). Die Futtermittel- Industrie konnte sich also in
den letzten 20 Jahren mit massiver Unterstützung der Agrar-Lobby zu
einem "Staat im Staat" entwicklen. So ist es dann kaum noch
verwunderlich, daß diese Futtermittel- Mischer durch ihre irrationalen
Tiermehl- Panschereien auch in
Deutschland BSE auslösten.
Und nun den Nitrofen-Skandal. Wir
Bürger, Bauern und Verbraucher dürfen nicht länger die
Arroganz und Ignoranz dieser "Branche ohne Verantwortung" hinnehmen.
N I T R O F E N - S K A N D A L
N I T R O F U R A N
Durchgerostet oder nicht?
Belastetes Hähnchenfleisch bereits verspeist
N I T R O F E N -
S K A N D A L
Nitrofen, ade, Nitrufuran, olé
B I O - L E B E N S M I T T E L
Ministerium empfiehlt Bauern Sammelklage
Auch Erbsen belastet
In der Lagerhalle in Malchin (Mecklenburg-Vorpommern), von der die
Tierfutter- Belastung ausgeht, wurden nach Angaben Müllers inzwischen
auch Erbsen mit Nitrofen- Rückständen gefunden. Das Ministerium
hat geringe Ablagerungen auch in Filterstäuben einer
Getreide-Reinigungsanlage in Mecklenburg- Vorpommern entdeckt. Man
müsse jetzt die "Sekundärkontamination" verfolgen und weitere
Lagerorte untersuchen, erklärte Müller.
[14.06.2002: Künast bittet Futtermittelindustrie zur Kasse]
U M W E L T
Saubere Fassade
N I E D E R L A N D E
Cocktail aus Chemie
H O R M O N - S K A N D A L
Hormonbelastete Schweine nach Deutschland geliefert
H O R M O N - S K A N D A L
7.000 belastete Schweine importiert
Noch mehr Hormonfleisch aus Holland entdeckt
Dimension nicht abzusehen
Die Dimension des Falles ist nach den Worten von Staatssekretär
Müller noch unklar. Wir erwarten in der kommenden Woche Aussagen der
zuständigen belgischen und niederländischen Behörden, ob
noch mit weiteren Verfütterungen und damit möglichen weiteren
Lieferungen nach Deutschland zu rechnen sei", sagte Müller. Er
verlangte, die kriminelle Abfallverwertung von nährstoffhaltigen
Reststoffen aus der Industrie endlich zu stoppen.Belgische Tierfutter-Firma ohne Zulassung
Unterdessen wurde bekannt, dass die in den Skandal verwickelte belgische
Firma Bioland keine Zulassung für die Herstellung von Tierfutter
hatte. Einer der beiden Inhaber wurde am Freitagabend festgenommen. Nach
belgischen Presseberichten vom Samstag war der belgische Betrieb nur zur
Verwertung von medizinischen Abfällen und solchen aus der
Süßwarenwarenindustrie berechtigt. Die flämische Zeitung
De Morgen berichtete, auch
Getränkehersteller hätten von der Firma in Arendonk (Provinz
Antwerpen) Zuckersirup gekauft.
Institut Pasteur in Hormon-Affäre schuldig
Aus: Yahoo-News,
9. Juli 2002, 13.46 Uhr (Schlagzeilen).
[Original]
Pillen-Hormon in belgischen Getränken gefunden
Aus: Yahoo-News,
9. Juli 2002, 14.43 Uhr (Politik).
[Original]
]Das Tier [Ed: und der Mensch]
eine Müllkippe
Als der damalige Umweltminister Klaus Töpfer die Kreislaufwirtschaft erfand, hat er nicht an die Landwirtschaft gedacht. Die aber nahm seine Idee wörtlich. Rindern Tiermehl in den Trog zu schütten, schien den Bauern die ideale Umsetzung des Kreislaufgedankens zu sein [Ed: oder es wurde ihnen wohl von Funktionären eingeredet]. Und bis heute gilt die Regel: Sondermüll gibt es nicht er lässt sich ja im Tiermagen entsorgen. Diesem Prinzip gehorcht der Dioxin- Skandal, der vor 3 Jahren Belgien erschütterte. Dem selben Muster folgt der aktuelle Hormonskandal der Niederlande. Die Hormone waren von Irland als Industriemüll in einen Betrieb an der niederländisch- belgischen Grenze geliefert worden, der ihn als Viehfutter weiterverkaufte, sattt ihn zu entsorgen.
Der Skandal kommt dem EU-Agrarkommissar, Franz Fischler, ziemlich gelegen. Ist er doch ein weiterer Beleg dafür, wie dringend die europäische Landwirtschaft weitere Reformen braucht. Doch nicht nur die immerwährende Kette von Lebensmittel- Skandalen beweist die Notwendigkeit von Veränderungen. Auch die Ost- Erweiterung der Europäischen Union und die neue Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation [WTO] erhöhen den Reformdruck. Eine Erkenntnis, die den Agrarkommissar aus Österreich vorbereitet trifft.. Deshalb ist es auch nur für Lobbyisten überraschend, dass Franz Fischler heute weitreichende Reformvorschläge zur Halbzeitbilanz der Agenda 2000 vorlegt. In der Agenda 2000 sind die agrarpolitischen Grundsätze der EU bis 2006 vereinbart worden.
Fischlers Ideen sind für europäische Verhältnisse fast schon revolutionär. Er lässt sich nicht mehr darauf ein, den Verteidiger angestammter Besitzstände zu geben. Im Gegenteil: Der Agrarkommissar geht den Landwirten an den Geldbeutel. Nicht mehr Masse wird belohnt. Nur wer umweltverträgliche Lebensmittel erzeugt, bekommt noch Subventionen. Zudem nimmt der Kommissar den großen Betrieben direkt Geld weg, um es in die zweite Säule der EU-Agrarpolitik umzuleiten. Aus diesen Mitteln wird die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen auf dem Land gefördert. Derzeit sind dies lediglich 10 % der rund 44 Milliarden Euro, die Brüssel jährlich für die Landwirtschaft ausgibt.
Mit dieser maßvollen Umverteilung will sich Fischler aber nicht zufrieden geben. Er will eine Subventionsobergrenze für Großbetriebe einführen. Mehr als 300.000 Euro pro Jahr soll kein Hof mehr überwiesen bekommen. Allerdings können die Betriebe diesen Betrag erhöhen, indem sie mehr Leute beschäftigen. Dahinter steckt nicht ein sozialer Gedanke. Das nützt vor allem ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Auf Öko- Höfen fällt mehr Arbeit an als auf konventionell bewirtschafteten.
Sollte sich Fischler durchsetzen, heißt das jedoch noch nicht, dass die Skandale um Hormone und anderes sofort aufhören. Aber sie könnten seltener werden. Denn gefördert würde nur noch eine Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel mit gesunden Tieren in einer intakten Landschaft erzeugt.
Für die deutsche Verbraucherschutzministerin Renate Künast sind Fischlers Reformvorschläge eine willkommene Wahlkampfhilfe. Sie ist seine wichtigste Mitstreiterin, nachdem die Franzosen erneut eine konservative Regierung gewählt haben, die sich gegen Agrarreformen sperrt. Allerdings wird sich die französische Regierung den Veränderungen nicht dauerhaft entziehen können. Nach der Ost- Erweiterung gehört Frankreich zu den Nettozahlern. Spätestens dann wird sich in Paris die Erkenntnis durchsetzen, dass das System unbezahlbar geworden ist. Renate Künast und Jaques Chirac wollen eigentlich das Gleiche. Der französische Staatspräsident hat es nur noch nicht bemerkt.
Hormonsirup in Rheinland-Pfalz entdeckt
Rund 60.000 Liter Glukosesirup der in den Hormonskandal verwickelten belgischen Firma Bioland Liquid Sugars sind nach Rheinland-Pfalz geliefert worden. Damit hat es insgesamt 4 verdächtige Lieferungen nach Deutschland gegeben.
Aus: Spiegel-Online, Hamburg, 11. Juli 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BERLIN/MAINZ. Der Sirup sei sichergestellt und werde auf das Hormon Medroxy-Progesteron-Azetat (MPA) untersucht. Das teilte das Umweltministerium in Mainz heute mit. Die Ware sei in 2 Lieferungen am 18. April und am 6. Mai dieses Jahres von Nordrhein- Westfalen über einen Zwischenlieferanten nach Rheinland- Pfalz gelangt und noch nicht verarbeitet worden. Untersuchungsergebnisse über eine mögliche Hormonbelastung seien frühestens Anfang nächster Woche zu erwarten. Der Vorwurf gegen die belgische Firma Bioland lautet, dass sie billig pharmazeutische Abfälle entsorgt hat, indem sie die Rückstände in den Zuckersirup kippte. Kostenloses Endlager Mensch.
Angesichts des sich ausweitenden Skandals warnte NRW- Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn (Grüne) vor langfristigen Gefahren durch Hormone in Lebensmitteln. Im WDR erklärte sie, im aktuellen Fall der möglicherweise mit dem Hormon belasteten Getränke oder Fleischprodukte sei zwar keine massive Gefährdung zu erwarten. "Nur ich sage mal: Die Summe der Hormon- Einträge, die wir in den letzten Jahren beobachten bei uns, die ist schon dramatisch." Der Futterskandal sei immerhin nur aufgefallen, weil die Sauen keine Ferkel mehr bekommen haben [Ed: im Klartext die amtliche Lebensmittel- Kontrolle hat wieder einmal kläglich versagt]. "Und auch die Zeugungsfähigkeit der Westeuropäer geht ja zurück", sagte Höhn. Insofern sei eine Langfrist- oder Negativ- Wirkung schon da.
Bundesministerin Renate Künast (Grüne) forderte eine einheitliche europäische Futtermittel- Regelung. "Wir brauchen endlich eine europäische Regelung, auf der klar steht: Es darf im Futtermittel nur drin sein, was auch ausdrücklich erlaubt ist", sagte sie heute im ZDF. Weiterhin seien verstärkte Kontrollen nötig. Der Futtermittelbereich sei einer der schärfsten Bereiche, in denen Wirtschaftskriminalität begangen wird und zwar eine Kriminalität, die nicht nur finanziell, sondern die tatsächlich der Gesundheit der Menschen schadet, sagte Künast.
Scharfe Kritik an den Machenschaften der belgischen Firma Bioland Liquid Sugars übte der Bund für Lebensmittelrecht- und Lebensmittelkunde (BLL). "Wenn jemand pharmazeutische Abfälle illegal in die Lebensmittelkette einschleust, erfüllt das jeden verantwortlichen Unternehmer der Branche mit Abscheu", sagte BLL-Hauptgeschäftsführer Matthias Horst. Auch er plädierte im Bereich der Lebens- und Futtermittelsicherheit für ein gleich hohes Niveau in der Europäischen Union.
Die belgische Bioland soll nach Angaben der belgischen Behörden mit dem Hormon verunreinigten Zuckersirup an mehrere deutsche Unternehmen geliefert haben. Das brandenburgische Landwirtschaftsministerium hatte gestern eine Sirup- Lieferung an einen Getränkehersteller vom Mai 2001 bestätigt. Ob der Sirup mit Hormonen belastet war konnte nicht nachgewiesen werden, weil er aufgebraucht worden ist. Weitere 27 Tonnen Glukosesirup sind im Dezember 1999 an einen Betrieb in Rheinland- Pfalz gegangen, der im Auftrag einer Firma aus Baden- Württemberg Apfelweinprodukte herstellte. Auch hier konnte bislang nicht festgestellt werden, ob der Sirup hormonbelastet war. In Bayern werden derzeit nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums noch Proben untersucht. [mehr]
12.7.2002 (info-radio). Im deutschen Lebensmittelrecht werden künftig Unternehmen verpflichtet, bei internen Kontrollen entdeckte Rückstände sofort den zuständigen Behörden zu melden. Bislang genügte in solche Fällen eine stille Rückrufaktion. Das Publikum sollte nichts bemerken, und die Behörden wollten es offensichtlich gar nicht so genau wissen.
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